Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 10. November 2010
Aktenzeichen: 6 W 100/10

(OLG Köln: Beschluss v. 10.11.2010, Az.: 6 W 100/10)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 386/10 - vom 30.06.2010 abgeändert.

Die Kosten des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Dieser hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert entspricht den Verfahrenskosten erster Instanz.

Gründe

Die zulässige (§§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO) sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat dem Antragsgegner 93 % der Verfahrenskosten auferlegt. Nach dem Sach- und Streitstand bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien in der Kammersitzung vom 02.06. 2010 entspricht es jedoch billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens insgesamt dem Antragsteller aufzuerlegen.

1. Zu Recht hat das Landgericht allerdings den Antragsteller in Bezug auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch als aktiv legitimiert angesehen. Gegenstand des Verfahrens sind Rechte an dem Rap-Album „…“. Der zutreffende Hinweis der Beschwerde, dass der (P) + (C) - Vermerk auf dem CD-Cover (Anlage AST 1) nicht den Antragsteller, sondern das Unternehmen „F“ ausweist (unstreitig gibt es eine GmbH dieses Namens, die in anderen Verfahren auch selbst als Rechteinhaber auftritt), steht der Annahme nicht entgegen, dass der Antragsteller Tonträgerhersteller („Produzent“), (Mit-) Urheber sowie ausübender Künstler ist und sein daraus folgendes Abwehrrecht nicht an das genannte nutzungsberechtigte Unternehmen verloren hat (vgl. Senat, NJOZ 2010, 1129 - Culcha Candela).

2. Dagegen begegnet es Bedenken, dass die Kammer die tatsächlichen Voraussetzungen einer Störerhaftung des Antragsgegners auf der Grundlage des beiderseitigen Vorbringens als gegeben angesehen hat. Zwar folgte aus der Providerauskunft über die Zuordnung der von dem Mitarbeiter der W GmbH ermittelten IP-Adresse des Nutzers, der am 02.01.2010 das Album öffentlich zugänglich machte, eine tatsächliche Vermutung für eine über seinen Internetzugang begangene rechtsverletzende Handlung. Diese Vermutung war jedoch erschüttert. Es waren nämlich (wenn auch vorerst nur in Kopie) eidesstattliche Versicherungen des Antragsgegners und seiner Ehefrau (Anlagen AG 8, 9 und 10) vorgelegt worden, wonach auf ihrem einzigem PC keine Filesharing-Software installiert, bei PC und Router die Standard-Firewall aktiviert und ein W-LAN nicht eingerichtet gewesen sei. Wie ein unbefugter Nutzer des Computers oder sonstiger Dritter unter diesen Umständen in der Lage gewesen sein soll, den Internetzugang des Antragsgegners zu rechtsverletzenden Handlungen zu nutzen, ist nicht ersichtlich. Eine dem Antragsgegner zuzuordnende Verletzungshandlung war somit (wenn nicht widerlegt) jedenfalls weiterer Aufklärung bedürftig, was bei der nach § 91a ZPO zu treffenden Entscheidung für eine ungefähr hälftige Kostenteilung hätte sprechen können.

3. Im Übrigen hat das Landgericht keine Feststellungen zu den ausdrücklich in den Tenor der Beschlussverfügung vom 31.03.2010 über­nom­menen Varianten des Verfügungsantrags getroffen, die in Bezug auf die inkriminierte rechtsverletzende Handlung eine Täterschaft oder Teilnahme des Antragsgegners voraussetzten („im Internet öffentlich zugänglich zu machen … oder hieran teilzunehmen“ im Unterschied zu „zugänglich machen zu lassen … oder die Gelegenheit dazu zu bieten“) und damit über die konkrete Verletzungsform einer Störerhaftung für außenstehende Dritter hinausgingen (vgl. BGH GRUR 2010, 633 [Rn. 35 ff.] - Sommer unseres Lebens). Bei der Kostenverteilung wäre dies mangels besonderer Umstände (vgl. Senat, Beschluss vom 9.9.2010 - 6 W 114/10) angemessen zu berücksichtigen gewesen.

4. Im Ergebnis kommt es auf die vorstehenden Erwägungen jedoch nicht an, weil dem Antragsteller bei Eintritt des zur übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien führenden Ereignisses - der strafbewehrten Unterlassungserklärung des Antragsgegners in der Kammersitzung vom 02.06.2010 - jedenfalls kein Verfügungsanspruch mehr zustand. Eine vom Antragsgegner etwa begründete Wiederholungsgefahr war nämlich schon durch seine Unterlassungserklärung vom 15.03.2010 entfallen.

