Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 20. Dezember 2011
Aktenzeichen: I-20 U 180/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 20.12.2011, Az.: I-20 U 180/11)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17. August 2011 abgeändert und der Beklagte verurteilt,

1. gegenüber der Domainvergabestelle DENIC den Domainnamen „w...de“ freizugeben,

2. an den Kläger 399,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. März 2011 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 Euro abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe

A.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Danach ist der Kläger laut vorgelegtem Registerauszug am 9. Dezember 2003 mit Namen und Sitz, wie sie aus dem vorstehenden Rubrum ersichtlich sind, in das Vereinsregister des Amtsgerichts Essen zu Nummer VR … eingetragen und ist auf ihn ferner die Gemeinschaftsbildmarke 0… in der Gestalt der nachfolgenden Wiedergabe eingetragen; die Daten von Anmeldung und Eintragung sind ebenso wie das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis nicht mitgeteilt worden:

Gestützt auf sein Namensrecht, das auch gesondert hinsichtlich der dortigen Buchstabenfolge "W.." bestehe, und sein Recht an der Gemeinschaftsmarke hat er den Beklagten als privaten Inhaber der - zu unbekannter Zeit - für ihn eingetragenen und noch als "Baustelle" gekennzeichneten Domain "w...de" auf deren Freigabe gegenüber der Vergabestelle DENIC sowie auf Erstattung der Kosten einer vorgerichtlichen Abmahnung nebst Zinsen verklagt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Marken- und auch unternehmenskennzeichenrechtliche Ansprüche kämen mangels Benutzung des angegriffenen Zeichens im geschäftlichen Verkehr nicht in Frage; ohne eine solche Benutzung sei auch keine Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit festzustellen. Ein Namensrecht des Klägers an seiner - bloß geschäftlichen - Bezeichnung werde durch die bisher allein gegebene Registrierung der Domain jedenfalls so lange nicht verletzt, wie noch deren Benutzung für unähnliche Waren oder Dienstleistungen in Betracht komme; so verhalte es sich bisher. Eine überragende Bekanntheit der geschäftlichen Bezeichnung des Klägers, die zu einer anderen Beurteilung führen könne, sei nicht festzustellen. Für ein Fehlen von Benutzungswillen, sei es auch durch Veräußerung, oder eine Behinderungsabsicht sei beim Beklagten nichts ersichtlich. Die Buchstabenkombination "w.." sei gängig und von einer Vielzahl von Unternehmen unterschiedlicher Branchen zu nutzen.

Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er unter wiederholender Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen den namensrechtlichen Anspruch weiterverfolgt. Er setzt der Meinung des Landgerichts die Auffassung entgegen, dass schon in der bloßen Registrierung einer Domain eine Namensanmaßung liege und der Namensträger den Ausschluss von der Nutzung der entsprechenden Domain nicht hinnehmen müsse. Anderes gelte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur nach dem Wettbewerbsrecht. Diese Grundsätze müssten auch hinsichtlich geschützter bloßer Namensbestandteile wie "W.." Anwendung finden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils entsprechend seinen erstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden, nämlich auf Verurteilung des Beklagten zur Freigabe des Domainnamen "w...de" gegenüber der Domainvergabestelle DENIC und Zahlung von 399,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. März 2011 an ihn, den Kläger.

Der Beklagte beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und hebt hervor, dass nicht schon jede Domainregistrierung eine Namensanmaßung sei. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass die aus dem Namen abgeleitete Abkürzung durch Anerkennung im Verkehr Namensfunktion erlangt habe und ihr Unterscheidungskraft zukomme. Die Abkürzung "W.." habe unterschiedliche Bedeutungen. Es fehle an der Darlegung, dass durch die beanstandete Benutzung der Buchstabenfolge als Domainname die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung entstehe. Der Beklagte meint zudem, der im geschäftlichen Verkehr handelnde Kläger könne sich nicht - subsidiär zu seinem Markenrecht - auf den Schutz nach § 12 BGB berufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die von ihnen hier gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts, durch das seine Klage abgewiesen worden ist, ist zulässig und begründet. Die - soweit eine Überprüfung im Berufungsrechtszug möglich ist - zulässige Klage unterliegt hinsichtlich des jetzt weiterhin in Anspruch genommenen Namenschutzes nicht der Abweisung als unbegründet. Dem Kläger, einem Idealverein, kommt an dem Bestandteil "W.." seines vollständigen Namens "W… W.. e.V." Namensrechtsschutz nach § 12 BGB zu, der auch gegenüber der bloßen Registrierung der vom Beklagten als Privatmann gehaltenen, noch keine Inhalte aufweisenden Domain "w...de" durchgreift.

