Oberlandesgericht Schleswig:
Beschluss vom 14. Februar 2007
Aktenzeichen: 2 W 173/06

(OLG Schleswig: Beschluss v. 14.02.2007, Az.: 2 W 173/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Beteiligte zu 1. hatte von den Beteiligten zu 2. Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung von Verwalterpflichten gefordert. Das Amtsgericht wies den Antrag jedoch zurück, da kein Schaden der Beteiligten zu 1. entstanden sei. Das Landgericht bestätigte diese Entscheidung. Dagegen legte die Beteiligte zu 1. sofortige weitere Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht Schleswig hob die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Das Gericht war der Auffassung, dass der Antrag der Beteiligten zu 1. wirksam zugestellt worden war. Die Zustellung erfolgte am 4.01.2005 und war somit rechtzeitig erfolgt. Die Verzögerung zwischen dem 23.12.2004 und dem 4.01.2004 hatte nicht die Beteiligte zu 1. zu vertreten. Somit wäre ein eventueller Schadensersatzanspruch nicht verjährt. Das Landgericht muss nun erneut über den Antrag der Beteiligten zu 1. entscheiden.

Der Tenor der Entscheidung lautet, dass der angefochtene Beschluss aufgehoben wird und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen wird. Der Geschäftswert beträgt 61.939,62 Euro.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Schleswig: Beschluss v. 14.02.2007, Az: 2 W 173/06


Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Instanz - an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Geschäftswert beträgt 61.939,62 Euro.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1. begehrt von den Beteiligten zu 2. Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung von Verwalterpflichten während der Zeit der Verwaltertätigkeit der Beteiligten zu 2.a). Nach unbeantwortet gebliebenen - an die Rechtsanwälte Dr. X.pp........... gerichteten - Aufforderungsschreiben vom 14.07.2003 und 5.11.2004 reichten die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. am 23.12.2004 beim Amtsgericht einen gegen die Beteiligten zu 2. gerichteten Antrag vom 21.12.2004 auf Zahlung von 61.939,62 Euro nebst Zinsen ein. Als Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 2. waren darin bezeichnet ebenfalls die Rechtsanwälte Dr. X. pp.............. Unter dem 27.12.2004 - gefertigt und ab am 28.12.2004 - beraumte das Amtsgericht Termin an und verfügte die Ladung der angegebenen Verfahrensbevollmächtigten zum Termin, ferner an die Rechtsanwälte Dr. X. pp.................. die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Antragsschrift jeweils mit Empfangsbekenntnis. Am 10.01.2005 ging beim Amtsgericht ein von Rechtsanwalt Dr. ...X. mit dem Datum vom 4.01.2005 unterzeichnetes Empfangsbekenntnis ein, in dem es heißt:

"...habe ich heute vom Amtsgericht Niebüll Ladung zum....., Antragsschrift vom 21.12.2004.... ausgehändigt erhalten.

Ich bin zur Entgegennahme der Zustellung legitimiert (z. B. bei Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälten (§§ 176 ZPO, 30. 52 BRAGO).

Nach Vollziehung zurück an die Geschäftsstelle des Amtsgerichts

....

25891 Niebüll."

Mit Schriftsatz vom 2.02.2005 - eingegangen beim Amtsgericht am 3.02.2005 - zeigten die Rechtsanwälte Dr. X.pp. an, dass die Beteiligten zu 2. nicht von ihnen vertreten würden. Ihnen - den Anwälten - seien am 4.01.2005 die gerichtliche Verfügung, Terminsladung und der Antrag vom 21.12.2004 zugestellt worden. Bislang hätten sie keine Vollmacht zur außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung. Infolgedessen sähen sie die Zustellung der gerichtlichen Verfügung, der Ladung und des Antrags vom 21.12.2004 als nicht bewirkt an. Daraufhin beraumte das Amtsgericht erneut einen Termin an und verfügte Ladung und Zustellung der Antragsschrift vom 21.12.2004 (wohl in einfacher Abschrift) unter der Anschrift der Beteiligten zu 2. mit Zustellungsurkunden. Ausweislich der Zustellungsurkunden erfolgte die Zustellung nunmehr am 7.02.2005 bzw. - gemäß Verfügung vom 22.05.2005 in beglaubigter Abschrift des Antrags vom 21.12.2004 - am 25.02.2005. Unter dem 5.04.2005 zeigten die Rechtsanwälte Dr. X pp. an, dass die Beteiligten zu 2. nunmehr von ihnen vertreten würden. Unter anderem erhoben sie die Einrede der Verjährung.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Es hat offen gelassen, ob die geltend gemachten Schadensersatzansprüche verjährt seien. Zwar hätte die Beteiligte zu 2.a) ihre Pflichten als Verwalterin verletzt, der Beteiligten zu 1. sei infolgedessen jedoch kein Schaden entstanden. Das Landgericht hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen. Gegen dieses Entscheidung, auf die zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.. Die Beteiligten zu 2. haben darauf nicht erwidert.

