Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 10. Mai 2005
Aktenzeichen: 5 U 133/03

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 10.05.2005, Az.: 5 U 133/03)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers zu 3 wird das am 17. Januar 2003 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Der Beklagte zu 2 wird verurteilt, an den Kläger zu 3 € 9.881,30 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr seit dem 15. März 2001 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von 180 Aktien der €A€ (WKN ...) zu zahlen.

Die Berufungen der Kläger zu 1 und 2 gegen das vorgenannte Urteil werden zurückgewiesen.

Den Klägern werden vorab die durch die Anrufung des Landgerichts München I entstanden Mehrkosten auferlegt.

Die übrigen Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen verteilen sich wie folgt:

Von den Gerichtskosten haben der Kläger zu 1 29 %, der Kläger zu 2 34 % und der Beklagte zu 2 37 % zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1 und 2 tragen diese selbst, diejenigen des Klägers zu 3 fallen dem Beklagten zu 2 zur Last.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 haben der Kläger zu 1 45 % und der Kläger zu 2 55 % zu tragen. Diejenigen des Beklagten zu 2 fallen zu 29 % dem Kläger zu 1 und zu 34 % dem Kläger zu 2 zur Last; 37 % seiner außergerichtlichen Kosten hat der Beklagte zu 2 selbst zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Kläger, die Aktien der A auf dem Sekundärmarkt erworben haben und diese weiterhin halten, machen gegen die Beklagten aus verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten Ansprüche auf Ausgleich erlittener Verluste in Folge des Aktienerwerbs Zug um Zug gegen Rückgabe ihrer Aktien geltend.

Die Beklagte zu 1 ist in die Rechtsstellung der A eingerückt, die mit Wirkung vom 21. April 2004 auf die B verschmolzen wurde, die nunmehr als C firmiert.

Die Aktien der A (im Folgenden: Beklagte zu 1.) wurden seit dem 30. Oktober 1997 an der Frankfurter Wertpapierbörse mit Zulassung zum Geregelten Markt und Notierung im Neuen Markt gehandelt. Der Beklagte zu 2 war ihr Hauptaktionär und bis zum 25. Juli 2001 Vorsitzender des Vorstands der Beklagten zu 1. Seit Mitte 1999 hielt er etwa 62,5 Mio. Aktien der Beklagten zu 1. Sein Bruder ... D war als Finanzvorstand der Beklagten zu 1 tätig.

Nachdem die Hauptversammlung der Beklagten zu 1 vom 22. Juli 1999 beschlossen hatte, den Vorstand zu ermächtigen, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Grundkapital um bis zu € 10.862.500,- durch Ausgabe neuer Aktien zu erhöhen, und der Vorstand von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht hatte, bot ein Bankenkonsortium unter Führung der E...-bank und der F in der Zeit vom 25. Oktober 1999 bis zum 8. November 1999 die jungen Aktien öffentlich zur Zeichnung an. Das Angebot bezog sich auf zunächst 9.462.500 Aktien und wurde um weitere 1.400.000 Aktien im Hinblick auf eine dem Konsortium gewährte Mehrzuteilungsoption erhöht.

Nach Ablauf der Zeichnungsfrist wurden die 9.462.500 Aktien am 11. November 1999 zum Geregelten Markt mit Handel im Neuen Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassen und ab dem 12. November 1999 gehandelt. Die weiteren 1.400.000 Aktien aus der Mehrzuteilungsoption wurden am 2. Dezember 1999 zugelassen und ab dem 3. Dezember 1999 gehandelt. Sämtliche Aktien wurden vor Handelsaufnahme gezeichnet. Der Ausgabekurs der neuen Aktien belief sich auf € 45,-.

Dem Angebot lag ein Verkaufsprospekt zu Grunde, in dem auf Seiten 1 und 96 mitgeteilt wurde, dass eine so genannte €Lock-up-Abrede€ dahin bestehe, dass es dem Beklagten zu 2 und ... D untersagt sei, innerhalb einer Sperrfrist von sechs Monaten ab dem Tag der Aufnahme der neuen Aktien in den Handel eigene Aktien zu veräußern, wenn nicht die konsortialführenden Banken zuvor ihre schriftliche Zustimmung erteilt hatten.

Der Prospekt gab eine entsprechende Passage aus dem Emissionsvertrag (€Underwriter Agreement€) wieder, der zwischen den Mitgliedern des Bankenkonsortiums, den Beklagten und ... D geschlossen worden war und in dessen Artikel 18 bestimmt war: €and no other person shall acquire or have any right under or by virtue of this Agreement€ (€und keine andere Person soll Rechte unter oder auf Grund dieses Vertrages haben oder erwerben€).

Unter Verstoß gegen die Lock-up-Abrede veräußerte der Beklagte zu 2 außerbörslich an einen privaten Investor am 16./17. Februar 2000 200.000 Aktien zu einem Preis von ca. 40 Mio. DM, was im Dezember 2000 durch Presseberichte bekannt wurde.

Im ersten Halbjahr 2000 investierte die Beklagte zu 1 in großem Umfang in Unternehmungsbeteiligungen. Sie erwarb sämtliche Anteile an der US-amerikanischen G ... (G) und an der H ... (H). Die H hielt 50 % der Anteile an der J, die ihrerseits Inhaberin der Verwertungsrechte an der Rennsportserie Formel 1 war. Die übrigen 50 % der Anteile an der J hielt die L ..., die M und seiner Familie zugeordnet war. Der Kaufpreis setzte sich zusammen aus USD 712,5 Mio. in bar und über 10 Mio. Aktien der Beklagten zu 1. Darüber hinaus erbrachte die Beklagte zu 1 Zahlungen von USD 30 Mio. an M (sog. €signing bonus€). Vereinbart war ferner eine Verkaufsoption zu Gunsten der L ... über weitere 25 % der Anteile an der J ab 31. Mai 2001. Über den Vertragsschluss gab die Beklagte zu 1 eine Ad-hoc-Mitteilung vom 22. März 2000 heraus, auf deren Inhalt verwiesen wird (Anlage K4 zum Schriftsatz der Kläger vom 1. Oktober 2001). In der Mitteilung wurden die Verkaufsoption für weitere 25 % und der sog. €signing bonus€ nicht erwähnt.

Am 24. August 2000 gab die Beklagte zu 1 eine Ad-hoc-Mitteilung zu ihren Halbjahreszahlen bekannt (Anlage K 5 zum Schriftsatz der Kläger vom 1. Oktober 2001), in der zu allen Kennwerten, insbesondere zum EBIT (€Earnings before Interest and Taxes€) und EBITDA (€Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization€), eine deutliche Verbesserung angezeigt wurde. Die mitgeteilten Werte waren allerdings auf unrichtiger Grundlage ermittelt, weil die G und die J bereits ab Jahresanfang einbezogen worden waren, obgleich dies erst ab Anteilserwerb zulässig war.

Durch Ad-hoc-Meldung vom 9. Oktober 2000 (Anlage K 6 zum Schriftsatz der Kläger vom 1. Oktober 2001) gab die Beklagte zu 1 deshalb klarstellende Hinweise heraus.

Ungeachtet dessen erklärte ... D in seiner Funktion als Finanzvorstand bei einer Neuer-Markt-Konferenz am 23. Oktober 2000, dass er für das Jahr 2000 weiterhin mit einem Umsatz von DM 1,6 Mrd. und einem EBIT von DM 600 Mio. bei der Beklagten zu 1 rechne.

