Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juli 2003
Aktenzeichen: 8 W (pat) 9/01

(BPatG: Beschluss v. 24.07.2003, Az.: 8 W (pat) 9/01)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse A 01 C des Patentamts vom 20.10.2000 aufgehoben und das nachgesuchte Patent erteilt.

Bezeichnung: Schar zum pflanzenschonenden Einbringen von Flüssigkeiten in den Boden Anmeldetag: 21.05.1996 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 - 3, Beschreibung Seiten 1 - 6, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 - 2, wie Offenlegungsschrift.

Gründe

I Die Patentanmeldung 196 20 292.2-23 mit der Bezeichnung "Schar zum pflanzenschonenden Einbringen von Flüssigkeiten in den Boden" ist am 21. Mai 1996 beim Patentamt eingegangen und von dessen Prüfungsstelle für Klasse A 01 C mit Beschluß vom 20. Oktober 2000 zurückgewiesen worden, weil ihr Gegenstand angesichts des Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zum Stand der Technik waren die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen worden:

US 5 033 397 US 4 201 142 DE 33 45 577 A1.

Gegen den Zurückweisungsbeschluß hat der Anmelder Beschwerde eingelegt.

Er hat in der mündlichen Verhandlung neugefaßte Unterlagen (Patentansprüche 1 bis 3 und Beschreibung, Seiten 1 bis 6) eingereicht.

Patentanspruch 1 lautet:

"Schar zum pflanzenschonenden Einbringen von Flüssigkeiten in den Boden durch ein Rohr, welches unmittelbar hinter der Schar befestigt, am unteren Ende verschlossen ist und kurz über diesem verschlossenen Ende eine Flüssigkeitsauslassbohrung aufweist, die entgegen der Arbeitsbewegung der Einrichtung zeigt, wobei am oberen Ende der Düngeschar eine Befestigungsmöglichkeit zu anderen Geräten vorgesehen ist und wobei die Schar auf der in den Boden eingreifenden Vorderseite verstärkt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die schmale Schar aus einem Flachmaterial gefertigt ist, entlang dessen Vorderseite ein hochfestes Material als Auftragsschweißung (3) aufgebracht ist."

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 und 3 wird auf die Akten Bezug genommen.

Der Anmelder vertritt die Auffassung, es habe einer erfinderischen Tätigkeit bedurft, um zum Anmeldungsgegenstand nach dem Patentanspruch 1 zu gelangen. Er trägt vor, dass das anmeldungsgemäße Schar auf Grund seiner Ausgestaltung aus Flachmaterial sehr leichtzügig sei und damit im Pflanzenbestand, auch bei engen Reihenabständen von 12 cm, wie im Getreideanbau üblich, äußerst pflanzenschonend arbeiten könne.

Der Anmelder beantragt, das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 - 3,

- 6 Blatt Beschreibung, jeweils übergeben in der mündlichen Verhandlung,

- 1 Blatt Zeichnungen, 2 Figuren, gemäß Offenlegungsschrift.

Seitens des Senats war noch der Aufsatz von R. Blackstein "Lohnt die Beschichtung Verschleißteilen" (Zeitschrift Landtechnik 6/89, 44. Jahrgang, S 234 bis 236) ins Verfahren eingeführt worden.

II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch begründet.

Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung iSd PatG § 1 bis § 5 dar.

1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist in den ursprünglichen Unterlagen als zum Anmeldungsgegenstand gehörend offenbart.

Der neugefaßte Anspruch 1 beruht auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2. Das zusätzlich in den Hauptanspruch aufgenommene Merkmal bezüglich eines aus Flachmaterial gefertigten schmalen Schars findet seine Stütze in der ursprünglichen Beschreibung, Seite 3, Zeile 6 in Verbindung mit Seite 2, Zeile 1.

2. Die Ansprüche 2 und 3 sind zulässig, denn sie beruhen auf den ursprünglichen Ansprüchen 3 und 4.

3. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 hat als neu zu gelten, weil keine der zum Stand der Technik genannten Druckschriften ein Schar mit allen Merkmalen dieses Anspruchs offenbart.

Von dem Düngeschar nach der US 4 201 142 unterscheidet sich der Anmeldungsgegenstand nach Anspruch 1 dadurch, dass das schmale Schar aus Flachmaterial gefertigt ist und dass entlang dessen Vorderseite ein hochfestes Material als Auftragsschweißung aufgebracht ist.

