Bundespatentgericht:
Urteil vom 19. Mai 2011
Aktenzeichen: 2 Ni 40/07

(BPatG: Urteil v. 19.05.2011, Az.: 2 Ni 40/07)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 7. November 2001 in der Amtssprache Französisch angemeldeten europäischen Patents 0 803 207 (Streitpatent) mit der Bezeichnung " Chaussure avec fermeture par rabats transversaux "(Schuh mit Verschluss mittels querlaufenden Laschen), für das die Unionspriorität vom 26. April 1996 der französischen Patentanmeldung FR 9605479 beansprucht worden ist und das in vom Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer 697 07 961 geführt wird.

Das Streitpatent umfasst 4 Ansprüche, von denen nur die Ansprüche 1 bis 3 angegriffen sind.

Die erteilten Patentansprüche 1 bis 3 haben in der maßgeblichen französischsprachigen Fassung folgenden Wortlaut:

1. Chaussure de sport comportant une tige (4, 5) qui recouvre des extensions verticales venues d'une base de coque (1) dans la zone (23) correspondant à la cheville du porteur, la base de coque

(1)

etant realisee avec une ouverture longitudinale (17) sur le dessus et etant pourvue d'au moins une paire de rabats transversaux (13, 15), qui prolongent ses parois laterales et se chevauchent, ces rabats (13, 15) etant, chacun, partiellement separes des extensions verticales laterales (12) venues de la base de coque (1) par une fente (19) debouchante vers le haut et orientee sensiblement parallèlement à I'ouverture longitudinale

(17)

audessus de la base de coque caracterisee par le fait que les fentes (19) determinent, dans la partie anterieure des extensions verticales (12) de la base de coque (1), les bords (24 et 26) d'une echancrure en forme generale de U, et respectivement, une languette (14,16) sur chaque rabat (13; 15).

2.

Chaussure de sport selon la revendication 1, caracterisee par le fait que les languettes (14, 16) sont solidaires des rabats (13, 15) à un niveau situe approximativement en correspondance du pli de flexion (20), hors des parties recouvertes par la tige (4. 5).

3.

Chaussure de sport selon la revendication 2, caracterisee par le fait que les languettes (14, 16) presentent une certaine largeur permettant de les faire chevaucher les bords (24, 26) de I'echancrure en forme de U.

In der deutschen Übersetzung lauten die Ansprüche:

1. Sportschuh, der einen Schaft (4, 5) aufweist, der von einer Schalenbasis (1) kommende vertikale Erweiterungen in der Zone (23) entsprechend dem Knöchel des Trägers überdeckt, wobei die Schalenbasis (1) mit einer longitudinalen Öffnung (17) auf dem Oberteil realisiert ist und mit zumindest einem Paar transversaler Laschen (13, 15) versehen ist, die ihre seitlichen Wände verlängern und sich überlappen, wobei diese Laschen (13, 15) jeweils teilweise von den von der Schalenbasis (1) kommenden vertikalen seitlichen Erweiterungen (12) durch einen Spalt (19) getrennt sind, der in Richtung nach oben mündet und im wesentlichen parallel zur longitudinalen Öffnung (17) über der Schalenbasis orientiert ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Spalte (19) in dem vorderen Teil der vertikalen Erweiterungen (12) der Schalenbasis (1) die Ränder (24 und 26) eines Ausschnitts in allgemeiner Form eines U und entsprechend eine Zunge (14, 16) auf jeder Lasche (13, 15) bestimmen.

2.

Sportschuh nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Zungen (14, 16) mit den Laschen (13, 15) an einem Niveau aus einem Stück sind, das sich ungefähr in Übereinstimmung mit der Biegefalte (20) außerhalb der durch den Schaft (4, 5) überdeckten Teile befindet.

3.

Sportschuh nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Zungen (14, 16) eine bestimmte Breite aufweisen, die es ermöglicht, daß sie die Ränder (24, 26) des Ausschnitts in Form eines U überlappen können.