Am 27. Oktober 2000 verkaufte ... D 400.000 Aktien der Beklagten zu 1 zum Kurs von € 38,50 und erzielte einen Verkaufserlös von DM 34,1 Mio.

Am 1. Dezember 2000 gab die Beklagte zu 1 in einer nachbörslichen Ad-hoc-Mitteilung bekannt, dass das EBIT des Unternehmens nur ca. DM 50 Mio. (statt geplanter DM 525 Mio.) betragen werde.

Der Kurs der Aktie der Beklagten zu 1, der im Februar 2000 auf einen Höchststand von ca. € 115,- gestiegen war, fiel bis Oktober 2000 auf Werte um € 60,-. Sie verlor danach stark an Wert und sank schließlich, insbesondere auch auf Grund der Gewinnwarnung vom 1. Dezember 2000, bis auf wenige Euro ab. Wegen der Einzelheiten des Kursverlaufs wird auf Bl. 56 d. A. Bezug genommen.

Der Kläger zu 1 erwarb am 28. März 2000 82 Aktien der Beklagten zu 1 zum Kurs von € 92,90, d.h. zum Kurswert von DM 14.899,12. Zuzüglich DM 148,99 Provision, DM 11,92 Courtage und DM 3,42 Börsenspesen wurde er mit DM 15.063,45 belastet (Bl. 89 d. A.).

Der Kläger zu 2 erwarb am 29. März 2000 100 Aktien der Beklagten zu 1 zum Kurs von € 91,-, d.h. zum Kurswert von DM 17.798,05. Zuzüglich DM 177,98 Provision, DM 14,24 Courtage und DM 3,42 Börsenspesen wandte er insgesamt DM 17.993,69 auf (Bl. 90 d. A.).

Der Kläger zu 3 kaufte am 30. August 2000 180 Aktien der Beklagten zu 1 zum Kurs von € 54,30, d.h. zum Kurswert von DM 19.116,28. Zuzüglich DM 191,16 Provision, DM 15,29 Courtage und DM 3,42 Börsenspesen wurde er mit DM 19.326,15 belastet (Anlage K 3 zum Schriftsatz der Kläger vom 19. Februar 2001).

Die Kläger zu 1 und 2 haben die Beklagten u.a. aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Börsenprospekthaftung in Anspruch genommen. Sie haben vorgetragen, die Aktien auf Grund des Börsenprospekts erworben zu haben, der unrichtig gewesen sei. Der Beklagte zu 2 habe die Sperrfrist nicht eingehalten und 200.000 Stück eigener Aktien verkauft, wodurch auch die Angabe über die Beteiligungsverhältnisse im Prospekt unrichtig geworden sei. Diese wesentliche Veränderung habe die Beklagten verpflichtet, einen Nachtrag zum Prospekt zu veröffentlichen.

Alle Kläger haben den Beklagten zu 2 auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Sie haben sich auf einen Anspruch aus einem Vertrag zugunsten Dritter gestützt, den sie darin erblickt haben, dass die Vereinbarung über die Sperrfrist im Emissionsvertrag und die Bestimmung im Börsenprospekt anlegerschützenden Charakter habe. Darüber hinaus bestünden deliktische Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit §§ 15, 39 WpHG und mit § 400 Abs. 1 AktG sowie aus § 826 BGB. Die Tathandlungen lägen darin, dass der Beklagte zu 2 noch wenige Wochen vor der Gewinnwarnung vom 1. Dezember 2000 öffentlich von einem EBIT von DM 525 Mio. gesprochen und ... D an den ursprünglichen Zahlen festgehalten habe, obgleich sie gewusst hätten oder hätten wissen müssen, dass die Vorgaben nicht mehr erreichbar gewesen seien. Dies sowie das Unterlassen einer früheren Ad-hoc-Mitteilung sei geschehen, um den Wert der Aktien im Hinblick auf weitere eigene Veräußerungsgeschäfte positiv zu beeinflussen.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu 2 zu verurteilen, an den Kläger zu 1 einen Betrag von DM 15.063,45 zuzüglich der gesetzlichen Zinsen vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit an Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von 82 Aktien der €A€ (Wertpapierkenn-Nr. ...) zu zahlen, davon in Höhe von DM 7.381,34 als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1, im übrigen als Alleinschuldner,

den Beklagten zu 2 zu verurteilen, an den Kläger zu 2 einen Betrag von DM 17.993,69 zuzüglich der gesetzlichen Zinsen vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit an Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von 100 Aktien der €A€ (Wertpapierkenn-Nr. ...) zu zahlen, davon in Höhe von DM 8.996,87 als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1, im übrigen als Alleinschuldner,

den Beklagten zu 2 zu verurteilen, an den Kläger zu 3 einen Betrag von DM 19.326,15 zuzüglich der gesetzlichen Zinsen vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit an Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von 180 Aktien der €A€ (Wertpapierkenn-Nr. ...) zu zahlen,

jeweils mit der Maßgabe, die eingeklagten Beträge in Euro auszuurteilen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben eine Haftung weder aus Börsenprospekthaftung noch aus unerlaubter Handlung für gegeben gehalten. Der Prospekt sei nicht unrichtig gewesen, eine Aktualisierungspflicht habe nicht bestanden.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Nachdem das zunächst angerufene Landgericht München I die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgetrennt und den Rechtsstreit insoweit zuständigkeitshalber an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen hatte (Landgericht Frankfurt 3/7 O 50/01), hat das Landgericht München I den dort verbliebenen Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 2 ebenfalls an das Landgericht Frankfurt verwiesen (Landgericht Frankfurt 3/7 O 292/01). Das Landgericht Frankfurt hat die beiden Verfahren unter Führung des Verfahrens 3/7 O 50/01 im Wege der Verbindung wieder zusammengeführt.

Die erste Instanz hat die Klagen abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Prospekt sei bei Aufnahme des Handels nicht unrichtig gewesen; eine Aktualisierungspflicht habe aus Rechtsgründen nicht bestanden. Ein Anspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter scheitere jedenfalls daran, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Verlauf ein anderer gewesen wäre, wenn der Aktienverkauf unterblieben wäre. Unterlassene oder unvollständige Angaben nach Einführung der Aktien begründeten keine Haftung, weil § 15 WpHG kein Schutzgesetz sei und es für die §§ 823 Abs. 2 BGB, 400 AktG, § 826 BGB an notwendigen Voraussetzungen fehle. Für die Ad-hoc-Mitteilung vom 25. März 2000 sei nicht nachgewiesen, dass das Fehlen der Angaben ursächlich für den Erwerb geworden sei. Für die unzutreffende Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 sei ein Vorsatz des Beklagten zu 2 nicht festzustellen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (Bl. 250- 262 d. A.)

Nach Erlass dieses Urteils hat das Landgericht München I am 8. April 2003 den Beklagten zu 2 und ... D wegen unrichtiger Darstellung in der Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 gemäß § 88 BörsG a. F., §§ 20a Abs. 1 Nr. 1, 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG n. F., § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG zu Geldstrafen verurteilt. Auf das Strafurteil wird Bezug genommen (Bl. 348 - 400 d. A.). Das Urteil ist zwischenzeitlich rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Angeklagten durch Urteil vom 16. Dezember 2004 - 1 StR 420/03 - (WM 2005, 227 - 233) verworfen. Das den Parteien bekannte Urteil lag in der mündlichen Verhandlung vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung (Bl. 491 - 497 d. A.).

