Landgericht Wiesbaden:
Urteil vom 11. Dezember 2009
Aktenzeichen: 9 O 227/08

(LG Wiesbaden: Urteil v. 11.12.2009, Az.: 9 O 227/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Wiesbaden hat in einem Urteil vom 11. Dezember 2009 entschieden, dass der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Vergütung für anwaltliche Leistungen im Rahmen der Verteidigung des Geschäftsführers des Beklagten in einem kartellrechtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahren zu zahlen. Die Vergütung beträgt insgesamt 55.821,89 € zuzüglich Zinsen. Die Klage wurde jedoch im Übrigen abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits müssen je nach Anteil der Obsiegenden der Kläger zu 19% und der Beklagte zu 81% tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, aber der Kläger kann die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden. Das Urteil umfasst auch den Tatbestand des Falles, in dem der Kläger die Zahlung der Vergütung für seine eigene Tätigkeit zur Durchsetzung seiner Forderung verlangt. Der Beklagte bestreitet die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Wiesbaden, da der Beklagte seinen satzungsmäßigen Sitz nach Berlin verlegt hat. Allerdings hat das Gericht entschieden, dass dies auf die örtliche Zuständigkeit nach § 29 ZPO keine Auswirkungen hat. Das Gericht entscheidet weiterhin, dass die Vergütungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten wirksam ist und die Tätigkeit des Klägers nicht sittenwidrig oder unangemessen hoch entlohnt ist. Das Gericht weist die Einwände des Beklagten gegen die Stundenanzahl und -dauer der vom Kläger erbrachten Leistungen zurück und kommt zu dem Schluss, dass der Kläger Anspruch auf Vergütung der gesamten erbrachten Leistungen hat. Allerdings kann der Kläger nur die Vergütung für das Verfahren vor dem OLG Düsseldorf und nicht für das Verfahren vor dem BGH und das zweite Ordnungswidrigkeitenverfahren verlangen, da für diese Verfahren keine entsprechende Vergütungsvereinbarung getroffen wurde. Das Gericht weist schließlich darauf hin, dass die Vergütungsansprüche des Klägers nicht verjährt sind und dass der Beklagte die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren entrichten muss. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 81% und der Kläger zu 19%.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Wiesbaden: Urteil v. 11.12.2009, Az: 9 O 227/08


Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 55.821,89 € nebst Zinsen in Höhe von jeweils 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB p.a. seit dem 20.12.2007 sowie weitere 1.479,90 € nebst Zinsen in Höhe von jeweils 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB p.a. seit 02.02.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 19 % und der Beklagte zu 81 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Zahlung einer Vergütung für die von dem Kläger im Auftrag des Beklagten geleistete anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Verteidigung des Geschäftsführers des Beklagten, € in einem kartellrechtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahren, welches in erster Instanz vor dem OIG Düsseldorf und in zweiter Instanz vor dem Bundesgerichtshof stattgefunden hat.

Das kartellrechtliche Ordnungswidrigkeitenverfahren war von dem Bundeskartellamt gegen den Beklagten eingeleitet worden, weil der Verdacht bestand, dass der Beklagte zu einem Boykott von Entsorgungssystembetreibern aufgerufen haben könnte, die im Wettbewerb zum Entsorger €Der grüne Punkt- Duales System Deutschland AG" standen, insbesondere zum Boykott der €, deren Entsorgerkonzept einige Drogeriemarktketten im Jahr 2001 beigetreten waren.

Im Rahmen dieses Ordnungswidrigkeitenverfahrens wurde seitens des Bundeskartellamtes am 20.01.2003 ein Bußgeldbescheid, Gz: B 10-9000-VC-206/01 (Anlage K 2) gegen die Geschäftsführer des Beklagten, nämlich den Hauptgeschäftsführer, Herrn €, und gegen den weiteren Geschäftsführer, Herrn €, erlassen. Ihnen wurde zur Last gelegt, im Zeitraum Juli bis Oktober 2001 vorsätzlich in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, durch Mitgliederrundschreiben, Pressemitteilungen und weitere Schreiben an Ausschussmitglieder bzw. Lieferanten der Drogerieketten andere Unternehmen zu Liefer- und Bezugssperren aufgefordert zu haben. Gegen den Geschäftsführer € wurde ein Bußgeld in Höhe von 100.000,- €, gegen den Geschäftsführer € ein Bußgeld in Höhe von 75.000,- € und gegen den Beklagten ein Bußgeld in Höhe von 400.000,- € festgesetzt.

Angesichts eines erheblichen Verfahrensumfangs wurden im Mai 2004 der € und der € voneinander getrennt und in zwei verschiedenen Verfahren fortgeführt. Der €, zu dem die Bußgeldbescheide gegen den Beklagten und seine beiden o.g. Geschäftsführer gehörten, wurde vor dem OLG Düsseldorf unter dem Az: VI Kart 24-27/03 OVVi geführt. Die Akten bestehen aus 17 Ordnern des Ermittlungsverfahrens und einem Band Gerichtsakten, insgesamt haben die Akten 7.021 Blatt. Mit Urteil vom 04.10.2004 des OLG Düsseldorf wurden der Beklagte und seine Geschäftsführer freigesprochen. Gegen das Urteil legte die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf Rechtsbeschwerde ein. Die Rechtsbeschwerde wurde von dem Bundesgerichtshof unter dem 18.10.2005 (Az: KRB 24/05) verworfen.

Aufgrund des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 18.10.2005 wurde ein weiteres gegen die Verantwortlichen des Beklagten im August 2004 eingeleitetes kartellrechtliches Ordnungswidrigkeitenverfahren (Az. B 10-106/04, BKartA), welches bis zur rechtskräftigen Entscheidung im ersten Ordnungswidrigkeitenverfahren ruhte, gemäß Schreiben der zuständigen Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes vom 08.11.2005 (Anlage K 19) eingestellt. Auch in diesem zweiten OVVi-Verfahren wurde dem Kläger der Auftrag erteilt, den Geschäftsführer € zu verteidigen.

