Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Februar 2000
Aktenzeichen: 5 W (pat) 415/99

(BPatG: Beschluss v. 09.02.2000, Az.: 5 W (pat) 415/99)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 1. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I- vom 1. Dezember 1998 im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge werden der Antragstellerin auferlegt.

Gründe

I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 6. April 1993 angemeldeten und am 26. August 1993 in die Rolle eingetragenen, ein "Systemgerüst" betreffenden Gebrauchsmusters 93 05 194 (Streitgebrauchsmuster). Seine Schutzdauer ist auf 8 Jahre verlängert. Die mit der Anmeldung eingereichten und der Eintragung zugrundeliegenden Schutzansprüche lauten:

1. Systemgerüst, dessen Gerüstzellen aus Vertikalrahmen und horizontalen Baugliedern bestehen, die nach einem Längenrastermaß abgestuft bemessen sind, gekennzeichnet durchpaarweise an einer oder beiden Stirnseiten des Gerüstes festlegbare, seitlich vor- oder zurückspringende Ausleger (1), die an ihren distalen Enden mit Anschlußzapfen (5) für den Anschluß eines weiteren, aufzubauenden Vertikalrahmens versehen sind, wobei der jeweilige Abstand zwischen den Anschlußzapfen (5) des Auslegers (1) und dem benachbarten Anschlußzapfen (10) des zugeordneten stirnseitigen Vertikalrahmens (9) dem Längenrastermaß des Systemgerüstes entspricht.

2. Systemgerüst nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Ausleger jeweils die Form eines dreieckigen Rahmens mit einer Horizontal- (2), Vertikal- (3) und Diagonalstrebe (4) haben, wobei die Vertikalstrebe (3) mit Befestigungsmitteln zum Festlegen des Auslegers (1) am vertikalen Holm des stirnseitigen Vertikalrahmens (6) des Systemgerüstes versehen ist.

3. Systemgerüst nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß an der Horizontalstrebe (2) des Auslegers (1) Haltebolzen (11) zur Halterung einer Belagbohle (12) angeordnet sind.

4. Systemgerüst nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Befestigungsmittel für den Ausleger (1) am oberen Ende der Vertikalstrebe (3) des Auslegers (1) eine Hülse (13) vorgesehen ist, die auf den Anschlußzapfen (10) des stirnseitigen Vertikalrahmens (6) des Systemgerüstes aufsteckbar ist und daß am unteren Ende der Vertikalstrebe (3) des Auslegers (1) eine an den vertikalen Holm des stirnseitigen Vertikalrahmens (6) angepaßte, U-förmige Lagesicherung (15) vorgesehen ist.

5. Systemgerüst nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Befestigungsmittel für den Ausleger (1) Halbkupplungen (7) vorgesehen sind und daß im Bereich des oberen Endes der Vertikalstrebe (3) ein Anschlag (8, 8a) vorgesehen ist, der die Einbaulage des Auslegers (1) von unten oder von oben am oberen Querholm (9) des stirnseitigen Vertikalrahmens (6) des Systemgerüstes anliegt.

Am 9. Februar 1994 hat die Antragsgegnerin geänderte Schutzansprüche 1 bis 5 eingereicht. Schutzanspruch 1 lautet:

1. Systemgerüst, dessen Gerüstzellen aus Vertikalrahmen und horizontalen Baugliedern bestehen, die nach einem Längenrastermaß abgestuft bemessen sind, gekennzeichnet durchpaarweise an einer oder beiden Stirnseiten des Gerüstes festlegbare, seitlich vor- oder zurückspringende Ausleger (1), die an ihren distalen Enden mit Anschlußzapfen (5) für den Anschluß eines weiteren, aufzubauenden Vertikalrahmens versehen sind, wobei der Abstand zwischen den Anschlußzapfen (5) des Auslegers (1) und dem benachbarten Anschlußzapfen (10) des zugeordneten stirnseitigen Vertikalrahmens (9) 50 cm beträgt, d.h. dem Längenrastermaß des Systemgerüstes entspricht.

Die Schutzansprüche 2 bis 5 stimmen mit den eingetragenen Ansprüchen 2 bis 5 überein, wobei in Anspruch 5 ein Schreibfehler in "Systemgerüstes" berichtigt worden ist.