II.

Die nach §§ 45 Abs. 1 WEG; 20, 21, 22, 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG; 546 ZPO).

Das Landgericht hat ausgeführt:

Es könne dahingestellt bleiben, ob der Beteiligten zu 1. ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung zustehe. Ein solcher am 1.01.2002 bestehender Anspruch wäre jedenfalls gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB; § 195 BGB n. F. mit Ablauf des 31.12.2004 verjährt. Eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F. sei nicht erfolgt. Zwar wirke die Zustellung entsprechend § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung der Antragsschrift (hier am 23.12.2004) zurück, wenn die Zustellung demnächst erfolge. Diese Voraussetzung sei jedoch nicht gegeben. Das Empfangsbekenntnis vom 4.01.2005 belege keine Zustellung. Zum einen lasse sich der Unterzeichnung des vom Gericht vorformulierten Empfangsbekenntnisses durch Rechtsanwalt Gerlach nicht entnehmen, dass dieser willentlich eine Erklärung des Inhalts abgeben habe, von der Beteiligten zu 1. a) bevollmächtigt zu sein. Zum anderen könnte selbst eine solche Erklärung nicht zu ihren Lasten wirken, solange keine ausdrückliche oder konkludente Vollmacht oder eine Rechtsscheinvollmacht gegeben sei. Dafür lägen keinerlei Anhaltspunkte vor.

Die vom Amtsgericht am 3.02.2005 verfügte und am 7.02.2005 erfolgte Zustellung sei nicht mehr demnächst - mithin erst nach Eintritt der Verjährung - erfolgt, weil die Verzögerung mehr als zwei Wochen betrage und die Beteiligte zu 1. dies zu vertreten habe. Denn sie habe in der Antragsschrift die Rechtsanwälte Dr. X.pp. als Verfahrensbevollmächtigte benannt, obwohl ihr nicht bekannt gemacht worden sei, dass die Beteiligte zu 2.a) durch diese in einem Verfahren vertreten werden würde. Andererseits sei die Verzögerung nicht vom Amtsgericht oder der Beteiligten zu 2.a) zu vertreten. Das Amtsgericht habe sich ohne Erkundigung auf die Bezeichnung der Verfahrensbevollmächtigten in der Antragsschrift verlassen dürfen. Zwar habe sich Rechtsanwalt Dr...X.. den üblichen der Kammer bekannten anwaltlichen Gepflogenheiten zuwider verhalten, indem er am 4.01.2005 das Empfangsbekenntnis unterzeichnet habe, ohne das Gericht umgehend davon in Kenntnis zu setzen, dass er die Beteiligte zu 2.a) nicht vertrete. Dieses Verhalten könne dieser jedoch nicht angelastet werden, weil sie zu diesem Zeitpunkt Rechtsanwalt Dr. X. gerade nicht bevollmächtigt gehabt habe. Ein eventueller Schadensersatzanspruch gegen die Beteiligten zu 2.b) und c) wäre ebenfalls verjährt (§§ 161 Abs. 2, 128 Abs. 1 Satz 1 HGB).

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Prüfung nicht Stand.