Nachdem die Rechtsanwälte €, die zunächst die Interessen des Beklagten und seiner beiden betroffenen Geschäftsführer vertreten hatten, ihr Mandat bezüglich des Geschäftsführers ... wegen des Verbots der Mehrfachverteidigung niedergelegt hatten, setzte sich der Beklagte mit dem Kläger in Verbindung. Herr € erteilte dem Kläger unter dem 22.01.2004 die Vollmacht zur Verteidigung (Anlage K 9). Nach dem Wortlaut dieser Prozessvollmacht wurde dem Kläger in dem kartellrechtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahren (Gz Kart 24-31/03 Owi, OLG Düsseldorf) gegen € wegen Verdachtes der Aufforderung zu einem Boykott Vollmacht zur Verteidigung und Vertretung in allen Instanzen erteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vollmachtsinhalts wird auf die zu den Akten gereichte Kopie der Vollmacht Bezug genommen.

Der Beklagte und der Geschäftsführer € wurden in der Folgezeit weiterhin von Rechtsanwälten ... verteidigt. Mit der Verteidigung der übrigen Betroffenen und Nebenbetroffenen wurden Rechtsanwälte der Kanzleien € beauftragt.

Zwischen dem damaligen Leiter der Rechtsabteilung des Beklagten, Herrn Rechtsanwalt ... und dem Kläger wurde Ende des Jahres 2003 eine Honorarvereinbarung für die Verteidigung des Geschäftsführers ... besprochen. Bevor es zur Unterzeichung der Honorarvereinbarung kam, hatten der Leiter der Rechtsabteilung des Beklagten und der Kläger wegen der Formulierungen korrespondiert. In einem Entwurf vom 22.01.2004 waren durch den Beklagten Änderungen u.a. in der Zeittaktregelung vorgenommen worden, indem von Seiten des Beklagten die Zeittaktregelung wie folgt formuliert wurde €Bei der Bearbeitung der Angelegenheit ist je pro angefangener Viertelstunde ein Viertel des vereinbarten Stundensatzes abrechenbar." Der Kläger reagierte auf diese Änderung mit E-Mail vom 04.02.2004 (Anlage HWH 3, BI. 271 d.A.), in der er diese Änderung für ein redaktionelles Versehen hielt und um Bestätigung bat. Nachdem die Vereinbarung auf Wunsch des Leiters von Herrn Rechtsanwalt € mehrfach überarbeitet worden war, unterzeichnete der Beklagte, vertreten durch seinen Hauptgeschäftsführer €, am 19.02.2004 die von dem Kläger bereits am 16.02.2004 unterzeichnete Honorarvereinbarung. In der Honorarvereinbarung verpflichtete sich der Beklagte gegenüber dem Kläger, für die im Rahmen der Verteidigung des Geschäftsführers € im vorerwähnten OWi-Verfahren entstehenden anwaltliche Leistungen anstelle der gesetzlichen Gebühren gemäß der seinerzeit gültigen BRAGO ein Honorar von 230,- € pro Stunde zuzügl. der jeweils gesetzlichen Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Zeittaktklausel wurde letztendlich in der von beiden Parteien unterzeichneten Honorarvereinbarung wie folgt formuliert: €Bei der Bearbeitung der Angelegenheit ist pro angefangener Viertelstunde ein Viertel des vereinbaren Stundensatzes abrechenbar". Post-, Telekommunikationsdienstleistungen sowie Schreibauslagen, Fahrt- und Reisekosten, Tages- und Abwesenheitsgelder sollten gesondert entsprechend der Bestimmungen der BRAGO vergütet werden. Reisezeiten sollten nur dann als vergütungspflichtige Arbeitszeit gelten, wenn der Kläger auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen war, im Übrigen sollten Reisezeiten nur als vergütungspflichtige Arbeitszeit gelten, wenn der Kläger tatsächlich anwaltliche Leistungen während der Reisezeit erbrachte. Auf die Abweichung der Vergütungsregelungen von den gesetzlichen Regelungen wurde in der Honorarvereinbarung hingewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vergütungsvereinbarung wird auf die zu den Akten gereichte Kopie der Vereinbarung vom 16./19.02.2004 (Anlage K 10) verwiesen.

In Bezug auf das zweite im August 2004 eingeleitete OWi-Verfahren teilte der Leiter der Rechtsabteilung des Beklagten am 04.09.2004 mit, dass die Honorarvereinbarung sich nicht auf dieses zweite Verfahren erstrecken solle.

Der Kläger erstellte für seine Tätigkeit eine Leistungsübersicht, in der er das jeweilige Datum der Tätigkeit, die konkrete Bezeichnung der jeweiligen Tätigkeit und den entsprechenden Zeitaufwand dokumentierte. Auf die von dem Kläger zur Akte gereichten Listen der €Zeiterfassung zur Honorarvereinbarung" (Anlagen K 24 und K 25) wird wegen der Einzelheiten der von dem Kläger dargestellten Tätigkeiten und deren Dauer Bezug genommen. Des Weiteren wird auf die von dem Kläger zur Akte gereichten telefonischen Einzelverbindungsnachweise für den Zeitraum vom 09.03.2003 bis zum 30.08.2006 (Anlage K 26) Bezug genommen.

Mit Datum vom 15.11.2007 erstellte der Kläger seine Rechnung für das erste OVVi-Verfahren (Rechnung-Nr. 07-0092, Anlage K 28), wobei in dieser Rechnung auch die Vergütung für die zweite Instanz vor dem BGH enthalten ist. Der Rechnung fügte er eine Leistungsübersicht bei, der die konkrete anwaltliche Tätigkeit, der entsprechende Zeitaufwand und das Datum der Leistung zu entnehmen war. Von den 507,25 ermittelten Stunden, rechnete der Kläger 426,75 Stunden auf Basis der Honorarvereinbarung vom 16./19.02.2004 ab und kam unter Zugrundelegung des vereinbarten Stundensatzes von 230-€ netto auf einen Gesamtbetrag von 98.152,50 netto. Die Zahlungen des Beklagten von 30.000,- € netto am 15.07.2004 und von 8.620,69€ netto am 23.12.2004 sowie die aufgrund von Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen des OLG Düsseldorf erhaltenen Zahlungen, insgesamt 5.898,01 € brutto, brachte er zum Abzug. Er errechnete einen von dem Beklagten noch zu zahlenden Restbetrag von 63.158,89 €.