Die Antragstellerin hat am 17. Oktober 1997 beim Deutschen Patentamt die Löschung des Streitgebrauchsmusters in vollem Umfang beantragt. Zur Begründung ihres Antrags hat sie auf zwei Preislisten "Schnellbaugerüste aus Aluminium-Stahl-Holz UNI-70 Uni-100" der MJ-Gerüst GmbH Rüst + Schweißtechnik, Plettenberg, Ausgaben 1990 und 1991 (im folgenden MJ-Preisliste) verwiesen. Sie hat ausgeführt, gegenüber dem in diesen Druckschriften offenbarten Stand der Technik beruhe der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag widersprochen. Sie hat das Streitgebrauchsmuster zunächst im Umfang der am 9. Februar 1994 eingegangenen Schutzansprüche 1 bis 5, sodann im Umfang eines Schutzanspruchs 1 vom 1. Dezember 1998 und der eingetragenen Schutzansprüche 2 bis 5 verteidigt. Der Schutzanspruch 1 vom 1. Dezember 1998 lautet:

1. Systemgerüst, dessen Gerüstzellen aus Vertikalrahmen und horizontalen Baugliedern bestehen, die nach einem Längenrastermaß abgestuft bemessen sind, gekennzeichnet durchpaarweise an einer oder beiden Stirnseiten des Gerüstes festlegbare, seitlich vor- oder zurückspringende Ausleger (1), die an ihren von der Stirnseite des Gerüsts abgewandten Enden jeweils mit einem Anschlußzapfen (5) versehen sind, auf den der vertikale Holm eines weiteren Vertikalrahmens aufgesetzt ist, wobei der Abstand zwischen den Anschlußzapfen (5) des Auslegers (1) und dem benachbarten Anschlußzapfen (10) des zugeordneten stirnseitigen Vertikalrahmens (9) 50 cm beträgt, d.h. dem Längenrastermaß des Systemgerüstes entspricht.

Nach mündlicher Verhandlung hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Patentamts durch Beschluß vom 1. Dezember 1998 das Streitgebrauchsmuster gelöscht, soweit es über den Schutzanspruch 1 vom 1. Dezember 1998 und die eingetragenen Schutzansprüche 2 bis 5 hinausgeht. Die Kosten des Löschungsverfahrens hat sie zu 2/5 der Antragstellerin und zu 3/5 der Antragsgegnerin auferlegt. In den Gründen des Beschlusses ist ausgeführt, das Schutzrecht sei in der verteidigten Fassung rechtsbeständig, weil der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach den MJ-Preislisten neu sei und auch auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Die Kostenentscheidung berücksichtige, daß das Schutzrecht nur mit einem erheblich eingeschränkten Gegenstand bestätigt werden konnte.

Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Sie verweist zum Stand der Technik noch auf die Preislisten Nr. 253, Ausgabe 01/89 und Nr. 256, Ausgabe 05/92 "Schnellbaugerüste BERA/RUX-SUPER 65 BERA/RUX-SUPER 100" (im folgenden RUX-Preisliste) sowie auf den Prospekt "Schnellbaugerüste BERA/RUX-SUPER 65/100" mit Druckvermerk "02.90" (im folgenden RUX-Prospekt) der Günter Rux GmbH, Hagen. Sie trägt vor, aufgrund des dort Beschriebenen habe es für den Fachmann nahegelegen, beim Gerüstbau schon immer bewerkstelligte Vor- und Rücksprünge mittels eines Systemgerüsts mit den Merkmalen des verteidigten Schutzanspruchs 1 vorzunehmen.

Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Gebrauchsmuster in vollem Umfang zu löschen.

Die Antragsgegnerin hat hinsichtlich der Kostenentscheidung Anschlußbeschwerde eingelegt. Sie hat das Streitgebrauchsmuster zunächst mit einem am 11. Januar 2000 eingereichten Schutzanspruch 1 in folgender Fassung:

1. Systemgerüst, dessen Gerüstzellen aus Vertikalrahmen und horizontalen Baugliedern bestehen, die nach einem Längenrastermaß abgestuft bemessen sind, gekennzeichnet durch paarweise an einer oder beiden Stirnseiten des Gerüstes festgelegte seitlich vor- oder zurückspringende Ausleger (1), die an ihren von der Stirnseite des Gerüsts abgewandten Enden jeweils mit einem Anschlußzapfen (5) versehen sind, auf die die vertikalen Holme eines weiteren Vertikalrahmens aufgesetzt sind, wobei der Abstand zwischen den Anschlußzapfen (5) des Auslegers (1) und dem benachbarten Anschlußzapfen (10) des zugeordneten stirnseitigen Vertikalrahmens (9) 50 cm beträgt, d.h. dem Längenrastermaß des Systemgerüstes entspricht.

sowie den eingetragenen Ansprüchen 2 bis 5 verteidigt.

