Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 195/04

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2005, Az.: 27 W (pat) 195/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 10. Mai 2005 (Aktenzeichen 27 W (pat) 195/04) den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. Mai 2004 aufgehoben. Die Markenstelle hatte die von der Anmelderin eingereichte Wortmarke "EasyVL" für verschiedene Waren und Dienstleistungen, darunter Computerprogramme, Versicherungswesen und Immobilienwesen, als nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig zurückgewiesen. Sie begründete dies damit, dass die angemeldete Bezeichnung aus dem englischen Wort "Easy" für "leicht" und der Abkürzung "VL" für "vermögenswirksame Leistungen" bestehe und somit suggeriere, dass die beworbenen Waren und Dienstleistungen vermögenswirksame Leistungen auf einfache Weise vermitteln würden.

Die Anmelderin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und argumentierte, dass ihre Marke, ähnlich wie die Bezeichnung "EASYBANK", unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig sei. Sie betonte, dass es sich um eine Wortneuschöpfung handele, die nicht lexikalisch nachweisbar sei und bisher nicht für irgendwelche Waren oder Dienstleistungen verwendet werde. Zudem seien die Einzelbestandteile der Marke mehrdeutig.

Das Bundespatentgericht gab der Beschwerde der Anmelderin statt. Es befand, dass die angemeldete Bezeichnung weder freihaltebedürftig noch mangels Unterscheidungskraft zu versagen sei. Obwohl die Abkürzung "VL" auch für "vermögenswirksame Leistungen" stehe, werde damit keine bedeutsame Eigenschaft der beworbenen Waren und Dienstleistungen direkt beschrieben. Zudem sei der Sinngehalt der Bezeichnung "Easy" nicht eindeutig und könne daher nicht als beschreibend angesehen werden. Das Gericht betonte, dass die angemeldete Bezeichnung für die Verbraucher vielmehr einen Hinweis auf die Herkunft der betreffenden Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen darstelle.

Aufgrund dieser Begründung hob das Bundespatentgericht den Beschluss der Markenstelle auf und gab der Beschwerde der Anmelderin statt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 10.05.2005, Az: 27 W (pat) 195/04


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. Mai 2004 aufgehoben.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss die als Wortmarke u.a. für

"Computerprogramme (Software); Versicherungswesen; Finanzwesen; Bank- und Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Immobilienfinanzierung, Telekommunikation"

angemeldete Bezeichnung EasyVL nach §§ 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 als nicht unterscheidungskräftige und freihaltebedürftige Angabe teilweise für die vorgenannten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Anmeldemarke sei erkennbar aus dem bekannten englischen Wort "Easy" für "leicht" und der häufig verwendeten Abkürzung "VL" für "vermögenswirksame Leistungen" zusammengesetzt. Die Anmeldemarke besage daher, dass die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen auf einfache und bequeme Weise vermögenswirksame Leistungen verschafften. Eine Mehrdeutigkeit der angemeldeten Bezeichnung, wie sie die Anmelderin geltend gemacht habe, liege nicht vor; auch stehe der mangelnden Schutzfähigkeit nicht entgegen, dass es sich bei ihr um eine Neubildung handele.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die nicht begründete Beschwerde der Anmelderin. Sie hält die Anmeldemarke ähnlich wie die Bezeichnung "EASYBANK" für unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig. Bei ihr handele es sich um eine Wortneuschöpfung, die weder lexikalisch nachweisbar sei noch aktuell für irgendwelche Waren oder Dienstleistungen verwendet werde oder bei der eine solche Verwendung zukünftig zu erwarten sei. Zudem seien ihre Einzelbestandteile mehrdeutig. Der von der Markenstelle angenommene Sinngehalt erschließe sich dem Verkehr darüber hinaus erst aufgrund einer analysierenden Betrachtung, von der bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit aber nicht ausgegangen werden dürfe. Aus diesen Gründen bestehe an der Anmeldemarke nicht nur kein Freihaltebedürfnis, sondern könne ihr auch die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

II Die nach den §§ 64, 66, 165 Abs. 4 und 5 MarkenG in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung zulässige Beschwerde ist begründet. Der Senat vermag der Ansicht der Markenstelle, dass die Anmeldemarke freihaltebedürftig i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei und ihr die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehle, im Ergebnis nicht zu folgen.

1. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann ein Freihaltebedürfnis an der angemeldeten Bezeichnung i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden.

a) Nach dieser Vorschrift sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450, 453 [Rz. 32] - DOUBLEMINT) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können, sofern es sich hierbei um für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände handelt (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU; GRUR 2000, 211, 232 - FÜNFER). Dieses Eintragungsverbot dient dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw. Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden (EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 - CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 - BIOMILD).