Mit der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main verfolgen die Kläger ihre bisherigen Anträge weiter.

Die Kläger zu 1 und 2 halten daran fest, dass ihnen gegen beide Beklagte Ansprüche aus Börsenprospekthaftung zustünden, weil sie die gebotene Aktualisierung des Prospektes im Hinblick auf die Haltevereinbarung und den Erwerb der H-Anteile unterlassen hätten. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht außerdem nicht beachtet, dass sie gegen die Beklagte zu 1 Ansprüche aus § 37b WpHG n. F. bezüglich der in den Punkten €signing bonus€ und €Put-Option€ unvollständigen Ad-hoc-Mitteilung vom 25. März 2000 hätten.

Den Klägern zu 1. und 2. stünden ferner gegen den Beklagten zu 2 hinsichtlich der Ad-hoc-Mitteilung vom 25. März 2000 Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 88 BörsG (§ 20a WpHG n. F.) und in Verb. mit § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG sowie aus § 826 BGB zu.

Der Kläger zu 3 habe Ansprüche gegen den Beklagten zu 2 wegen der unrichtigen Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 (Halbjahreszahlen) aus § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 1. Alt. WpHG und in Verb. mit § 400 Abs. 1 AktG sowie aus § 826 BGB. In Bezug auf diese Mitteilung trägt der Kläger zu 3 in zweiter Instanz neu vor, dass in die Halbjahreszahlen nicht nur unzulässigerweise Zahlen der G, sondern auch solche der J und aus dem Junior-Vertrag eingearbeitet worden seien, was der Beklagte zu 2 gewusst und gebilligt habe. Diese Tatsachen habe er erst aus dem ihm am 11. Juli 2003 zugegangenen Strafurteil erfahren und deshalb nicht eher vorbringen können.

Die Kläger vertreten den Standpunkt, dass im Bereich der haftungsbegründenden Kausalität eine Umkehr der Beweislast anzunehmen sei bzw. eine Vermutung dafür spreche, dass sie die Papiere ohne die falschen oder unterlassenen Angaben nicht erworben hätten. Dass sie sich maßgeblich auf Grund des Firmenerwerbs bzw. auf Grund der Veröffentlichung vom 24. August 2000 zum Erwerb entschlossen hätten, werde in das Wissen ihres Anlageberaters gestellt, den das Landgericht zu Unrecht nicht vernommen habe.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. Januar 2003, Az. 3/7 O 50/01,

1. den Beklagten zu 2 zu verurteilen, an den Kläger zu 1 einen Betrag in Höhe von € 7.701,82 zuzüglich der gesetzlichen Zinsen vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit an Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von 82 Aktien der €A€ (WKN ...) zu zahlen, davon in Höhe von € 3.774,02 als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1, im Übrigen als Alleinschuldner,

2. den Beklagten zu 2 zu verurteilen, an den Kläger zu 2 einen Betrag in Höhe von € 9.200,03 zuzüglich der gesetzlichen Zinsen vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit an Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von 100 Aktien der €A€ (WKN ...) zu zahlen,

davon in Höhe von € 4.600,03 als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1, im Übrigen als Alleinschuldner,

3. den Beklagten zu 2 zu verurteilen, an den Kläger zu 3 einen Betrag in Höhe von € 9.881,30 zuzüglich der gesetzlichen Zinsen vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit an Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von 180 Aktien der €A€ (WKN ...) zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil als im Ergebnis zutreffend und treten dem ergänzenden Vorbringen der Kläger entgegen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird ergänzend auf die Schriftsätze der Kläger vom 16. Juli 2003 (Bl. 320 - 347 d. A.), 15. Dezember 2004 (Bl. 462 - 472 d. A.) und 31. Januar 2005 (Bl. 480 - 483 d. A.), der Beklagten zu 1 vom 24. Juni 2004 (Bl. 418 - 426 d. A.) und 20. Januar 2005 (Bl. 473 - 479 d. A.) sowie des Beklagten zu 2 vom 30. Juni 2004 (Bl. 445 - 460 d. A.) und 26. Januar 2005 (Bl. 484 d. A.) Bezug genommen, ferner auf die nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten zu 1 vom 11. März 2005 (Bl. 519 - 525 d. A.) und des Beklagten zu 2 vom 15. März 2005 (Bl. 530 - 531 d. A.). Die Kläger haben noch einen Schriftsatz vom 21. März 2005 (Bl. 532 d. A.) zur Akte gereicht.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat Herr N den Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten zu 1 (A) erklärt (Bl. 514 d. A.).

II.

Die Berufung der Kläger ist zulässig, jedoch hat sie nur in Ansehung des Klägers zu 3 in der Sache Erfolg.

A.

Die Berufung des Klägers zu 3 ist begründet, weil nach § 529 ZPO in zweiter Instanz zu Grunde zu legende Tatsachen eine abweichende Entscheidung rechtfertigen.

Der Kläger zu 3 hat gegen den Beklagten zu 2 einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB.

Ob ihm ein derartiger Anspruch auch gegen die Beklagte zu 1 zustünde, ist vom Senat nicht zu prüfen, weil der Kläger zu 3 die Beklagte zu 1 nicht verklagt hat. Die vom Kläger zu 3 erhobene Klage wird durch den Antrag bestimmt, der sich in beiden Instanzen eindeutig nur gegen den Beklagten zu 2 gerichtet hat. In dieser Form hat ihn der sich selbst vertretende Kläger zu 3 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 15. Februar 2005 unverändert gestellt.

Zwar haben die Kläger im Schriftsatz vom 15. Dezember 2004 ausgeführt, dass €alle drei Kläger€ auch einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 aus § 826 BGB in Verb. mit § 31 BGB hätten. Aus dieser Äußerung zur Rechtslage war jedoch nicht zu entnehmen, dass der Kläger zu 3 seine Klage in zweiter Instanz auf eine bislang nicht im maßgeblichen Prozessrechtsverhältnis beteiligte Partei erweitern wollte. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen unter Buchstabe B des Schriftsatzes vom 31. Januar 2005.

Der Beklagte zu 2 haftet dem Kläger zu 3 nach § 826 BGB auf Schadensersatz, weil er ihm durch bewusst unrichtige Herausgabe von Halbjahreszahlen am 24. August 2000 in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt hat.

§ 826 BGB wird durch § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG, der Schutzgesetz im Sinne von 823 Abs. 2 ZPO ist (BGH, Urt. v. 19. Juli 2004 - II ZR 218/03, NJW 2004, 2664, 2665 unter II 4 a; BGH, Urt. v. 17. September 2001 - II ZR 178/99, BGHZ 149, 10, 20 = NJW 2001, 3622, 3624 unter I 4), tatbestandlich nicht ausgeschlossen. Durch Sondergesetze wird § 826 BGB nur dann verdrängt, wenn diese für den geregelten Tatbestand eindeutig den allgemeinen deliktsrechtlichen Schutz ausschließen (vgl. Palandt/Sprau, 64. Aufl. 2005, § 826 BGB Rn. 19). Das ist hier nicht der Fall. Neben dem kriminellen Unrecht, das § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG sanktioniert, kann die allgemeine deliktsrechtliche Haftung bestehen.