Nach Auffassung des Senats ist der beim Amtsgericht am 23.12.2004 eingegangene Antrag der Beteiligten zu 1. vom 21.12.2004 den Beteiligten zu 2. wirksam nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO am 4.01.2005 zugestellt worden. Diese Vorschrift ist auch im Wohnungseigentumsverfahren entsprechend anwendbar (BayObLG WE 1991, 24; Weitnauer/Mansel, WEG, 9. Aufl., Nach § 43 Rn. 9 m.w.Nw.). Danach hat die Zustellung in einem anhängigem Verfahren an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen, wobei sie gegen Empfangsbekenntnis entsprechend 174 Abs. 1 ZPO durchgeführt werden kann (Weitnauer/ Mansel a.a.O.). Vorliegend war das Verfahren durch den Eingang des Antrags beim Amtsgericht am 23.12.2004 anhängig geworden (Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 172 Rn. 3). Bestellt ist der Prozessbevollmächtigte, wenn er sich durch ausdrückliches oder stillschweigendes Handeln gegenüber dem Gericht zum Prozessbevollmächtigen bestellt hat (BGH VersR 1986, 993, 994; KG NJW 1987, 1338, 1339: Zöller/Stöber a.a.O. § 172 Rn. 6). Dazu reicht es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, aus, wenn der Prozessbevollmächtigte in der Antragsschrift als solcher benannt wurde und durch die Entgegennahme der Zustellung sowie die Ausstellung und Rücksendung der Empfangsbescheinigung nach § 174 Abs. 1 ZPO an das Amtsgericht seine Bestellung erkennbar werden lässt (BGH NJW-RR 1986, 286, 287). Die ohne nähere Begründung erfolgte Auslegung des Empfangsbekenntnisses vom 4.01.2005 durch das Landgericht dahin, dass Rechtsanwalt X. darin lediglich bestätigt habe, Antragsschrift und Ladung erhalten zu haben, findet im Wortlaut und in der Bedeutung der Urkunde, die das Rechtsbeschwerdegericht als Verfahrenshandlung selbst auslegen kann, keine Entsprechung. Auch diese Verfahrenserklärung ist nach allgemeinen Grundsätzen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger - hier das Amtsgericht - nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 133 Rn. 9 und 4). Danach konnte schon auf Grund des ausdrücklichen Hinweises im Empfangsbekenntnis auf § 176 ZPO a. F. (entsprechend § 172 Abs. 1 ZPO n. F.) aus der Sicht des Amtsgerichts kein Zweifel bestehen, dass es sich bei dem das Empfangsbekenntnis unterzeichnenden Rechtsanwalt - entsprechend auch der Üblichkeit - um den "für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten" handelte. Damit lag konkludent eine Bestellungsmitteilung vor.

Für dieses Auslegungsergebnis ist es unerheblich, welchen Willen Rechtsanwalt X. bei der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses hatte. Ein etwa dem Auslegungsergebnis entgegenstehender Wille im Sinne eines Vorbehalts ist - was erforderlich gewesen wäre - im Empfangsbekenntnis jedenfalls nicht nach außen hervorgetreten. Einen solchen Willen hat Rechtsanwalt X. vielmehr erstmals vier Wochen später in seinem Schriftsatz vom 2.02.2005 an das Gericht kundgetan. Desgleichen ist es unbeachtlich, dass es sich um ein "vorformuliertes Empfangsbekenntnis" handelte. Jedenfalls bei einem Rechtsanwalt ist davon auszugehen, dass er sich den über seiner Unterschrift stehenden eindeutigen Text zu Eigen gemacht hat und - sollte er ein davon abweichendes Verständnis damit verbunden haben - dieses verdeutlicht hätte. Das ist indessen nicht geschehen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts war eine irgendwie geartete Vollmacht des Rechtsanwalts Dr. X. nicht erforderlich. Ein Rechtsanwalt kann auch dann "bestellter" Prozessbevollmächtigter im Sinne von § 172 ZPO sein, wenn er tatsächlich keine Prozessvollmacht hat. Entscheidend ist lediglich, ob er sich ausdrücklich oder - wie hier - durch schlüssiges Handeln zum Prozessbevollmächtigten bestellt hat (BGH VersR 1986, 993, 994; BGHZ 118, 312, 322; Zöller/Stöber a.a.O. § 172 Rn. 6 jew. mit weiteren Nachweisen). Dieses gebietet der erforderliche Vertrauensschutz für die Gegenseite. Das Interesse der Partei, für die ein nicht bevollmächtigter Rechtsanwalt aufgetreten ist, wird durch die Möglichkeit ausreichend gewahrt, sich an dem vollmachtlosen Vertreter schadlos zuhalten (vgl. BGHZ a.a.O.).

Die nach allem am 4.01.2005 wirksam erfolgte Zustellung des Antrags ist auch demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgt. Die Verzögerung zwischen dem 23.12.2004 und dem 4.01.2004 hat jedenfalls nicht die Beteiligte zu 1. zu vertreten (vgl. Zöller/Greger a.a.O. § 167 Rn. 10 und 12). Nach allem wäre - auch nach den Berechnungen des Landgerichts - ein eventueller Schadensersatzanspruch der Beteiligten zu 1. nicht verjährt.

Da das Landgericht in der Sache selbst nicht entschieden hat, hält es der Senat für angemessen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 58).






OLG Schleswig:
Beschluss v. 14.02.2007
Az: 2 W 173/06


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