Auch das Düngeschar gemäß der US 5 033 397 ist nicht aus einem Flachmaterial gefertigt, sondern weist einen keilförmigen Querschnitt auf. Eine Verstärkung auf der in den Boden eingreifenden Vorderseite des Schars ist nicht vorgesehen.

Bei einem Meißelsäschar nach der DE 33 45 577 A1 sind, anders als beim Anmeldungsgegenstand, keine Mittel zum Einbringen von Flüssigkeiten in den Boden (z.B. Rohr mit Austrittsbohrung) vorgesehen. Das Säschar ist nicht aus Flachmaterial gefertigt, und eine Verstärkung der Vorderseite mit den anmeldungsgemäßen Mitteln, nämlich das Aufbringen eines hochfesten Materials entlang der Vorderseite des Schars mittels Auftragsschweißung, ist nicht offenbart, so dass sich der Anmeldungsgegenstand hierin von diesem Stand der Technik unterscheidet.

In dem Aufsatz von R. Blackstein: "Lohnt die Beschichtung von Verschleißteilen€" (Zeitschrift Landtechnik 6/89, 44. Jahrgang, S 234 bis 236) wird zwar u.a. das Aufbringen von hochfestem Material mittels Auftragsschweißung auf die Außenseitenflächen und auf die Kanten von Pflugkörperanlagen beschrieben, jedoch ohne Bezug zu einem Schar zur Flüssigdüngung, so dass sich der Anmeldungsgegenstand in allen weiteren, ein Schar zum pflanzenschonenden Einbringen von Flüssigkeiten in den Boden beschreibenden Merkmalen hiervon unterscheidet.

4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zur Lösung der Aufgabe, ein Düngeschar zu schaffen, welches möglichst pflanzen- und bodenschonend arbeitet und dabei hohe Standzeiten aufweist (vgl Beschreibung S 3, 2. Abs.), wird in der vorliegenden Patentanmeldung gemäß Anspruch 1 ein Schar vorgeschlagen, bei welchem ein Rohr zum Einbringen von Flüssigkeiten unmittelbar hinter dem Schar befestigt ist, wobei das Rohr am unteren Ende verschlossen ist und kurz über diesem verschlossenen Ende eine Flüssigkeitsauslassbohrung, die entgegen der Arbeitsbewegung der Einrichtung zeigt, aufweist. Am oberen Ende des Düngeschars ist eine Befestigungsmöglichkeit zu anderen Geräten vorgesehen. Das schmale Schar ist nach Anspruch 1 aus einem Flachmaterial gefertigt, wobei das Schar auf der in den Boden eingreifenden Vorderseite dadurch verstärkt ist, dass entlang dessen Vorderseite ein hochfestes Material als Auftragsschweißung aufgebracht ist.

Gemäß Seite 1, 2. Absatz der Beschreibung ist bei bekannten Einrichtungen zum Einbringen von Flüssigdünger in den Boden u.a. nachteilig, dass sie hohe Zugkräfte erfordern und Zerstörungen in der Bodenstruktur und am Wurzelwerk der Pflanzen hervorrufen. Um dem abzuhelfen wird nach Anspruch 1 das schmale Schar aus Flachmaterial gefertigt, entlang dessen Vorderseite ein hochfestes Material zur Verstärkung mittels Auftragsschweißung aufgebracht wird. Durch die Kombination dieser Maßnahmen wird, wie auf Seite 3, 3. Absatz der Beschreibung ausgeführt, eine hohe Standzeit des Schars bei effektivem Arbeiten - dies bezieht sich auf die leichtzügige Eigenschaft des schmalen Schars - erreicht, wobei gesonderte Verstärkungsstücke nicht bereitgestellt werden müssen.

Die beanspruchte Kombination technischer Maßnahmen konnte einem Fachmann, einem Fachhochschulingenieur des Allgemeinen Maschinenbaus bzw. der Agrarwissenschaften mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Bodenbearbeitungsmaschinen und -werkzeugen, durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahegelegt werden.

Das Düngeschar nach der US 4 201 142 ist aus einem relativ breitflächigen Grundmaterial gefertigt, wie z.B. die Querschnittsdarstellung in Figur 3 dieser Entgegenhaltung erkennen läßt, wonach die Breite des Schar-Grundkörpers (22) ein mehrfaches des Querschnittsmaßes des Rohres (100) beträgt. Hinzu kommt, dass das Schar mit einer Scharspitze (20) aus hochfestem Material - diese Scharspitze wird durch Stumpfschweißen aufgesetzt - verstärkt wird, was zumindest im unteren Bereich des Schars zu einer weiteren Verbreiterung des Bodenbearbeitungswerkzeugs führt. Somit konnte diese Entgegenhaltung einem Fachmann keine Anregungen dazu vermitteln, ein Schar zur Flüssigdüngung, welches lediglich aus Flachmaterial mit verstärkter Vorderkante besteht, bereitzustellen.