An den Fortfall der Wiederholungsgefahr bei Verletzungsunterlassungsansprüchen sind allerdings strenge Anfor­de­rungen zu stellen; in Wettbewerbssachen und auch im hier einschlägigen Bereich der Schutzrechtsverletzungen ist regelmäßig nur eine uneingeschränkte, bedingungslose und unwiderrufliche Unterwerfungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung geeignet, die Besorgnis künftiger Verstöße auszuräumen, während grundsätzlich schon geringe Zweifel an der Ernstlichkeit der übernommenen Unterlassungsverpflichtung zu Lasten des Schuldners gehen (st. Rspr.: BGH, GRUR 1996, 290 [291] = WRP 1996, 199 - Wegfall der Wiederholungsgefahr I; GRUR 1997, 379 [380] = WRP 1996, 284 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II; GRUR 1998, 483 [485] = WRP 1998, 296 - „Der M.-Markt packt aus“; GRUR 2002, 180 = WRP 2001, 1179 - Weitvor-Winter-Schluss-Verkauf; vgl. Köhler / Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rn. 1.123). Es muss sich jedoch um objektivierbare Zweifel und nicht nur um subjektive Befürchtungen des Unterlassungsgläubigers handeln; nicht jede Modifikation einer von ihm vorformulierten Erklärung lässt auf fehlende Ernstlichkeit schließen. Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung und damit für deren Eignung zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Ver­ein­barung, ihr Zweck, die Beziehung zwischen den Vertragsparteien und ihre Interessenlage heranzuziehen sind; ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundsätze, die - insbesondere unter dem Aspekt der Bestimmtheit - für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten vollstreckbaren Unterlassungstitels gelten, scheidet aus (BGH, GRUR 1992, 61, [62] = WRP 1991, 654 - Preisvergleichsliste; BGHZ 121, 13 = WRP 1993, 240 [241] - Fortsetzungs­zusammenhang; GRUR 1997, 931 [932] = WRP 1997, 1067 - Sekundenschnell; Senat, Urteil vom 29.01.2010 - 6 U 140/09; Köhler / Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.121).

Wegen des regelmäßig mit der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung verfolgten Zwecks, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr auszuräumen und die Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen, ist eine auf die konkrete Verletzungsform bezogene Erklärung im Allgemeinen dahin auszulegen, dass sie sich auch auf im Kern gleichartige Verletzungsformen beziehen soll (BGH, GRUR 1997, 931 [932] = WRP 1997, 1067 - Sekundenschnell; GRUR 1998, 483 [485] = WRP 1998, 296 - „Der M.-Markt packt aus“; GRUR 2009, 418 = WRP 2009, 304 [Rn. 18] - Fußpilz; GRUR 2010, 749 = WRP 2010, 1030 [Rn. 45] - Erinnerungswerbung im Internet). Wird eine abstrakt vorformulierte Erklärung mit Beschränkungen versehen, für die der Schuldner ein berechtigtes Interesse anführen kann und die nicht so unklar sind, dass sie dem Gläubiger die Verfolgung von Zuwiderhandlungen unzumutbar erschweren, begründet dies noch keine Zweifel an der Ernstlichkeit (Köhler / Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.125 ff. [1.131]). Umgekehrt ist es dem Schuldner nicht verwehrt, zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr eine über den vom Gläubiger vorformulierten Text hinausgehende Unterlassungserklärung abzugeben, wenn nur seine Erklärung den geltend gemachten Anspruch in vollem Umfange erfasst; eine solche weit gefasste Erklärung kann insbesondere dann in seinem Interesse liegen und daher unbedenklich als ernst gemeint angesehen werden, wenn er sonst Gefahr läuft, wegen kerngleicher Verletzungshandlungen von diesem oder einem anderen Gläubiger mit kostenverursachenden weiteren Abmahnungen überzogen zu werden (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 8 Rn. 16b; ders. GRUR 1996, 696 [699]).

So liegt es hier: Der Antragsteller hatte seiner Abmahnung eine vorbereitete strafbewehrte Erklärung beigefügt, wonach der Antragsgegner es unterlassen werde, das streitbefangene, als „Tonaufnahme / Musikwerke“ bezeichnete Rap-Album „im Internet in Peerto-Peer-Netzwerken … der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, an vorgenannter Handlung teilzunehmen oder Dritten zu vorgenannter Handlung die Gelegenheit zu bieten; jeweils ohne die hierzu erforderlichen Rechte innezuhalten“ (Anlage AST 10). Die vom Antragsgegner durch seinen Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 15.03.2010 abgegebene Erklärung (Anlage AST 11) enthielt neben zwei unbedenklichen Modifikationen (Vorbehalt der Änderung der Rechtslage und Strafversprechen nach „neuem Hamburger Brauch“, vgl. Köhler / Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.129; 1.142 ff.) das Versprechen gegenüber dem Antragsteller, es zu unterlassen, „urheberrechtlich geschützte Werke des oben genannten Künst­lers im Internet öffentlich zu verbreiten oder auf sonstige Art und Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen … sowie öffentlich zu verbreiten und/oder zu verwerten und/oder wiedergeben zu lassen, insbesondere im Rahmen der Teilnahme an so genannten Peerto-Peer Netzwerken diese urheberrechtlich geschützten Werke oder Teile derselben im Tausch anzubieten.“

Aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers in der Lage des Antragsstellers konnte kein Zweifel daran bestehen, dass als „urheberrechtlich geschützte Werke des oben genannten Künstlers“ jedenfalls das den Anlass der Abmahnung bildende Rap-Album anzusehen war; die gewählte verallgemeinernde Formulierung umfasste das Charakteristische der Verletzungsform unberührt lassende Verstöße (vgl. Senat, Beschluss vom 21. 07.2010 - 6 W 89/10 betreffend das Album „Zeiten ändern dich, Limited Deluxe Ed. 2 CD“ des Antragstellers und seiner Einzeltitel) und darüber hinaus das öffentliche Zugänglichmachen anderer Tonaufnahmen / Musikwerke, die durch die Bezeichnung eines bestimmten Künstlers / Rechtsinhabers individualisiert wurden. Unklarheiten oder Missverständnisse konnten dabei in Bezug auf die den Gegenstand der Abmahnung bildende konkrete Verletzungsform nicht auftreten; dass der Antragsteller Inhaber von Rechten an dem Album „…“ ist, hat der Antragsgegner erst im Widerspruchsverfahren rechtswahrend in Abrede gestellt (S. 17 des Schriftsatzes vom 06.05.2010). Insbesondere umfasste die Formulierung „urheberrechtlich geschützte Werke des oben genannten Künstlers“ neben seinen Rechten als (Mit-) Urheber auch hinreichend deutlich seine ebenfalls geltend gemachten Leistungsschutzrechte als ausübender Künstler und Tonträgerhersteller, die in der Abmahnung als „nach dem Urheberrechtsgesetz … geschützte Tonaufnahmen / Musikwerke“ bezeichnet worden sind. Mit Auseinandersetzungen über die Rechtsinhaberschaft bei den im Internet zugänglich gemachten Tonaufnahmen des Antragstellers war nach Lage der Dinge zum Zeitpunkt der Erklärung vom 15.03.2010 nicht zu rechnen.

Die Erklärung ließ die zur Unterlassung verlangte Verletzungshandlung auch ihrer Art nach in ihren denkbaren (oben zu Nr. 3 erörterten) Begehungsvarianten deutlich genug erkennen, denn sie bezog sich - wie die Abmahnung - auf das öffentliche Zugänglichmachen in Peerto-Peer-Netzwerken durch den Antragsgegner als Täter, Teilnehmer oder Störer. Die Befürchtung des Antragstellers (S. 17 der Antragsschrift), nach einem künftigen Verstoß werde der Antragsgegner (möglicherweise wahrheitswidrig) behaupten, dieser sei durch ausreichend belehrte Familienmitglieder erfolgt, so dass er aus der Unterlassungserklärung nicht hafte, findet in deren Text keine Grundlage; dem Wegfall der Wiederholungsgefahr steht es im Übrigen nicht entgegen, wenn eine Vertragsstrafe nur für den Fall schuldhafter Zuwiderhandlung nach § 339 S. 2 BGB (BGH, NJW 1972, 1893; NJW 1972, 2264; Palandt / Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 339 Rn. 4, 15) versprochen wird (Teplitzky, a.a.O., Kap. 8 Rn. 29; vgl. Senat, NJOZ 2008, 184 [186] = MD 2007, 961). Der weitere Umstand, dass die Abgabe ähnlich lautender Erklärungen für den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ein vergleichbares „Massengeschäft“ zu sein scheint wie die Versendung ähnlich lautender Abmahnungen für die Bevollmächtigten des Antragstellers (vgl. Anlage AST 34), kann die Annahme fehlender Ernstlichkeit ebenfalls nicht rechtfertigen.

Hinzu kommt, dass zur Auslegung einer Unterlassungserklärung auch schriftsätzliche Äußerungen herangezogen werden können, die der Schuldner zu ihrer Klarstellung im Rechtsstreit abgibt (BGH, GRUR 1998, 483 [485] = WRP 1998, 296 - „Der M.-Markt packt aus“; GRUR 2010, 749 = WRP 2010, 1030 [Rn. 45] - Erinnerungswerbung im Internet). Spätestens mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 16.04.2010 (Anlage AST 34) hat der Antragsgegner deutlich gemacht, dass seine Unterlassungsverpflichtung sich auf die verfahrensgegenständliche Tonaufnahme sowie weitere Tonaufnahmen beziehen sollte, an denen dem Antragsteller Urheberrechte und Leistungsschutzrechte zustehen; auch die zur Unterlassung erklärten Handlungen hat er mit den Worten des Antragstellers nochmals näher beschrieben. Anhaltspunkte dafür, dass das auch im Namen einer Vielzahl anderer Abmahnungsempfänger verfasste Schreiben den Verpflichtungswillen des Antragsgegners nicht richtig wieder gibt, vermag der Senat nicht zu erkennen.

5. War der Antragsteller nach alledem in der Sitzung vom 02.06.2010 längst klaglos gestellt, so entsprach es der Billigkeit, ihm die Kosten des in dieser Sitzung für erledigt erklärten Verfahrens insgesamt aufzuerlegen. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, dessen Wert dem Kosteninteresse beider Parteien entspricht, folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.






OLG Köln:
Beschluss v. 10.11.2010
Az: 6 W 100/10


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