Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 31. Mai 2012
Aktenzeichen: I-16 U 53/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 31.05.2012, Az.: I-16 U 53/11)

§§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 3 GmbHG

Eine unter Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG vorgenommene Abtretung von einer GmbH zustehenden Forderung an einen ihrer Gesellschafter ist nicht nach § 134 BGB unwirksam; die Geltendmachung dieser gegen einen weiteren Mitgesellschafter gerichteten Forderung kann allerdings gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. März 2011 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstre-ckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig voll-streckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin, vertreten durch deren Vorstand Dr. B…, und der Beklagte waren bzw. sind in einer Vielzahl von Gesellschaften miteinander verbunden, so unter anderem in der der H… GmbH (dort die Klägerin zu 50,25% und der Beklagte zu 49,75%), in der W… GmbH und - bis zu der von der Beklagten akzeptierten fristlosen Kündigung der Klägerin vom 28. Januar 2010 - in der W…T… GbR.

Die Klägerin, deren Vorstand und der Beklagte führen seit Jahren eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren gegeneinander. Im vorliegenden Verfahren zweitinstanzlich außer Streit ist die vom Landgericht - nach Umdeutung des Begehrens der Klägerin - getroffene Feststellung, dass in die noch zu erstellende Auseinandersetzungsrechnung der W… T… GbR ein Aktivposten i.H.v. 2734,80 € einzustellen ist, der sich, so das Landgericht, aus zwei der Klägerin zustehenden Forderungen von 8380 € (Kaufpreiszahlung G… Straße …) und 7116,69 € (Vermessungskosten) abzüglich der durchgreifenden Hilfsaufrechnung der Beklagten mit Zahlungsansprüchen aus verschiedenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen in Höhe von insgesamt 9103,55 € ergibt.

Weiterhin hat die Klägerin aus abgetretenem Recht der H… GmbH (im Folgenden: GmbH) Zahlung von 32.258,60 € begehrt. Mit "Abtretungsanzeige" vom 23. März 2010 (Anl. K5, Bl. 40 GA) trat die GmbH, vertreten durch deren Geschäftsführer Dr. B…, an die Klägerin, vertreten durch deren Prokuristen R… B…, "sämtliche Ansprüche aus dem Bauvorhaben G… Straße … in M…", insbesondere aus 3 Rechnungen der GmbH gegen die W… T… GbR (im Folgenden: GbR) in einer Gesamthöhe von 64.571,21 € (Rechnungen vom 12.1.2010 über 7808,21 €, vom 19.3.2010 über 30.435 € und vom 22.3.2010 über 26.418 €) ab. Bei den im vorliegenden Rechtsstreit von der Klägerin begehrten 32.258,60 € handelt es sich um den hälftigen Anteil an den vorgenannten 3 Rechnungen.