Die Klägerin macht geltend, die Gegenstände der erteilten Ansprüche 1 bis 3 des Streitpatents seien nicht patentfähig, und beruft sich im Klageschriftsatz sowie im Schriftsatz vom 5. Mai 2011 auf die vorveröffentlichten Druckschriften und Unterlagen bzw. Muster

(N2) Neueste Information für den Fachhandel im September 1982: "Koflach 83"

(N3) EP 0 484 845 A2

(N4) Nordica-Prospekt, Ski Boot Collection 95 96, Januar 1995

(N5) Muster Skischuh Nordica Vertech

(N6) Sciare, N. 484 -15/30, November 1995, S. 186 u. 187 sowie 210 u. 211

(N7) Muster Skischuh Dolomite Varix VXR

(N8) US 5 410 822 A

(N9) DE 692 00 008 T2 Sie trägt vor, die Merkmale der erteilten Ansprüche 1 bis 3 des Streitpatents seien sowohl aus den genannten Druckschriften (N2, N3, N8, N9) als auch durch eine durch die Anlagen N4, N5, N6 und N7 belegte offenkundige Vorbenutzung neuheitsschädlich vorbekannt. Zumindest ergäben sich die Gegenstände dieser Patentansprüche in naheliegender Weise aus dem vorveröffentlichten Stand der Technik und beruhten daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Im Prüfungsverfahren sind außerdem folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:

(D1) EP 0353 532 A1 (D2) EP 0659 358 A1 (D3) FR 2 651 648A1 (D4) US 4 974346A Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 803 207 im Umfang der Ansprüche 1 bis 3 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber den genannten Druckschriften N3, N8 und N9. Die Entgegenhaltung N2 betreffe eine Vorbenutzung. Der Patentgegenstand sei auch gegenüber dieser neu. Eine Vorbenutzung gemäß den Anlagen N4/N5 betreffend einen Skischuh "Nordica Vertech" und den Anlagen N6/N7 betreffend einen Skischuh "Dolomite Varix VXR" werde zunächst bestritten, zumal die in den Anlagen N4 bzw. N6 abgebildeten Skischuhe nicht den dazu übergebenen Mustern N5 bzw. N7 entsprächen. Zudem sei der Patentgegenstand auch gegenüber diesen Vorbenutzungen (N4/N5 und N6/N7) neu.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf deren Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nach Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ geltend gemacht wird, ist unbegründet.

I.

1. Das Streitpatent betrifft laut der deutschen Übersetzung der Streitpatentschrift einen Sportschuh, der einen Schaft aufweist, der von einer Schalenbasis kommende vertikale Erweiterungen in der Zone entsprechend dem Knöchel des Trägers überdeckt, wobei die Schalenbasis mit einer Iongitudinalen Öffnung auf dem Oberteil realisiert und mit zumindest einem Paar transversaler Laschen versehen ist, die ihre seitlichen Wände verlängern und sich überlappen, wobei diese Laschen jeweils teilweise von den von der Schalenbasis kommenden vertikalen seitlichen Erweiterungen durch einen Spalt getrennt sind, der in Richtung nach oben mündet und im Wesentlichen parallel zur longitudinalen Öffnung über der Schalenbasis orientiert ist (Oberbegriff des Anspruchs 1).

Wie in der Beschreibungseinleitung sinngemäß ausgeführt ist, wird die Schalenbasis dem Fuß durch Reduzierung des Volumens angepasst, wobei die transversalen Laschen einander angenähert werden. Hierbei entsteht aufgrund der Überlagerung der Laschen ein Anstieg ihrer transversalen Steifigkeit (vgl. S. 2, 1. Abs.). Genau in dieser Zone, die der Biegefalte entspricht, ist es notwendig, ein Maximum an Nachgiebigkeit vorzusehen, um eine optimale Einstellung der Umhüllung zu erreichen, und es ist in dieser Zone ebenso notwendig, die Laschen weit auffalten zu können, um den Fuß einzuführen oder herausnehmen zu können.

