Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 28. Januar 2011
Aktenzeichen: 6 U 41/10

(OLG Köln: Urteil v. 28.01.2011, Az.: 6 U 41/10)

Tenor

I.) Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.2.2010 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 1 O 256/09 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefasst:

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 20.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit ab dem 16.7.2009 zu zahlen.

2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.) Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger zu 3/5 und die Beklagte zu 2/5 zu tragen.

IV.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Zahlungsanspruches und die Parteien können die Vollstreckung der Kostenerstattungsansprüche durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V.) Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

B e g r ü n d u n g

Der Kläger macht einen Vertragsstrafeanspruch geltend. Dem liegt Folgendes zugrunde:

Die Beklagte veranstaltet auf einer Vielzahl von Web-Seiten Gewinnspiele im Internet und bedingt sich dabei das Recht aus, dem Teilnehmer Werbung zu übermitteln. Wegen der dabei früher von ihr verwendeten Formulierung:

„Für diese Organisationen und Unternehmen dürfen mir Informationen, Angebote, Muster und Werbung ([…] per E-Mail, per SMS, per MMS und/oder per Telefon) übermittelt werden.“

mahnte der Kläger die Beklagte unter dem 25.01.2007 ab und fügte dieser Abmahnung den aus der Anlage B 5 zur Berufungsbegründung ersichtlichen Entwurf einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bei.

Unter dem 07.03.2007 (die Jahresangabe „2006“ ist offensichtlich und unstreitig falsch) ist für die Beklagte eine von diesem Entwurf abweichende Unterlassungserklärung nach dem sog. „Hamburger Modell“ abgegeben worden, die als Anlage B 1 zur Klageer­wide­rung vorgelegt worden ist. Dort heißt es, die Beklagte verpflichte sich,

„… es künftig zu unterlassen, im Rahmen von Gewinnspielen im Internet sich die Einwilligung der Teilnehmer, …, in den Erhalt von Werbung per Telefon, SMS und MMS durch allgemeine Geschäftsbedingungen zu verschaffen, insbesondere dadurch zu verschaffen, dass die Teilnehmer eine AGB-Klausel anklicken, in der das Einverständnis des Teilnehmers damit erklärt wird, Werbung per Telefon, SMS oder MMS übermittelt zu bekommen.“

Unter dem 15.03.2007 wurde für den Kläger die Annahme dieser Unterlassungserklärung erklärt.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind zwei von der Beklagten später unter einer Vielzahl von domains verwendete abgewandelte Formen von Einbeziehungsvereinbarungen, die jeweils nach dem sogenannten „Optin“ Verfahren in der Form in den Internetauftritten der Beklagten Verwendung finden, dass zur Wirksamkeit ihrer Einbeziehung an dafür vorgesehener Stelle Häkchen gesetzt werden müssen.

Die erste - aus der Anlage K 2 ersichtliche - Formulierung lautet:

„Ich bin damit einverstanden, dass mir die genannten Veranstalter und Sponsoren sowie Lotteriegesellschaften Informationen, Angebote und sonstige Werbung auch per Fax, SMS oder telefonisch übermitteln.“

Die zweite Version (Anlage K 3) lautet:

„Ich bin damit einverstanden, dass mir die genannten Veranstalter sowie Sponsoren und andere Firmen Informationen, Angebote und sonstige Werbung auch telefonisch und per SMS übermitteln.“

Der Kläger sieht darin Verstöße gegen die Unterlassungsvereinbarung und hält eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000,00 € für angemessen, weil es sich um zwei Verstöße handele, die Verwendung eine große Reichweite habe und von unerlaubten Werbeanrufen ein hohes Belästigungspotential ausgehe.

