Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Oktober 2005
Aktenzeichen: 21 W (pat) 35/03

(BPatG: Beschluss v. 27.10.2005, Az.: 21 W (pat) 35/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Patentanmeldung wurde am 12. März 2002 unter der Bezeichnung "Anordnung zur Erzeugung eines Bilds aus hochenergetischer Strahlung" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 24. Dezember 2003.

Die Prüfungsstelle für Klasse G 03 B hat mit Beschluss vom 10. Juni 2003 die Anmeldung nach Ablauf der Frist auf den letzten Prüfungsbescheid aus den Gründen des Bescheids vom 25. Oktober 2002 zurückgewiesen, nach dem der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin verfolgt ihr Patentbegehren mit den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 1 bis 10 gemäß Hauptantrag und mit drei Hilfsanträgen weiter.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Anordnung zur Erzeugung eines Bilds aus hochenergetischer Strahlung (P) mit einer Strahlungsquelle zur Erzeugung hochenergetischer Strahlung (P), einer in einem Abstand davon angeordneten Szintillatorschicht (1) zur Umwandlung der, ggf. von einem durchstrahlten Objekt geschwächten, hochenergetischen Strahlung (P) in sichtbares Licht (L), einem Mittel zur Umlenkung des sichtbaren Lichts (L) auf eine im wesentlichen ausserhalb des Wirkbereichs der hochenergetischen Strahlung (P) befindlichen Einrichtung (4, 5) zur Umwandlung des sichtbaren Lichts (L) in ein Bild, dadurch gekennzeichnet, dass das Mittel zur Umlenkung des sichtbaren Lichts (L) aus einer Vielzahl faserförmiger Lichtwellenleiter (3) gebildet ist."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:

"Strahlentherapiegerät mit einer Anordnung zur Erzeugung eines Bilds aus hochenergetischer Strahlung (P) mit einer Strahlungsquelle zur Erzeugung hochenergetischer Strahlung (P), einer in einem Abstand davon angeordneten Szintillatorschicht (1) zur Umwandlung der, ggf. von einem durchstrahlten Objekt geschwächten, hochenergetischen Strahlung (P) in sichtbares Licht (L), einem Mittel zur Umlenkung des sichtbaren Lichts (L) auf eine im wesentlichen außerhalb des Wirkbereichs der hochenergetischen Strahlung (P) befindlichen Einrichtung (4, 5) zur Umwandlung des sichtbaren Lichts (L) in ein Bild, dadurch gekennzeichnet, dass das Mittel zur Umlenkung des sichtbaren Lichts (L) aus einer Vielzahl faserförmiger Lichtwellenleiter (3) gebildet ist."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 fasst die ursprünglichen Patentansprüche 1, 7 und 10 zusammen.

Der ursprüngliche Patentanspruch 7 lautet:

"Anordnung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das eine Ende (E1) der Lichtwellenleiter (3) an einem an der Rückseite der Szintillatorschicht (1) angebrachten Kollimator (6) angebracht ist."

Der ursprüngliche Patentanspruch 10 lautet:

"Gerät zur Strahlentherapie mit einer Anordnung nach einem der vorhergehenden Ansprüche."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 fasst die ursprünglichen Patentansprüche 1, 7, 9 und 10 zusammen.

Der ursprüngliche Patentanspruch 9 lautet:

"Anordnung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Szintillatorschicht (1) und die Lichtwellenleiter (3), ggf. zusammen mit dem Kollimator (6), ein austauschbares Modul bilden."

Vom Senat ist ua folgende Druckschrift mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingeführt worden:

(D3) DE 197 26 884 C1.