Die Antragsgegnerin trägt ergänzend vor, der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters sei auch unter Einbeziehung der RUX-Preislisten und des RUX-Prospekts in den Stand der Technik schutzfähig.

Sie beantragtdie Beschwerde zurückzuweisen sowieim Rahmen der Anschlußbeschwerde der Antragstellerin unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im Kostenpunkt die Kosten des ersten Rechtszuges aufzuerlegen.

Die Antragstellerin beantragt noch, die Anschlußbeschwerde zurückzuweisen.

II Die zulässige Beschwerde ist sachlich nicht gerechtfertigt. Soweit das Gebrauchsmuster wegen beschränkter Verteidigung nach § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG gelöscht worden ist, hat es damit sein Bewenden. Im übrigen ist der Löschungsantrag unbegründet.

Die Anschlußbeschwerde ist sachlich gerechtfertigt.

A Die Antragsgegnerin verteidigt das Streitgebrauchsmuster in zulässig eingeschränktem Umfang.

Mit der Fassung des am 9. Februar 1994 eingereichten Schutzanspruchs 1 ist der Gegenstand des eingetragenen Schutzanspruchs 1 dadurch in zulässiger Weise beschränkt worden, daß bei der Bemessung des Abstandes zwischen den Anschlußzapfen das vorher zahlenmäßig unbestimmte Längenrastermaß auf 50 cm festgelegt worden ist. Dieses Maß ist auf Seite 5 der Beschreibung in den Zeilen 6 und 5 von unten sowie auf Seite 7 als zum Gebrauchsmustergegenstand gehörend offenbart. Das Weglassen von "jeweilige" vor "Abstand zwischen den Anschlußzapfen" ändert am Anspruchsgegenstand nichts.

Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 vom 1. Dezember 1998 ist demgegenüber nicht weiter beschränkt. Weder das Ersetzen von "festlegbare" (Ausleger) durch "festgelegte" noch die Umschreibung von "distalen Enden" durch "von der Stirnseite des Gerüsts abgewandten Enden" noch die Umformulierung von "mit Anschlußzapfen für den Anschluß eines weiteren aufzubauenden Vertikalrahmens" durch "jeweils mit einem Anschlußzapfen ... auf den der vertikale Holm eines weiteren Vertikalrahmens aufgesetzt ist" bewirken eine Beschränkung oder Erweiterung.

Entsprechendes gilt für die am 11. Januar 2000 eingereichte Fassung des Schutzanspruchs 1, in der gegenüber der Fassung vom 1. Dezember 1998 lediglich die Passage "auf den der vertikale Holm ... aufgesetzt ist" ersetzt ist durch "auf die die vertikalen Holme ... aufgesetzt sind". Da dieser Anspruch inhaltlich nicht enger gefaßt ist als der Anspruch 1 vom 1. Dezember 1998, bestehen gegen die antragsgemäße Verteidigung des Streitgebrauchsmusters keine Bedenken.

B Der Löschungsanspruch mangelnder Schutzfähigkeit (§ 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG) ist im Umfang der verteidigten Schutzansprüche 1 bis 5 nicht gegeben.

1. Die Beschreibung des Streitgebrauchsmusters schildert Systemgerüste aus Vertikalrahmen und horizontalen, nach einem Längenrastermaß abgestuft bemessenen Baugliedern als bekannt, bei dem die Länge des Gerüstes den Gegebenheiten des einzurüstenden Bauwerks im Sinne seitlicher, stirnseitiger Vorsprünge nach innen oder außen oder treppenartiger Verkürzungen anzupassen ist. Dieses Problem soll mit dem Systemgerüst nach dem verteidigten Schutzanspruch 1 auf einfache Weise und mit möglichst wenigen zusätzlichen Bauelementen gelöst sein.

