Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Oktober 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 121/01

(BPatG: Beschluss v. 01.10.2002, Az.: 27 W (pat) 121/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Beschwerde gegen die Eintragung der Wortmarke POLTECH für Bekleidungsstücke wurde vom Bundespatentgericht zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin hatte Einspruch eingelegt, da sie eine Verwechslungsgefahr mit ihren bereits eingetragenen Marken POLARTEK und POLARTEC sah. Die Markenstelle hatte die Widersprüche jedoch zurückgewiesen, da die Unterschiede in den Marken ausreichend klar erkennbar seien und die jüngere Marke einen ausreichenden Abstand zu den älteren Marken halte. Die Beschwerdeführerin hingegen argumentierte, dass die Anfangsbestandteile "POL" und "POLAR" identisch seien und somit eine Verwechslungsgefahr bestehe. Die Inhaberin der angegriffenen Marke äußerte sich nicht zum Sachverhalt. Das Gericht entschied jedoch, dass die jüngere Marke aufgrund der fehlenden Mittelsilbe "AR" einen deutlich unterschiedlichen Gesamteindruck vermittelt. Auch der geringfügige Unterschied in den Endungen der Marken TECH/TEC(K) wird vom Verkehr in der Regel nicht wahrgenommen. Das Gericht ist daher der Ansicht, dass keine Verwechslungsgefahr besteht und die Beschwerde somit abgewiesen werden muss. Die Kostenentscheidung verbleibt gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG unverändert.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 01.10.2002, Az: 27 W (pat) 121/01


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke POLTECH für "Bekleidungsstücke, nämlich Sportbekleidung, insbesondere Skibekleidung, Freizeitkleidung für Damen, Herren und Kinder aus gewebter, gestrickter, gewirkter oder Vlies-Struktur, Kopfbedeckungen, Sportschuhe" ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortmarke 1 173 665 POLARTEK sowie aus der prioritätsälteren Marke 2 053 528 jeweils eingetragen für "Stoffe für die Herstellung von Bekleidung".

Die Markenstelle für Klasse 25 hat durch Beschluß eines Beamten des höheren Dienstes die Widersprüche zurückgewiesen. Unabhängig von der Frage der Ähnlichkeit der jeweils erfassten Waren und auch bei Berücksichtigung einer von der Widersprechenden geltend gemachten erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken halte die jüngere Marke im Gesamteindruck einen ausreichenden Abstand zu diesen ein. Die jeweiligen Unterschiede in der Vokalfolge und aufgrund der zusätzlichen Silbe in den Widerspruchsmarken träten so klar hervor, dass sie auch bei flüchtiger Wahrnehmung eine hinreichend sichere Abgrenzung ermöglichten, zumal die jeweils letzte Silbe der Markenwörter als Hinweis auf "Technik" ein besonders häufig verwendeter Markenbestandteil sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zutreffend sei, dass die weitgehend übereinstimmenden Endsilben der einander gegenüberstehenden Markenwörter aufgrund ihrer vielfachen Verwendung als Hinweis auf Technik nicht ausreichend seien, Verwechslungsgefahr zu begründen. Die Markenelemente "POLAR" bzw "POL" stellten jedoch identische Begriffe dar, da "PO-LAR" nur das Adjektiv zu "POL" sei. In ihrer Gesamtheit seien die einander gegenüberstehenden Marken daher nahezu identisch, zumal die mittlere Silbe in den Widerspruchsmarke bei flüchtiger Sprechweise verschluckt oder unbetont gesprochen werde, so dass die jüngere Marke für eine Abwandlung der Widerspruchsmarken, bei denen es sich um bekannte Marken handele, gehalten werde.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Denn die jüngere Marke hält zu den Widerspruchsmarke einen die Gefahr von Verwechslungen mit ausreichender Sicherheit ausschließenden Abstand ein, so dass die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht vorliegen.

Die Gefahr von Verwechslungen ist von mehreren Komponenten abhängig, die miteinander in Wechselbeziehung stehen, und zwar insbesondere von der Ähnlichkeit oder Identität der Marken, der Ähnlichkeit oder Identität der von ihnen erfaßten Waren und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren unterschiedlich hoch sein kann (EuGH MarkenR 1999 aaO, RdNr 26).

Zwischen den einander gegenüberstehenden Bekleidungsstücken einerseits und Stoffen für die Herstellung von Bekleidungsstücken andererseits besteht eine sog mittelbare Warenähnlichkeit im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Denn bei Bekleidungsstücken, insbesondere bei der hier beanspruchten Sportbekleidung, bei der besonders häufig mit dem Vorliegen besonderer Materialeigenschaften geworben wird, ist für die angesprochenen Verkehrskreise auch von wesentlicher Bedeutung, aus welchem Stoff diese gefertigt sind. Deshalb sind fertige Kleidungsstücke häufig nicht nur mit der Marke des Bekleidungsherstellers, sondern auch mit der Marke des zur Herstellung verwendeten Stoffes als sog begleitende Marke versehen, wie dies auch die von der Widersprechenden im Verfahren vor der Markenstelle vorgelegten Benutzungsbeispiele aus Katalogen zeigen.