Die Beklagte hat die Kündigung des Unterlassungsvertrages erklärt und Verstöße in Abrede gestellt:

Die Verwendung der Vertragsformulierungen müsse zulässig sein, weil das Anklicken freiwillig geschehe und es dem Verbraucher freistehe, hiervon abzusehen. Im Übrigen verwende sie - was unstreitig ist - ein sogenanntes „doppeltes Opt in“: Dabei muss der Verbraucher zum einen aktiv anklicken, wenn er mit dem Inhalt der Vertragsvereinbarung (also insbesondere der Übersendung von Werbematerialien) einverstanden ist. Er erhält dann eine Bestätigungsemail und die Vereinbarung wird erst dadurch wirksam, dass der Verbraucher auf diese Email bestätigend reagiert. Nach Meinung der Beklagten liegt bei dieser Handhabung schon kein „Stellen“ als AGB vor. Schließlich hat sie auf die „Payback“-Entscheidung des BGH (GRUR 2008, 1010) verwiesen, wonach Optin Regelungen zulässig seien, und gemeint, jedenfalls sei die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung durch jene Entscheidung weggefallen, weswegen ihre Kündigung des Vertrages wirksam sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Zur Begründung ihrer Berufung, mit der sie weiter die Abweisung der Klage begehrt, wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt zusätzlich - erstmals - vor, aus Gründen fehlender Vertretungsmacht sei der Unterlassungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Ihre im Berufungsverfahren zunächst erhobene Rüge der fehlenden Prozessvollmacht der für den Kläger auftretenden Rechtsanwälte hat die Beklagte nach Vorlage einer Vollmacht in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht aufrecht erhalten.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Zur Höhe der verlangten Vertragsstrafe vertritt er die Auffassung, es handele sich um zwei getrennte Verstöße, deren Zusammenfassung unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit aus Rechtsgründen nicht erfolgen könne.

Die Berufung ist zulässig. Der Senat hat ohne eigene Prüfung von der Wirksamkeit der Bevollmächtigung der für den Kläger auftretenden Rechtsanwälte auszugehen, nachdem die Beklagte erklärt hat, ihre diesbezügliche Rüge nicht mehr aufrecht zu erhalten (§ 88 ZPO).

Die Berufung ist teilweise auch begründet. Zwischen den Parteien ist zwar ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen, der bis heute in Kraft ist. Durch die Verwendung der beanstandeten Vertragsklauseln hat die Beklagte auch schuldhaft gegen die übernommene Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Gleichwohl hat die Berufung zum Teil Erfolg. Die von dem Kläger auf 50.000 € bestimmte Höhe der durch diese Verstöße gemäß § 339 BGB verwirkten Vertragsstrafe entspricht nicht billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB. Der Billigkeit entspricht vielmehr ein Betrag von 20.000,00 €, der deswegen von dem hierzu gemäß § 319 Abs. 1 BGB berufenen Senat festzusetzen ist.

I.

Zwischen den Parteien ist ein Unterlassungsvertrag mit dem aus der Unterlassungserklärung der Beklagten vom 07.03.2007 ersichtlichen Inhalt zustande gekommen.

Die Abmahnung des Klägers vom 25.01.2007 (Anlage B 5) enthielt den Entwurf einer gesicherten Unterlassungserklärung und stellte daher ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages dar. Die daraufhin abgegebene Unterlassungserklärung (Anlage B 1) wich inhaltlich von diesem Entwurf ab, weswegen durch sie das Angebot nicht angenommen, sondern abgelehnt und ein neues Vertragsangebot gemacht worden ist (§ 150 Abs. 2 BGB). Hinsichtlich dieses neuen Angebotes liegt die - rechtzeitige - Annahmeerklärung des Klägers vom 15.03.2007 (Anlage B 7) vor. Auf diese Weise ist der Unterlassungsvertrag zustande gekommen, weil - was allein zwischen den Parteien im Streit ist - auf beiden Seiten die handelnden Personen jeweils vertretungsbefugt waren.

1.

Die Unterlassungserklärung ist für die Beklagte ausschließlich von ihrem - schon damaligen - Geschäftsführer T. O. unterzeichnet worden. Dies soll nach der erstmals im Berufungsverfahren geäußerten Auffassung der Beklagten sie nicht binden, weil ihre „Satzung“ für die Wirksamkeit einer solchen Erklärung die Unterschrift zweier Geschäftsführer voraussetze.

Diese Auffassung wird durch den als Anlage B 11 vorgelegten Auszug des Handelsregisters gestützt, wo es unter „allgemeine Vertretungsregelung“ heißt: „…sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten.“ Danach wäre die Erklärung nur dann von Anfang an wirksam gewesen, wenn auch Frau D. K. die Unterlassungserklärung unterschrieben hätte. Diese war nämlich - was der Kläger, der die Beklagte in der Klageschrift noch als durch beide Personen vertreten bezeichnet hat, nicht bestreitet - damals neben Herrn T. O. weitere Geschäftsführerin.