Gegenstand des Schutzanspruchs 1 ist ein Systemgerüst, (das zwei Stirnseiten aufweist), a) bestehend aus Vertikalrahmen und nach einem Längenrastermaß abgestuft bemessenen horizontalen Baugliedern, die Gerüstzellen bilden, b) mit Auslegern, b1) die paarweise an einer oder an beiden Stirnseite(n) festgelegt sind, b2) die seitlich vor- oder zurückspringen, b3) die an ihren von der Stirnseite des Gerüsts abgewandten Enden jeweils mit einem Anschlußzapfen versehen sind;

b3.1) auf jeden der Anschlußzapfen ist der vertikale Holm eines weiteren Vertikalrahmens aufgesetzt;

b3.2) der Abstand zwischen jedem Anschlußzapfen des Auslegers und dem benachbarten Anschlußzapfen des zugeordneten stirnseitigen Vertikalrahmens entspricht dem Längenrastermaß des Systemgerüsts und beträgt 50 cm.

"Seitlich" (Merkmal b2) bezieht sich auf die Angabe "Stirnseite" und bedeutet demnach "in Längsrichtung", in der auch das Längenrastermaß angegeben ist. "Vor- oder zurückspringen" (Merkmal b2) ist aufgrund der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters im Sinne einer inklusiven Oder-Verknüpfung zu verstehen: Mit den selben Auslegern werden wahlweise Vorsprünge und/oder Rücksprünge ausgeführt, vergleiche Seite 1, letzter Absatz; Seite 2, zweiter Absatz und Zeichnungsfiguren 6 bis 8 mit Beschreibung Seite 7.

2. Der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 ist gegenüber dem berücksichtigten Stand der Technik neu.

Der Senat ist der Überzeugung, daß die RUX-Preislisten entsprechend ihrem Ausgabe-Vermerk und der RUX-Prospekt entsprechend seinem Druckvermerk gemäß der Zweckbestimmung solcher Druckschriften und dem im Geschäftsleben Üblichen vor dem Anmeldetag des Streitgebrauchsmusters der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sind. Gründe hiergegen sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Aus der RUX-Preisliste Nr. 256 ist ein Systemgerüst bekannt, dessen Gerüstzellen aus Vertikalrahmen (S 4 oben) und "Belagbohlen" genannten horizontalen Baugliedern bestehen, die (vgl auf S 4 die "Belagbohle aus Aluminium") in Längen von 1, 1,5, 2, 2,5, 3 und 4 Metern angeboten werden, dh nach einem Längenrastermaß von 50 cm abgestuft bemessen sind. Zu diesem Systemgerüst sind "Kragkonsole(n) 2-bohlig" (S 6 unten) und "Kragkonsole(n) 3-bohlig" (S 7 oben) erhältlich, die "zur Verbreiterung um 0,65 m" (2-bohlig) bzw. "um 1,00 m" (3-bohlig) "an der Innen- und Außenseite des Gerüstes sowie zur Verlängerung an den Stirnseiten" bestimmt sind. Eine solche Verlängerung ist auf Seite 6 des RUX-Prospekts (untere Bilderleiste Mitte) dargestellt mit dem Hinweis "Die Verbreiterungskonsolen können wahlweise auch zur Gerüstverlängerung eingebaut werden von 0,30 m bis 1,0 m Länge", wobei sich die Verlängerung um 0,30 m auf eine "Kupplungskonsole " (S 6 der RUX-Preisliste) bezieht. Damit umfaßt das bekannte Systemgerüst auch paarweise an einer oder an beiden Stirnseiten des Gerüstes festgelegte, seitlich vorspringende Ausleger, die an ihren von der Stirnseite des Gerüsts abgewandten Enden jeweils mit einem Anschlußzapfen versehen sind (vgl Preisliste), auf den der vertikale Holm eines weiteren Bauelements (auf dem Bild auf S 6 des Prospekts ein "Stirngeländerrahmen" nach S 6 oben der Preisliste) aufgesetzt ist. Der Abstand zwischen dem Anschlußzapfen des Auslegers und dem benachbarten Anschlußzapfen des zugeordneten stirnseitigen Vertikalrahmens (im folgenden zur Abkürzung "Zapfenabstand") entspricht dem Bohlenbreitenrastermaß des Systemgerüsts. Gemäß Seite 4 der Preisliste beträgt die Breite einer Belagbohle nämlich 29 cm; für zwei bzw drei Bohlen ergibt sich damit unter Einbeziehung eines Abstands zwischen den Bohlen das angegebene Breiten- oder Verbreiterungsmaß von 0,65 m bzw 1,00 m.

