Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. August 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 28/03

(BPatG: Beschluss v. 06.08.2003, Az.: 28 W (pat) 28/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 29 - vom 20. Juni 2000 und 24. Oktober 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch für die Waren "Milch und Milchprodukte, Speisefette" zurückgewiesen worden ist.

Insoweit wird wegen des Widerspruchs aus der IR-Marken IR 672 250 die Löschung der angegriffenen Marke 398 43 749 angeordnet.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen wurde unter der Rollennummer 398 43 749 die Marke SAUCIETY als Kennzeichnung unter anderem für die Waren: "Milch und Milchprodukte, Speisefette".

Auf diese Waren beschränkt hat die Inhaberin der rangälteren Marke IR 672 250 siehe Abb. 1 am Endedie unter anderem für "fromages" (Käse) geschützt ist, Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Widerspruchsmarke werde nicht durch das Wort "SOCIÉTÉ" (frz. Gesellschaft) geprägt, womit eine Verwechslungsgefahr auch bei identischen Waren ausscheide.

Gegen diese Beschlüsse hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass "Roquefort" eine Gattungsbezeichnung für Käse sei, so dass dieser Begriff bei der Bestimmung des Gesamteindrucks der Marke außer Betracht bleiben müsse. Stelle man der jüngeren Marke aber das Wort "Societe" gegenüber, müsse es zu klanglichen Verwechslungen kommen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der jüngeren Marke im angegriffenen Umfang anzuordnen.

Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und ist auch der mündlichen Verhandlung ferngeblieben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat - nach entsprechender Beschränkung des Widerspruchs auf die identischen bzw deutlich ähnlichen Waren der jüngeren Marke - auch Erfolg. In Bezug auf diese Waren besteht Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Auszugehen ist bei der Kollisionsprüfung von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Waren und Marken, sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (ständige Rechtsprechung zB EuGH MarkenR 1999, 20 - Canon; BGH MarkenR 2001, 204 - EVIAN/REVIAN). Im Bereich von identischen und stark ähnlichen Waren (unter "Speisefette" fällt auch die Butter, die zu "Käse" eine erhebliche Ähnlichkeit aufweist) kann der Rechtsinhaber eines älteren Markenrechts einen besonders deutlichen Abstand jüngerer Marken verlangen, vorausgesetzt es liegen keine die Verwechslungsgefahr mindernde Umstände vor.

Bei den fraglichen Produkten handelt es sich um Lebensmittel des täglichen Bedarfs, die vom allgemeinen Verkehr weder mit besonderer Nachlässigkeit noch übergroßer Sorgfalt gekauft werden, so dass als Maßstab bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher anzusetzen ist (BGH, MarkenR 2000, 140 - ATTACHE/TISSERAND). Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke bewegt sich ebenfalls im durchschnittlichen Bereich. Zwar ist "Roquefort" der Name eines französischen Edelpilzkäses aus dem Gebiet um Roquefortsur-Soulzon und allgemein bekannt, zusammen mit den weiteren Bestandteil "SOCIÉTé" sowie der grafischen Ausgestaltung ist die Marke aber durchaus zur Identifikation des Produkts geeignet.

Bei der Gegenüberstellung der Marken in bildlicher Hinsicht sowie beim klanglichen Vergleich in ihrer Gesamtheit, sind Verwechslungen nicht zu besorgen. Bewertet man die Marken jedoch nach den die Widerspruchsmarke prägenden Markenteilen, so ist eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Dabei ist der Bildbestandteil der älteren Marke mit dem farblich abgesetzten Oval und den beiden kleinen Bienen zu vernachlässigen, denn es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bei kombinierten Wort-/Bildmarken der Wortbestandteil die einfachste Möglichkeit zur Benennung der Marke ist. Auch spielt bei der Ware "Käse" die mündliche Benennung an der Käsetheke noch immer eine erhebliche Rolle, sodass eine Beschränkung nur auf die bildliche Wirkung der Marke nicht gerechtfertigt wäre. Zudem bewegt sich die grafische Gestaltung im Rahmen des Üblichen und vom dem Verbraucher auch Erwarteten.