2. Der patentgemäßen Erfindung liegt gemäß S. 4, Z. 1 bis 11 als Aufgabe zugrunde, einen Sportschuh dieses Typs zu schaffen, der es ermöglicht, eine korrekte Dichtigkeit zwischen dem Schaft und der Schalenbasis zu bewahren, das Spannen zwischen dem Schaft und der Schalenbasis zu differenzieren, mit Präzision die Umwicklung des Fußes in der Zone der Biegefalte einzustellen, die Biegeeigenschaften des Schaftes im Verhältnis zur Schalenbasis nicht zu beeinflussen, den Durchgang des Fußes beim Schuhanziehen-Schuhausziehen zu erleichtern, besonders bequem zu sein und einfach herzustellen und zu benutzen, die Fabrikationskosten nicht zu belasten.

3.

Zur Lösung dieser Aufgabe gibt Anspruch 1 des Streitpatents in der deutschen Fassung einen Sportschuh mit den Merkmalen gemäß folgender Gliederung an:

4.

Als Fachmann ist ein Schuhtechniker mit langjähriger Erfahrung in der Konstruktion und der Herstellung von Sportschuhen aus Kunststoffschalen anzusehen.

a Sportschuh, der einen Schaft aufweist, b der von einer Schalenbasiskommende vertikale Erweiterungen in der Zone entsprechenddem Knöchel des Trägers überdeckt, c wobei die Schalenbasis mit einer Iongitudinalen Öffnung aufdem Oberteil realisiert istd und mit zumindest einem Paar transversaler Laschen versehenist, die ihre seitlichen Wände verlängern und sich überlappen, e wobei diese Laschen jeweils teilweise von den von der Schalenbasis kommenden vertikalen seitlichen Erweiterungen durch einen Spalt getrennt sind, f der in Richtung nach oben mündet und im Wesentlichen parallelzur longitudinalen Öffnung über der Schalenbasis orientiert ist, dadurch gekennzeichnet, dassg die Spalte in dem vorderen Teil der vertikalen Erweiterungen der Schalenbasis die Ränder eines Ausschnitts in allgemeiner Formeines U und entsprechend eine Zunge auf jeder Laschebestimmen.

II.

Die in Patentanspruch offenbarte Vorrichtung erweist sich als patentfähig.

1. Zur erteilten Fassung des Streitpatents:

Üblicherweise besteht ein Schuh aus zwei Teilen, dem Schaft (gesamtes Oberteil des Schuhs) und der daran befestigten Sohlenkonstruktion. Im Gegensatz dazu geht das Streitpatent davon aus, dass der Sportschuh aus einem Schaft (2) und einer Schalenbasis (1) gebildet ist. Hierzu ist auf S. 1, 2. Abs., 1. Satz dargelegt, dass Sportschuhe dieses Typs eine Schalenbasis aufweisen, welche den Fuß des Trägers umgibt, und einen Schaft, der den unteren Teil des Beines des Trägers hält.

Merkmal g beschreibt einen Ausschnitt in allgemeiner Form eines U, wobei die Spalte in dem vorderen Teil der vertikalen Erweiterungen der Schalenbasis die Ränder bilden. Demnach wird der Ausschnitt in allgemeiner Form eines U von den Rändern 24 und 25 (oder 24 und 26 in den Figuren) der Spalte 19 und der Verbindungslinie zwischen den unteren Enden der Spalte 19, also der Biegefalte der Zungen 14, 16 gebildet (vgl. S. 4, Z. 22 -26; S. 7, Z. 19 -22; S. 8, Z. 1 und 2).

2. Der Sportschuh nach dem erteilten Anspruch 1 ist neu.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, aus der Entgegenhaltung N9 seien sämtliche im Anspruch 1 des Streitpatents genannten Merkmale bekannt. Dem kann der Senat nur insoweit folgen, als daraus ein Sportschuh zu entnehmen ist, der die Merkmale a bis d aufweist.

Die ein Schuhoberteil mit Klappen betreffende Druckschrift N9 offenbart einen Skischuh aus Kunststoff, dessen unterer Abschnitt aus einer Schale besteht, die den Fuß und die Ferse umgibt und dessen oberer Abschnitt in bekannter Weise über einen auf der Schale angelenkten Ring verfügt, der nach vorn offen ist und das Unterbein umgibt (S. 1, 1. Abs. i. V. m. Fig. 4). Dieser Ring stellt nach der oben genannten Definition des Streitpatents einen Schaft dar (Merkmal a).

