Finanzgericht Düsseldorf:
Urteil vom 3. Februar 2009
Aktenzeichen: 6 K 257/05 F

(FG Düsseldorf: Urteil v. 03.02.2009, Az.: 6 K 257/05 F)

Tenor

1. Die Verfahren 6 K 257/05 F und 6 K 1743/08 K werden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az. 6 K 257/05 F verbunden.

2. Der Körperschaftsteuerbescheid 1995 vom 16.01.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9.05.2008 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1995 vom 26.07.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.01.2005 werden dahingehend geändert, dass weitere Verluste in Höhe von „M DM/EUR“ berücksichtigt werden.

Die Neuberechnung der festzustellenden Beträge wird dem Beklagten übertragen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, die ihre Firma am 01.02.2008 in "E-AG" geändert hat, ist eine im März 1995 von der "W-AG" unter der Firma "T-AG" für Beteiligungen gegründete Aktiengesellschaft. Unternehmensgegenstand der Klägerin war die Verwaltung und Betreuung von Beteiligungen an Unternehmen, die sich auf den Gebieten des Handels mit "A, B, C" sowie verwandter Märkte betätigen. Zu diesen Beteiligungen gehörte die "S-AG", die ihrerseits 96,5 v.H. der Anteile der "C-AG" ("C-AG") mit Sitz in "Q-Stadt" hielt. Die "C-AG", deren Unternehmensgegenstand die "A, B, C" waren, gehörte bereits seit 1.01.1994 - über die "S-AG" - zum gewerbe- und umsatzsteuerlichen Organkreis der "W-AG". Am 5.07.1995 wurde die Eingliederung der "C-AG" in die "S-AG" gem. § 320 AktG a.F. unter Abfindung der Kleinaktionäre beschlossen.

Die Geschäftsbetriebe im klägerischen Konzern wurden durch sog. Betriebsführungsgesellschaften geführt. So führte die "S-AG" im Auftrag der Klägerin als Betriebsführungsgesellschaft deren als "S" bezeichneten Aufgabenbereich in verdeckter Stellvertretung für Rechnung der Klägerin (vgl. Treuhandvertrag vom 17.03.1995 Bl. 10 GA). Im Innenverhältnis war die Klägerin aus dieser Geschäftstätigkeit allein berechtigt und verpflichtet. Das Handeln der Betriebsführungsgesellschaft im eigenen Namen war auf das Außenverhältnis beschränkt. Nachdem die "S-AG" mit Verschmelzungsvertrag vom 10.07.1995 ihr Vermögen als Ganzes auf die Klägerin übertragen hatte, war diese alleinige Anteilseignerin der "C-AG". Die "S-AG" wurde als Betriebsführungsgesellschaft neu gegründet (vgl. hierzu Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.1995 der "C-AG" vom 1.04.1996 S. 5).

Mit Verschmelzungsvertrag vom 23.08.1996 wurde die "C-AG" rückwirkend zum 1.01.1996 auf die Klägerin verschmolzen (Verschmelzung durch Aufnahme gem. § 2 Nr. 1, §§ 4 ff. UmwG). Laut Nr. 2 des Verschmelzungsvertrags erfolgte die Übernahme des Vermögens der "C-AG" im Innenverhältnis mit Wirkung zum 1.01.1996. Von diesem Zeitpunkt an galten alle Geschäfte des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen. Laut Nr. 8.1. des Vertrags gingen die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer (erst) im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung auf die Klägerin über. Bereits mit interner Weisung vom 28.12.1995 waren die verschiedenen Geschäftsfelder der "C-AG" den klägerischen Betriebsgesellschaften "S-AG" und "Q-AG" organisatorisch zugeordnet worden.

Die Verschmelzung wurde am 12.09.1996 in das Handelsregister eingetragen. Das wirtschaftliche Ergebnis der Geschäftstätigkeit der "C-AG" bis zum 31.10.1996 in Höhe von "./. N DM" wurde noch bei dieser ausgewiesen. Die Wirtschaftsgüter der "C-AG" wurden erst im Dezember 1996 buchhalterisch in die Buchungskreise der Klägerin übertragen. Als steuerlicher Übertragungsstichtag wurde der 31.12.1995 festgelegt. Auf diesen Stichtag erklärte die Klägerin einen von ihr im Zuge der Verschmelzung zu übernehmenden Verlust der "C-AG" in Höhe von "M DM/EUR".