Der Beklagte zu 2 hat in der Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 eine unrichtige Darstellung des Vermögensstandes der A in zweierlei Hinsicht gegeben: Zum einen war die Einbeziehung der Zahlen der J falsch, weil sie entgegen den maßgeblichen Sicht eines bilanzkundigen Lesers den Eindruck erweckte, als sei der gesamte Umsatz der J im ersten Halbjahr zu 50 % dem A-Konzern zuzuschlagen. Sie erweckte auf Grund der Bezeichnung €Halbjahreszahlen€ zudem den Eindruck, als handele es sich um die Wiedergabe des Ergebnisses des Quartalsberichts. Das war falsch, weil in Abweichung vom eigentlichen Quartalsbericht verschwiegen wurde, dass die 50 %-ige Beteiligung an der Formel-1-Gruppe erst zum 12. Mai 2000 erfolgte. Die Angabe des richtigen Stichtages ist erforderlich, um €gekaufte Ergebnisse€ des erworbenen Unternehmens von denjenigen des Erwerbers und den nach dem Zusammenschluss gemeinsam erwirtschafteten Ergebnissen abzugrenzen (BGH, Urt. v. 16. Dezember 2004 - 1 StR 420/03, WM 2005, 227, 232). Dies hatte zur Folge, dass ein Umsatzanteil von DM 138,189 Mio., der auf den Zeitraum vom 1. Januar bis 11. Mai 2000 entfiel, zu Unrecht einbezogen worden war. Zum anderen war der Umsatz aus dem Lizenzvertrag zwischen der A und der O in Höhe von DM 60 Mio. fälschlich in die Halbjahreszahlen eingestellt worden, obgleich der Vertrag im ersten Halbjahr noch nicht geschlossen war und daher noch nicht hätte berücksichtigt werden dürfen.

Dem Beklagten zu 2 war dies auch bewusst, ebenso wie der Umstand, dass die Umsätze und Erträge für die Bewertung der Aktien der A erheblich waren. Dennoch gab er die falschen Zahlen bekannt, um den Aktienkurs positiv zu beeinflussen.

Diese Feststellungen gründen sich auf das unter anderem gegen den Beklagten ergangene Strafurteil des Landgerichts München I vom 8. April 2003 - 4 KLs 305 Js 52373/00 (Bl. 348 - 400 d. A., veröffentlicht in NJW 2003, 2328 ff.), das vom Bundesgerichtshof durch Verwerfung der Revision gebilligt worden und in Rechtskraft erwachsen ist (BGH WM 2005, 223 - 227 = Bl. 491 - 497 d. A.). Die Kläger haben sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal ausdrücklich auf die Feststellungen in den vorliegenden Strafurteilen berufen und sie in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt.

Der Kläger zu 3 ist mit dem Vortrag der in den Strafurteilen enthaltenen neuen Tatsachen zuzulassen, weil ihre Geltendmachung erst in zweiter Instanz nicht auf seiner Nachlässigkeit beruht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Das Urteil des Landgerichts München I ist erst am 8. April 2003 ergangen und somit nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils in dieser Sache am 17. Januar 2003. Der Kläger war daher in erster Instanz noch nicht in der Lage, dieses Urteil vorzulegen. Ihm ist es auch nicht im Sinne von Fahrlässigkeit vorzuwerfen, dass er sich nicht durch Einsichtnahme in die Ermittlungsakte früher Kenntnis verschafft hat. Zwar genügte es nicht, im Zivilverfahren pauschal die Beiziehung der Strafakte zu verlangen, weil dort keine Amtsermittlung betrieben wird. Jedoch durfte der Kläger zu 3 davon ausgehen, dass ihm während laufender Ermittlung, insbesondere während der laufenden Hauptverhandlung, keine Einsicht gewährt werde, sondern erst der Abschluss der Instanz abgewartet werden müsse, was in Folge der dadurch bedingten verfahrensmäßigen Abklärungen ohnehin als zweckdienlicher erscheinen musste.

Der Beklagte zu 2 hat sich gegen die tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil im Wesentlichen damit gewandt, dass diese nicht richtig seien und dass das ergangene Urteil mit der Revision zur Überprüfung gestellt worden sei (Schriftsatz vom 30. Juni 2004, Seite 15 = Bl. 459 d. A.). Abgesehen davon, dass über die Revision zwischenzeitlich entschieden worden ist, ist diese Einlassung zu allgemein gehalten, um die vorgetragenen Tatsachen erheblich in Frage zu stellen (§ 138 ZPO).

Darüber hinaus hat der Beklagte zu 2 das Urteil des Landgerichts verteidigt, das ein vorsätzliches Verhalten nicht hat feststellen können. Bei dieser Würdigung des Landgerichts, das sich allein auf die Zahlen der G bezogen hat, kann es jedoch nicht verbleiben. Für die Unrichtigkeiten bei der J und dem Junior-Lizenzvertrag ist in Übereinstimmung mit dem Strafurteil vorsätzliches Verhalten zu bejahen.

Soweit die Beklagten die Feststellungen des Strafurteils in Frage stellen möchten, gilt insoweit und im Allgemeinen, dass sie damit nicht durchdringen können. Der Senat ist zwar an die strafrichterlichen Feststellungen nicht gebunden, er ist jedoch nicht gehindert, die von den Klägern begehrte urkundenbeweisliche Verwertung der Strafurteile vorzunehmen und sich von der Richtigkeit der darin festgestellten Tatsachen im Wege der freien Beweiswürdigung zu überzeugen (RG Gruchot 52, 446, 448; OLG Koblenz NJW-RR 1995, 727, 728; Musielak/Foerste, 4. Aufl. 2005, § 286 ZPO Rn. 5; Zöller/Gummer, 25. Aufl. 2005, § 14 EGZPO Rn. 2; Thomas/Putzo, 26. Aufl. 2004, § 286 ZPO Rn. 11; Schneider MDR 1975, 444, 445). Das ist hier der Fall. Die Strafkammer hat insbesondere im Einzelnen überzeugend ausgeführt, dass die Zahlen unrichtig dargestellt wurden und der Beklagte zu 2 damit zumindest rechnete und dies billigte. Darauf nimmt der Senat Bezug (Bl. 363 - 375 d. A.), des Weiteren auf die Feststellung, dass der Beklagte zu 2 die Halbjahreszahlen deshalb unzutreffend darstellte, weil er den Kurs der Aktie beeinflussen wollte (Bl. 378 - 380 d. A.). Der Bundesgerichtshof hat den aus den erwiesenen Tatsachen gezogenen Schluss auf vorsätzliches Handeln nicht nur als rechtsfehlerfrei und möglich, sondern als nahe liegend bezeichnet (BGH WM 2005, 227, 232). Das sieht der Senat ebenso.

Die vorsätzliche Veröffentlichung unwahrer Halbjahreszahlen in der Ad-hoc-Veröffentlichung vom 24. August 2000 ist auch als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB, d.h. als €gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden€ verstoßend, anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 19. Juli 2004 - II ZR 217/033, NJW 2004, 2668, 2670 €Infomatec€).