Zu Recht besteht kein Streit darüber, dass dem Kläger als Verein an seinem vollständigen Namen die Rechte aus § 12 BGB zustehen. Einem Verein als juristischer Person kommt das Recht an seinem Namen ganz selbstverständlich zu (BGH GRUR 2008, 1108 Rn. 28, 29 - Haus & Grund III; 2010, 1020 Rn. 13 - Verbraucherzentrale). Schutz kommt aber nicht nur dem vollständigen Namen, sondern auch Namensbestandteilen zu, wenn sie nämlich die Funktion von Schlagworten haben, wenn sie also bei hinreichender Unterscheidungskraft sich - der Art nach und im Vergleich zu den übrigen Namensbestandteilen - zu einer Durchsetzung im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf den Namensträger eignen. Auf eine tatsächliche Benutzung des Bestandteils in Alleinstellung als Schlagwort und erst recht auf eine Verkehrsgeltung kommt es dann nach heutiger Auffassung nicht mehr an. Der von der Rechtsprechung für Firmenbestandteile als Bezeichnung eines Unternehmens zu § 5 MarkenG entwickelte Grundsatz (Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 5 Rn. 21, 24 mit Nachweisen der Rechtsprechung) wird vom Bundesgerichtshof auch auf Vereinsnamen angewandt (BGH GRUR 2008, 1102 Rn. 12 - Haus & Grund I; GRUR 2010, 1020 Rn. 13 - Verbraucherzentrale; Hacker, a.a.O., Rn.13). Auch neuere Literaturstimmen zum Vereinsrecht stellen hinsichtlich des Schutzes bloßer Namensbestandteile darauf ab, dass sie - nur - geeignet erscheinen, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf den älteren Namensträger durchzusetzen. Zudem wird gefordert, dass sie für den Träger des Namens "kennzeichnend" sind (Sauter/SchweyerWaldner, Der eingetragene Verein, 19. Auflage, Rn. 61). Letzteres deckt sich mit der angesprochene Unterscheidungskraft.

Auch für eine bloße, nicht als Wort aussprechbare Buchstabenkombination verneint der Bundesgerichtshof nicht die Unterscheidungskraft - gerade wenn es um den Schutz eines Namens nach § 12 BGB gegenüber einer Benutzung als Domainname geht (GRUR 2005, 430 - mho.de). Eine andere Auffassung wäre auch unverständlich, nachdem solchen Buchstabenkombinationen Schutz als Marke - ohne Rücksicht auf eine Verkehrsgeltung - durch das aktuelle Markengesetz selbst (§ 3 Abs. 1) gewährt worden ist und als Unternehmenskennzeichen durch den Bundesgerichtshof (BGHZ 145, 279 - DB-Immobilienfonds) - nach anfänglichem Zögern (GRUR 1998, 165 - RBB). Was aber seiner Art nach als Marke Unterscheidungskraft hinsichtlich einer betrieblichen Herkunft haben kann oder ein Unternehmen von anderen unterscheiden kann, wird auch die Funktion eines Namens im Sinne des § 12 BGB erfüllen können, eine natürliche oder juristische Person von anderen zu unterscheiden. Im Streitfall hat der erkennende Senat keinen Zweifel daran, dass die Buchstabenfolge "W.." selbständig einen Verein wie den Kläger bezeichnen kann. Gerade wenn in einem Vereinsnamen im Anschluss an mehrere Wörter, die das Wesen des Vereins beschreiben, die Anfangsbuchstaben der Wörter hintereinander wiederholt werden, liegt es nahe, dass dieser Bestandteil als Kurzform des Namens zur Identifikation des Vereins benutzt und spontan so verstanden wird. Die verbreitete Neigung des heutigen Verkehrs zu Abkürzungen mittels Aneinanderreihung der Anfangsbuchstaben der Langform eines Namens schafft im Übrigen erst oder vergrößert Unterscheidungskraft, wenn die Langform in beschreibenden Worten besteht. Als Beispiel tatsächlicher Nutzung liegt im Streitfall zudem die Marke des Klägers vor, auf der die Kurzform markant erscheint.