Im Rahmen einer Konzernbetriebsprüfung gelangten die Prüfer zu der Auffassung, dass die Betriebsführungsgesellschaften der Klägerin die Geschäfte der "C-AG" ab 1.01.1996 im eigenen Namen und für Rechnung der Klägerin getätigt hatten. Die im September 1996 vorgenommene Verschmelzung sei somit ab dem 1.01.1996 vollzogen worden und die "C-AG" habe im wirtschaftlichen Ergebnis bereits mit Ablauf des 31.12.1995 aufgehört, werbend tätig zu sein. Ein Betriebsführungsvertrag zwischen der "C-AG" einerseits und der "S-AG" sowie "Q-AG" andererseits habe weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden können. Es sei bereits zweifelhaft, ob Betriebsführungsverträge überhaupt in mündlicher Form wirksam geschlossen werden könnten. Es habe jedenfalls gängiger Praxis im klägerischen Konzern entsprochen, nur schriftliche Betriebsführungsverträge gemäß einem mit der Finanzverwaltung abgestimmten Mustervertrag zu schließen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Tz. 48.2 des Bp-Berichts verwiesen, der dem Senat nur auszugsweise vorliegt (s. Halbhefter Einspruchsvorgänge).

Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Prüfer an, dass die "C-AG" bereits vor der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister am 12.09.1996 ihren Geschäftsbetrieb eingestellt habe und lehnte die Berücksichtigung des geltend gemachten Verlustes der "C-AG" unter Hinweis auf die § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (UmwStG 1995 a.F.) im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1995 ab. Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt:

Der Geschäftsbetrieb der "C-AG" sei entgegen der Auffassung des Beklagten bis zur Eintragung der Verschmelzung nicht für Rechnung der Klägerin geführt worden. Sämtliche Wirtschaftsgüter der "C-AG" hätten sich bis Oktober 1996 in deren Eigentum befunden und auch die Beschäftigten seien Arbeitnehmer der "C-AG" geblieben. Das wirtschaftliche Ergebnis der Geschäftstätigkeit der "C-AG" (in Höhe von "./. N DM") sei ebenfalls bis zur Eintragung der Verschmelzung gesondert ausgewiesen worden. Die Geschäftsaktivitäten der "C-AG" nach außen seien unter dem Namen der Betriebsführungsgesellschaften fakturiert worden, wobei die Betriebsführungsgesellschaften in verdeckter Stellvertretung aufgetreten seien. In wessen Namen und für wessen Rechnung sie gehandelt hätten, richte sich allein nach dem Innverhältnis zwischen Betriebsführungsgesellschaft und Auftraggeber. Wegen des Auftritts in verdeckter Stellvertretung könnten aus den erteilten Rechnungen selbst keine Rückschlüsse gezogen werden.

In den Betriebsführungsverträgen sei festgelegt, dass die Betriebsführungsgesellschaften ausschließlich für Rechnung des Auftraggebers handeln und keine Geschäfte für eigene Rechnung tätigen dürften. Die dem jeweiligen Geschäftsbereich zugeordneten Wirtschaftsgüter seien im rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentum des Auftraggebers geblieben und in separaten "Bilanzstellen" erfasst worden, die Teil des handelsrechtlichen Einzelabschlusses des Auftraggebers und dessen Steuerbilanz seien. Diese Grundsätze seien vom Beklagten im Rahmen steuerlicher Betriebsprüfungen seit Jahrzehnten anerkannt gewesen. Aufgrund dieser rechtlichen Gestaltung stehe eindeutig fest, dass die Klägerin mangels rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentums die Betriebsführungsgesellschaften nicht hätte beauftragen können, den Geschäftsbetrieb der "C-AG" im eigenen Namen, aber für Rechnung der Klägerin zu führen. Eine derartige Beauftragung zur Führung des Geschäftsbetriebs der "C-AG" habe vielmehr nur durch die "C-AG" selbst erfolgen können, da nur diese als rechtliche und wirtschaftliche Eigentümerin ihres Geschäftsbetriebs hierzu rechtlich in der Lage gewesen sei. Hieraus ergebe sich eindeutig, dass der Geschäftsbetrieb der "C-AG" durch die Betriebsführungsgesellschaften bis zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verschmelzung für deren Rechnung geführt worden sei.

