Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Februar 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 61/03

(BPatG: Beschluss v. 21.02.2006, Az.: 17 W (pat) 61/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 T des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. April 2003 aufgehoben und das Patent erteilt:

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 8, Beschreibung Seiten 1 - 5, 5a, 6 - 19, 5 Blatt Zeichnungen mit 6 Figuren, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung:

"Verfahren und zur Durchführung dieses Verfahrens ausgebildete medizinische Einrichtung"

ist am 3. September 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 T mit Beschluss vom 2. April 2003 zurückgewiesen. Zu den Gründen für die Zurückweisung wurde auf den Bescheid vom 31. Mai 2002 verwiesen, in dem ausgeführt ist, dass der Patentanspruch 1 mangels Neuheit seines Gegenstandes nicht gewährbar sei; beim nebengeordneten Anspruch 10 sei auch unter Einbeziehung der gesamten Unterlagen nicht verständlich, für welche konkrete technische Lehre Schutz beansprucht wird, so dass auch dieser Anspruch nicht gewährbar sei.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und stellt den Antrag, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 8, Beschreibung Seiten 1 - 5, 5a, 6 - 19, 5 Blatt Zeichnungen mit 6 Figuren, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Der Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Restauration eines Signals eines defekten Kanals eines eine Vielzahl von Kanälen aufweisenden Strahlendetektors, mittels dessen Projektionen aus unterschiedlichen Projektionsrichtungen zeitlich aufeinander folgend aufgenommen werden und dessen Kanäle jeweils ein Detektorelement mit nach geschalteter Kanalelektronik aufweisen, wobei nur das Signal des defekten Kanals nur unter Verwendung von Nachbarsignalen einer M-Nachbarschaft des defekten Kanals derselben Projektionund von Nachbarsignalen einer M-Nachbarschaft des defekten Kanals der zeitlich direkt vorausgehenden Projektion restauriert wird."

Hinsichtlich der weiteren Ansprüche wird auf die Akten verwiesen.

Die Anmelderin hat erläutert, dass sich aus der nunmehr eingereichten Fassung des Patentanspruchs 1 klar ergebe, dass zur Restauration des Signals eines defekten Kanals des Strahlendetektors nicht nur die benachbarten Signale derselben Projektion, sondern auch die Nachbarschaftssignale der zeitlich vorausgehenden Projektion herangezogen würden. Durch die Heranziehung der Nachbarschaftssignale auch der zeitlich vorausgehenden Projektion werde eine Restauration des Signals des ausgefallenen Kanals erreicht, mit der störende Artefakte in dem rekonstruierten Bild gut kompensiert würden und der zeitliche Aufwand für die Restauration nicht zu sehr erhöht werde. Dadurch sei ein ökonomischer Einsatz von Mehrzeilen- und Flächendetektoren möglich, da der Ausfall eines Kanals nicht zwangsläufig aufwendige Reparaturarbeiten am Detektor erforderlich mache. Der entgegengehaltene Stand der Technik lege dieses Verfahren nicht nahe, so dass dessen Patentfähigkeit anzuerkennen sei.

II.

Die zulässige, insbesondere in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anmeldung ist auch begründet, da der zum Patent angemeldete Gegenstand in der nachgesuchten Fassung nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist.

Die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 ergeben sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3 sowie aus der Beschreibung S.11 Abs. 2 bis S. 12 Abs. 1. Diese Fassung des Patentanspruchs 1 ist daher zulässig.

Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist auch neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

In der Beschreibungseinleitung wird erläutert, dass in modernen Computertomographiegeräten Detektoren verwendet werden, die eine größere Anzahl von Zeilen von Detektorelementen aufweisen, bspw. 64 Zeilen. Wenn ein Detektorkanal eines solchen Mehrzeilendetektors defekt ist, soll dies zu ring- oder linienförmigen Artefakten im rekonstruierten Bild führen, die günstigstenfalls als störend empfunden würden, häufig aber die Diagnose nachteilig beeinflussten oder ganz unmöglich machten. Deshalb seien bereits Verfahren entwickelt worden, die es ermöglichten, die Signale eines defekten Kanals zu restaurieren, um so auf einen zeit- und kostenaufwendigen Austausch verzichten zu können (vgl. S. 2, Z. 11 - 24 und S. 3, Z. 12 - 16 der Beschreibung ). Diese bekannten Verfahren erforderten jedoch großen Rechenaufwand oder seien in anderer Hinsicht nicht optimal.