Allerdings ist bei der Bestimmung des Grads der Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Waren zu berücksichtigen, dass der Verkehr in Fällen der mittelbaren Warenähnlichkeit weiß, dass die Marke ein Vorprodukt kennzeichnet und daher nicht auf den Geschäftsbetrieb der Fertigware hinweist (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Auflage, § 9 RdNr 71); es ist ihm also bekannt, dass regelmäßig der Stoff aus einem anderen Unternehmen kommt als das fertige Sportbekleidungsstück. Auch werden Stoffe und Sportbekleidung regelmäßig nicht gemeinsam angeboten. Nach besteht zwischen Stoffen für Bekleidungsstücke und (fertigen) Sportbekleidungsstücken allenfalls eine mittlere Warenähnlichkeit.

Soweit die Widersprechende eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken und damit einen weiten Schutzumfang geltend macht und hierzu im Verfahren vor der Markenstelle Kopien aus Katalogen vorgelegt hat, ist der diesbezügliche Vortrag von der Inhaberin der angegriffenen Marke im Verfahren vor der Markenstelle bestritten worden. Da den von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen nichts Liquides (Umsatzzahlen, Verkehrsbefragung oä) über den tatsächlichen Benutzungsumfang und die Bekanntheit der Widerspruchsmarken in Deutschland zu entnehmen ist, kann ihnen kein weiterer Schutzumfang zugebilligt werden (vgl BPatG GRUR 1997, 840 - Lindora/Linola).

Im übrigen darf bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft nicht unberücksichtigt bleiben, daß sowohl die Wortmarke 1 173 665 "POLARTEK" als auch der die Wort-Bildmarke 2 053 528 prägende Wortbestandteil "POLARTEC" einen erkennbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Es wird für den Verbraucher ohne weiteres verständlich zum Ausdruck gebracht, daß die betreffenden Stoffe aufgrund ihrer besonderen technischen Merkmale, zB Ausrüstung mit Microfasern oder -poren, wärmend, winddicht und feuchtigkeitsdurchlässig sind und sich daher für die Herstellung von Bekleidung für polare Verhältnisse eignen. Da im Textilbereich technischfunktionelle Eigenschaften von Geweben eine vorrangige Rolle spielen, ist die der Wortbildung "POLARTEC(K)" zukommende Originalität als nicht besonders hoch einzustufen. Selbst wenn also zugunsten der Widersprechenden eine infolge umfangreicher Benutzung erhöhte Bekanntheit der Widerspruchsmarken unterstellt wird, deren Grad mangels konkreter Angaben allerdings nicht feststellbar ist, könnte dies im Ergebnis nur zu einem Ausgleich der Originalitätsschwäche und damit zu der Annahme einer etwa normalen Kennzeichnungskraft führen.

Bei (unterstellter) normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken und unter Berücksichtigung der mittleren Warenähnlichkeit hält die jüngere Marke aber einen ausreichenden Abstand ein, um Verwechslungen in relevantem Umfang auszuschließen. Aufgrund der fehlenden Mittelsilbe "AR", die in der Wortbildung "POLARTEK" bzw "POLARTEC" klanglich und schriftbildlich deutlich hervortritt, vermittelt die angegriffene Marke "POLTECH" einen deutlich unterschiedlichen Gesamteindruck und zwar selbst dann, wenn man davon ausgeht, daß der Verkehr die geringfügigen Unterschiede der Endungen TECH/TEC(K) vielfach nicht wahrnimmt. Die außerordentliche Kennzeichnungsschwäche dieses Bestandteils trägt allerdings dazu bei, daß der Verkehr auf den Wortanfang stärker achtet und dabei die Kürze der Silbe "POL" im Verhältnis zu "POLAR" um so mehr bemerkt.

Der Senat vermag auch der Ansicht der Widersprechenden, "POL" und "POLAR" würden vom Verkehr als identische Begriffe aufgefaßt, nicht zu folgen. Dagegen spricht, daß Wörter, die sich auf die Pole und ihre Umgebung beziehen, in der Regel mit "Polar-" und nicht mit "Pol-" beginnen, zB Polareis, Polarexpedition, Polarfauna, Polarforscher, Polarfront, Polarfuchs, Polargebiet, Polargegend, Polarhund, Polarkreis, Polarland, Polarlicht, Polarluft, Polarmeer, Polarnacht, Polarstern, Polarzone). Das einzige im DUDEN enthaltene Wort, das sich auf den Pol bezieht und daher mit "Pol-" beginnt, ist der Begriff "Polhöhe", der mit der kalten Umgebung der Pole nichts zu tun hat, sondern den Winkel des Himmelspols über dem Horizont (= geografische Breite) bezeichnet. Für den unbefangenen Verbraucher, der in der Regel eine Kennzeichnung nicht näher analysiert, stellt sich "POL-TECH" daher als Phantasiewort dar, bei dem er in keiner Weise an eine für polare Kälte geeignete Kleidung denkt.

Selbst wenn ein Teil des Verkehrs "POL" und "POLAR" begrifflich gleichsetzen sollte, könnte dieser gemeinsame beschreibende Inhalt in Anbetracht der ausreichend deutlichen klanglichen und schriftbildlichen Unterschiede der Marken im übrigen eine Verwechslungsgefahr nicht begründen (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 112).

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Kosten verbleibt es bei der Regel des § 71 Abs 1 S 2 MarkenG. Gründe, hiervon abzuweichen, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

Dr. Schermer Richter am Bundespatent-

gericht Dr. van Radenist wegen Urlaubs gehin-

dert, zu unterzeichnen.

Dr. Schermer Friehe-Wich Pü






BPatG:
Beschluss v. 01.10.2002
Az: 27 W (pat) 121/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/8c3b90d54582/BPatG_Beschluss_vom_1-Oktober-2002_Az_27-W-pat-121-01




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