Wie der Bundesgerichtshof in der Sache "maxem.de" (BGHZ 155, 273) entschieden hat, liegt eine Namensanmaßung, wie sie im Streitfall allein Betracht kommt, dann vor, wenn ein Dritter unbefugt den gleichen Namen gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung auslöst und schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt. Bereits in der Sache "shell.de" (BGHZ 149, 191) hatte der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass die in der Sache "maxem.de" wieder aufgegriffenen Voraussetzungen für Schutz gegen eine Namensanmaßung im Falle der Verwendung eines fremden Namens als Internet-Adresse im allgemeinen vorlägen. In der Entscheidung "maxem.de" heißt es weiter, dass schon jeder private Gebrauch des fremden Namens durch einen Nichtberechtigten zu einer Zuordnungsverwirrung führe, wozu es ausreiche, dass der Dritte, der den Namen benutze, als Namensträger identifiziert werde. Die Identifizierung trete gerade auch dann ein, wenn ein Dritter den fremden Namen namensmäßig im Rahmen einer Internetadresse verwende. Denn der Verkehr sehe in der Verwendung eines unterscheidungskräftigen, nicht sogleich als Gattungsbegriff verstandenen Zeichens als Internetadresse einen Hinweis auf den bürgerlichen Namen des Betreibers des jeweiligen Internetauftritts. Der Streitfall bietet keine Besonderheiten, die es ausschließen würde, dass der Verkehr die bisher nur registrierte, noch keine Inhalte aufweisende Domain "w...de" als die des Klägers ansieht.

Die Interessenbeeinträchtigung des Klägers hat sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 149, 191 - shell.de; Z 155, 273 - maxem.de; GRUR 2005, 430 - mho.de) bereits mit der Registrierung der Domain verwirklicht, weil schon mit ihr die den berechtigten Namensträger ausschließende Wirkung einsetzt. Der Kläger kann die Domain "w...de" seinerseits nicht mehr anmelden. Der Beklagte trägt zu einer eigenen Berechtigung an dem Zeichen nichts vor, was über die Tatsache der Domainanmeldung hinausginge. Die Registrierung eines Domainnamens ist aber nur dann keine Namensanmaßung, wenn sie einer - für sich genommen rechtlich unbedenklichen - Benutzungsaufnahme als Unternehmenskennzeichen in einer anderen Branche unmittelbar vorausgeht (BGH GRUR 2005, 430 - mho.de). Dass es noch andere Personen geben soll, die die Buchstabenfolge ebenfalls als Namen nutzen, beeinträchtigt nicht ohne Weiteres das Namensrecht des Klägers.

Der Kläger ist an der Geltendmachung seines Namensrechts nicht deshalb gehindert, weil im Streitfall zeichenrechtliche Ansprüche aus §§ 5, 15 MarkenG in Betracht kämen, die in ihrem Anwendungsbereich dem Namensschutz des § 12 BGB vorgehen würden (vgl. BGHZ 149, 191 - shell.de; GRUR 2002, 706 - vossius.de; GRUR 2005, 430 - mho.de; GRUR 2008, 1099 Rn. 10 - afilias.de; GRUR 2009, 685 Rn. 32 - ahd.de). Solche Ansprüche bestehen nicht, weil der Beklagte außerhalb des geschäftlichen Verkehrs handelt.

Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten der vorgerichtlichen Abmahnung des Beklagten nebst Zinsen findet seine Rechtfertigung in den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Das erstinstanzliche "Bestreiten" des Anspruchs "der Höhe und dem Grunde nach" ist danach nur beachtlich, soweit es im Einzelnen Beanstandungen gibt. Das Bestreiten der Zahlung des Klägers an seine Prozessbevollmächtigten genügt nicht angesichts der Vorlage des Kontoauszugs der Rechtsanwälte vom 13. März 2011. Ebenso wenig genügt hinsichtlich der dem Kläger von den Prozessbevollmächtigten berechneten Umsatzsteuer für die Verneinung einer Erstattungspflicht das bloße "Ausgehen" des Beklagten von einer Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers.

Nach § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat der Beklagte als Unterliegender die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Verurteilung nach dem erfolgreichen namensrechtlich begründeten Klageantrag reicht nicht weniger weit als die nach dem markenrechtlich begründeten Klageantrag, der ohne Erfolg geblieben ist.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert: 10.000 Euro gemäß der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 20.12.2011
Az: I-20 U 180/11


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