Der danach im Hinblick auf die fehlende Alleinvertretungsmacht von Herrn O. zunächst gemäß § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksame Vertrag ist indes von der Beklagten mit Rückwirkung (§ 184 Abs. 1 BGB) genehmigt worden. Die Unterlassungserklärung sah die Zahlung einer Abmahnkostenpauschale in Höhe von 180 € durch die Beklagte vor. Durch die Erfüllung dieser Zahlungspflicht hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, mit dem Vertrag einverstanden zu sein und diesen auf diese Weise genehmigt. Dass die Pauschale gezahlt worden ist, war Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung.

Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren noch vorträgt, auch die für sie im Abmahnverfahren tätigen Rechtsanwälte, die die Unterlassungserklärung übermittelt haben, seien nicht bevollmächtigt gewesen, hat auch dieser Einwand im Ergebnis keinen Erfolg. Selbst wenn - was der Senat nicht zu prüfen braucht - die Unterlassungserklärung zunächst auch wegen fehlender Vollmacht der Rechtsanwälte schwe­bend unwirksam gewesen sein sollte (§ 177 Abs. 1 BGB), läge in der Zahlung der Abmahnkostenpauschale eine die Wirksamkeit des Vertrages auch unter diesem Aspekt herbeiführende Genehmigung.

2.

Auch der Kläger ist Vertragspartner geworden.

Die (als Anlage B 7 vorgelegte) Annahmeerklärung des Klägers vom 15.03.2007 ist von seiner damaligen Geschäftsführerin, Frau H. G., und Herrn S. L. unterzeichnet, einem Rechtsanwalt, der nach Ausscheiden bei dem Kläger heute Mitglied der den Kläger vertretenden Rechtsanwaltssozietät ist. Die Beklagte sieht diese Personen - ebenfalls erstmals in zweiter Instanz - als nicht für den Kläger vertretungsbefugt an. Mit diesem Vortrag kann sie im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Der Kläger wird als Verein, dessen Vorstand aus mehreren Personen besteht, gerichtlich und außergerichtlich von der Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten (§ 26 Abs. 1 S. 2; 2 S. 1 BGB). Nach der unwidersprochenen und damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitigen Behauptung der Beklagten waren allerdings weder Frau G., noch Herr L. im Jahre 2007 Mitglieder des Vorstandes, sie gehören ihm auch heute ausweislich der als Anlage B 8 vorgelegten Liste der aktuellen Vorstandsmitglieder nicht an. Gleichwohl können die genannten Personen den Kläger bei dem Vertragsschluss wirksam vertreten haben. Ein Verein ist nicht darauf angewiesen, dass seine als Organe vertretungsbefugten Vorstandsmitglieder jedes Rechtsgeschäft persönlich vornehmen. Vielmehr ist es dem Vorstand gestattet, seinerseits an Dritte oder einzelne Vorstandsmitglieder (Einzel-)Vollmacht zu erteilen (vgl. z. B. Palandt-Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 26 Rz. 9 m.w.N.). Der Kläger behauptet hierzu in der Berufungserwiderung, eine solche Vollmacht habe sein Vorstand auch der damaligen Geschäftsführerin, Frau G., erteilt gehabt. Der Senat lässt offen, ob dieser knappe Vortrag entgegen der Zweifel der Beklagten die zu stellenden Anforderungen an einen substantiierten Parteivortrag erfüllen kann. Auch wenn das der Fall sein sollte, käme die angebotene Vernehmung von Frau G. als Zeugin nicht in Betracht.

Die Beklagten ziehen die fehlende Vertretungsmacht ihrer damaligen Geschäftsführerin erstmals im Berufungsverfahren in Zweifel. Dieser neue Vortrag ist indes gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen der insoweit allein in Betracht kommenden Ausnahmebestimmung des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor, weil die Beklagte der Vorwurf der Nachlässigkeit trifft. Die Beklagte hätte den angeblichen Mangel der Vertretungsmacht von Frau G. bereits in erster Instanz vortragen können und im Hinblick auf die Bestimmung des § 531 Abs. 2 ZPO auch vortragen müssen. Ihre Erklärung, der Mangel der Vertretungsmacht sei erstmals bei der Überprüfung der Eintragung des Klägers im Vereinsregister durch die Bevollmächtigten der Beklagten bei der Fertigung der Berufungsbegründung aufgefallen, lässt nicht erkennen, warum diese Überprüfung nicht bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens hätte vorgenommen werden können.