Die Anmelderin hält die Gegenstände der Patentansprüche für neu und erfinderisch. Sie führt insbesondere zum Hilfsantrag 1 aus, dass aus den im Verfahren befindlichen Druckschriften keine Strahlentherapie-Geräte sondern nur Diagnose-Geräte bekannt seien, wobei nur bei Strahlentherapie-Geräten das Problem der Schädigung der Elektronik aufgrund der hochenergetischen Strahlung bestehe. Zu den weiteren Hilfsanträgen führt sie aus, dass ein Kollimator zu einer Bildverbesserung des Systems führe und eine Modulbauweise vorteilhaft zum Austausch von Komponenten sei.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 03 B des deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Juni 2003 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der am 3. Juli 2002 eingegangenen Beschreibungsseite 1 und den am 16. Juli 2003 eingegangenen Beschreibungsseiten 2 und 2a, im Übrigen mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu erteilen, hilfsweise das Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 1, im Übrigen gemäß Hauptantrag zu erteilen, weiter hilfsweise die Ansprüche 1, 7 und 10 zu einem neuen Hauptanspruch gemäß Hilfsantrag 2 zusammenzufassen, weiter hilfsweise die Ansprüche 1, 7, 9 und 10 zu einem neuen Hauptanspruch gemäß Hilfsantrag 3 zusammenzufassen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet, denn die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß den Haupt- und Hilfsanträgen sind im Hinblick auf den Stand der Technik nicht patentfähig, da sie entweder nicht neu sind (§ 3 PatG) oder nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen (§ 4 PatG).

Die geltenden Ansprüche sind formal zulässig. Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag entspricht dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 10. Die Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 2 und 3 ergeben sich aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1, 7 und 10 bzw 1, 7, 9 und 10.

Dem Anmeldungsgegenstand liegt die Aufgabe zugrunde, eine möglichst lange haltbare und reparaturunanfällige Anordnung zur Erzeugung eines Bilds aus hochenergetischer Strahlung anzugeben, die ein möglichst konturscharfes Bild erzeugt (siehe S 2 Abs 4, eingegangen am 16. Juli 2003) und die die Nachteile bei der Verwendung eines Umlenkspiegels und einer in dem Primärstrahlengang angeordneten Auswerteelektronik vermeidet (siehe Offenlegungsschrift Abs [0003,0005]).

1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist nicht neu.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet mit Merkmalsgliederung:

M1 Anordnung zur Erzeugung eines Bilds aus hochenergetischer Strahlung (P) mit M2 einer Strahlungsquelle zur Erzeugung hochenergetischer Strahlung (P), M3 einer in einem Abstand davon angeordneten Szintillatorschicht (1) zur Umwandlung der, ggf von einem durchstrahlten Objekt geschwächten, hochenergetischen Strahlung (P) in sichtbares Licht (L), M4 einem Mittel zur Umlenkung des sichtbaren Lichts (L) auf eine im wesentlichen außerhalb des Wirkbereichs der hochenergetischen Strahlung (P) befindlichen Einrichtung (4, 5) zur Umwandlung des sichtbaren Lichts (L) in ein Bild, dadurch gekennzeichnet, dass M5 das Mittel zur Umlenkung des sichtbaren Lichts (L) aus einer Vielzahl faserförmiger Lichtwellenleiter (3) gebildet ist.

Aus der D3 (siehe insbes die Fig 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung) ist eine M1= Anordnung (fiberoptische Röntgenkamera) zur Erzeugung eines Bilds aus hochenergetischer Strahlung bekannt mit M2= einer Strahlungsquelle (siehe 26) zur Erzeugung hochenergetischer Strahlung M3= einer in einem Abstand davon angeordneten Szintillatorschicht 10, 20 zur Umwandlung der von einem durchstrahlten Objekt 28 geschwächten, hochenergetischen Strahlung in sichtbares Licht, M4= einem Mittel 12, 22 zur Umlenkung des sichtbaren Lichts auf eine im wesentlichen außerhalb des Wirkbereichs der hochenergetischen Strahlung befindlichen Einrichtung 14, 24 zur Umwandlung des sichtbaren Lichts in ein Bild (Querschnittsverengung zwischen 10 bzw 20 und 14 bzw 24), wobei M5= das Mittel zur Umlenkung des sichtbaren Lichts aus einer Vielzahl faserförmiger Lichtwellenleiter gebildet ist (siehe Sp 3, Z 14 bis 16).

Da gemäß der Druckschrift D3 die Röntgenstrahlung nur einige Millimeter bis Zentimeter in die Lichtwellenleiter eindringt (siehe Sp 4, Z 5 bis 14), ist gemäß M4 der Sensor "im wesentlichen außerhalb des Wirkbereichs der hochenergetische Strahlung".