Insoweit hat das Landgericht die Klage abgewiesen mit der Begründung, die unter dem 23. März 2010 vorgenommene Abtretung dieser vermeintlichen Ansprüche der GmbH, die nach den Feststellungen des Landgerichts im unstreitigen Teil des Tatbestandes des angefochtenen Urteils überschuldet ist und deren Überschuldung zum 31. Dezember 2009 bei mindestens 500.000 € und zum 1. Februar 2010 bei mindestens 800.000 € lag, an die Klägerin widerspreche dem auch im Auseinandersetzungsstadium fortwirkenden gesellschaftsrechtlichen Treueverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten. Es sei nicht im Ansatz ersichtlich, aufgrund welcher Umstände die noch bei der GmbH vorhandenen und nicht unbeträchtlichen Forderungen i.H.v. 64.571,21 € im Wege der Abtretung auf die Klägerin übergegangen seien; weder aus der Abtretungsanzeige noch aus dem sonstigen Vortrag der Klägerin sei eine Gegenleistung hierfür erkennbar. Die unter diesen Voraussetzungen erfolgte Abtretung etwaiger Forderungen der GmbH an die Klägerin sei damit faktisch als eine Einlagenrückgewähr im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG zu verstehen. Sei nun diese Abtretung dennoch im Ergebnis als wirksam zu betrachten, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG nicht die Rechtsfolge des § 134 BGB nach sich ziehen soll, habe die GmbH gegen die Klägerin einen Rückerstattungsanspruch gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG, für welchen der Beklagte als Minderheitsgesellschafter der GmbH subsidiär hafte. Im Ergebnis führe damit die Abtretung der Ansprüche der GmbH an die Klägerin nicht nur dazu, im Rahmen der Auseinandersetzung einer anderen Gesellschaft den Beklagten in Anspruch zu nehmen, sondern darüber hinaus auch dazu, den Beklagten, der aus diesem Konstrukt keinerlei wirtschaftliche Vorteile ziehe, dem Risiko einer subsidiären Haftung auf Erstattung verbotener Rückzahlungen auszusetzen. Eine solche mögliche faktische doppelte Inanspruchnahme des Beklagten widerspreche dem gesellschaftsrechtlichen Treueverhältnis des § 242 BGB, das jedenfalls im Auseinandersetzungsstadium zwischen den ehemaligen Gesellschaftern der GbR Anwendung finde. Auf die inhaltliche Berechtigung der klägerseits geltend gemachten Ansprüche der GmbH komme es damit nicht an.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung der von ihr aus abgetretenem Recht geltend gemachten Zahlungsansprüche. Die GmbH sei Anfang 2010 nicht überschuldet gewesen. Gemäß deren Jahresabschluss zum 31. Dezember 2009 habe sich deren Eigenkapital auf 13.948,31 € belaufen. Sie, die Klägerin, habe die von dem Beklagten behauptete Überschuldung bestritten durch ihren erstinstanzlichen Vortrag "Selbst wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Abtretung der Ansprüche an die Klägerin überschuldet gewesen sein sollte,…". Das Landgericht hätte im Übrigen nicht einfach unterstellen dürfen, dass die Abtretung ohne Grundlage erfolgt sei. Tatsächlich hätten ihr zum Zeitpunkt der Abtretung Darlehensansprüche gegenüber der H… GmbH in Höhe von 1.859.000 € zugestanden; die Abtretung sei zur Absicherung dieser Ansprüche erfolgt. Letztlich sei dies aber auch unerheblich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Subsidiärhaftung des § 31 Abs. 3 GmbHG auf den Betrag des Stammkapitals beschränkt, welches sich auf 25.050 € belaufe. Ziehe man von den abgetretenen Forderungen von 64.573,21 € die Stammkapitaleinlage ab, verbleibe mehr als die hier eingeklagte Betrag.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an sie 32.258,60 € nebst Zinsen i.H.v.5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen des Sachverhaltes im Übrigen und der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf das angefochtene Urteil verwiesen sowie auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Es bestehen bereits Bedenken, ob die Klägerin die Forderungen, die sie als Zessionar geltend macht, hinreichend schlüssig dargetan hat. Die Klageforderungen entstammen aus dem Verhältnis der GmbH zur GbR; zu den zwischen diesen beiden Gesellschaften insoweit getroffenen Abmachungen legt die Klägerin indessen nichts dar. Dies kann aber dahin stehen. Denn zum einen verstößt die Klägerin, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, mit ihrem Vorgehen gegen die ihr dem Beklagten gegenüber obliegende gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, weswegen sie aus diesem Grund heraus den Beklagten nicht mit Erfolg aus von der GmbH an sie abgetretenem Recht auf Zahlung in Anspruch nehmen kann. Zum anderen ist die Abtretung wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam und die Klägerin deswegen nicht aktivlegitimiert.

1.

Die Abtretung der streitgegenständlichen Forderungen erfolgte unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften des § 30 Abs. 1 GmbHG; die Geltendmachung der vermeintlich an die Klägerin abgetretenen Forderungen verstößt gegen die ihr gegenüber dem Beklagten obliegende gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.

a)

§ 30 Abs. 1 GmbHG verbietet Zahlungen an Gesellschafter ausnahmslos, wenn der Betrag des Stammkapitals nicht durch das Gesellschaftsvermögen gedeckt ist bzw. dieses durch die Zahlung darunter absinken würde (Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Auflage 2010, § 30 Rn 13). § 30 Abs. 1 GmbHG greift ein auch bei Überschuldung, wenn also die echten Passiva die Aktiva selbst bei Ansatz von Verkehrs- bzw. Liquidationswerten übersteigen, das Eigenkapital somit wirtschaftlich verbraucht ist (Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, aaO, Rn. 20).