Im Übrigen wäre eine wirksame Berechtigung des Klägers aber auch dann ohne Vernehmung der Zeugin anzunehmen, wenn das Bestreiten der Vollmacht durch die Beklagten noch zugelassen werden könnte. Der bei einer fehlenden Vollmacht der Zeugin zunächst gemäß § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksame Vertrag wäre nämlich später rückwirkend gemäß § 182 Abs. 2 BGB genehmigt worden. Eine solche Genehmigungserklärung des Klägers ist allerdings - entgegen dessen Auffassung - nicht schon in der Klageerhebung zu sehen. Die Abgabe einer Willenserklärung setzt ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein voraus. Dass der Kläger bei Klageerhebung das Bewusstsein gehabt haben könnte, mit Erhebung der Klage einen bislang nicht voll wirksamen Vertrag zu genehmigen, kann nicht angenommen werden. Es spricht nichts dafür, dass dem Kläger, der sich - so ist anzunehmen - im Jahre 2007 satzungsgemäß vertreten gesehen hatte, bei Klageerhebung bewusst gewesen sein könnte, dass es an einer Vertretungsmacht der damals handelnden Personen gefehlt haben könnte. Eine Genehmigung liegt dann aber in der Berufungserwiderung, mit der der Kläger die Unterlassungserklärung gegen die Angriffe der Beklagten als auch hinsichtlich der Vertretungsmacht wirksam verteidigt. Der Kläger konnte den Vertrag in diesem Zeitpunkt auch noch genehmigen, obwohl die Beklagte zuvor - gestützt auf § 178 BGB - in der Berufungsbegründung ihre Vertragserklärung widerrufen hatte. In der Abgabe einer Unterlassungserklärung gegenüber einem vollmachtlosen Vertreter liegt nämlich grundsätzlich der Verzicht auf den an sich nach § 178 BGB möglichen Widerruf. Dieser Verzicht ist deswegen regelmäßig anzunehmen, weil die von dem Unterwerfungsschuldner gerade gewollte Rechtsfolge des Wegfalls der Wiederholungsgefahr bei noch drohendem Widerruf seiner Erklärung nicht eintreten könnte. Der Senat schließt sich hierzu der Auffassung von Köhler/Bornkamm (UWG, 25. Aufl., § 12, Rz. 1.27) an. Die Rechtsauffassung ist von diesem zwar zu der - häufigeren - Situation entwickelt worden, dass der im Abmahnverfahren für den Gläubiger auftretende Rechtsanwalt keine Vollmacht vorweist, es bestehen aber keine Gründe, diese Gesichtspunkte nicht auch im Falle der fehlenden Vertretungsmacht nicht des Rechtsanwaltes, sondern eines sonstigen Vertreters des Unterwerfungsschuldners anzuwenden.

II.

Die Beklagte hat den Vertrag gemäß § 314 Abs. 1 BGB mit der Begründung aus wich­tigem Grunde gekündigt, mit Blick auf das nach Vertragsschluss verkündete „Payback“-Urteil des BGH (GRUR 2008, 1010), der eine „optin“-Lösung für zulässig angesehen habe, könne dieser keinen Bestand haben. Diese Vertragskündigung ist indes nicht wirksam, weil auch im Lichte der Payback-Entscheidung „optin“-Regelun­gen denkbar sind, die gegen § 307 Abs. 2 BGB verstoßen, und das auch bei der der Unterlassungserklärung zugrundeliegenden Klausel der Fall ist. Der BGH hat in jener Entscheidung - das ist der Beklagten einzuräumen - für die Übermittlung von Werbung durch SMS oder E-Mails die „Optout“ Lösung für unzulänglich gehalten und ein „Optin“ Verfahren, wie es die Beklagte des vorliegenden Verfahrens praktiziert, gefordert. Diese Rechtsprechung besagt aber nicht, dass ungeachtet ihres Inhalts jegliche Einwilligungserklärung allein schon deswegen nicht zu beanstanden wäre, weil sie über eine „Optin“ Gestaltung zum Vertragsbestandteil werden soll. Vielmehr ist auch eine so einbezogene Regelung inhaltlich an den Vorschriften der §§ 307 ff BGB zu messen (vgl. insbesondere Senat, GRUR-RR 08, 316, aber auch schon BGB GRUR 00, 818 f - „Telefonwerbung VI“). Es ist danach insbesondere eine - auch als „Optin“ einbezogene - Klausel gemäß § 307 Abs. 2 BGB unangemessen, die „über die Belange des bereits bestehenden bzw. konkret anzubahnenden Vertrages hinausgehende Telefonwerbung umfasst“ (BGH a.a.O., zustimmend Bornkamm/Köhler a.a.O. § 7 Rz. 140 f).