Ebenfalls unter dem 15.11.2007 berechnete der Kläger seine Vergütung für das zweite OWi-Verfahren (Rechnung Nr. 07-0093, Anlage K 31). Auch dieser Rechnung war eine Leistungsübersicht, der die konkrete anwaltliche Tätigkeit, der entsprechende Zeitaufwand und das Datum der Leistung zu entnehmen war, beigefügt. In dieser Rechnung setzte der Kläger 20,75 Stunden zu je 230,- € netto an sowie Schreibauslagen und Auslagen gem. Rechnung des Bundeskartellamtes, insgesamt 5.659,54 € brutto.

Außer den bereits gezahlten und in Abzug gebrachten Vorschüssen leistete der Beklagte keine weiteren Zahlungen auf die beiden Rechnungen vom 15.11.2007. Auch eine Mahnung des Klägers vom 20.12.2007 blieb ohne Erfolg.

Für die Durchsetzung seiner Forderung war der Kläger in eigener Sache tätig. Hierfür berechnet er Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.580,- € unter Zugrundlegung eines Gegenstandswerts von 68.818,43 € und einer 1,3 Geschäftsgebühr sowie der allgemeinen Auslagenpauschale.

Der Kläger behauptet, das Verfahren habe erhebliche grundsätzliche Bedeutung für den Bereich der Verpackungsentsorgung gehabt. Es habe eine gemeinsame konzeptionelle und strategische Ausrichtung der verschiedenen mit der Verteidigung der Betroffenen mandatierten Verteidiger erfordert, was eine Vielzahl von Telefonaten, Telefonkonferenzen und gemeinsamen Besprechungen mit sich gebracht habe. Die überragende Bedeutung und Schwierigkeit des Verfahrens sei bereits Gegenstand der ersten Besprechung in Frankfurt gewesen, an der der Kläger, sein jetziger Prozessbevollmächtigter und auf Seiten des Beklagten dessen Leiter der Rechtsabteilung und dessen Geschäftsführer € teilgenommen hätten. Der Leistungsumfang seines Mandats sei nicht beschränkt gewesen, insbesondere nicht auf strafprozessuale Probleme. Er ist der Ansicht, er sei verpflichtet gewesen, sich mit den Kartellakten und kartellrechtlichen Problemen auseinanderzusetzen.

Zur Zeittaktklausel behauptet er, diese sei in der Honorarvereinbarung nicht einseitig gestellt worden, sondern sei individuell ausgehandelt worden, wie sich schon aus dem Schreiben des Leiters der Rechtsabteilung des Beklagten vom 15.12.2003 (BI. 359 d.A.) ergebe.

Er behauptet weiter, er habe die in den Listen der €Zeiterfassung zur Honorarvereinbarung" (Anlagen K 24 und K 25) aufgeführten Tätigkeiten tatsächlich erbracht und dafür die dort angegebenen Zeiten benötigt.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 63.158,89€ sowie 5.659,54 € nebst Zinsen in Höhe von jeweils 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB p.a. seit dem 20.12.2007 sowie weitere 1.580,- € nebst Zinsen in Höhe von jeweils 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Wiesbaden. Hierzu trägt er vor, der Beklagte habe mit Beschluss vom 18.09.2007 seinen satzungsmäßigen Sitz nach Berlin verlegt.

Der Beklagte behauptet, zum Zeitpunkt der Beauftragung des Klägers sei das kartellrechtliche Verfahren bereits umfassend durch die Anwälte der Kanzlei € aufgearbeitet gewesen. Da bereits erhebliche Honorarkosten entstanden seien, habe der Beklagte eine preisgünstigere Beauftragung für die Verteidigung des Geschäftsführers € angestrebt. Der Kläger habe von dieser Intention gewusst. Die Verteidigungsstrategie habe schon lange vor der Beauftragung des Klägers festgestanden, so dass der Kläger lediglich Teil eines Verteidigungsteams mit beschränkten Leistungspflichten habe sein sollen und eine Aufarbeitung kartellrechtlicher Fragen nicht gefordert gewesen sei. Der Kläger habe die Aufgabe gehabt, die strafprozessualen Besonderheiten zu klären.

Die Zeittaktklausel sei von dem Kläger einseitig gestellt worden und nicht individuell ausgehandelt worden. Von dem Beklagten seien an der von dem Kläger übersandten Vorlage lediglich grammatikalische Anpassungen vorgenommen worden. Eine von dem Beklagten gewünschte Änderung sei von dem Kläger ausdrücklich als unverhandelbar zurückgewiesen worden. Der Beklagte ist der Ansicht, die in der Honorarvereinbarung vorgesehene Zeittaktklausel stelle einen Allgemeine Geschäftsbedingung dar und verstoße gegen § 307 BGB, da sie strukturell geeignet sei, das Prinzip der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung empfindlich zu verletzen. Die Zeittaktklausel führe zu einer sittenwidrigen Aufblähung des Stundenaufwandes durch Vernachlässigung der gebotenen Konzentration und Beschleunigung der Bearbeitung. Dies gelte vor allem dann, wenn der Rechtsanwalt einen erheblichen Zeitaufwand abrechne, ohne dass ein konkretes Arbeitsergebnis erkennbar sei.

Der Beklagte ist ferner der Ansicht, alle von dem Kläger in der Leistungsübersicht beschriebenen Leistungen seien nicht ausreichend konkretisiert. Die Leistungen seien mit unzureichenden Leerformeln bezeichnet, so dass keine Vergütung verlangt werden könne, weil die abgerechneten Leistungen für den Beklagten nicht überprüfbar seien.