Diese Rechtsfolge setzte das Vorliegen schriftlicher Betriebsführungsverträge nicht voraus. Es handele sich insoweit nicht um andere Unternehmensverträge im Sinne des § 292 AktG. Der Auftraggeber habe sich weder zur Gewinnabführung verpflichtet, noch seinen Betrieb im Rahmen eines Betriebspacht- oder Überlassungsvertrags überlassen, sondern sich lediglich eines Treuhänders bedient, wie sich aus dem Untertitel zum Vertrag ergebe. Eine Eintragung in das Handelsregister sei somit keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Anerkennung des Vertrags. Selbst wenn man diesem Vertrag die steuerliche Anerkennung versagen würde, würde sich hieraus nicht die Rechtsfolge ergeben, dass der Geschäftsbetrieb der "C-AG" auf die Klägerin übergegangen sei, da es hierzu an einer vertraglichen Grundlage fehle. Die Rechtsfolge könne lediglich sein, dass der Vertragsgegenstand (Geschäftsbetrieb) dem zivilrechtlichen Eigentümer, also der "C-AG" gem. § 39 AO zugerechnet würde. Eine Zurechnung bei der Klägerin, die bis zum Abschluss des Verschmelzungsvertrags am 23.08.1996 überhaupt nicht beteiligt gewesen sei, scheide jedenfalls aus. Ein solches Verständnis sei auch aktienrechtlich geboten und entspreche den normalen handels- und umwandlungsrechtlichen Abläufen, insbesondere hätte sich der Vorstand der "C-AG" anderenfalls aktienrechtswidrig verhalten. Jede Verschmelzung sei bis zur Eintragung als schwebender Umwandlungsvorgang der Gefahr ausgesetzt, dass es nicht zur Eintragung kommt. Dem Vorstand des übertragenden Rechtsträgers sei deshalb aktienrechtlich die Zustimmung zur Führung der Geschäfte für Rechnung der Übernehmerin verwehrt. Mit der Betriebsführung seien zudem keine Vermögensverschiebungen, sondern lediglich die Erleichterung der verfahrensmäßigen Umstellung der Verschmelzung bezweckt gewesen.

Während des Klageverfahrens hat die Klägerin im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 29.11.2006 I R 16/05, BFH/NV 07, 1062 in einem noch offenen Rechtsbehelfsverfahren wegen Körperschaftsteuer 1995 die - vorrangige - Verrechnung des verbleibenden Verlustabzugs der "C-AG" mit dem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte begehrt und ihren Einspruch entsprechend erweitert. Nach Zurückweisung des Einspruchs hat die Klägerin Klage erhoben, die der Senat mit dem bereits anhängigen Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. den Abzug des verbleibenden Verlustes der "C-AG" bei der Körperschaftsteuerveranlagung 1995 vom Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von "K DM/EUR";

2. die Berücksichtigung des verbleibenden Verlusts der "C-AG" in Höhe von "L DM/EUR" bei der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1995.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklage hält daran fest, dass die "C-AG" ihren Geschäftsbetrieb bereits mit Ablauf des Jahres 1995 und damit vor dem für den Verlustabzug maßgebenden Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister eingestellt hat:

Eine Einstellung des Geschäftsbetriebs sei anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft ihre werbende gewerbliche Tätigkeit eingestellt habe und der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens nicht weiter bestehe. Eine werbende Tätigkeit sei eine nach außen gerichtete Tätigkeit; ab dem 1.01.1996 sei die "C-AG" aber nicht mehr erkennbar nach außen hin tätig geworden. Die Fakturierung sei durch die Betriebsführungsgesellschaften der Klägerin für deren Rechnung erfolgt. Die "C-AG" selbst habe keine tatsächlichen oder rechtlichen Handlungen mehr durchgeführt.

Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die "C-AG" bis zur Handelsregistereintragung an dem tatsächlichen Geschäftsergebnis oder an einzelnen Geschäftsvorfällen partizipiert habe. Aus der Existenz eigener (getrennter) Buchungskreise im Konzern ergebe sich dies jedenfalls nicht, zumal die Ergebnisse dieser Buchungskreise in die Formularabschlüsse der Bilanzstellen "S" und "Q-AG" und damit direkt in die Handelsbilanz der Klägerin eingeflossen seien. Die durch die Betriebsführungsgesellschaften der Klägerin tatsächlich erzielten Ergebnisse hätten sich jedenfalls nicht im Betriebsvermögen der "C-AG" niedergeschlagen. Denn hierzu wäre erforderlich gewesen, dass spätestens auf den Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung eine entsprechende Vermögensaufstellung/Bilanz erstellt worden wäre, was nicht geschehen sei.

Unabhängig von Vereinbarungen (z.B. über eine verdeckte Stellvertretung) sei für die Frage, ob die "C-AG" noch werbend tätig gewesen sei, letztlich entscheidend, wer den Einkunftserzielungstatbestand des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG tatsächlich verwirklicht habe, d.h. auf eigene Rechnung und Gefahr gewerblich tätig geworden sei. Das hierfür entscheidende Unternehmerrisiko habe bereits seit dem 1.01.1996 jedoch ausschließlich die Klägerin getragen.

Die Existenz mündlichen Vereinbarungen zwischen den Betriebsführungsgesellschaften der Klägerin und der "C-AG" sei eine unbewiesene Behauptung. Im Konzern der Klägerin habe es immer eine klare und schriftliche Berichts- und Controllingstruktur gegeben. Die Finanzverwaltung verlange zu Recht schriftliche Vereinbarungen, damit Gestaltungen innerhalb eines Konzerns klar und eindeutig vollzogen werden könnten. Gegen ein Handeln der Betriebsführungsgesellschaften auf Rechnung der "C-AG" spreche insbesondere, dass es diesen Gesellschaften nach den mit der Klägerin abgeschlossenen schriftlichen Betriebsführungsverträgen lediglich gestattet gewesen sei, ausschließlich für Rechnung des Auftraggebers (der Klägerin) und nicht für Dritte zu handeln.

Habe die "C-AG" ihren Geschäftsbetrieb aber bereits zum 1.01.1996 eingestellt, so ergebe sich aus § 12 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 zwingend die Versagung des Verlustvortrags. Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig. Für eine teleologische Reduktion bestehe weder Anlass noch Notwendigkeit.

Im Hinblick auf den übereinstimmenden Verhandlungsverzicht der Beteiligten entscheidet der Senat gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung durch Urteil.

Gründe

Die Klage ist begründet.

1. Nach § 12 Abs. 3 UmwStG 1995 a.F. tritt die übernehmende Körperschaft hinsichtlich eines verbleibenden Verlustabzug im Sinne des § 10d Abs. 3 Satz 2 des EStG nur unter der Voraussetzung in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein, dass die übertragende Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt der Eintragung des Vermögensübergangs im Handelsregister noch nicht eingestellt hatte.

Im Streitfall bestand der Geschäftsbetrieb der "C-AG" bis zur Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister fort. Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, auf wessen Rechnung dieser Geschäftsbetrieb im steuerlichen Rückwirkungszeitraum geführt worden ist, kommt es hierbei nicht entscheidend an.

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist § 12 Abs. 3 UmwStG a.F. nicht schon aus sich allein heraus verständlich. Er bedarf vielmehr der Auslegung, wobei sich Sinn und Zweck der Regelung erst vor dem Hintergrund der Mantelkaufvorschrift des § 8 Abs. 4 KStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25.7.1988 (BGBl I 1988, 1093) -- KStG 1991 -erschließen. An dieser Vorschrift hat sich Gesetzgeber bei der Neuregelung des Verlustabzugs in Verschmelzungsfällen im Rahmen der Novellierung des Umwandlungssteuergesetzes ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 12/6885 S. 21) bewusst orientiert.