Nachdem die streitgegenständliche Unterlassungserklärung mit Blick auf den Inhalt der damals beanstandeten Vertragsklausel und nicht auf deren Einbeziehung in die zu schließenden Verträge abgegeben worden ist, können aus der erwähnten BGH- Entscheidung Gründe für eine Kündigung des Unterlassungsvertrages nicht hergeleitet werden.

III.

Der Kläger sieht in den beiden oben wörtlich wiedergegebenen Formulierungen jeweils Verstöße gegen den Unterlassungsvertrag. Das hält den - teils nur erstinstanzlichen Vortrag wiederholenden - Angriffen der Berufung stand.

1.

Die Unterlassungsvereinbarung hat nach ihrem Wortlaut zum Gegenstand, dass es der Beklagten untersagt sei, sich die Einwilligung mit der Übersendung von Werbung „durch allgemeine Geschäftsbedingungen zu verschaffen“. Zu Recht hat das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Beklagte mit beiden im vorliegenden Verfahren beanstandeten Formulierungen gegen diese Verpflichtung verstößt. Der Einwand der Beklagten, was ihr vorgeworfen werde, sei nicht ein Stellen einer allgemeinen Geschäftsbedingung, geht fehl.

a)

Die Beklagte meint, weil der angesprochene Verbraucher sich mit dem Erhalt von Werbung nicht einverstanden erklären müsse, liege schon keine AGB vor. Zudem werde diese nicht „gestellt“, weil das Einverständnis im Wege des „optin“- Verfahrens nur wirksam werde, wenn der Verbraucher selbst aktiv ein Häkchen setze.

Diese Auffassung trifft nicht zu. Der BGH hat in der Entscheidung „Telefonwerbung VI“ (GRUR 2000, 818 f) ausgeführt, für die Behandlung einer Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung sei es entscheidend, „dass der Verwender bei der von den Kunden abzugebenden Erklärung die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit für sich ebenso in Anspruch nimmt wie bei der Vorformulierung eines Vertragstextes, und dass der Kunde nur darauf, ob er die Erklärung abgeben will, nicht aber auf ihren Inhalt Einfluss hat“. Auch mit der „Payback“-Entscheidung des BGH (GRUR 2008, 1010) ist die Meinung der Beklagten nicht in Einklang zu bringen. Dort hat der BGH das - hier von der Beklagten gar nicht aufgegriffene - Problem angesprochen, dass die Erklärung zwar von dem Verwender vorformuliert, aber von dem Verbraucher abgegeben wird. Hierzu hat der BGH (Rz. 18) ausgeführt, auch auf eine solche Situation sei nach dem Schutzzweck der §§ 305 ff BGB die Klauselkontrolle anzuwenden. Auch im Falle des BGH bestand die Möglichkeit, dass der Verbraucher - dort allerdings im Wege des „Optout“ - wählen konnte, ob die Regelung gelten sollte oder nicht. Der BGH hat hierauf nicht abgestellt und so indirekt seine Auffassung aus der Entscheidung „Telefonwerbung VI“ bestätigt. Es kann danach nicht aufgrund der Möglichkeit des Verbrauchers, durch Nichtsetzen des Häkchens die Klausel auszu­schließen, von einem Aushandeln der Vereinbarung gesprochen werden. Erst Recht ist die Auffassung der Beklagten unrichtig, es liege keine „Vertragssituation“ vor, weil an dem Gewinnspiel auch unter Ablehnung der Zusendung von Werbung teilgenommen werden könne. Die Möglichkeit zur Gewinnspielteilnahme mit Werbung übermittelt zu erhalten, wird dem Verbraucher nicht im freien Raum, sondern als Bestandteil des Gewinnspiels angeboten, weswegen eine „Vertragssituation“ vorliegt.

