Landgericht Hagen:
Urteil vom 8. März 2004
Aktenzeichen: 10 S 98/03

(LG Hagen: Urteil v. 08.03.2004, Az.: 10 S 98/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Hagen hat am 8. März 2004 ein Urteil in einem Rechtsstreit zwischen den Klägern und der Beklagten gefällt (Aktenzeichen 10 S 98/03). Die Kläger hatten die Beklagte auf die Erstattung ihres Anwaltshonorars verklagt. Die Kläger wollten den Fahrzeugkauf zügig rückabwickeln lassen, unabhängig von einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung, und waren damit einverstanden, die Kosten selbst zu tragen. Die Beklagte behauptete dagegen, sie habe lediglich eine Minderung des Kaufpreises gewollt und keine eigenen Kosten übernehmen wollen.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen und der Beklagten einen Schadensersatzanspruch auf Freistellung von den Anwaltsgebühren zugesprochen. Das Landgericht entschied jedoch zugunsten der Kläger und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 1.714,48 € nebst Zinsen. Die Kläger hatten Anspruch auf das Anwaltshonorar gemäß § 611 BGB. Die Vergütungsansprüche waren durch die Rückabwicklungsvereinbarung entstanden. Die Beklagte hatte zwar bestritten, dieses Einverständnis gegeben zu haben, jedoch gab es ein weiteres Telefonat, bei dem die Beklagte zunächst mit der Rückabwicklung des Vertrages einverstanden war. Zudem hatte der Kläger dies schriftlich gegenüber dem Autohaus bestätigt.

Die Kläger hatten ihre Aufklärungspflicht jedoch verletzt, indem sie die Beklagte nicht darauf hingewiesen hatten, dass die Anwaltskosten aufgrund der vereinbarten Kostenregelung voraussichtlich nicht von der Rechtsschutzversicherung übernommen würden. Die Kläger hatten leicht fahrlässig gehandelt, indem sie die Beklagte nicht informiert hatten. Jedoch ist der Beklagten dadurch kein kausal zurechenbarer Schaden entstanden, da sie sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in derselben Situation befunden hätte. Die Beklagte hätte entweder die Kosten selbst tragen oder eine gerichtliche Klärung herbeiführen müssen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Eine Revision wurde nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Hagen: Urteil v. 08.03.2004, Az: 10 S 98/03


Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts J vom 08.05.2003 – Az 45 C 45/03 – abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Kläger 1.714,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2003 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Gründe

Tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO

Die Kläger begehren von der Beklagten die Erstattung ihres Honorars für eine anwaltliche Tätigkeit. Die Klägerin habe eine zügige Rückabwicklung eines Fahrzeugkaufes unabhängig von einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung gewünscht. Außerdem habe sie sich damit einverstanden erklärt, ihre hierdurch entstandenen Kosten selbst zu tragen.

Die Beklagte behauptet, sie habe lediglich eine Minderung des Kaufpreises gewollt und jedenfalls keine eigenen Kosten tragen wollen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Beklagten ein Schadensersatzanspruch auf Freistellung von den Gebühren wegen einer Aufklärungspflichtverletzung durch die Kläger zustehe. Auf die tatsächlichen Feststellungen und Entscheidungsgründe des Amtsgerichts wird gem. § 540 I 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Berufung und beantragen, das Urteil des Amtsgerichts J aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 1.714,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2003 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Begründung gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache Erfolg.

Die Kläger haben gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des Anwaltshonorars gem. § 611 BGB.

Mit der Erteilung des Mandats und dem in Anwesenheit der Beklagten geführten Telefonat mit dem Autohaus sind sie Geschäfts- und die Besprechungsgebühr nach § 118 I Nr. 1, 2 BRAGO dem Grunde nach bereits angefallen. Die Vergleichsgebühr ist dem Grunde nach in dem Moment entstanden, als sich die Klägerin telefonisch mit dem Vorschlag des Autohauses vom 11.11.2002 zur Rückabwicklung des Kaufvertrages einverstanden erklärt hat. Zwar bestreitet die Beklagte dieses Einverständnis. Dies ist jedoch im Hinblick darauf unerheblich, dass es – unstreitig – am Nachmittag des gleichen Tages ein weiteres Telefonat gegeben hat, dessen von den Klägern detailliert geschilderter und von der Beklagten nicht substantiiert bestrittener Inhalt nur T macht, wenn die Beklagte zunächst mit der Rückabwicklung des Vertrages einverstanden gewesen ist. Hierfür spricht zudem, dass der Kläger zu 2) noch am selben Tag diese Regelung schriftlich gegenüber dem Autohaus bestätigt hat.

Diese Gebühren sind der Höhe nach im Hinblick auf die – zumindest zunächst – tatsächlich getroffene Vereinbarung der Rückabwicklung des Kaufvertrages auch nach einem Gegenstandswert von 9.550,00 € entstanden.

Der insoweit bestehende Vergütungsanspruch der Kläger ist nicht unter Berücksichtigung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs der Beklagten untergegangen.

Eine Pflichtverletzung der Kläger insoweit, als dass sie vor Erteilung einer ausdrücklichen Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung tätig geworden sind, ist aus den Umständen des Falles nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte selbst vorgetragen, sie habe zu dem Zeitpunkt bereits mit der Versicherung abgesprochen, dass sie einen Rechtsanwalt aufsuchen dürfe.