Anlass der gesetzlichen Regelung zum Mantelkauf in § 8 Abs. 4 KStG 1991 war die Änderung des höchstrichterlichen Rechtsprechung, die für den Verlustabzug die lediglich rechtliche Identität für ausreichend erachtete (vgl. hierzu im Einzelnen Blümich/Rengers, § 8 KStG Anm. 905 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dass nach dem Willen des Gesetzgebers die wirtschaftliche Identität sowohl bei Anteilsübertragung als auch in Verschmelzungsfällen nach den gleichen Kriterien zu beurteilen ist, macht nicht zuletzt die gesetzliche Neuregelung durch das Unternehmenssteuerreformgesetz vom 29.10.1997 (BGBl I 1997, 2590) deutlich, in dem der neu gefasste Begriff der wirtschaftlichen Identität in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 und § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG n.F. mit nahezu identischem Wortlaut umschrieben wird.

In § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 hatte der Gesetzgeber die wirtschaftliche Identität insbesondere für den Fall verneint, dass mehr als drei Viertel der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufnimmt. Das Merkmal "Einstellung des Geschäftsbetriebs" war zwar in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 nicht ausdrücklich genannt, ergab sich jedoch aus dem weiteren Tatbestandsmerkmal der Wiederaufnahme des Betriebs (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 5.06.2003 I R 38/01, BStBl II 2003, 822). Die weiteren, zur Verneinung der wirtschaftlichen Identität führenden Merkmale (Übertragung von mehr als drei Viertel der Kapitalanteile und Zuführung von überwiegend neuem Betriebsvermögen) sind in Verschmelzungsfällen nicht relevant, da die Gesellschaftsanteile und das Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft als eigenständige Größe mit der Verschmelzung untergehen.

Auch der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Begriff der Einstellung des Geschäftsbetriebs in § 8 Abs. 4 KStG 1991 und § 12 Abs. 2 UmwStG 1995 a.F. übereinstimmend auszulegen ist, da beide Regelungen gleichermaßen das Ziel verfolgen, den Handel mit Verlustvorträgen zu begrenzen (BFH-Urteile in BStBl II 2003, 822; vom 29.11.2006 I R 16/05 BFH/NV 2007, 1062 und vom 5.06.2007 I R 9/06, BStBl II 2008, 988).

3. Eine Kapitalgesellschaft hat ihren Geschäftsbetrieb eingestellt, wenn sie im wirtschaftlichen Ergebnis aufgehört hat, werbend tätig zu sein. Dies ist der Fall, wenn die werbende Tätigkeit entweder insgesamt aufgegeben wird oder die verbleibende Tätigkeit im Verhältnis zur bisherigen nur noch unwesentlich ist (vgl. zu § 8 Abs. 4 KStG 1991: BFH-Beschluss vom 25.01.2005 I B 94/04, BFH/NV 2005, 1376 und zu § 12 Abs. 3 UmwStG 1995 a.F.: BFH-Urteile in BStBl II 2003, 822 und in BFH/NV 2007, 1062).

Folge der Beendigung der werbenden Tätigkeit ist das Ausscheiden des bislang unterhaltenen Geschäftsbetriebs aus dem Markt. Bleibt der Geschäftsbetrieb auch nach Gesellschafterwechsel am Markt tätig und wird er unverändert oder in hinreichendem Umfang fortgeführt, so bleibt die wirtschaftliche Identität im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 gewahrt.

Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Identität des Geschäftsbetriebs der übertragenden Körperschaft - im Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister -kann nichts anderes gelten. Die wirtschaftliche Identität kann nur verloren gehen, wenn der Geschäftsbetrieb der übertragenden Körperschaft zum maßgebenden Zeitpunkt tatsächlich eingestellt oder in einem Umfang reduziert worden ist, der die verbleibende Tätigkeit im Verhältnis zur bisherigen nur noch als unwesentlich erscheinen lässt (vgl. hierzu BFH-Urteil in BStBl II 2003, 822 unter III 3 b). Besteht dagegen der Geschäftsbetrieb der übertragenden Körperschaft - wie im Streitfall - unverändert fort, so liegt eine Einstellung des Geschäftsbetriebs durch die übertragende Körperschaft unabhängig davon nicht vor, ob der Geschäftsbetrieb noch auf Rechnung der übertragenden Körperschaft oder schon auf Rechnung der übernehmenden Körperschaft geführt wird.