Dafür genügt zwar nicht die bloße Tatsache eines Verstoßes gegen eine gesetzliche Vorschrift und der Vermögensschädigung Dritter. Die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens muss sich vielmehr aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben. Das ist hier aber deshalb der Fall, weil der Beklagte zu 2 die Schädigung eines großen Anlegerkreises aus Eigennutz billigend in Kauf nahm. Die €Beschönigung€ der Halbjahreszahlen hatte ganz offensichtlich das Ziel, mit Erfolgsmeldungen den Markt zu beeindrucken, um den Kurs stabil zu halten. Dazu kann auf die der Ad-hoc-Mitteilung vorangestellten Schlagzeilen verwiesen werden (€Dynamisches Wachstum ungebrochen€, €Konzernumsatz per 30. Juni um 195 % auf 603,9 Mio. DM gestiegen (teilkonsolidiert)€, €EBITDA steigt um 65,9 Prozent auf 236,0 Mio. DM€, €EBIT erhöht sich um 39,8 Prozent auf 158,9 Mio. DM€, Nettoergebnis liegt mit 110,8 Mio. DM um 132,8 Prozent über dem Vorjahreswert€). Diese beeindruckenden Erfolgsmeldungen wären ohne die unrichtige Darstellung nicht möglich gewesen. Gegenteiliges behaupten auch die Beklagten nicht. Ausweislich der späteren Ad-hoc-Mitteilung vom 9. Oktober 2000 war es auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, die für die Formel-1-Gruppe erforderlichen Zahlen, die eine Zuordnung gestattet hätten, vorzulegen. Wie sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung in der Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 ergibt, hätte bei zutreffenden Angaben insbesondere offenbart werden müssen, dass statt eines positiven ein negatives Ergebnis zustande gekommen war. Diese Manipulation der Zahlen zeigt, dass der Beklagte zu 2 bedenkenlos bereit war, sich über grundlegende Anforderungen des Kapitalmarkts hinwegzusetzen, um ungerechtfertigt positive Vorstellungen über den Wert der Aktie zu erzeugen und aufrechtzuerhalten.

Mit der Veröffentlichung der unrichtigen Darstellung verfolgte der Beklagte zu 2 auch in jedenfalls objektiv unlauterer Weise eigene Zwecke, denn er war als Hauptaktionär der größte Nutznießer, wenn der Kurs nicht verfiel. Vorrangiges Ziel oder gar Endziel mussten solche eigenen Zwecke im Rahmen des § 826 BGB nicht sein (BGH NJW 2004, 2668, 2671).

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht fest, dass die unrichtigen Halbjahreszahlen für die Kaufentscheidung des Klägers zu 3 und seinen Schaden kausal waren.

Der Senat ist auf Grund der persönlichen Anhörung des Klägers zu 3 davon überzeugt, dass seine in der mündlichen Verhandlung gegebene Darstellung zutrifft, der Berater der ...-bank habe ihn am 29. oder 30. August 2000 angerufen und ihm auf Grund der neuesten Zahlen von A geraten, deren Aktien zu kaufen, und er auf Grund dessen die Kauforder erteilt habe. Der Kläger zu 3 wirkte nicht nur in hohem Maße glaubwürdig, sondern seine Darstellung erschien auch farbig und lebensnah und insgesamt glaubhaft. Der Senat hat keinerlei Zweifel, dass die vom Kläger zu 3 gegebene Schilderung zutrifft. Die Darstellungen in den vom Kläger zu 3 als Prozessbevollmächtigten verantworteten Schriftsätzen vom 16. Juli 2003 (Bl. 329 f. d. A.) und 15. Dezember 2004 (Bl. 465 d. A.) geben keinen Anlass, den durch den persönlichen Eindruck begründeten Eindruck der Glaubwürdigkeit des Klägers zu 3 und die Glaubhaftigkeit der Darstellung in Zweifel zu ziehen, da es sich um ersichtlich prozesstaktisch bedingte Überzeichnungen handelt. Von einer förmlichen Vernehmung des Klägers zu 3 als Partei gemäß § 448 ZPO hat der Senat Abstand genommen, da seine Anhörung zur Überzeugungsbildung ausreichte (§ 286 ZPO). Darin liegt auch keine Umgehung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Parteivernehmung von Amts wegen, da auf Grund des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine Anfangswahrscheinlichkeit für die zu beweisenden Tatsachen sprach. Da die Aktie der A sich von ihren Höchstständen im Februar/März 2000 stetig abwärts entwickelt und im August annähernd die Hälfte ihres Wertes verloren hatte, spricht alles dafür, dass die Anlageempfehlung und -entscheidung durch die Erfolgsmeldungen angestoßen wurde, ohne die ein vernünftiger Anleger vom Investment Abstand genommen hätte.

Der Kläger zu 3 kannte die Halbjahreszahlen als solche zwar nicht, und deren Aussagen bewogen ihn nicht unmittelbar zum Kauf. Indessen ist dies auch nicht erforderlich, weil es für die Kausalität ausreicht, dass sie der Anlageberater des Klägers zu 3 kannte, sie ihn zur Kaufempfehlung veranlassten und der Kläger zu 3 dadurch bewogen wurde, die Anlageentscheidung zu treffen. Ein derartiger Hergang ist so nahe liegend, dass er auch vom Vorsatz des Beklagten zu 2 erfasst war. Es genügt, dass der Schädiger die Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen oder jedenfalls billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urt. v. 11. November 2003 - VI ZR 371/02, NJW 2004, 446, 448; Palandt/Sprau § 826 BGB Rn. 10).

Die Feststellung, dass der Anlageberater die Halbjahreszahlen kannte und durch sie zur Anlageempfehlung bestimmt wurde, gründet sich ebenfalls auf das Ergebnis der Anhörung des Klägers zu 3. Denn wenn der Berater sinngemäß äußerte, er habe jetzt die neuesten Zahlen von A, dann können damit nur die Halbjahreszahlen gemeint sein, die kurz zuvor veröffentlicht worden waren. Andere €neueste Zahlen€ gab es nicht. Dafür trägt auch keine der Parteien etwas vor.

Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2 steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Bejahung der Kausalität nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, Presseberichte und Analystenempfehlungen als solche seien nicht im Sinne einer Verantwortlichkeit nach § 826 BGB zuzurechnen, dies gelte jedenfalls dann, wenn nicht einmal konkret die ausdrückliche Erwähnung der Mitteilung in solchen bewertenden Berichten oder Empfehlungen dargetan sei (BGH NJW 2004, 2664, 2668). Im vorliegenden Fall handelt es sich indessen weder um einen Pressebericht oder eine Analystenempfehlung, sondern um die konkrete Empfehlung eines Anlageberaters, der sich außerdem der Sache nach konkret auf die Mitteilung der Halbjahreszahlen bezogen hat.

Der Beklagte zu 2 hat Naturalrestitution (§ 249 BGB) in Form der Erstattung des gezahlten Kaufpreises gegen Übertragung der erworbenen Aktien zu leisten (BGH NJW 2004, 2668, 2669). Davon geht der Kläger zu 3 zutreffend aus.

Der Zinsanspruch ist gemäß § 291 BGB in Verb. mit § 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

B.

Die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich der Kläger zu 1 und 2 beruht hingegen nicht auf einer Rechtsverletzung, und nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen rechtfertigen auch keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 2 ZPO).

1. Ansprüche aus Börsenprospekthaftung (§§ 44, 55 BörsG, jeweils in der Neufassung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 21. Juni 2002, BGBl. I S. 2010) stehen den Klägern nicht zu.

Eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts ist von den Klägern zu 1 und 2 nicht schlüssig vorgetragen worden.

Weder bei der Veröffentlichung des Prospekts noch bei der Einführung der Papiere waren Angaben zur Marktschutzklausel und zur Beteiligung falsch. Die abredewidrige Veräußerung eigener Aktien erfolgte erst am 16./17. Februar 2000 und lag daher nach diesen Zeitpunkten.