Ähnliches gilt auch für das - entsprechend seiner Aufgabe im pflanzenbaulichen Verfahren - relativ breit ausgestaltete Meißelsäschar (16) mit gepanzerter Meißelspitze (25) nach der DE 33 45 577 A1. Derartige Säschare sind im Hinblick darauf, dass sie zumeist im bislang unbebauten Feld offene Säfurchen ziehen müssen, einer anderen, nämlich breitbauenden Werkzeuggattung zuzurechnen - das entgegengehaltene Säschar weist zudem gemäß Seite 5, 2. Absatz der DE 33 45 577 A1 im Anschluß an den Meißel ein sich schneepflugartig nach hinten erweiterndes Erdverdrängungsstück (61) auf - bei der sich die Aufgabe der pflanzenschonenden Bodenbearbeitung gar nicht stellt. Auch aus diesem Grunde vermochte diese Entgegenhaltung einem Fachmann keinerlei Anregungen zum Auffinden der anmeldungsgemäßen Merkmalskombination zu vermitteln.

Der Aufsatz von R. Blackstein in der Zeitschrift Landtechnik 6/89, S 234 bis 236 thematisiert zwar Verfahren und Maßnahmen zum Schutz von Bodenbearbeitungswerkzeugen vor vorzeitigem Verschleiß. In diesem Zusammenhang wird auch das Aufbringen von hochfestem Material mit Hilfe der Auftragsschweißung unter Verwendung von Hartmetall-Aufschweißelektroden an Pflugkörperanlagen bzw - anlagenschonern beschrieben (S 236, li.Sp., 2. Abs). Somit ist der Verschleißschutz an aus Flachmaterial gefertigten Bauteilen und zwar auch an deren Kanten durch Aufbringen eines hochfesten Materials vermittels Auftragsschweißung an sich bekannt. Eine Verbindung zu schmal ausgestalteten Bodenbearbeitungswerkzeugen mit dadurch bedingter pflanzenschonender Wirkung ist aus dieser Entgegenhaltung jedoch nicht herleitbar. Daher vermochte diese einem Fachmann den eingangs dargestellten kombinatorischen Effekt hinsichtlich des Verschleißschutzes von aus Flachmaterial gefertigten Scharen mittels Auftragsschweißung nicht nahezulegen.

Anregungen im Hinblick auf die genannte kombinatorische Wirkung konnte auch der Stand der Technik nach der US 5 033 397 einem Fachmann nicht vermitteln, denn die dort offenbarten Scharkörper (40) zum Einbringen von Flüssigkeiten in den Boden sind in ihrem Querschnitt keilförmig ausgestaltet, wie dies aus Figur 5 ersichtlich ist - die Textstelle in Sp 9, Z 1, 2 läßt erkennen, dass das in Figur 5 dargestellte Schar der vorauslaufenden Nitratmeßeinrichtung im Prinzip ebenso ausgestaltet ist wie das Schar (40) zur Flüssigdüngung - und ein Hinweis auf eine Verstärkung der in den Boden eingreifenden Vorderseite des Schars wird nicht gegeben.

Daher konnte der Anmeldungsgegenstand nach Patentanspruch 1 einem Fachmann durch den entgegengehaltenen Stand der Technik weder einzeln für sich genommen noch in einer Zusammenschau betrachtet - auch nicht unter Hinzunahme fachüblicher Maßnahmen und Überlegungen - nahegelegt werden. Vielmehr stellt die anmeldungsgemäße Kombination eines aus Flachmaterial bestehenden Scharkörpers mit einer Verstärkung an dessen in den Boden eingreifenden Vorderseite durch ein hochfestes Material vermittels Auftragsschweißung eine sprunghafte Weiterentwicklung des Standes der Technik mit Hilfe einfacher Mittel dar.

Nach alledem ist der Gegenstand nach Anspruch 1 patentfähig und der Anspruch 1 somit gewährbar.

Mit diesem zusammen sind auch die Unteransprüche 2 und 3 gewährbar, die auf vorteilhafte Ausgestaltungen eines Schars nach Anspruch 1 gerichtet sind.

Kowalski Dr. Huber Kuhn Hübner Cl






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Beschluss v. 24.07.2003
Az: 8 W (pat) 9/01


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