Die Figuren 1 und 3 dieser Schrift zeigen am Fersenteil des Skischuhs auf jeder Seite von einer Schalenbasis kommende vertikale Erweiterungen, die offensichtlich den Knöchel des Trägers überdecken (Merkmal b).

Überdies lassen diese Figuren i. V. m. S. 5, letzter Abs., erkennen, dass die Schalenbasis eine Iongitudinale Öffnung auf dem Oberteil der Schalenbasis aufweist, die mit einem Paar transversaler Laschen (äußere Lasche 4 und innere Lasche 5) versehen ist, die ihre seitlichen Wände verlängern und sich überlappen (Merkmale c und d).

Der Gegenstand des Streitpatents unterscheidet sich jedoch vom Stand der Technik nach N9 durch die Merkmale e bis g.

Wie den Figuren 1 und 3 i. V. m. S. 5, letzter Abs., zu entnehmen ist, ist die innere Lasche 5 von der im Fersenbereich auf der Innenseite des Skischuhs zu erkennenden vertikalen Erweiterung durch einen Spalt getrennt. Dass der Sportschuh nach N9 symmetrisch aufgebaut ist und auch die äußere Lasche 4 von der vertikalen Erweiterung auf der nicht zu erkennenden Außenseite des Skischuhs getrennt ist, wie es das Merkmal e des Anspruchs 1 verlangt ("Laschen"), ist weder den Figuren noch der Beschreibung zu entnehmen. Die Klägerin führt hierzu aus, der Sportschuh nach N9 sei symmetrisch aufgebaut. Bei einem unsymmetrischen Schuh erwarte der Fachmann eine Darstellung der anders gestalteten Außenseite.

Die Klägerin verkennt dabei, dass die Druckschrift N9 ausschließlich Informationen enthält, nach denen der darin offenbarte Schuh lediglich in einer der beiden von der Schalenbasis kommenden seitlichen Erweiterungen einen Spalt aufweist. So wird dort mehrfach herausgestellt, dass bei dem bekannten Skischuh der Kontakt mit der Innenseite des Fußes beim Verkanten des Skis verbessert werden soll (vgl. S. 1, 2. Abs.; S. 3, 3. Abs.; S. 4, Z. 9-11; S. 7, letzter Abs.). Dem wird ein wie bei dem Streitpatent symmetrisch aufgebauter Schuh, der ebenso wie an der innen liegenden auch an der außen liegenden seitlichen Erweiterung der Schalenbasis mit einem Spalt versehen ist, offensichtlich nicht gerecht, weil von der Außenseite dann kein ausreichender Druck mehr auf den Fuß ausgeübt werden kann. Dass es -wie die Klägerin außerdem meint -für einen erleichterten Einstieg in den Schuh unabdingbar sei, beide seitlichen Erweiterungen mit einem Spalt zu versehen, trifft ebenfalls nicht zu, denn zu diesem Zweck weist der aus N9 bekannte Schuh bereits einen transversalen Schlitz in der oberen, von der Außenseite des Schuhs kommenden Lasche 4 auf, der diese in die Abschnitte 41 und 42 teilt, wodurch eine größere Öffnung möglich wird (vgl. Anspruch 4; S. 4, letzter Abs.; S. 5, Z. 15-17; S. 6, Z. 29-S. 7, Z. 3). Im Sinne des Streitpatents die auf der Außenseite des Schuhs liegende Lasche -zusätzlich -mittels eines Spaltes von der vertikalen seitlichen Erweiterung der Schalenbasis zu trennen, ist daher zur Erleichterung des Einstiegs in den Schuh zum einen nicht erforderlich und zum anderen auch nicht sinnvoll, denn dadurch kommt es zu einer Schwächung des Schuhs.

Merkmal e des patentgemäßen Sportschuhs ist in der Druckschrift N9 somit nicht offenbart. Ein symmetrischer Aufbau des bekannten Skischuhs kann allenfalls in Kenntnis des Streitpatents ex post daraus abgeleitet werden.