Somit sind alle Merkmale im Patentanspruch 1 aus der Druckschrift D3 bekannt.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als zuständiger Durchschnittsfachmann ist hier aufgrund der zu beachtenden Strahlenphysik und der Optik ein Diplom-Physiker anzusehen, der in der Entwicklung von bildgebenden Systemen mit hochenergetischer Strahlung tätig ist.

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beansprucht ein Strahlentherapiegerät mit einer Anordnung zur Erzeugung eines Bilds aus hochenergetischer Strahlung gemäß dem Anspruch 1 nach Hauptantrag. Die Anordnung gemäß der Druckschrift D3 wird zur Röntgenuntersuchung im medizinischen und industriellen Bereich und damit zur Diagnose und nicht zur Therapie verwendet (siehe Sp 1, Z 1 bis 10). Die Druckschrift D3 offenbart jedoch eine bildgebende Anordnung aus Röntgenstrahlung, die besonders für den Einsatz unter einer hohen Strahlenbelastung geeignet ist (siehe Sp 1, Z 1 bis 10 und Sp 2, Z 43 bis 54). Für den Fachmann ist es daher naheliegend, das aus Druckschrift D3 bekannte bildgebende System auch bei hochenergetischer Strahlung in einem Therapiegerät zu verwenden, zumal mit dem Anspruch 1 keine weiteren, ein Therapiegerät kennzeichnenden Merkmale angegeben sind und der Begriff "hochenergetische Strahlung" keine Einschränkung auf einen bestimmten Energiebereich bedeutet. Konkrete Angaben zur Energie der Röntgenstrahlung werden in der Anmeldung nicht gemacht und eine Strahlentherapie ist je nach Lage und Größe eines Tumors auch mit relativ niederenergetischer Strahlung möglich.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 weist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 noch einen Kollimator auf, der zwischen der Rückseite des Szintillators und einem Ende des Lichtwellenleiters angebracht ist.

Ein Kollimator ist eine optische Einrichtung zur Erzeugung eines parallelen Lichtbündels, deren Einsatz dem Fachmann bei vielfältigen optischen Geräten geläufig ist. Die durch den Szintillator fliegenden Röntgen-Quanten erzeugen einen Lichtblitz, der sich im Szintillator nach allen Seiten ausbreitet. Für den Fachmann ist es daher bei einem bildgebenden System gemäß der Druckschrift D3 naheliegend, das Licht parallel auszurichten, um die im Szintillator erzeugten Lichtblitze möglichst ohne Überschneidungen in die einzelnen Lichtwellenleiter einzukoppeln und so ein möglichst konturscharfes Bild zu erhalten. Der Fachmann wird dazu aufgrund seines Fachwissens bei Bedarf einen Kollimator zwischen dem Szintillator und dem Lichtwellenleiter vorsehen, ohne erfinderisch tätig zu werden.

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 bildet bei dem Gegenstand des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 die Szintillatorschicht mit dem Kollimator und dem Lichtwellenleiter ein austauschbares Modul. Aus der Druckschrift D3 ist bekannt, das die Szintillatorschicht durch Dotieren der Endabschnitte der Lichtwellenleiter gebildet werden kann (siehe Sp 3, Z 23 bis 26) und damit Szintillator und Lichtwellenleiter einteilig ausgebildet sind. Aus der Druckschrift D3 ist ebenfalls bekannt, dass aufgrund der hohen Strahlenbelastung dieses Teil oft ausgetauscht werden muss (siehe Sp 1, Z 48 bis 52). Für den Fachmann ist es daher selbstverständlich, zur Austauschbarkeit der unter hoher Strahlenbelastung stehenden Teile, dh Szintillator und Lichtwellenleiter oder ggf Szintillator, Kollimator und Lichtwellenleiter, diese in Modulbauweise auszubilden.

Mit dem nicht gewährbaren Patentansprüchen 1 gemäß der Haupt- und Hilfsanträge fallen aufgrund der Antragsbindung auch die weiteren nebengeordneten oder untergeordneten Patentansprüche (vgl BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät). Insoweit bedurfte es keiner gesonderten Erörterung der weiteren Patentansprüche.

Im Übrigen hat eine Überprüfung des Senats ergeben, dass auch diese Ansprüche nicht patentfähig sind.

Dr. Winterfeldt Kätker Dr. Maksymiw Dr. Morawek Be






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Beschluss v. 27.10.2005
Az: 21 W (pat) 35/03


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