Des Weiteren bestreitet der Beklagte hinsichtlich jeder von dem Kläger in der Leistungsübersicht eingestellten Position, dass der Kläger die von ihm jeweils angegebenen Tätigkeiten tatsächlich erbracht habe. Insbesondere bestreitet er die im Zeitraum vor dem 27.11.2003 abgerechneten Leistungen, da es erst am 27.11.2003 zur Mandatierung gekommen sei. Insoweit ist er der Ansicht, Akquisitionstätigkeit sei nicht vergütungsfähig. Ebenso ist er der Ansicht, die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Honorarvereinbarung sowie im Zusammenhang mit der Abrechnung der Vergütung könnten nicht in Rechnung gestellt werden. Hinsichtlich der mit dem Geschäftsführer € geführten Telefonate bestreitet er, dass diese Telefonate immer im Zusammenhang mit der Angelegenheit gestanden hätten, weil der Kläger und Herr € persönlich befreundet seien. Er bestreitet außerdem, dass die Fahrt am 19.09.2004 mit dem PKW stattgefunden habe. Ferner bestreitet er, dass der für die jeweiligen Tätigkeiten angegebene Zeitaufwand erforderlich und angemessen sei.

Hinsichtlich der von dem Kläger für die zweite Instanz des kartellrechtlichen Verfahrens geforderten Gebühren von 7.003,50 € erhebt der Beklagte die folgenden Einwendungen. Er ist der Ansicht, eine wirksame Vergütungsvereinbarung habe es für diese Instanz nicht gegeben. Die Vergütungsvereinbarung vom 16./19.02.2004 beziehe sich ausdrücklich auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren vor dem OLG Düsseldorf, Gz. Kart 24-31/03 OWi, und damit nur auf das erstinstanzliche Verfahren. Bei der zweiten Instanz handele es sich um eine €andere Angelegenheit" im gebührenrechtlichen Sinn, so dass eine der Form des RVG entsprechende erneute Honorarvereinbarung erforderlich gewesen sei. Mangels einer solchen Vereinbarung könne der Kläger für die zweite Instanz vor dem BGH lediglich die im RVG vorgesehenen gesetzlichen Gebühren geltend machen. Im Übrigen erhebt der Beklagte hinsichtlich der Abrechnung für die zweitinstanzlichen Kosten die gleichen Einwendungen wie gegenüber der Kostenabrechnung für die erste Instanz.

Auch hinsichtlich der Gebührenforderung des Klägers für seine Tätigkeit im zweiten gegen den Geschäftsführer € eingeleiteten kartellrechtlichen Verfahren (Az. B 10-106/04, BKartA) ist der Beklagte der Ansicht, es habe keine wirksame Gebührenvereinbarung im Sinne der Vorschriften des ab dem 01.07.2004 geltenden RVG gegeben, da es eine schriftliche Honorarvereinbarung nicht gegeben habe. Auch insoweit bestreitet er, dass der Kläger die abgerechneten Leistungen tatsächlich mit dem behaupteten Zeitaufwand erbracht habe.

Er ist der Ansicht, der Kläger sei mit den bereits gezahlten ca 40.000,- € ausreichend vergütet, zumal die gesetzliche Vergütung für die Tätigkeit im Ordnungswidrigkeitenverfahren insgesamt 6.549,70 € betragen hätte. Er ist daher auch der Ansicht, die geforderte Vergütung verstoße gegen das Mäßigungsgebot des § 3 Abs. 3 BRAGO und sei unangemessen hoch. Hierzu trägt er vor, das von dem Kläger geforderte Honorar überschreite die gesetzlich vorgesehene Vergütung um das 16-fache.

Er beruft sich auf die Einrede der Verjährung, da das erstinstanzliche Owi-Verfahren im Jahr 2004 und das zweitinstanzliche Verfahren im Jahr 2005 beendet worden seien. Damit sei auch die Mandatierung des Klägers beendet gewesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Wiesbaden ist gem. § 29 ZPO örtlich zuständig. Der Umstand, dass der Beklagte seinen Sitz am 07.04.2008 nach Berlin verlegt hat, hat auf die örtliche Zuständigkeit nach § 29 ZPO keine Auswirkungen. Maßgeblich für den Erfüllungsort im Sinne der §§ 29 ZPO, 269 BGB sind die Verhältnisse bei Entstehung des Schuldverhältnisses. Ein Wechsel der gewerblichen Niederlassung ändert den Leistungsort nicht (Palandt, €Bürgerliches Gesetzbuch", 69. Aufl., § 269, Rn. 18). Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Honorarvereinbarung, auf die der Kläger seine Vergütungsansprüche stützt, befand sich der Sitz des Beklagten in Wiesbaden, so dass für die Streitigkeit über die Honorarforderung gem. § 29 ZPO das Landgericht Wiesbaden zuständig ist.

Die Klage ist in Höhe von 55.821,89 € begründet, im Übrigen ist sie nicht begründet.

Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten gem. § 675 BGB grundsätzlich ein Anspruch auf Vergütung seiner im Rahmen der Verteidigung des Geschäftsführers ... erbrachten anwaltlichen Tätigkeit zu.

Hinsichtlich der ersten Instanz des kartellrechtlichen OWi-Verfahrens (Gz Kart 24-31/03 OWi) vor dem OLG Düsseldorf kann der Kläger die Gebühren auf der Grundlage der Honorarvereinbarung vom 16./19.02.2004 abrechnen.

Die Vergütungsvereinbarung ist wirksam. Die nach § 4 RVG bzw. § 3 BRAGO vorgesehene Schriftform ist eingehalten. Auch enthält die Vereinbarung den Hinweis, dass die Vergütungsregelung von den Vorschriften der zum Zeitpunkt des Zustandekommens der Vereinbarung geltenden BRAGO abweicht.

Der Ansicht der Beklagten, die streitgegenständliche Honorarvereinbarung sei unwirksam, weil sie mit der Zeittaktklausel eine den Beklagten unangemessen benachteiligende Reglung enthalte, vermag das Gericht nicht zu folgen.