Auch offenbart N9 nicht das Merkmal f, wonach der Spalt, der die Lasche von der Schalenbasis trennt in Richtung nach oben mündet und im Wesentlichen parallel zur longitudinalen Öffnung über der Schalenbasis orientiert ist. Betrachtet man, wie die Klägerin, den Teil des Spaltes, der im Wesentlichen parallel zur longitudinalen Öffnung über der Schalenbasis orientiert ist, (Fig. 1 und 3) als trennenden Spalt, so mündet dieser nicht nach oben, sondern nach hinten. Sieht man dagegen den Teil des Spaltes, der nach oben mündet, als trennenden Spalt an, dann zeigen die Fig. 1 und 3, dass dieser nicht im Wesentlichen parallel zur longitudinalen Öffnung über der Schalenbasis orientiert ist, sondern senkrecht dazu.

Da, wie zum Merkmal e ausgeführt, aus der Druckschrift N9 nur ein Spalt zu entnehmen ist, offenbart diese Schrift auch nicht das Merkmal g. Nach diesem Merkmal müssen nämlich Spalte (nicht nur ein Spalt) vorhanden sein, um in dem vorderen Teil der vertikalen Erweiterungen der Schalenbasis die Ränder eines Ausschnitts in allgemeiner Form eines U auszubilden, wobei nach der oben angegebenen Auslegung der untere Rand des U durch die Biegefalte der Zungen gebildet wird (S. 8, Z. 1 und 2 der Übersetzung des Streitpatents). Ebenso kann ein einziger Spalt zusammen mit der longitudinalen Öffnung nur eine Zunge ausbilden und nicht eine Zunge auf jeder Lasche, wie es Merkmal g vorgibt.

Gegenüber den weiteren von der Klägerin herangezogenen Entgegenhaltungen erweist sich der streitpatentgemäße Sportschuh gleichfalls als neu.

Die Druckschriften N2, N4 und N6 zeigen Wanderund Bergschuhe bzw. Skischuhe, bei denen nicht zu erkennen ist, ob die Laschen jeweils teilweise von den von der Schalenbasis kommenden vertikalen seitlichen Erweiterungen durch einen Spalt getrennt sind, weshalb dort bereits jeweils Merkmal e fehlt. Ebenso sind die Ausgestaltungen gemäß der Merkmale f und g nicht ersichtlich.

Die Druckschrift N3 betrifft einen Skischuh, der einen Schaft, vertikale Erweiterungen der Schalenbasis im Bereich des Knöchels und eine longitudinale Öffnung auf dem Oberteil der Schalenbasis aufweist (Fig. 5). Weiterhin ist in Fig. 5 zu erkennen, dass die Schalenbasis im Bereich der longitudinalen Öffnung mit transversalen Laschen versehen ist. Diese verlängern zwar die seitlichen Wände, überlappen sich jedoch nicht, wie es nach Merkmal d vorgesehen ist. Darüber hinaus sind dieser Schrift auch die Merkmale e bis g nicht zu entnehmen.

Die Skischuhe gemäß den Mustern N5 und N7 , deren Vorveröffentlichung der Senat unterstellt, sowie die Entgegenhaltung N8 sind bezüglich ihres Offenbarungsumfangs einander gleichwertig. Sie weisen die Merkmale a bis e auf, wobei die transversalen Laschen, die dort die seitlichen Wände verlängern und sich überlappen, durch zusätzliche Bauteile gebildet werden, die auf dem Oberteil der Schalenbasis befestigt sind (Merkmal d). Da diese Laschen an der Schalenbasis befestigt sind, ist zwischen den Laschen und der Schalenbasis ein Spalt vorhanden, wobei dieser die Laschen auch von den von der Schalenbasis kommenden vertikalen seitlichen Erweiterungen trennt (Merkmal e). Dieser zwischen Lasche und vertikaler seitlicher Erweiterung verlaufende Spalt ist jedoch deutlich erkennbar in einem Winkel zur longitudinalen Öffnung der Schalenbasis angeordnet und somit nicht parallel zu dieser. Da außerdem der Spalt zwischen Lasche und vertikaler seitlicher Erweiterung verläuft, kann er auch nicht in dem vorderen Teil der vertikalen Erweiterungen der Schalenbasis die Ränder eines Ausschnitts in allgemeiner Form eines U bilden. Somit fehlen jeweils die Merkmale f und g.