Nichts anderes gilt für unzulängliche Angaben zu dem Erwerb der Anteile an der J. Der Vertragsschluss mit den Verkäufern erfolgte im März 2000 und konnte daher im Prospekt nicht mitgeteilt werden.

Eine börsenprospektrechtliche Pflicht zur Aktualisierung bestand insoweit nicht.

Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 6. Juli 2004 - 5 U 122/03, WM 2004, 1831), greift die börsenprospektrechtliche Haftung über die Zeitpunkte der Einführung der Aktien und den Ablauf der Zeichnungsfrist nicht hinaus. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, die auch im Schrifttum überwiegt (Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 45 BörsG Rn. 29; Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, §§ 45, 46 BörsG Rn. 34b; Hauptmann in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, 2000, § 3 Rn. 79, 80; Schäfer/Hamann, Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz, Verkaufsprospektgesetz, 1999, §§ 45, 46 a. F. BörsG Rn. 90; Stephan AG 2002, 3 ff.; Berger/Filgut EwiR § 13 VerkProspG a. F. 1/03, 887 f.).

Die Auslegung des Gesetzes führt insoweit zu einem klaren Ergebnis, und eine planwidrige Lücke liegt nicht vor.

Unternehmensbericht und Verkaufsprospekt sind Unterlagen, die zur Einführung eines Wertpapiers dienen. Ihre Richtigkeit und Vollständigkeit sind damit stichtagsbezogen. Soweit der Senat früher ausgeführt hat, maßgeblicher Zeitpunkt sei derjenige der Prospektveröffentlichung (Urteil vom 1. Februar 1994 - 5 U 213/92, WM 1994, 291, 295 - €Bond€), betraf dies den Normalfall, dass der Prospekt bereits bei seiner Veröffentlichung unrichtig ist. Die Besonderheit, dass der Prospekt in diesem Zeitpunkt richtig ist, aber noch vor Einführung der Aktien unrichtig wird, lag nicht zur Beurteilung vor. Für solche Fälle sah Art. 23 der EG-Richtlinie über den Börsenzulassungsprospekt (ABl. EG vom 17. April 1980, L 100, S 1 ff.) eine Aktualisierungspflicht bis zum Beginn der Notierung vor, die am Tag der Einführung der Wertpapiere erfolgt (umgesetzt von § 52 Abs. 2 BörsZulV). Damit ist ein Endpunkt gesetzt, der die börsenprospektrechtliche Haftung begrenzt. Der Prospektpflichtige kann zwar einer Haftung gegenüber späteren Erwerbern entkommen, sofern er vor dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts im Rahmen des Jahresabschlusses oder Zwischenberichts des Emittenten, einer Veröffentlichung nach § 15 WpHG oder einer vergleichbaren Bekanntmachung eine deutlich gestaltete Berichtigung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Inland veröffentlicht (§ 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG). Jedoch begründet das Unterlassen einer derartigen Berichtigung nicht den Tatbestand der Prospekthaftung, die sich aus der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit am Stichtag herleitet.

Der Fall, dass der Prospekt im maßgeblichen Zeitpunkt zwar richtig und vollständig war, er jedoch auf Grund nachfolgender Ereignisse ergänzungsbedürftig wird, ist kein Fall der Prospekthaftung. Insoweit bestehen zwar Mitteilungspflichten, etwa gemäß § 15 WpHG, die jedoch haftungsrechtlich abweichend geregelt sind.

Die Auffassung von Ellenberger, demzufolge nach dem €Gesamtkonzept der Börsenprospekthaftung€ und €unter dem Gesichtspunkt einer im Interesse des Anlegerschutzes weit verstandenen Ingerenz nicht nur für ursprüngliche Fehler des Prospektes, sondern auch für während der Haftungszeit eintretende Unrichtigkeiten zu haften ist€ (EwiR § 45 BörsG 1/03, 409, 410; ders., Prospekthaftung im Wertpapierhandel, 2001, 17 ff.; ders., Festschrift für Schimansky, 1999, S. 591, 597; ebenso: BankRHdB/Grundmann, 2. Aufl. 2001, § 112 Rn. 41; Assmann, Festschrift für Ulmer, 2003, S. 757, 768 ff.), vermag sich der Senat nicht anzuschließen, weil sie sich zu weit von der Haftungsnorm entfernt. Die Einführung einer derartigen Regelung muss dem Gesetzgeber überlassen bleiben (für eine gesetzliche Klärung grundsätzlich auch Assmann, S. 772).

Der Gesetzgeber hat im Bereich des Kapitalmarktrechts differenzierte und teilweise auch vorsichtige Regelungen vorgenommen, die neben dem Schutz der Anleger auch das für die Volkswirtschaft wichtige Funktionieren des Kapitalmarkts im Blick behalten. Eine Regelung, die den Prospektverantwortlichen jedenfalls im Zeitraum von sechs Monaten eine Berichtigungspflicht hinsichtlich neuer kursbeeinflussender Angaben nach Maßgabe des § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG mit Haftungsfolge nach § 44 BörsG auferlegt, ist von ihm gerade nicht getroffen worden, obwohl der Regelungsgegenstand zu Tage lag. Dass es sich dabei nicht nur um eine unbewusste Lücke handelt, wird durch weitere Vorschriften verdeutlicht, die dem Gesetzgeber bekannt waren, ohne dass er sich zu einem Eingreifen veranlasst gesehen hat. § 52 Abs. 2 BörsZulV, der für den geregelten Markt entsprechend anwendbar ist (Schwark/Heidelbach § 53 BörsZulV Rn. 7), betrifft eine Nachtragspflicht, die mit der Veröffentlichung beginnt und mit der Aufnahme der Notierung endet (Schwark/Heidelbach § 35 BörsZulV Rn. 5; Schäfer/Hamann §§ 45, 46 BörsG a. F. Rn. 90; Stephan AG 2002, 3, 7; a. A. Ellenberger EwiR § 45 BörsG 1/03, 409, 410; Assmann, Festschrift für Ulmer, S. 757, 769 f.). Das wird bereits durch den Wortlaut bekräftigt, der von €einzuführenden Wertpapieren€ spricht, und wird durch den Umstand gestützt, dass mit der Vorschrift die oben genannte EG-Richtlinie umgesetzt wurde. § 11 VerkProspG bestimmt ausdrücklich, dass ein Nachtrag nur wegen Veränderungen während der Dauer des öffentlichen Angebots zu veröffentlichen ist, und lässt insoweit keinen Interpretationsspielraum. Ist die Zeichnungsfrist abgelaufen und sind die Wertpapiere einmal vollständig platziert, dann endet die Nachtragspflicht (Schwark/Heidelbach § 11 VerkProspG Rn. 6).

Eine gesetzliche Regelung erscheint unter anderem auch deshalb als unverzichtbar, weil sich die Praxis darauf eingestellt hat, dass derartige prospektrechtliche Aktualisierungspflichten nicht bestehen, und eine Umstellung erheblichen Änderungsbedarf hervorrufen würde. Dieser bestünde zwar nicht in der Meldepflicht des Emittenten als solcher, der die Ereignisse, die eine Berichtspflicht auslösen könnten, bereits auf Grund seiner Ad-hoc-Publizitätspflicht veröffentlichen muss. Jedoch müsste der Emittent den emissionsbegleitenden Banken für einen Zeitraum von weiteren sechs Monaten Zugang zu seinen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gewähren, damit diese ihre Pflicht zur - zeitnahen - Berichtigung

überhaupt erfüllen könnten, wofür es intensiver Abstimmung zwischen Banken und Emittent bedürfte. Diese zusätzlichen Leistungen würden erhebliche Kosten verursachen.