In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Zeittaktklausel von dem Kläger einseitig vorgegeben worden sein sollte oder ob sie zwischen den Parteien ausgehandelt worden ist. Selbst wenn die Zeittaktklausel einseitig vorgegeben gewesen und als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen sein sollte €wobei insoweit nicht ersichtlich und von Seiten des Beklagten vorgetragen worden ist, dass die fragliche Zeittaktklausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden sei € stellt die Klausel an sich keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners dar. Insoweit schließt sich das Gericht der Ansicht des OLG Düsseldorf (NJW-RR 2007, 1229) nicht an. Dass Zeittaktklauseln an sich nicht von vornherein als unwirksam anzusehen sind, ergibt sich bereits daraus, dass entsprechende Zeittaktklauseln sogar gesetzlich vorgesehen sind, z.B. in § 13 der Steuerberatergebührenverordnung. Auch ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB ist nicht ersichtlich. Eine Zeittaktklausel steht nicht im Widerspruch zu wesentlichen Grundgedanken des RVG, weil das RVG die Möglichkeit einer Honorarvereinbarung vorsieht und für deren Inhalt keine konkreten Vorgaben macht.

Der Kläger kann auf der Grundlage der Gebührenvereinbarung die Vergütung aller in dem Zeitraum vom 09.03.2003 bis zum 04.10.2004 (Tag der Urteilsverkündung der ersten Instanz des OWi-Verfahrens Kart 24-31/03 OWi, OLG Düsseldorf) berechneten Stunden verlangen sowie gem. § 19 Ziff. 3 RVG die für die Überprüfung der Kostenfestsetzung angefallenen Arbeitsstunden am 22.12.2006 und am 05.03.2007.

Der Einwand des Beklagten, die vor Unterzeichnung der Gebührenvereinbarung angefallenen Arbeitszeiten könnten nicht unter Berücksichtigung dieser Vereinbarung abgerechnet werden, geht fehl. Vielmehr hat der Kläger einen Anspruch auf Vergütung für die gesamten von ihm im Rahmen der Angelegenheit ausgeführten Tätigkeiten, auch für die Tätigkeiten, die vor Abschluss der Gebührenvereinbarung lagen. Eine Beschränkung auf die Tätigkeiten, die nach Abschluss der Gebührenvereinbarung erbracht worden sind, ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung nicht. Nach der Vereinbarung verpflichtet sich der Beklagte nämlich ohne zeitliche oder inhaltliche Begrenzung, für die Bearbeitung der Rechtsangelegenheit, also der gesamten Angelegenheit, das vereinbarte Stundenhonorar zu zahlen. Etwas anderes ist auch den Umständen, die zum Abschluss der Vereinbarung geführt haben, nicht zu entnehmen, denn von den Parteien wurde nicht vorgetragen, dass über die vor Abschluss der Honorarvereinbarung erbrachten Tätigkeiten gesprochen worden sei. Da Gebührenvereinbarungen in der Regel die gesamte erbrachte Tätigkeit umfassen und nachträgliche Gebührenvereinbarungen möglich sind (vgl. Gerold/SchmidtN.Eicken, €RVG", 17. Aufl., 2006, § 4, Rn. 40), waren demzufolge ohne ausdrückliche Einschränkung auch die vor dem 16./19.02.2004 erbrachten Leistungen des Klägers auf der Grundlage der Gebührenvereinbarung abrechenbar. In diesem Zusammenhang greift auch der Einwand des Beklagten nicht durch, vor Abschluss der Vereinbarung habe sich die Tätigkeit des Klägers auf nicht anrechnungsfähige Akquisetätigkeit beschränkt. Aus den von dem Kläger eingereichten Leistungsübersichten geht vielmehr hervor, dass der Kläger sich bereits inhaltlich mit den von dem Beklagten eingereichten Unterlagen und der Rechtslage befasst hat. Die Arbeitszeiten, die für die Erstellung der Honorarvereinbarung angefallen sind und die als Akquisetätigkeit in Betracht kämen, hat der Kläger nicht angesetzt, denn in der Leistungsübersicht sind diese Tätigkeiten mit dem Zusatz €o.B." versehen, was nach der Legende der Übersicht €ohne Berechnung" heißt. Die Zeiten nach dem 04.10.2004, dem Tag der Urteilsverkündung, kann der Kläger nicht als Arbeitszeiten der Angelegenheit geltend machen, mit Ausnahme der Arbeitszeit, die zur Überprüfung der gerichtlichen Vergütungsfestsetzung dienten. Gem. § 19 RVG gehören die Tätigkeiten im Hinblick auf die Einlegung eines Rechtsmittels nur dann zur Abwicklung der gleichen Angelegenheit, wenn es um die eigene Rechtsmitteleinlegung geht. Da der Geschäftsführer ... freigesprochen worden ist, konnte die nach dem 04.10.2004 entwickelte Tätigkeit nicht mehr im Zusammenhang mit seiner Verteidigung stehen und die Angelegenheit war jedenfalls in erster Instanz beendet.

Die von dem Kläger in seiner Leistungsübersicht angesetzten Stunden in der Zeit vom 09.03.2003 bis 04.10.2004 sind tatsächlich erbracht worden. Das Gericht verkennt nicht, dass der Kläger darlegungs- und beweisbelastet für die Erbringung der abgerechneten Leistungen ist. Der Darlegungslast ist der Kläger jedoch durch Vorlage der Leistungsübersicht, der entsprechenden Telefon-Einzelverbindungsnachweise und durch konkreten Vortrag in seinen Schriftsätzen in ausreichender Weise nachgekommen. Das einfache Bestreiten der dargestellten Leistungen und ihrer Dauer durch die Beklagte war hingegen als substanzlos und daher unbeachtlich anzusehen.