Das Landgericht hat im unstreitigen Teil des Tatbestandes seines angefochtenen Urteils festgestellt, dass die GmbH überschuldet ist und deren Überschuldung zum 31. Dezember 2009 bei mindestens 500.000 € und zum 1. Februar 2010 bei mindestens 800.000 € lag. Hiervon hat der Senat nach § 314 S. 1 ZPO auszugehen, weil diese Passage des unstreitigen Teils des Tatbestandes nicht im Wege der Tatbestandsberichtigung berichtigt wurde. Diese tatbestandliche Feststellung im Landgerichtsurteil liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen (§ 314 ZPO); eine Unrichtigkeit dieser Feststellung kann grundsätzlich nur im Berichtigungsverfahren (§ 320 ZPO) geltend gemacht und gegebenenfalls behoben werden (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2010 − I ZR 161/08, NJW 2011, 1513, 1514); hieran fehlt es.

Davon abgesehen ist das zweitinstanzliche Vorbringen der Klägerin, sie sei nicht überschuldet gewesen, neu und nicht zu berücksichtigen (§§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO). Dieses neue Vorbringen betrifft keinen Gesichtspunkt, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist noch wurde er wegen eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht. Der Beklagte hat in seiner Berufungserwiderung zu Recht auf die Unzulässigkeit dieser erstmals in zweiter Instanz vorgebrachten Behauptung hingewiesen; gleichwohl hat die Klägerin nichts dafür vorgetragen, dass ihr ein Vorbringen in erster Instanz nicht möglich gewesen wäre, obgleich sie insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt. Erstinstanzlich ist die Klägerin dem Vorbringen des Beklagten zu einer Überschuldung der Klägerin nicht entgegengetreten, insbesondere auch nicht durch ihre Wendung "Selbst wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Abtretung der Ansprüche an die Klägerin überschuldet gewesen sein sollte,…". Denn durch diese rechtliche Überlegung hat die Klägerin das entsprechende tatsächliche Vorbringen des Beklagten gerade nicht in Abrede gestellt, sondern es hingenommen und lediglich ihre Rechtsansicht aufgezeigt, wonach dieses tatsächliche Vorbringen unerheblich sei. Auch im weiteren Verlauf der ersten Instanz hat die Klägerin das Beklagtenvorbringen nicht bestritten, obgleich der Beklagte sie mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 auf Seite 5 (Blatt 208 GA) noch einmal ausdrücklich auf das nicht erfolgte Bestreiten der Überschuldung hingewiesen hat.

b)

Die Abtretung der GmbH - angeblich - zustehender Forderungen gegen Dritte (die GbR) stellt eine Auszahlung im Sinne von § 30 Abs. 1 GmbHG an die Klägerin als Gesellschafterin der GmbH dar. Eine Auszahlung iSv § 30 Abs. 1 GmbHG ist nicht nur die Geldzahlung, sondern umfasst Leistungen aller Art, die wirtschaftlich das Gesellschaftvermögen verringern. Der Begriff ist im Interesse der Kapitalerhaltung weit zu fassen und gilt für offene und verdeckte, unmittelbare und mittelbare Zuwendungen und auch für Umgehungstatbestände (Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, aaO, Rn. 33). Hiernach unterfallen auch Abtretungen von Forderungen der GmbH gegen Dritte dem Auszahlungsverbot, was die Klägerin auch nicht in Abrede stellt.

c)