3. Die Vorrichtung nach dem erteilten Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Klägerin hat bestritten, dass ausgehend von der als nächstkommend anzusehenden Druckschrift N9 eine erfinderische Tätigkeit notwendig war, um zum streitpatentgemäßen Sportschuh zu gelangen. Sinngemäß hat sie ausgeführt, dass aus N9 jedenfalls die Merkmale a bis d sowie f und g bekannt seien und sich auch Merkmal e für den Fachmann ohne Weiteres ergäbe, da Skischuhe üblicherweise symmetrisch seien.

Diese Auffassung kann der Senat nicht teilen. Wie bereits zur Neuheit ausgeführt, ist die Zielsetzung der Konstruktion gemäß N9 kein symmetrischer Skischuh, da eine lediglich einseitig auf den Kontakt des Fußes mit der Innenseite des Schuhs gerichtete Verbesserung erreicht werden soll. Hieraus erhält der Fachmann demnach keinen Hinweis, dass der Skischuh symmetrisch aufgebaut ist. Folglich ist auch das Merkmal e, wonach die Laschen jeweils teilweise von den von der Schalenbasis kommenden vertikalen seitlichen Erweiterungen durch einen Spalt getrennt sind, durch diesen Stand der Technik nicht nahegelegt, da keine Anregung vorhanden ist, beide Laschen durch einen Spalt von den seitlichen Erweiterungen zu trennen. Weil nur die Ausbildung von Spalten in jeder Lasche einen Ausschnitt in Form eines allgemeinen U gemäß Merkmal g bewirkt, ist auch dieses Merkmal aus N9 nicht herleitbar. Ebenso ist kein Anlass gegeben, den Spalt gemäß N9, der klar ersichtlich aus einem horizontalen und einem vertikalen Teil besteht, durch einen nur horizontal und parallel zur longitudinalen Öffnung ausgerichteten Spalt zu ersetzen (Merkmal f). Dies würde nämlich die Ausgestaltung des Skischuhs auf der Innenseite derart verändern, dass die seitliche Erweiterung nicht mehr bis in den Bereich des Knöchels reicht, und den Halt des Fußes in Skischuh beeinträchtigen.

Da den Druckschriften N2, N4 und N6 bereits die Merkmalen e, f und g nicht zu entnehmen sind und das dem Streitpatent zugrundeliegende Problem in diesen Schriften keine Erwähnung findet, ist hieraus keine Anregung zu entnehmen, die zur patentgemäßen Ausgestaltung des Sportschuhs führen könnte.

Gleichfalls ist aus der einen Skischuh betreffenden Druckschrift N3 kein Anlass ersichtlich, von dem dort gewählten Kompromiss zwischen Tragekomfort und Kraftübertragung mittels weichen (soft) und verstärkenden (strengthening) Bauteilen abzuweichen und eine Ausgestaltung mit den patentgemäßen Merkmalen d sowie e bis g zu wählen.

Beim Skischuh nach den Mustern N5 und N7 sowie nach Entgegenhaltung N8 ist bereits kein Grund ersichtlich, durch Spalte in dem vorderen Teil der vertikalen Erweiterungen der Schalenbasis eine Zunge auf jeder Lasche zu bestimmen, da dort bereits Zungen auf den zusätzlichen transparenten Bauteilen ausgebildet sind (Merkmal g).

Ferner führt eine Zusammenschau der Druckschrift N9 mit einer der übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften nicht zum Sportschuh nach Anspruch 1, da diesem, wie auch allen anderen im Verfahren befindlichen Druckschriften, die Merkmale f und g fehlen.

Somit hat der Anspruch 1 des Streitpatents Bestand.

An diesem Ergebnis ändert auch die Berücksichtigung der im Prüfungsverfahren herangezogenen Druckschriften D1 bis D4 nichts, aus denen die Klägerin auch keine patenthindernden Gründe geltend gemacht hat.

Die angegriffenen Ansprüche 2 und 3 sind ebenfalls rechtsbeständig, da sie zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Sportschuhs nach Anspruch 1 betreffen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Sredl Merzbach Dr. Fritze Rothe Fetterrollprö






BPatG:
Urteil v. 19.05.2011
Az: 2 Ni 40/07


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