Von den in der Beschreibungseinleitung genannten und im Prüfungsverfahren als Stand der Technik entgegengehaltenen Druckschriften betrifft die DE 26 27 885 A1 eine Anordnung zur Ermittlung der räumlichen Verteilung der Absorption von Strahlung in einer Ebene eines Körpers unter Verwendung eines Strahlers, dessen fächerförmiges Strahlenbündel den Körper in einer Ebene durchsetzt und von einer Reihe von nebeneinander angeordneten Detektoren gemessen wird. Diese bekannte Anordnung weist neben einer Einrichtung zum Erfassen defekter Detektoren auch eine Interpolationseinheit auf, die die Messwerte eines als defekt erkannten Detektors durch Korrekturwerte ersetzt, die durch Interpolation von Messwerten gebildet sind, die entlang von Strahlenpfaden ermittelt wurden, die den Strahlenpfaden, längs derer die Messwerte des defekten Detektors jeweils ermittelt wurden, benachbart sind (vgl. Anspruch 1). Den Ausführungen in dieser Druckschrift entnimmt der Fachmann, ein Ingenieur oder Informatiker mit Kenntnissen und praktischer Erfahrung auf dem Gebiet der Bildverarbeitung, dass der Wert des Signals eines defekten Detektors durch Interpolation aus den Werten der benachbarten Detektoren angenähert berechnet werden kann. Die Druckschrift geht zwar davon aus, dass die Detektoren in einer Reihe angeordnet sind, also nur eine Zeile umfassen und zieht entsprechend nur die Werte der in der einen Zeile liegenden benachbarten Detektoren zur Restauration des Signals des defekten Kanals heran. Ein Fachmann wird im Rahmen seines Könnens diese Art der Interpolation aber auch auf Mehrzeilendetektoren übertragen und entsprechend die in den benachbarten Zeilen eines Mehrzeilendetektors auftretenden Werte zur Interpolation heranziehen.

Der Anmelderin ist jedoch dahingehend beizutreten, dass sich in der DE 26 27 885 A1 keine Anregung findet, zur Restauration bzw. Interpolation des Signals eines defekten Kanals neben den benachbarten Werten derselben Projektion entsprechend dem letzten Merkmal des Patentanspruchs 1 auch die benachbarten Werte heranzuziehen, die in der zeitlich direkt voraus gegangenen Projektion ermittelt wurden. Für den Fachmann ist dabei nachvollziehbar, dass sich durch diese zusätzliche Berücksichtigung der benachbarten Werte der voraus gehenden Projektion eine Verbesserung gegenüber der vorbekannten Restauration ergibt, wie dies auf S. 13, Z. 25 - S. 14, Z. 20 der Beschreibung i. V. m. Fig. 4 im Einzelnen erläutert ist.

Eine Anregung in Hinsicht auf die Heranziehung nur der aktuellen und der zeitlich direkt vorausgehenden Projektion zur Restauration findet sich auch in den übrigen, von der Prüfungsstelle entgegengehaltenen Druckschriften nicht:

In der DE 199 21 763 A1 ist ein Verfahren zum Rekonstruieren eines Signals eines Defektdetektorelements eines Strahlendetektors beschrieben, wobei der Strahlendetektor nur eine einzige oder auch mehrere Detektorzeilen umfassen kann (vgl. Sp. 3, Z. 17 - 19). Zur Rekonstruktion des Signals des Defektdetektorelements werden hier in einem ersten Verfahrensschritt die vom Strahlendetektor gewonnenen originalen Messsignale erfasst und in einem zweiten Schritt einer Tiefpassfilterung unterzogen. Die Erfassung der Messsignale erfolgt zeitlich nacheinander unter verschiedenen Projektionswinkeln , vgl. Fig. 4 und die zugehörige Beschreibung in Sp. 3 Z. 29 bis 40. Die Tiefpassfilterung kann zweidimensional in den Variablen Strahlenfächerwinkel und Projektionswinkel durch Faltung mit einer zweidimensionalen Rechteckfunktion der Breite (K, K) durchgeführt werden, vgl. Fig. 2 und die Beschreibung in Sp. 4 Z. 43 bis 65; d. h. bei der Berechnung des tiefpassgefilterten Signals an der Defektstelle werden zusätzlich zu Nachbarsignalen aus der aktuellen Projektion (mit Projektionswinkel o) in symmetrischer Weise auch Nachbarsignale aus zeitlich vorausgehenden Projektionen (im Projektionswinkelbereich zwischen o - K/2 und o) und aus zeitlich nachfolgenden Projektionen (im Projektionswinkelbereich zwischen o und o + K/2) berücksichtigt. In einem dritten Verfahrensschritt erfolgt die Rekonstruktion durch eine Überlagerung der originalen Messsignale und der tiefpassgefilterten Signale in der Weise, dass das Signal des Defektdetektorelements im Wesentlichen dem tiefpassgefilterten Signal entspricht und das der benachbarten Detektorelemente den ursprünglichen Signalen (vgl. Ansprüche 1 und 2). Es findet sich jedoch kein Hinweis darauf, die Rekonstruktion des Signals des Defektdetektorelements in nicht symmetrischer Weise nur unter Berücksichtigung der Nachbarschaft der aktuellen Projektion und der zeitlich direkt vorausgehenden Projektion, aber nicht der zeitlich nachfolgenden Projektion durchzuführen.

Die EP 0 024 698 B1 befasst sich mit der Aufgabenstellung, einen Computertomographen zu schaffen, der eine Erhöhung der nutzbaren Auflösung und der Bildqualität bei gleich bleibender Anzahl von Detektorelementen und Positionswinkeln ermöglicht (vgl. Sp. 2, Z. 56 - 61). Hierzu wird eine Interpolationsvorrichtung vorgeschlagen, die Zwischenwerte für gewünschte, zwischen den gemessenen Winkeln liegende Positionswinkel erzeugt. Die Restauration von Signalen von defekten Detektorelementen wird nur insoweit angesprochen, als erwähnt wird, dass auch diese durch Interpolation aus benachbarten Werten erzeugt werden können (vgl. Sp. 2, Z. 31 - 41).

Das Verfahren zur Restauration eines Signals eines defekten Kanals nach dem Patentanspruch 1 ist sonach weder aus dem Stand der Technik vorbekannt noch nahe gelegt.

Die auf den Anspruch 1 mittelbar oder unmittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 enthalten zweckmäßige Ausgestaltungen des Verfahrens nach dem Anspruch 1, die bereits Gegenstand der ursprünglich eingereichten Ansprüche waren.

Der nebengeordnete Anspruch 7 und der hierzu untergeordnete Anspruch 8 sind auf eine medizinische Einrichtung gerichtet, die eine Signalrestaurationseinrichtung aufweist, die zur Durchführung des erläuterten Verfahrens ausgebildet ist.

Die gegenüber den ursprünglichen Unterlagen vorgenommenen Änderungen umfassen lediglich eine redaktionelle Anpassung an die geltende Fassung der Patentansprüche einschließlich der Streichung der ursprünglichen Fig. 6 und der zugehörigen Beschreibungsteile und Ergänzungen bei der Würdigung des entgegengehaltenen Standes der Technik.

Das Patent war folglich gemäß dem Antrag der Anmelderin zu erteilen.






BPatG:
Beschluss v. 21.02.2006
Az: 17 W (pat) 61/03


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