Der Vermögensübertragung stand keine gleichwertige Gegenleistung gegenüber. Soweit die Klägerin zweitinstanzlich behauptet, die Abtretung durch die GmbH an sie sei nicht ohne Grundlage erfolgt, weil ihr zum Zeitpunkt der Abtretung Darlehensansprüche gegenüber der GmbH in Höhe von 1.859.000 € zustanden und die Abtretung zur Absicherung dieser Ansprüche erfolgte, kann die Klägerin auch mit diesem zweitinstanzlich neuen Vorbringen nicht gehört werden. Der Beklagte hat erstinstanzlich darauf hingewiesen, es sei nicht einmal im Ansatz sichtbar, vor welchem Hintergrund und auf der Grundlage welchen Anspruchs die hier in Rede stehende Abtretung erfolgte (Seite 9 der Klageerwiderung, Bl. 75 GA). Die Klägerin hat hierauf erstinstanzlich nicht erwidert und nicht vorgetragen, dass ihr Gegenansprüche gegen die GmbH zustanden und die Abtretung zur Absicherung dieser Ansprüche erfolgte. Die Klägerin hat trotz des Hinweises des Beklagten auf Seite 6 seiner Berufungserwiderung (Bl. 334 GA) die Voraussetzungen für eine Zulassung seines zweitinstanzlich neuen Vortrags nicht dargetan. Davon abgesehen hat die Klägerin auch in der Berufungsinstanz keinen substantiierten Vortrag zu einer ihr gegen die GmbH zustehenden Gegenforderung als gleichwertige Gegenleistung gehalten. Der bloße Hinweis auf nicht ansatzweise näher dargelegte Darlehensansprüche gegen die GmbH in Höhe von 1.859.000 € ist völlig unzureichend; der Verweis auf einen Kontennachweis vermag den notwendigen Sachvortrag nicht zu ersetzen, zumal nach dem unbestritten gebliebenen Beklagtenvorbringen der als Anlage BB1 vorgelegte Jahresabschluss zum 31. Dezember 2009 nur ein Entwurf ist.

d)

Zutreffend hat das Landgericht entsprechend der ständigen Rechtsprechung unter anderem des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 23.06.1997 - II ZR 220/95, BGHZ 136, 125, 129 f = NJW 1997, 2599, 2600) zwar einerseits eine Nichtigkeit der Abtretung nach § 134 BGB verneint (vgl. (Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, aaO, Rn. 67), andererseits aber in der Abtretung und der - hälftigen - Geltendmachung der abgetretenen Forderungen einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Klägerin gesehen.

Wie ausgeführt, wurde hier durch die Abtretung der GmbH - angeblich - zustehender Forderungen gegen Dritte (die GbR) an die Klägerin entgegen § 30 Abs. 1 GmbHG das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft an einen Gesellschafter ausgezahlt. In einem solchen Fall muss Empfänger als Gesellschafter (hier also die Klägerin) diese Zahlungen nach § 31 Abs. 1 GmbHG der Gesellschaft erstatten. Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften nach § 31 Abs. 3 GmbHG für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Zutreffend hat das Landgericht darauf verwiesen, dass die Abtretung der Ansprüche der GmbH an die Klägerin dazu führt, den Beklagten, der aus der Abtretung keinerlei wirtschaftliche Vorteile zieht, dem Risiko einer subsidiären Haftung auf Erstattung der an die Klägerin durch die Abtretung geleisteten, verbotenen Rückzahlungen auszusetzen. Auch der Senat sieht in einer derartigen zumindest möglichen faktischen doppelten Inanspruchnahme des Beklagten einen Verstoß gegen die der Klägerin dem Beklagten gegenüber auch im Auseinandersetzungsstadium obliegenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.

Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Berufung sind unbegründet. Dies gilt, wie bereits ausgeführt, sowohl für das nicht durchgreifende Bestreiten der Überschuldung wie auch für die nicht hinreichend dargelegte Sicherungsabrede. Darüber hinaus wendet die Klägerin in ihrer Berufung ein, dass - was in der Sache zutrifft - nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Subsidiärhaftung des § 31 Abs. 3 GmbHG auf den Betrag des Stammkapitals beschränkt sei, welches sich auf 25.050 € belaufe; ziehe man von den abgetretenen Forderungen von 64.573,21 € die Stammkapitaleinlage ab, verbleibe mehr als die hier eingeklagte hälftige Betrag der abgetretenen Forderungen. Dieses Rechenwerk ist zwar rechnerisch zutreffend, steht aber dem in der Abtretung und der - hälftigen - Geltendmachung der abgetretenen Forderungen liegenden Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht nicht entgegen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Bei einem Erfolg der hiesigen Klage müsste der Beklagte den im vorliegenden Verfahren eingeklagten hälftigen Betrag der abgetretenen Forderungen von 32.258,60 € an die Klägerin zahlen. Nachdem der Beklagte diese 32.258,60 € an die Klägerin geleistet hat, wäre diese ohne Weiteres in der Lage, die zweite, nach Zahlung des vorgenannten Betrages durch den Beklagten nicht erloschene Hälfte der abgetretenen Forderungen an einen - gutgläubigen - Dritten abzutreten. Dieser könnte dann den Beklagten auf Zahlung der zweiten Hälfte der abgetretenen Forderungen, also auf weitere 32.258,60 € in Anspruch nehmen; es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte einem - gutgläubigen - Dritten insoweit Einwendungen entgegen halten könnte. Der Beklagte läuft somit Gefahr, zunächst die gesamten abgetreten Forderungen von (zwei mal 32.258,60 € =) 64.571,21 € zahlen zu müssen. Die Zahlung von zwei mal 32.258,60 € führt nach § 362 Abs. 1 BGB zum Erlöschen der abgetretenen Forderungen. Nunmehr vermag die Klägerin ihre nach § 31 Abs. 1 GmbHG bestehende Verpflichtung, die gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßende Leistung gegenständlich zurückgewähren, also die an sie abgetretenen Forderungen an die GmbH rückabzutreten, nicht mehr zu erfüllen. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Klägerin nicht in der Lage sein wird, eine Zahlung in Höhe des - das nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Klägerin sich auf 25.050 € betragenden - Stammkapitals an die GmbH zu erbringen. In diesem Fall muss der Beklagte, der nach der oben dargestellten Norm des § 31 Abs. 3 GmbHG für diese Forderung der GmbH gegenüber der Klägerin subsidiär haftet, befürchten, auf diesen Betrag von der GmbH in Anspruch genommen zu werden. Dies erhellt, weswegen die Klägerin bereits mit der hiesigen Geltendmachung der ersten Hälfte der vermeintlich an sie abgetretenen Forderungen gegen ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstößt.

2.

Neben den Grundsätzen über die verdeckte Ausschüttung greifen zum Schutz der Gesellschaft vor ungerechtfertigten Vermögensverfügungen auch die Rechtsgrundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht ein (BGH, Urt. vom 13.11.1995 - II ZR 113/94, juris Rn. 14; Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Auflage 2012, § 30 Rn 43). Der Geschäftsführer der GmbH Dr. B… wusste, als er die der GmbH zustehenden Forderungen an deren Gesellschafterin, die Klägerin abtrat, deren Vorstand er ist und die er im vorliegenden Verfahren vertritt, dass er hierdurch nicht nur gegen das Stammkapitalerhaltungsgebot verstößt, sondern er auch deswegen gegen die ihm als organschaftlichen Vertreter der GmbH nach § 43 Abs. 1 GmbHG obliegenden Pflichten verstößt, weil er durch sein Vorgehen Gesellschaftsvermögen verschleudert bzw. verschenkt (siehe oben unter 1. c)). Ungeachtet der Frage, ob auch der die Abtretung für die Klägerin unterzeichnende Prokurist der Klägerin, offenbar mit dem Geschäftsführer der GmbH verwandt, dieses Wissen hatte, muss sich die Klägerin dieses Wissen ihres Organs nach §§ 76 ff. AktG, § 31 BGB zurechnen lassen. Ist dem Empfänger der Verstoß gegen die Pflichtbindung des organschaftlichen Vertreters bekannt, hat der Geschäftsführer der GmbH, wenn man hier kein kollusives Verhalten bejahen wollte, ohne Vertretungsmacht gehandelt (BGH, Urt. vom 6.5.1999 - VII ZR 132/97, NJW 1999, 2266, 2268; OLG Stuttgart NZG 1999, 1009, 1010; Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 164 Rn 14b; Valenthin, in: Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01.11.2011, § 167 Rn 51). Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Gesellschafterversammlung der GmbH die Abtretung genehmigt hat.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711 Satz 2 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 32.285,60 €.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

D… B… Dr. V…






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 31.05.2012
Az: I-16 U 53/11


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