Aus der Entscheidung BGHZ 139, 225 = NJW 1998, 3345 (€Elsflether Werft€) kann der Senat nichts Abweichendes entnehmen. Ob eine Aktualisierungspflicht über die Zeichnungsfrist hinaus anzunehmen wäre, ist in der Entscheidung offengelassen worden, weil es für sie darauf nicht ankam.

2. Die Klagen der Kläger zu 1 und 2 haben auch auf Grund anderer Anspruchsgrundlagen keinen Erfolg.

a) Insbesondere steht den Klägern kein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Schutzgesetzen zu.

aa) Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 15 WpHG a. F. besteht nicht, weil § 15 WpHG a. F. kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist. Den Ausführungen der Kläger, mit denen diese ein abweichendes Ergebnis zu begründen suchen, kann nicht gefolgt werden, weil der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt hat, dass Verstöße gegen § 15 Abs. 1 bis 3 WpHG a. F. keine Schadensersatzpflicht auslösen (§ 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG a. F.). Das entspricht auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 19. Juli 2004 - II ZR 218/03, NJW 2004, 2664, 2665 = WM 2004, 1731, 1733; Urt. v. 19. Juli 2004 - II ZR 217/03, WM 2004, 1726, 1727; Urt. v. 19. Juli 2004 - II ZR 402/02, WM 2004, 1721, 1722 - €Infomatec€).

bb) Ebenso wenig ist § 88 Abs. 1 Nr. 1 BörsG a. F. ein Schutzgesetz, wie höchstrichterlich entschieden ist (BGH a.a.O.). Dem schließt sich der Senat an.

cc) Soweit sich die Kläger auf § 20a WpHG (Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation) berufen, handelt es sich um einen Tatbestand, der durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 am 1. Juli 2002 an Stelle des bisherigen Kursbetrugs in § 88 BörsG a. F. getreten ist. Die Beklagten weisen zu Recht darauf hin, dass diese Vorschrift nach allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts nicht rückwirkend zu ihren Lasten auf bereits abgeschlossene Tatbestände Anwendung findet. Ob § 20a WpHG, anders als § 88 AktG a. F., Schutzgesetz ist, wie teilweise angenommen wird (Baumbach/Hopt, 31. Aufl. 2003, Einl. WpHG Rn. 7), kann deshalb dahinstehen.

dd) Ohne Erfolg stützen sich die Kläger auf § 37b WpHG in der Fassung des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes, der auf den vorliegenden Sachverhalt - ebenso wie § 37c WpHG - noch nicht anwendbar ist (so auch Schwark/Zimmer §§ 37 b, 37 c WpHG Rn. 17; Maier-Reimer/Webering WM 2002, 1857, 1863 f.).

ee) Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist zu verneinen.

Der Straftatbestand des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG, nach dem bestraft wird, wer als Mitglied des Vorstands die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert, ist zwar Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (BGH NJW 2001, 3622; BGH NJW 2004, 2664, 2665). Jedoch ist

überwiegend das Merkmal der €Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand€ nicht erfüllt. Im Übrigen fehlt es (wegen der Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000) an der erforderlichen Kausalität.

Unter €Übersichten über den Vermögensstand€ sind alle Zusammenstellungen von Zahlenmaterialien, insbesondere alle Arten von Bilanzen zu verstehen, die einen Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ermöglichen. Als €Darstellungen über den Vermögensstand€ gelten nur solche Berichte, die den Vermögensstand des Unternehmens so umfassend wiedergeben, dass sie ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage der Aktiengesellschaft ermöglichen und den Eindruck der Vollständigkeit erwecken (BGH NJW 2004, 2664, 2665).

Diese Voraussetzungen treffen auf Ad-hoc-Mitteilungen nicht zu, die sich auf einen einzelnen Geschäftsvorfall, wie diejenige über den Erwerb der Anteile der J vom 22. März 2000, beziehen, und sie erfassen auch nicht den Verstoß gegen die Lock-up-Abrede. Tatbestandlich scheiden auch die Äußerungen des Beklagten zu 2 und ... Ds im Oktober 2000 nach der Berichtigung der Halbjahreszahlen aus.

Die Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 über die Halbjahreszahlen enthält zwar Zahlenmaterial in einer geordneten Aufstellung, die vom Bundesgerichtshof als eine sich auf den Vermögensstand beziehende Darstellung im Sinne des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG gewertet worden ist (BGH WM 2005, 227, 230 ff.). Die Beklagten stellen diese rechtliche Bewertung weiterhin in Frage und machen verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Darauf einzugehen erübrigt sich, weil die Kläger zu 1 und 2 ihre Aktien am 28. und 29. März 2000 erworben haben, sodass die spätere unrichtige Darstellung vom 24. August 2000 darauf keinen Einfluss gehabt haben kann.

Soweit die Kläger zu 1 und 2 erstinstanzlich vorgetragen haben, sie hätten bei zutreffender Information ihre Aktien noch vor weiterem Wertverfall verkauft, sind sie darauf in zweiter Instanz nicht mehr zurückgekommen. Mit diesem Vorbringen können sie auch keinen Erfolg haben. Hätten die Beklagten rechtzeitig zutreffend informiert, dann wären die Kurse nahe liegend sogleich gefallen, sodass eine Veräußerung den Verlust nicht mehr hätte vermeiden oder verringern können. Abgesehen davon können die Kläger den ihnen obliegenden Beweis nicht erbringen, dass sie sich von den Papieren getrennt hätten, denn sie haben sie ungeachtet ungünstiger Meldungen und eines dramatischen Kursverfalls tatsächlich nicht veräußert, sondern halten sie nach wie vor.

ff) § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 264a StGB scheidet als Anspruchsgrundlage aus, weil es daran fehlt, dass die fehlerhafte Information €in Prospekten€ oder in €Darstellungen oder Übersichten€ über den Vermögensstand erfolgte. Bei der Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 besteht jedenfalls keine Kausalität für den Erwerb.

gg) Ein Anspruch der Kläger zu 1 und 2 nach § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 263 StGB kommt nicht in Betracht, weil eine Absicht der Beklagten, sich oder einem Dritten €stoffgleich€ zu Lasten des Vermögens der Kläger einen Vermögensvorteil zu verschaffen, nicht festzustellen ist. Es fehlt an dem Erfordernis des § 263 StGB, dass der Täter einen Vermögensvorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten in der Weise anstreben muss, dass dieser Vorteil €die Kehrseite des Schadens€ ist. Eine Begünstigung der Beklagten durch einen in Folge falscher Mitteilungen steigenden Aktienkurs reicht dafür nicht aus, weil dieser Vorteil nur ein mittelbarer ist (BGH NJW 2004, 2664, 2666). Unmittelbar begünstigt sind die Verkäufer der Aktien, denen der Kaufpreis aus dem Vermögen der Kläger zugeflossen ist. Dass die Beklagten diese unbekannten Verkäufer bereichern wollten, ist nicht vorgetragen und liegt auch fern.

hh) Die Kläger zu 1 und 2 haben gegen die Beklagten auch keinen Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB).