b)

Stünde nicht schon aus den vorstehenden Gründen fest, dass die beanstandeten vorformulierten Vertragsregelungen sich als allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, so müsste der Berufung in diesem Punkt jedenfalls deswegen der Erfolg versagt werden, weil die Auslegung zutreffend ist, die das Landgericht zu der Vereinbarung vorgenommen hat. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch die hier vorliegende Fallgestaltung, nämlich dass der Kunde die Option eingeräumt bekommt, durch das Setzen eines Häkchens die vorformulierte Erklärung abzugeben, von der Vereinbarung erfasst sein sollte: Es hieß in der Abmahnung (Anlage B 5), die ausdrücklich mit „Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ überschrieben war, die Beklagte verwende „auf ihrer Internetseite unter www.fussballtipp.de die nachstehend im Einzelnen genannten allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach unserer Auffassung gegen die §§ 307-309 BGB verstoßen und deshalb unwirksam sind: …“. Es ging damit um eine Erklärung, die bereits im Internet, und zwar im Zusammenhang mit Glücksspielen, verwendet worden war. Der Abmahnung ist zwar nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass ihr auch eine Wahlmöglichkeit durch Anklicken zugrunde lag, dies liegt aber angesichts der von der Beklagten selbst formulierten Unterlassungserklärung nahe. Dort heißt es nämlich ausdrücklich, „… sich die Einwilligung der Teilnehmer … insbesondere dadurch zu verschaffen, dass die Teilnehmer eine AGB-Klausel anklicken, in der das Einverständnis … erklärt wird …“. Letztlich kommt es nicht darauf an, ob eine derartige Option schon der Abmahnung zugrunde gelegen hatte: Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Erklärung hat sich die Beklagte jedenfalls zur Unterlassung der Gestaltung einer Internetseite verpflichtet, bei der die in Rede stehende Erklärung durch Anklicken abgegeben werden kann.

Die Beklagte vertritt schließlich die Auffassung, alleiniger Gegenstand der Unterlassungsverpflichtung sei es, eine Abhängigkeit der Teilnahme am Gewinnspiel von dem Einverständnis mit der Übersendung von Werbung zu beseitigen. Diese Meinung ist indes mit dem eindeutigen Wortlaut der Regelung nicht in Einklang zu bringen.

2.

Der Beklagten ist einzuräumen, dass nicht jedwede Vorformulierung einer Einwilligung in Telefonwerbung von vornherein unzulässig ist (vgl. z. B. BGH GRUR 2000, 818 f. - „Telefonwerbung VI“). Der Beklagten ist weiter einzuräumen, dass die vertragliche Vereinbarung dahin auszulegen ist, dass die Beklagte sich lediglich im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung, soweit sie durch die Rechtsprechung konkretisiert ist, zur Unterlassung verpflichten wollte. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. z.B. a.a.O. - „Telefonwerbung VI“ sowie die weiteren Nachweise bei Köhler a.a.O., § 7 UWG Rz. 141) stellt eine Klausel aber jedenfalls dann eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB dar, wenn durch sie nicht nur dem Verwender, sondern auch mit dem Verwender nicht verbundenen Dritten die Übermittlung von Werbung gestattet wird. Danach hat das Landgericht zu Recht beide angegriffene Klauseln als Vertragsverstoß angesehen:

a)

Nach dem oben (A) wiedergegebenen Wortlaut der mit der Anlage K 2 vorgelegten Klausel erstreckt sich das Einverständnis des Verbrauchers auf „die genannten Veranstalter und Sponsoren sowie Lotteriegesellschaften“. Damit ist der Kreis der Berechtigten bei weitem zu weit gezogen. Die „genannten Veranstalter“ sind im übergeordneten Absatz aufgeführt. Es handelt sich um eine Vielzahl von Unternehmen, die wiederum ein großes Sortiment vertreiben, so z. B. die großen Ketten „P.“ und „U.“. Es kommt hinzu, dass die „Sponsoren“ und auch die weiter genannten „Lotteriegesellschaften“ überhaupt nicht eingegrenzt sind. Diese weitreichende Erstreckung stellt eine unangemessene Benachteiligung deswegen dar, weil es dem Verbraucher erschwert bis nahezu unmöglich gemacht wird, sein Einverständnis später zu widerrufen (vgl. z.B. Köhler a.a.O.).