Hinsichtlich der Telefonate und Besprechungen mit dem Leiter der Rechtsabteilung des Beklagten und dem Geschäftsführer ... als Mandanten des Klägers genügte ein einfaches Bestreiten der Beklagten schon deswegen nicht, weil der Leiter der Rechtsabteilung und der Geschäftsführer ... zum damaligen Zeitpunkt bei dem Beklagten in führender Position tätig waren. Die Kenntnis dieser beiden Beteiligten muss sich der Beklagte zurechnen lassen. Bei Vorgängen im eigenen Geschäfts- und Verantwortungsbereich kann sich die Partei nicht auf die arbeitsteilige Organisation berufen, sondern muss innerhalb dieses Bereichs Erkundigungen einziehen; dies gilt sogar im Hinblick auf frühere Geschäftsführer (Zöller, €Zivilprozessordnung", 28. Aufl., 2010, § 138, Rn. 16). Der Beklagten hätte es oblegen, sich bei beiden Beteiligten kundig zu machen, ob und mit welcher Dauer die Gespräche und Telefonate durchgeführt worden seien. Ohne entsprechende nähere Informationen eingezogen zu haben, ist ihr Bestreiten als unzulässiges Bestreiten ins Blaue hinein anzusehen. Dies gilt auch insoweit, als die Beklagte vorgetragen hat, die Gespräche mit dem Geschäftsführer ... hätten aufgrund der persönlichen Nähe zwischen Kläger und Herrn ... wahrscheinlich auch privaten Inhalt gehabt. Diesbezüglich hätte der Beklagte ebenfalls die Pflicht gehabt, nähere Nachforschungen bei Herrn ... zu betreiben.

Soweit der Kläger in Ausführung seines Auftrags mit Dritten telefoniert hat, z.B. mit den zuständigen Dezernenten beim Bundeskartellamt, bei den Gerichten und mit den Verteidigern der übrigen Betroffenen des OWi-Verfahrens, ist das Bestreiten des Beklagten angesichts der von dem Kläger vorgelegten Einzelverbindungsnachweise obsolet. Der vom Gericht stichprobenartig vorgenommene Vergleich von Leistungsübersicht und Einzelverbindungsnachweis zeigt, dass die Verbindungszeiten und die von dem Kläger abgerechneten Telefonate an den jeweiligen Tagen übereinstimmen. Soweit der Beklagte bestritten hat, dass die Telefonate mit dem streitgegenständlichen Auftrag im Zusammenhang stünden, ist dies unbeachtlich. Dass der Kläger anlässlich der Telefonate mit Dritten nicht in dieser Angelegenheit tätig geworden sei, sondern aus anderen Gründen dort angerufen habe, ist aus Sicht des Gerichts nicht nachvollziehbar.

Ebenso geht der Einwand des Beklagten hinsichtlich der Erforderlichkeit und Angemessenheit des von dem Kläger angesetzten Arbeitsaufwands im Rahmen des Aktenstudiums fehl. Zum einen kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, der Auftrag des Klägers habe sich lediglich auf die Prüfung strafprozessualen Fragen beschränkt. Dies folgt weder aus der Honorarvereinbarung noch aus der von dem Geschäftsführer ... unterzeichneten Prozessvollmacht. Dies widerspricht zudem den von dem Kläger einzuhaltenden Sorgfaltspflichten. Als Verteidiger des Geschäftsführers ... hatte er dessen Interessen vollumfänglich wahrzunehmen. Selbst wenn die kartellrechtliche Problematik des Mandats von dritter Seite bereits aufgearbeitet worden sein sollte, oblag es dem Kläger, diese Ausarbeitungen zu überprüfen und eigene Nachforschungen zu betreiben, ob er der von dritter Seite gewählten Verteidigungsstrategie folgen könne. Dabei war der Kläger geradezu verpflichtet, alle Aspekte der Angelegenheit, auch die kartellrechtlichen, zu berücksichtigen. Vergeblich wendet der Beklagte auch ein, die in dem Tätigkeitsnachweis des Klägers angeführten Tätigkeitsbeschreibungen seien zu pauschal, um die tatsächliche Erbringung der Tätigkeit nachzuvollziehen. Der Kläger hat im Gegenteil sehr detaillierte Angaben gemacht, wann er welche Akten gelesen hat und welche Fachliteratur er zu Rate gezogen hat. Weitere Detailangaben konnten von dem Kläger nicht gefordert werden, denn wollte man der von dem Beklagten vertretenen Ansicht folgen, mutete man den Rechtsanwälten, die auf Stundenhonorarbasis abrechnen, einen für die Erstellung des Tätigkeitsnachweises nicht mehr zu vertretenen Arbeitsaufwand zu. Ebenso geht der Einwand des Beklagten, die für das Aktenstudium vom Kläger angesetzten Stunden seien nicht erforderlich gewesen, ins Leere. Das Aktenstudium ist der Kernbereich der anwaltlichen Tätigkeit. Zeitliche Vorgaben für das Aktenstudium sind in diesem Kernbereich nicht denkbar, da die Dauer des Aktenstudiums von so vielen subjektiven Faktoren abhängt, dass objektive Grenzen für die erforderliche Dauer nicht gezogen werden können. Es kommt hinzu, das vorliegend angesichts des Umfanges der Ermittlungs- und Gerichtsakten (17 Ordner des Ermittlungsverfahrens, ein Band Gerichtsakten, insgesamt 7.021 Blatt) schon für die pure Lesezeit eine erhebliche Stundenanzahl anzusetzen war.

Das Bestreiten der von dem Kläger angesetzten Fahrtzeiten bleibt in gleicher Weise unbeachtlich. Aus der Leistungsübersicht des Klägers ergibt sich, dass dieser lediglich die Fahrten im PKW vom 19. bis zum 22.092004 als Arbeitszeit abgerechnet hat, im Übrigen die Fahrtzeiten ohne Berechnung geblieben sind. Das Bestreiten des Beklagten, der Kläger sei mit dem PKW zum Hauptverhandlungstermin im September 2004 gefahren, ist ebenfalls als substanzlos anzusehen, da die angesetzte Rückfahrzeit nicht bestritten wird.

Im Ergebnis kann der Kläger Vergütung auf der Grundlage der Honorarvereinbarung für alle im Zeitraum vom 09.03.2003 bis zum 04.10.2004 abgerechneten Stunden sowie für weitere 1,5 Stunden am 22.12.2006 und 05.03.2007 (Überprüfung der Vergütungsfestsetzung) verlangen. Im Zeitraum vom 09.03.2003 bis zum 04.10.2004 hat der Kläger insgesamt 397,75 abrechnungsfähige Stunden angesetzt. Des Weiteren sind für die Überprüfung der Vergütungsfestsetzung weitere 1,5 Stunden für das erstinstanzliche Verfahren vor dem OLG Düsseldorf angefallen. Dabei war gem. § 287 ZPO für die Tätigkeit im Rahmen der Vergütungsfestsetzung am 22.12.2006 davon auszugehen, dass von der angesetzten Zeit je eine Stunde auf den Antrag vor dem OLG Düsseldorf und auf den Antrag vor dem BGH entfiel.