Von diesem bekannten Systemgerüst unterscheidet sich der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 dadurch, daß der Ausleger auch seitlich zurückspringt, daß auf seinen Anschlußzapfen ein weiterer Vertikalrahmen aufgesetzt ist und daß der "Zapfenabstand" dem Längenrastermaß des Systemgerüsts (50 cm) entspricht.

Die RUX-Preisliste Nr. 253 sowie die MJ-Preislisten gehen über den dargelegten Stand der Technik nicht hinaus und können die Neuheit des Anspruchsgegenstands ebensowenig in Frage stellen.

3. Es läßt sich nicht feststellen, daß der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht.

Der RUX-Prospekt zeigt Rücksprünge und Abtreppungen von Baugerüsten, die jeweils um das Maß einer vollen Gerüstzellenlänge variieren. Es mag zutreffen, daß, wie die Antragstellerin vorträgt, beim Gerüstbau "schon immer" auch kürzere stirnseitige Rücksprünge improvisiert worden sind, obwohl die genannten Druckschriften dies nicht erwähnen oder zeigen. Ebenso mag sein, daß Gerüstbauer im Bedarfsfall ohne weiteres auch statt des im RUX-Prospekt gezeigten Stirngeländerrahmens einen Vertikalrahmen auf die Anschlußzapfen eines Auslegerpaars aufgesetzt haben. Die Lehre des Streitgebrauchsmusters geht jedoch über solche naheliegenden Maßnahmen hinaus, indem sie vorschlägt, sich nicht nur zur Verlängerung, sondern auch zur Verkürzung des Gerüsts der an sich bekannten Ausleger zu bedienen, und indem sie den "Zapfenabstand" dieser Ausleger nun so bemißt, daß er gerade dem Längenrastermaß des Systemgerüsts von 50 cm entspricht. Auf diese Weise sind die Maßnahmen zur stirnseitigen Gerüstverlängerung und -verkürzung in das Längenraster des Systemgerüsts eingebunden, so daß systemeigene Gerüstbauteile verwendbar und Improvisationen und Bastlerlösungen vermieden sind. Ferner bedarf es damit der Vorhaltung nur weniger weiterer Systembauteile, um die Gerüstform variabler zu gestalten. Hierfür konnte der zuständige Fachmann, ein bei einem Systemgerüsthersteller mit der Konstruktion von Gerüstelementen befaßter und mit den Anforderungen des praktischen Gerüstbaus vertrauter Bautechniker, aus dem druckschriftlichen Stand der Technik keinerlei Anregungen erhalten. Da auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Fachmann ohne solche Vorbilder allein aufgrund seines Fachwissens im Rahmen seiner fachlichen Routine diese Systemlösung auffinden konnte, ist der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 schutzfähig.

4. Zusammen mit dem verteidigten Schutzanspruch 1 haben auch die auf Ausgestaltungen des Systemgerüsts, speziell des Auslegers, nach diesem Anspruch gerichteten eingetragenen Unteransprüche 2 bis 5 Bestand.

III Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 3 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, § 91 ZPO. Die Antragstellerin hat im ersten Rechtszug nur in dem Umfang Erfolg gehabt, in dem die Antragsgegnerin ihr Gebrauchsmuster zur Streitvermeidung bereits durch Einreichung neuer Schutzansprüche selbst beschränkt und auch späterhin nicht mehr verteidigt hatte. Wenn sich die Antragstellerin damit nicht begnügt hat, sondern eine weitergehende Löschung beantragt hat, entspricht es der Billigkeit, wenn sie - unbeschadet des formellen Nachvollzugs der Selbstbeschränkung in der erfolgten Teillöschung - die Kosten des insoweit erfolglosen Löschungsverfahrens trägt (vgl Goebel, GRUR 1999, 833, 837).

Im Beschwerdeverfahren ist sie insgesamt erfolglos geblieben.

Goebel Dr. C. Maier Dr. Huber E.






BPatG:
Beschluss v. 09.02.2000
Az: 5 W (pat) 415/99


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