b) Nach diesen Grundsätzen kann ein Freihaltebedürfnis an der angemeldeten Bezeichnung nicht festgestellt werden. Zwar setzt sie sich aus den zum englischen Grundwortschatz gehörenden Begriff "easy" für "leicht" und der Abkürzung "VL" zusammen, die u.a. im Inland auch für "vermögenswirksame Leistungen" gebräuchlich ist (vgl. http://www.acronymfinder.com/afquery.asp€String=exact&-Acronym=vl&Find=Find), so dass die angemeldete Kombinationsmarke in zumindest einer ihrer möglichen Bedeutungen im Sinne von "leichte vermögenswirksame Leistungen" verstanden werden kann. Damit werden aber keine bedeutsamen Merkmale der von der Zurückweisung betroffenen Ware "Computerprogramme (Software)" und der Dienstleistungen "Versicherungswesen; Finanzwesen; Bank- und Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Telekommunikation" unmittelbar beschrieben. Vermögenswirksame Leistungen sind nach § 2 Abs. 1 5. VermBG Geldleistungen, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer anlegt. Zwar mögen die vorgenannte Ware und die vorgenannten Dienstleistungen solche Geldleistungen zum Gegenstand haben, so dass die Abkürzung "VL" in der Anmeldemarke als Angabe ihres möglichen Bestimmungszwecks in Betracht kommt. Dann bleibt aber unklar, auf welche möglichen Merkmale die weitere Angabe "easy" abzielt. Zwar ist denkbar, sie - wie die Markenstelle angenommen hat - in dem Sinn aufzufassen, dass hiermit die leichte Zugänglichkeit vermögenswirksamer Leistungen suggeriert werden soll; abgesehen davon, dass sie mit diesem Sinngehalt eher eine Werbeanpreisung denn eine Sachaussage darstellt, kann ihr keine Information über die Modalitäten der in Rede stehenden Ware und der betroffenen Dienstleistungen oder deren Einzelheiten entnommen werden, so dass sie weder abstrakt noch konkret mögliche Merkmale dieses Produkts oder dieser Tätigkeiten unmittelbar zu beschreiben in der Lage ist (vgl. EuG GRUR-RR 2001, 156, 157 [Rz. 29] - EASYBANK). Da die Anmeldemarke damit jedenfalls nicht ausschließlich aus unmittelbar produktbeschreibenden Angaben besteht, ist sie nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freihaltebedürftig.

2. Auch der Versagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG liegt nicht vor.

a) Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. (BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH;; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen, was etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m.w.N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) oder bei Werbeaussagen allgemeiner Art (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 - Unter uns; WRP 2000, 298, 299 - Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 - Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - "Test it."; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft) der Fall ist. Werden rein beschreibende Angaben zu einem Gesamtbegriff zusammengesetzt, ohne sich durch die Wortkombination ein über den bloß beschreibenden Inhalt jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinngehalt ergibt, so bleibt dieser auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es sich bei ihm um eine Wortneuschöpfung oder einen bislang nicht verwendeten Begriff handelt (EuGH GRUR 2004, 680, 681 - BIOMILD).

b) Nach diesen Grundsätzen kann der Anmeldemarke die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Zwar steht der anderslautenden Beurteilung der Markenstelle entgegen der Ansicht der Anmelderin weder der Umstand, dass es sich bei der Anmeldemarke um eine lexikalisch nicht nachweisbare und bisher nicht verwendete oder gar übliche Wortneuschöpfung handelt (vgl. BGH WRP 2002, 982, 984 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I; s.a. EuGH, a.a.O. - BIOMILD), noch eine mögliche Mehrdeutigkeit ihrer Einzelbestandteile entgegen, da einer Marke die erforderliche Unterscheidungskraft bereits dann fehlt, wenn nicht vernachlässigbare Teile der angesprochenen Verkehrskreise ihr lediglich eine im Vordergrund stehende produktbeschreibende Bedeutung entnehmen. Insofern kommt es nicht entscheidend darauf an, dass die Abkürzung "VL" neben dem von der Markenstelle angenommenen Sinngehalt noch eine Vielzahl anderer Bedeutungen - u.a. Variable Life (insurance), Various Locations, Video Local (Video Electronics Standards Association), Virtual Laboratory, Visual Language, Volume License (software) (vgl. http://www.acronymfinder.com, a.a.O.) oder Virtual Library (vgl. http://vlib.org) - haben kann. Denn selbst die Teile des Verkehrs, welche die Anmeldemarke unmittelbar in der Bedeutung "leichte vermögenswirksame Leistungen" verstehen, werden ihr keine im Vordergrund stehende, die zurückgewiesene Ware und die zurückgewiesenen Dienstleistungen beschreibende Sachaussage entnehmen. Soweit die Markenstelle angenommen hat, diese Verkehrskreise würden sie in dem Sinne auffassen, dass die in Rede stehende Software und die betroffenen Finanz-, Immobilien- und Telekommunikationsdienstleistungen den angesprochenen Verbrauchern vermögenswirksame Leistungen in erleichterter Form verschaffen, bedürfte es für eine solche Interpretatiuon der Anmeldemarke mehrerer Gedankenschritte, bei denen neben der "Übersetzung" der Anmeldemarke im oben genannten Sinne vor allem eine Verbindung zwischen vermögenswirksamen Leistungen, welche allein ein Arbeitgeber erbringen kann, zu den mit Software und den vorgenannten Tätigkeiten üblicherweise zu verwirklichenden Vorgängen hergestellt wird; hierzu müsste beispielsweise überlegt werden, dass Gegenstand der vom Arbeitgeber zu erbringenden vermögenswirksamen Leistungen eine Geldanlage ist, die u.a. durch Vermittlung einer Bank erfolgen kann, deren Tätigkeitsgebiet wiederum in den beanspruchten Dienstleistungen "Bank- und Geldgeschäfte" besteht. Zu solchen analysierenden Betrachtungen neigt der Verkehr aber im allgemeinen nicht (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 - Vamos; BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH). In Ermangelung einer unmittelbar erkennbaren Sachaussage wird er vielmehr dazu neigen, in der angemeldeten Bezeichnung einen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen zu erblicken. Im Ergebnis kann der Anmeldemarke daher die Eintragung auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt werden.

3. Da somit Schutzhindernisse nach §§ 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht ersichtlich sind, war der Beschluss der Markenstelle, mit dem der Anmeldemarke die Eintragung teilweise versagt worden ist, auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben.

Dr. van Raden Richterin Prietzel-Funk ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert Dr. van Raden Schwarz Na






BPatG:
Beschluss v. 10.05.2005
Az: 27 W (pat) 195/04


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