Unzutreffende Ad-hoc-Mitteilungen können zwar grundsätzlich eine Haftung nach § 826 BGB auslösen (BGH NJW 2004, 2664, 2666; NJW 2004, 2668, 2669; WM 2004, 1721, 1723 ff.). Das gilt auch für sonstige falsche oder pflichtwidrig unterlassene Mitteilungen. Jedoch füllt keine der von den Klägern vorgetragenen Sachverhalte sämtliche Merkmale des Tatbestands aus, wobei bei den Klägern zu 1 und 2 wiederum nur solche erheblich sein können, die vor dem Zeitpunkt ihres Aktienerwerbs (28./29. März 2000) liegen, da sie ihn sonst nicht mehr haben beeinflussen können.

Die Kläger werfen den Beklagten vor, die Mitteilung unterlassen zu haben, dass der Beklagte zu 2 eigene Aktien unter Verstoß gegen die €Lock-up-Vereinbarung€ veräußert hat.

Insoweit kann ein vorsätzliches Verhalten des Beklagten zu 2 indessen nicht festgestellt werden. Die Umstände des Aktienverkaufs lassen nicht den Schluss zu, dass es der Beklagte zu 2 mindestens billigend in Kauf nahm, dass durch das Verschweigen dieser Transaktion oder deren Durchführung Anleger geschädigt wurden. Der Beklagte zu 2 führte den Verkauf außerbörslich unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch; er wurde erst sehr viel später bekannt. Angesichts dessen kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 2 damit gerechnet und es gebilligt habe, dass das Geschäft publik wurde. Ihm musste im Gegenteil daran gelegen sein, dass es im Verborgenen blieb, weil es gegen die Haltevereinbarung verstieß und er an einer negativen Presse und einer damit verbundenen Beeinträchtigung des Aktienkurses nicht interessiert sein konnte. Auf der anderen Seite war das Volumen der verbotswidrig veräußerten Stücke, nimmt man die Gesamtzahl der gehandelten Aktien in den Blick, auch verhältnismäßig unbedeutend, sodass der Beklagte zu 2 auch nicht damit rechnen musste, dass der Kurs messbar beeinträchtigt würde, wenn die veräußerten Stücke in den Handel gelangten. Dass sich der Beklagte zu 2 unter Verstoß gegen eine eingegangene Verpflichtung bereicherte, ist nicht damit gleichzusetzen, dass er Anleger schädigen wollte.

Soweit die Kläger darauf abstellen, dass ein so genannter €signing bonus€ für M im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der J nicht mitgeteilt worden sei, ist zwar davon auszugehen, dass die Behauptung als solche zutrifft. Das Bestreiten der Beklagten zu 1 in zweiter Instanz kann gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zugelassen werden. Eine Veröffentlichung dieses Umstands war jedoch nicht geboten. In Anbetracht des verhältnismäßig geringfügigen Umfangs des €signing bonus€ von USD 30 Mio. im Verhältnis zum Kaufpreis für die Anteile von rund USD 1,7 Mrd. kann ausgeschlossen werden, dass diese Tatsache wegen der Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet war, den Börsenpreis der Aktien erheblich zu beeinflussen. Selbst dann würde eine unterlassene Mitteilung das Verdikt der Sittenwidrigkeit nicht begründen können.

Demgegenüber ist der Vorwurf, die Put-Option für weitere 25 % der Anteile an der J nicht mitgeteilt zu haben, von erheblich größerem Gewicht. Gleichwohl ist nicht feststellbar, dass dem Beklagten insoweit ein sittenwidriges Verhalten im Sinne des § 826 BGB zur Last fällt. Es ist schon fraglich, ob die Beklagten eine Veröffentlichungspflicht gekannt oder sich in gewissenloser Weise dieser Kenntnis verschlossen haben, da es immerhin bezweifelt werden konnte, ob eine Option, deren Ausübung ungewiss ist, mitteilungspflichtig war (vgl. Schwark/Zimmer § 15 WpHG Rn. 35). Jedenfalls reicht die Nichterfüllung einer gesetzlichen Pflicht nicht aus, Sittenwidrigkeit zu begründen, sondern das Unterlassen wäre nur dann sittenwidrig, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entsprochen hätte. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als €anständig€ Geltenden verwerflich machen (BGH, Urt. v. 10. Juli 2001 - VI ZR 160/00, NJW 2001, 3702). Das von den Klägern Vorgetragene reicht dafür nicht aus.

ii) Den Klägern steht auch kein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung der Lock-up-Abrede zu.

Deren Erwähnung im Börsenprospekt verleiht Dritten keinen Anspruch für den Fall, dass sich die durch die Abrede Gebundenen nicht an die Abrede halten. Ein derartiger Anspruch folgt auch nicht aus dem Emissionsvertrag (€Underwriter Agreement€), der unstreitig Ansprüche Dritter ausdrücklich ausschließt. Das steht der Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter entgegen, der voraussetzt, dass der Gläubiger an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages ein besonderes Interesse hat und der Vertrag dahin ausgelegt werden kann, dass der Vertragsschutz in Anerkennung dieses Interesses auf den Dritten ausgedehnt werden soll (Palandt/Heinrichs § 328 BGB Rn. 17a).

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Über die durch die Nebenintervention verursachten Kosten (§ 101 Abs. 1 ZPO) ist im Urteil nicht mehr zu entscheiden, weil der Beitritt erst nach mündlicher Verhandlung vor dem Verkündungstermin erfolgt ist, eine Unterstützung der Partei in dieser Instanz deshalb nicht mehr möglich ist und die Erlangung eines Kostentitels wegen eines Beitritts zu diesem Zeitpunkt rechtsmissbräuchlich wäre (vgl. Zöller/Herget § 101 ZPO Rn. 2; OLG München, Beschl. v. 6. Mai 1983 - 1 U 2940/82, KostRsp ZPO § 101 Nr. 33).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gründet sich auf die §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Der Senat weicht nicht von der Rechtsmeinung eines höheren oder gleichgeordneten Gerichts ab. Die Rechtssache weist auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auf. Eine solche ist dann gegeben, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich ist und das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH WM 2002, 1811; Gehrlein MDR 2004, 912, 913). Von diesen Merkmalen sieht der Senat jedenfalls das der höchstrichterlichen Klärungsbedürftigkeit nicht als gegeben an. In der Frage, ob die Börsenprospekthaftung auch durch Unterlassen eines Nachtrags für Umstände begründet werden kann, die nach der Aufnahme des Handels mit den Aktien oder nach Ablauf der Zeichnungsfrist entstanden sind, hat sich eine herrschende Meinung herausgebildet, der der Senat folgt. Dass sich einige wenige Stimmen aus der Literatur für eine andere Auffassung ausgesprochen haben, reicht noch nicht aus, um eine höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit anzunehmen, zumal diese Meinung auch in der Rechtsprechung nicht aufgegriffen worden ist. Der Senat weicht auch nicht bei der Frage der Kausalität von der Rechtsprechung des OLG München (ZIP 2002, 1727 f.) ab, weil der dort vermisste Zusammenhang zwischen der Ad-hoc-Mitteilung und dem Kauf der Papiere hier hergestellt werden kann.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 10.05.2005
Az: 5 U 133/03


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29.03.2024 - 16:33 Uhr

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Aus der Urteilsdatenbank
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