4. Die Gewährung des Verlustabzugs nach § 12 Abs. 2 UmwStG 1995 a.F. davon abhängig zu machen, dass die übertragende Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb bis zum Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung führt, führt nicht zuletzt auch zu Wertungswidersprüchen zu den Rechtsfolgen der steuerlichen Rückwirkungsfiktion des § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995. Hiernach ist das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft sowie des übernehmenden Rechtsträgers so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des Stichtags der Bilanz, die dem Vermögensübergang zu Grunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), ganz oder teilweise auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen wäre.

Die Fiktion des § 2 Abs. 1 UmwStG 1995 bewirkt, dass das Vermögen der übertragenden Körperschaft mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags (hier: 31.12.1995) dem übernehmenden Rechtsträger zugerechnet wird. Im Streitfall endete die Körperschaftsteuerpflicht der "C-AG" hinsichtlich des übernommenen Betriebs mit Ablauf des 31.12.1995; gleichzeitig wurde die Klägerin insoweit steuerpflichtig. Unbeschadet der innerhalb des Konzerns der Klägerin getroffenen und zwischen den Beteiligten streitigen zivilrechtlichen Absprachen und Regelungen führten die "C-AG" bzw. die damit beauftragten Betriebsführungsgesellschaften nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag die Geschäfte damit ohnehin für Rechnung der Klägerin (vgl. hierzu Slabon in Haritz/Benkert, UmwStG 2. Aufl., § 2 Anm. 61). Schon aus diesem Grunde kann eine verschmelzungsbedingte sukzessive Verlagerung des Geschäftsbetriebs auf die übernehmende Gesellschaft vor Eintragung in das Handelsregister den Verlustabzug nicht gefährden, zumal hier die Gefahr eines Handels mit Verlustmänteln nicht droht (ähnlich Hörger/Neumayer, Deutsches Steuerrecht 1996, 41 ). Der Verpachtung des Geschäftsbetriebs an die übernehmende Gesellschaft zur Vermeidung der "Einstellung" des Geschäftsbetriebs bedarf es hierzu nicht (so jedoch Streck/Posdziech, GmbHR 1995, 357).

5. Über die Höhe des verbleibenden Verlustes des "C-AG" besteht zwischen den Verfahrensbeteiligten kein Streit. Der auf die Klägerin übergegangene Verlust ist in dem Veranlagungszeitraum abzuziehen, in dem der steuerliche Übertragungszeitpunkt liegt (BFH-Urteil vom 29.11.2306 I R 16/05, BFH/NV 2007, 1062). Das ist im Streitfall der Veranlagungszeitraum 1995. Der Verlust ist deshalb zunächst, wie beantragt, vom positiven Gesamtbetrag der Einkünfte dieses Jahres abzuziehen. Der zum 31.12.1995 verbleibende Verlustabzug ist gesondert festzustellen.

Die Ermittlung der hiernach festzustellenden Beträge wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.

6. Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Hieran fehlt es zwar regelmäßig, wenn die zu klärende Rechtsfrage ausgelaufenes Recht betrifft. Der Senat kann jedoch nicht ausschließen, dass diese Vorschrift noch in weiteren anhängigen Verfahren entscheidungserheblich ist (vgl. hierzu auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 115 FGO, Tz. 55 und Gräber/Ruban, FGO, Kommentar, 6. Auflage, § 115 Anm. 35). Zudem ist die Streitfrage auch für die Auslegung der nachfolgenden Fassung des § 12 Abs. 2 UmwStG 1995 von Bedeutung, soweit es auch hier auf die Frage ankommt, auf welchen Betrachtungszeitpunkt bei der Beurteilung des Zustands der übertragenden Körperschaft abzustellen ist (vgl. hierzu zuletzt Herlinghaus, Anmerkung in EFG 2009, 147).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO






FG Düsseldorf:
Urteil v. 03.02.2009
Az: 6 K 257/05 F


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/868d25e25cd4/FG-Duesseldorf_Urteil_vom_3-Februar-2009_Az_6-K-257-05-F




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share