Alles in allem kann der Kläger für das erstinstanzliche OWi-Verfahren vor dem OLG Düsseldorf 399,25 Stunden (397,75 + 1,5 Stunden) in Ansatz bringen. Es errechnet sich eine Vergütung von 91.827,50 € netto. Nach Abzug der von dem Beklagten geleisteten Zahlungen von 38.620,69 € (netto) verbleibt ein Restbetrag von 53.206,81 € netto. Zuzüglich Umsatzsteuer von 16 % und abzüglich einer von der Staatskasse geleisteten Zahlung von 5.898,01 € besteht ein restlicher Vergütungsanspruch des Klägers für das kartellrechtliche OWi-Verfahren, Kart 24-31/03 OW, OLG Düsseldorf, in Höhe von 55.821,89 €.

Eine Sittenwidrigkeit der Honorarvereinbarung gem. § 138 BGB oder gem. § 242 BGB anhand des von dem Kläger noch zustehenden Gesamtbetrages lässt sich nicht feststellen. Ob eine Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB oder ein Verstoß gegen § 242 BGB vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu bemessen. Unter Berücksichtigung der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung, die das kartellrechtliche OWi-Verfahren besaß, und der Bedeutung, die das Verfahren für den Mandanten des Klägers persönlich hatte, dessen berufliches und gesellschaftliches Ansehen bei einer Verurteilung erheblich geschädigt worden wären, erscheint der Inhalt der Honorarvereinbarung nicht sittenwidrig. Weder ist der vereinbarte Stundensatz als sittenwidrig anzusehen. Der Stundensatz von 230,- € pro Stunde ist nicht zu beanstanden, da gerichtsbekannterweise durchaus höhere Stundensätze vereinbart werden und der Stundensatz von 230,- bei einer Untergrenze von ca. 150,- E (vgl. Gerold/Schmidt/V.Eicken, RVG, § 4, Rn. 34) noch eher im unteren Bereich liegt, wenn es wie hier um eine Angelegenheit von hoher wirtschaftlicher Bedeutung geht. Die Unangemessenheit der Honorarforderung kann auch nicht mit einer mehrfachen Überschreitung den gesetzlichen Gebühren begründet werden. Auch insoweit ist eine Abwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich. Diese Abwägung ergibt, dass die Überschreitung vorliegend nicht als sittenwidrig anzusehen ist. Wie oben dargelegt, was zwischen den Parteien auch unstreitig ist, hatte das kartellrechtliche OWi-Verfahren für alle Beteiligten eine erhebliche Bedeutung. Dieser Bedeutung werden die gesetzlichen Vergütungsregelungen, die von einer durchschnittlichen Bußgeldsache ausgehen und lediglich die Höhe der verhängten Geldbuße als Maßstab ansetzen, nicht gerecht. Insoweit können diese gesetzlichen Regelungen nicht als Vergleichsmaßstab für die Stundenvergütung dienen, zumal allen Beteiligten schon anhand des Aktenumfangs von vornherein bewusst und bekannt war, dass ein erheblicher Zeitaufwand entstehen würde. Es kommt hinzu, dass eine Honorarvereinbarung, die eine Abrechnung nach Stundenaufwand vorsieht und vor Beendigung des Mandats geschlossen wird, nach Ansicht des Gerichts schon deswegen nicht als sittenwidrig eingestuft werden kann, als der Zeitaufwand und die Höhe des Endbetrages noch nicht feststehen und somit kein auffälliges Missverhältnis zwischen Vergütung und Leistung bzw. gesetzlicher Regelung bei Abschluss der Vereinbarung gegeben sein kann.

Ein Verstoß gegen § 138 BGB ist auch nicht wegen eines groben Missverhältnisses zwischen Leistung des Klägers und vom Beklagten zu erbringender Gegenleistung gegeben. Die Leistungen des Klägers erforderten über fast zwei Jahre hinweg einen hohen Arbeitsaufwand durch Rücksprachen mit dem Mandanten, dem Beklagten und den übrigen Beteiligten des OWi-Verfahrens. Dieser Aufwand rechtfertigt die von dem Kläger geforderte Vergütung.

Der Kläger hat die ihm durch die Honorarvereinbarung eröffneten Abrechnungsmöglichkeiten zudem nicht in sittenwidriger Weise missbraucht, indem er die Tätigkeitsdauer unangemessen aufgebläht hätte. Hinsichtlich der Zeiten für das Aktenstudium wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Auch hat der Kläger die Viertelstunden-Zeittaktklausel nicht in unerträglichem Maß ausgenutzt. Vielmehr hat ein stichprobenartiger Vergleich von Abrechnung und Telefon-Einzelverbindungsnachweis ergeben, dass der Kläger gelegentlich nur eine Viertelstunde oder eine halbe Stunde abgerechnet hat, obwohl die Gespräche länger gedauert haben (so z.B. am 03.06.2004, 04.06.2004,05.06.2004, 22.06.2004).

Aus den vorstehenden Gründen vermag das Gericht auch keinen Verstoß gegen § 4 Abs. 4 RVG zu erkennen, denn die vereinbarte Vergütung erscheint unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unangemessen hoch.