Nach Ansicht des Senats wird der Wortbestandteil "ROQUEFORT SOCIÉTÉ" jedoch allein von "SOCIÉTÉ" geprägt. Die Frage ob und gegebenenfalls welche Markenteile den Gesamteindruck einer Marke bestimmen, richtet sich nach dem Einzelfall. Voraussetzung für die Bejahung der Prägung eines Markenteils ist es, dass hinreichende Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, der Verkehr werde die anderen Markenbestandteile bei der Wahrnehmung vernachlässigen. Dabei kommt es maßgeblich auf die besonderen Gegebenheiten und Bezeichnungsgewohnheiten auf dem jeweiligen Warengebiet an.(st Rspr, zB BGH MarkenR 2001, 465 - Bit/Bud). Denn nur dies lässt einen Vergleich mit der zu bewertenden Marke zu.

Wer Käse kauft, wählt in der Regel zunächst die Käsesorte aus und entscheidet sich sodann für eine bestimmt Marke oder einen bestimmten Hersteller. Demzufolge benennen die Kennzeichnungen von Käse neben der eigentlichen Marke häufig auch die Käseart, zB "Champignon Camembert", "Altenburger Ziegenkäse", "Goldsteig Mozzarella", "Bergader Edelpilz", "Philadelphia Frischkäse", "Bonbel Butterkäse" usw. Auf eben diese Art ist die Widerspruchsmarke aufgebaut. Bei Roquefort handelt es sich um einen Blauschimmel-Käse aus Frankreich, der von verschiedenen regionalen Herstellern angeboten wird, so zB "Roquefort Papillon", "Roquefort Crouzat Constans" und "Roquefort Societe des Caves", dem Produkt der Widersprechenden. Auch wenn der Name "Roquefort" als geografische Ursprungsbezeichnung für die "Confederation generale" dieser Hersteller als Käsesorte geschützt ist, so hat dies keine Auswirkung auf die Sichtweise des Verkehrs, die in "Roquefort" nur eine Käseart sieht. Der Verbraucher weiß im allgemeinen nichts vom Bestehen bestimmter Wettbewerbs-Schutzrechte und der Umstand, dass ein Name als geografische Ursprungsbezeichnung geschützt ist, zeigt, dass er auch schutzbedürftig, wegen seines beschreibenden Charakters ansonsten also schutzunfähig ist (vgl hierzu BGH aaO - Bit/Bud). Der Durchschnittsverbraucher wird die eigentliche Kennzeichnung also in SOCIÉTÉ" sehen. Dieses Wort ist zur Produktidentifikation auch nicht ungeeignet, denn es ist keine Käsemarke bekannt, die dieses Wort in der Kennzeichnung führt. Dass das deutsche Wort "Gesellschaft" häufig bei dem Hinweis auf den jeweiligen Herstellungsbetrieb zu finden sein wird, bedeutet nicht, dass es in Alleinstellung und bei der entsprechenden Hervorhebung nicht auch kennzeichnend wirken könnte (vgl hierzu BGH, MarkenR 2001, 240 SWISS ARMY). Damit wird die Widerspruchsmarke durch diesen Bestandteil geprägt.

Stehen sich aber "Societe" und die angegriffene Marke gegenüber, so liegen bei möglicher identischer Aussprache der relevanten Markenwörter in klanglicher Hinsicht bei den noch angegriffenen identischen und erheblich ähnlichen Waren Verwechslungen im rechtserheblichen Ausmaß auf der Hand, so dass die Beschwerde Erfolg haben mußte.

Eine Kostenentscheidung war indes nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

Stoppel Paetzold Schwarz-Angele Na Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)28-03.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 06.08.2003
Az: 28 W (pat) 28/03


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