b)

Dasselbe gilt in besonderem Maße für die mit der Anlage K 3 vorgelegte, oben (A) ebenfalls wörtlich wiedergegebene Formulierung. Dort sind aufgeführt „die genannten Veranstalter, Sponsoren und anderen Firmen“. Bei den „genannten Veranstaltern“ handelt es sich um zumindest überwiegend dieselben und vom Umfang her eine ähnliche Anzahl von Unternehmen wie bereits bei dem vorstehend zu a) erörterten Text. Wer „andere Firmen“ sein sollen, bleibt völlig offen und uneingegrenzt.

IV.

Die Unterlassungserklärung der Beklagten ist nach dem sog. „Hamburger Modell“ gesichert. Die Höhe der Vertragsstrafe ist danach in das billige Ermessen des Klägers gestellt, dieses Ermessen hat nach den Bestimmungen der §§ 315 Abs. 3, 319 Abs. 1 BGB der Senat auszuüben, weil die Festsetzung auf 50.000,00 €, die der Kläger vorgenommen hat, billigem Ermessen nicht entspricht.

Es trifft allerdings zu, dass die unerlaubte Telefonwerbung weit verbreitet ist und eine große Belästigung der Verbraucher darstellt. Dem Kläger ist auch einzuräumen, dass die Beklagte mit den beiden Vertragsformulierungen im Wesentlichen ihre frühere Praxis fortgesetzt hat, zu deren Unterlassung sie sich gerade verpflichtet hatte. Selbst wenn der Abmahnung - was nach dem Parteivortrag nicht ausgeschlossen ist - eine „feste“, also nicht durch „optin“ oder „optout“ zu wählende Vertragsklausel zugrunde gelegen hat, muss der Beklagten doch entgegen gehalten werden, dass sie selbst eine Erklärung abgegeben hat, in der ausdrücklich das „Anklicken“ angesprochen worden ist, sie also selbst zugrunde gelegt hat, dass nach ihrem Unterlassungsversprechen auch ein Einverständnis, dass der Verbraucher verhindern konnte, nicht eingeholt werden durfte. Es kann weiter nicht außer Betracht bleiben, dass die Beklagte die beanstandeten Vertragsklausel unter einer Vielzahl von Internetdomains verwendet hat.

Der Senat sieht aber doch gewichtige Gründe, eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000,00 €, wie sie der Kläger verlangt, als billigem Ermessen nicht entsprechend anzusehen. So hat die Beklagte nicht den ursprünglichen Text weiter verwendet. Auf das die erste hier streitgegenständliche Formulierung betreffende Schreiben des Klägers vom 04.02.2009 hat sie mit einer - allerdings untauglichen - Änderung des Klauseltextes reagiert. Der Senat pflichtet dem Kläger in der Auffassung bei, dass wegen dieses Schreibens und der darauf erfolgten Umformulierung der Klausel von einer insgesamt gegebenen natürlichen Handlungseinheit nicht ausgegangen werden kann. Indes bildet die Verwendung der beiden Klauseln in einer Vielzahl von Fällen jeweils eine natürliche Handlungseinheit, weil die Beklagte sich einmal entschieden hat, diese Klausel zu verwenden und dies dann unter einer Vielzahl von Domains umgesetzt hat, ohne dass insoweit noch Anpassungen auch nur im Detail erforderlich waren oder vorgenommen worden wären. Stellt sich das Verhalten der Beklagten damit als ein zweifacher, jeweils in Handlungseinheit vorgenommener Verstoß dar, so hält der Senat unter Berücksichtigung von in vergleichbaren Fällen festgesetzten Ordnungsmitteln für ein erstes Vertragsstrafeverfahren nach Zustandekommen der Unterlassungsvereinbarung eine Strafe in Höhe von insgesamt 20.000,00 € für angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor. Der Senat hatte gesicherte Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Einzelfall anzuwenden.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.000 €.






OLG Köln:
Urteil v. 28.01.2011
Az: 6 U 41/10


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