Der Gebührenanspruch des Klägers ist nicht verjährt. Gem. §§ 195, 199 BGB verjähren die Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts innerhalb von 3 Jahren. Beginn der Verjährung ist gem. § 199 Abs. 1 BGB der Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Gem. §§ 8 und 10 RVG kommt es für den Verjährungsbeginn nicht darauf an, wann die Rechnung über die Vergütung erstellt worden ist, sondern darauf, wann der Auftrag beendet worden ist. In einem gerichtlichen Verfahren wird die Vergütung u.a. fällig, wenn der Rechtszug beendet ist. Das erstinstanzliche OWi-Verfahren vor dem OLG Düsseldorf endete frühestens mit dem Urteil vom 04.10.2004. Für Vergütungsansprüche des Klägers aus diesem Verfahren begann die Verjährung somit am 31.12.2004 zu laufen und endete am 31.12.2007. Der am 21.12.2007 beantragte und am 07.01.2008 zugestellte Mahnbescheid des Amtsgerichts Aschersleben vom 03.01.2008 (Az: 07-2370001-0-5) führte gem. § 204 Abs. 1 Ziff. 3 BGB zu einer Hemmung der Verjährung. Dass der Mahnbescheid erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erlassen und zugestellt wurde, steht der Hemmung nicht entgegen. Gem. § 167 ZPO kam es auf den Zeitpunkt der Einreichung des Mahnantrags am 21.12.2007, d.h. zu unverjährter Zeit, an, da der Mahnbescheid demnächst zugestellt worden ist. Insbesondere war die Verzögerung des Erlasses und der Zustellung des Mahnbescheides nicht durch den Kläger verschuldet, da der Mahnantrag ordnungsgemäß mit allen erforderlichen Angaben eingereicht wurde. Vielmehr beruhte die Verzögerung auf der gerichtsinternen Bearbeitung.

Dagegen sind Gebührenansprüche des Klägers für die zweite Instanz des Ordnungswidrigkeitenverfahren vor dem BGH und für das zweite gegen den Geschäftsführer ... anhängige OWi-Verfahren (Az. B 10-106/04, BKartA) nicht begründet.

Entgegen der Ansicht des Klägers galt die Honorarvereinbarung nicht für die zweite Instanz vor dem BGH und auch nicht für das zweite gegen den Geschäftsführer ... anhängige OVVi-Verfahren. Nach dem Wortlaut der Honorarvereinbarung bezieht sich diese lediglich auf das Verfahren €Gz. Kart 24-31/03 Owi, OLG Düsseldorf". Ein weitergehender Umfang der Vereinbarung, insbesondere eine Erstreckung auf die zweite Instanz folgt weder aus dem Wortlaut, noch aus den sonstigen Umständen der Vereinbarung. Die Honorarvereinbarung enthält keinen Hinweis darauf enthält, dass der Beklagte auch die Kosten für die Verteidigung des Geschäftsführers ... in der zweiten Instanz übernehmen wollte, obwohl es den Parteien ein Leichtes gewesen wäre, dies in der schriftlichen Vereinbarung klar zu stellen. Überdies ist formuliert, dass die Beauftragung des Klägers in der €vorbezeichneten Rechtsangelegenheit" erfolgt. Der Begriff der €Angelegenheit" ist in der grammatikalischen Einzahl verwendet, was vom Wortsinn her die Beschränkung auf diese eine Angelegenheit beinhaltet. Da nach den gebührenrechtlichen Vorschriften jeder Rechtszug als besondere Angelegenheit gilt (§ 15 Abs. 2 S. 2 RVG bzw. § 13 Abs.2 BRAGO), was den rechtlich erfahrenen Beteiligten bekannt war, ist die zweite Instanz dem Wortlaut nach nicht erfasst. Auch der Sinn und Zweck der Honorarvereinbarung gebietet keine Auslegung, dass auch die zweite Instanz auf der Grundlage dieser Vereinbarung vergütet werden sollte. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Honorarvereinbarung war nicht abzusehen, ob ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des OLG Düsseldorf eingelegt und damit ein zweitinstanzliches Verfahren durchgeführt werden würde.

Erstreckt sich die streitgegenständliche Honorarvereinbarung somit nur auf die von dem Kläger in dem Verfahren Kart 24-31/03 OWi vor dem OLG Düsseldorf erbrachten anwaltlichen Leistungen, kann er die Vergütung für das zweitinstanzliche Verfahren vor dem BGH und für das zweite OWi-Verfahren nicht auf dieser Grundlage berechnen. Formwirksame Vergütungsvereinbarungen für diese beiden Angelegenheiten, die den Vorschriften des § 4 RVG entsprechen würden, sind nicht getroffen worden. In diesem Zusammenhang kommt es auf den Vortrag des Klägers, der Leiter der Rechtsabteilung des Beklagten habe ihm erst nachträglich mitgeteilt, er solle nicht davon ausgehen, dass die Honorarvereinbarung auch für das zweit OWi-Verfahren gelte, nicht an. Selbst wenn die Parteien zuvor eine stillschweigende oder ggf. mündliche Vereinbarung getroffen hätten, wäre diese formunwirksam.

Der Kläger kann demzufolge seine Vergütung hinsichtlich der zweiten Instanz des ersten Verfahrens und hinsichtlich des zweiten OWi-Verfahrens lediglich nach den gesetzlichen Vorschriften des RVG abrechnen. Da eine entsprechende Abrechnung gem. § 10 RVG bzw. § 18 BRAGO bislang nicht erteilt wurde, kann er die Gebühren jedoch nicht einfordern.

Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus § 286 Abs. 1 BGB. Aufgrund der Mahnung vom 20.12.2007 geriet der Beklagte in Zahlungsverzug.

Der Beklagte schuldet gem. § 286 BGB im Rahmen des zu erstattenden Verzugsschadens auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren. Bei Prozessführung in eigener Sache kann der Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen erstattet verlangen, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts verlangen könnte; dies gilt auch für die Kostenerstattung bei außergerichtlicher Tätigkeit (Gerold/Schmidt/V.Eicken, RVG, § 1, Rn. 250 und Rn. 274). Der Höhe nach stehen dem Kläger jedoch nur Rechtsanwaltsgebühren aus einem Gegenstandswert von 55.821,89 € zu. Dies ergibt bei einer Geschäftsgebühr von 1,3 und der Auslagenpauschale von 20,- € einen Betrag von 1.479,90€.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, während sich die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO für den Kläger und aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO für den Beklagten ergibt (der Beklagte kann Kosten von nicht mehr als 1.500,- € vollstrecken).






LG Wiesbaden:
Urteil v. 11.12.2009
Az: 9 O 227/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/86f15c2600dd/LG-Wiesbaden_Urteil_vom_11-Dezember-2009_Az_9-O-227-08




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