Allerdings haben die Kläger ihre Aufklärungspflicht verletzt, indem sie die Beklagte nicht darauf hingewiesen haben, dass die anfallenden Anwaltskosten wegen der vergleichsweise getroffenen Kostenregelung im Hinblick auf § 5 III b) ARB zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von der Rechtsschutzversicherung übernommen werden würden. Die Regelung des § 5 III b) ARB und das damit verbundene Kostenrisiko ist einem juristischen Laien nicht ohne weiteres bekannt. Die Problematik der Kostenerstattung musste dem Kläger zu 2) allerdings bewusst sein, so dass er zumindest leicht fahrlässig gehandelt hat, als er die Beklagte nicht weiter informiert hat.

Der Klägerin ist jedoch aufgrund dieser Pflichtverletzung kein kausal zurechenbarer Schaden entstanden. Hierzu ist die eingetretene Situation mit derjenigen zu vergleichen, die bestehen würde, wenn die Kläger die Beklagte ordnungsgemäß aufgeklärt hätten.

In diesem Fall hätte die Beklagte sich zum einen mit ihrer Versicherung in Verbindung setzen können und um eine Zusage zur Übernahme der Kosten bitten können. Im Hinblick auf § 5 III b) ARB94 ist aber wohl davon auszugehen, dass die Versicherung die Gebühren der Kläger nicht übernommen hätte, weil die vereinbarte Kostenregelung nicht dem formalen Verhältnis des "Obsiegens" und "Unterliegens" entsprach. Hätte die Versicherung die Kosten trotzdem übernommen, wäre der Beklagten bereits aus diesem Grund kein Schaden entstanden.

Zum andern hätte die Beklagte eine vergleichsweise Regelung mit dem Autohaus unter der Bedingung der Übernahme der eigenen Kosten ablehnen können. Aus dem Gesamtverhalten des Autohauses geht allerdings hervor, dass es dann wohl zu gar keiner außergerichtlichen Einigung gekommen wäre. Schließlich hat sich dieses zu keiner Zeit und auch nicht in der am Ende getroffenen Vereinbarung zur Minderung des Kaufpreises auf irgend eine Kostenübernahme eingelassen.

Somit hätte die Beklagte in diesem Fall ihre Rechte aus dem Kaufvertrag nur noch mit Hilfe der Gerichte durchsetzen können. Aus Sicht der Rechtsschutzversicherung würde dies allerdings eine Obliegenheitsverletzung i.S.d. § 17 V c) cc) ARB94 wegen unnötiger Kostenverursachung darstellen, weil sich das Autohaus bereits mit der Rückabwicklung des Vertrages, d.h. der Hauptsache einverstanden erklärt hatte und nur noch die untergeordnete Frage bzgl. der Kosten zu klären war. Dementsprechend würde das Autohaus im Rahmen einer Klage diesen Anspruch wohl auch sofort i.S.d. § 93 ZPO anerkennen (vgl. LG C, Zfs 2003, 253 (254)).

Dies führt schließlich zu dem Ergebnis, dass die Beklagte auch in diese Situation ihre Anwaltskosten selbst hätte tragen müssen. Die Situation, die bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch die Kläger eingetreten wäre, wäre also die gleiche gewesen.

Dies erscheint zwar zunächst unbillig, insbesondere weil die "untergeordnete Frage der Kosten" – die hier immerhin einen Betrag von 1.714,48 € ausmacht – doch von erheblicher Bedeutung sein kann. Die Beklagte hat vernünftigerweise und zur Kostenersparnis mit dem Autohaus eine Einigung ohne Inanspruchnahme der Gerichte getroffen. Nur weil die getroffene Kostenregelung, auf die sich das Autohaus die ganze Zeit ausschließlich eingelassen hat, nicht den Vorgaben des § 5 III b) ARB94 und den Anforderungen der Rechtsschutzversicherung entspricht, hätte die Beklagte die außergerichtliche Einigung ablehnen sollen, um nicht selbst auf den Kosten sitzen zu bleiben. So wäre die Beklagte dann gezwungen gewesen, Klage einzureichen. Aber auch in diesem Fall hätte die Rechtsschutzversicherung dann nach § 17 V c) cc) ARB94 die Kosten der Beklagten nicht übernommen.

Diese unbillige Situation kann jedoch nicht zu Lasten der Kläger in der Weise gehen, dass doch ein entsprechender Schadensersatz- bzw. Freistellungsanspruch der Beklagten angenommen wird. Die Kläger würden damit gänzlich rechtlos gestellt und hätten insbesondere keine Möglichkeit, gegen die Rechtsschutzversicherung der Beklagten vorzugehen. Die Beklagte hingegen hat die Möglichkeit, die ihr entstandenen Anwaltskosten gegenüber ihrer Rechtsschutzversicherung geltend zu machen. Ihr kann es nicht zum Nachteil gereicht werden, eine Kostenregelung entgegen § 5 III b) ARB94 vereinbart zu haben, wenn dies die einzige Möglichkeit ist, weitere Kosten durch ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Revision war nicht gem. § 543 II ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.






LG Hagen:
Urteil v. 08.03.2004
Az: 10 S 98/03


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