Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 29. November 2011
Aktenzeichen: I-21 U 58/11

(OLG Hamm: Urteil v. 29.11.2011, Az.: I-21 U 58/11)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das am 01.03.2011 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts F vom 22.01.2010 (Az.: ...#) wird für unzulässig erklärt.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.868,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 6.943,07 € seit dem 15.12.2010 sowie aus weiteren 7.800,00 € seit dem 25.05.2011 und aus weiteren 1.125,00 € seit dem 11.10.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 80 % dem Beklagten und zu 20 % dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht dieser vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht dieser vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist Bauunternehmer und realisiert unter anderem als Bauträger Bauvorhaben. Er stand viele Jahre mit dem beklagten Architekten in der Weise in Geschäftsbeziehungen, das Letzterer die Planungen der Leistungsphasen 1 bis 4 gem. § 15 HOAI a.F. erbrachte und der Kläger die vom Beklagten geplanten Bauvorhaben als Bauträger realisierte.

Im Jahr 2008 beauftragte der Kläger den Beklagten mit den Planungen der Leistungsphasen 1 bis 4 gem. § 15 HOAI a.F. bezüglich einer Altenwohnanlage auf dem nicht in seinem Eigentum stehenden Grundstück L S in E2-X. Der Beklagte erstellte die Planungen und holte eine Baugenehmigung für das Projekt ein. Am 05.12.2008 erstellte er eine Schlussrechnung (Bl.11 ff d.A.) über insgesamt 24.247,94 € brutto abzüglich gezahlter Abschläge in Höhe von 5.837,46 €, mithin über einen Restbetrag in Höhe von 18.410,48 € brutto.

Der Kläger bekam in der Folgezeit Schwierigkeiten bei der Realisierung des Projekts und war daher nicht in der Lage, die Schlussrechnung zu begleichen. Unter dem 26.06.2009 reichte der Beklagte Klage wegen des ausstehenden Architektenhonorars ein. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagte (und damalige Kläger), dass er aus einem Titel über das Honorar nicht vor Ablauf des 30.04.2010 vollstrecken werde. Daraufhin erkannte der Kläger (und damalige Beklagte) den Honoraranspruch an. Mit Anerkenntnisurteil vom 22.01.2010 (Az.: 17 O 207/09) wurde der Kläger (und damalige Beklagte) zur Zahlung von 18.410,48 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.429,75 € seit dem 01.05.2008 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.980,73 € seit dem 23.05.2009 verurteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Verfahrensakte des Landgerichts Essen (Az.: 17 O 207/09) Bezug genommen.

Dem Kläger gelang es letztlich nicht, das Grundstück L S in E2-X zu erwerben und das Bauvorhaben zu realisieren.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 13.04.2010 verkaufte der Grundstückseigentümer das Grundstück vielmehr an ein anderes Bauunternehmen, die Fa. C. Diese erwarb die seinerzeit für den Kläger erstellten Planungen vom Beklagten und zahlte hierfür aufgrund der Rechnung vom 22.04.2010 (Bl.42 ff d.A.) einen Betrag in Höhe von 23.800,00 € brutto an den Beklagten. Die dem Kläger erteilte Baugenehmigung wurde sodann auf die Fa. C umgeschrieben, die das Bauvorhaben zwischenzeitlich ohne Planungsänderungen realisiert hat.

Da der Kläger aufgrund der gescheiterten Realisierung des Bauvorhabens auch nach Ablauf der bis zum 30.04.2010 vereinbarten Frist keine Zahlungen auf das Honorar leistete, begann der Beklagte ab Juli 2010 aus dem Anerkenntnisurteil zu vollstrecken. Ausweislich der Bescheinigung des Gerichtsvollziehers vom 08.09.2011 (Bl.128 d.A.) sind im Zuge der Vollstreckungsmaßnahmen bislang 14.925,00 € vom Kläger gezahlt worden.

Nachdem der Kläger erfuhr, dass das Bauvorhaben mit den gleichen Plänen des Beklagten durch ein Drittunternehmen ausgeführt werden sollte, versuchte er dies zunächst zu verhindern, indem er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Vermarktungsbemühungen der W W1-banken, Immobilien + Dienstleistungen GmbH vorging. In dem Verfahren vor dem Landgericht C (Az.: ...#) unterlag der Kläger.

Daraufhin hat er im vorliegenden Verfahren Vollstreckungsgegenklage erhoben und Rückzahlungsansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund des Verhaltens des Beklagten ein Schadensersatzanspruch zu. Er habe aufgrund des Vertrages ein Nutzungsrecht gem. § 31 Abs.2 UrhG an den Plänen bezogen auf das konkrete Bauvorhaben erworben. Der Beklagte könne seine Pläne zwar für andere Bauvorhaben erneut verwerten. Aus der Treuepflicht im Rahmen des nach wie vor bestehenden Architektenvertrages zwischen den Parteien folge aber, dass er die Pläne - ohne Entlassung aus dem Vertrag - nicht erneut für dasselbe Bauvorhaben verwerten und mithin doppelt kassieren dürfe. Der Beklagte habe vielmehr alles zu unterlassen, was die Verwirklichung des dem Kläger eingeräumten Nutzungsrechts vereiteln könne. Der Kläger hat hierzu weiter behauptet, dass der Beklagte seine Pläne bereits zu einem Zeitpunkt an die Fa. C veräußert habe, bevor die Realisierung des Bauvorhabens durch den Kläger endgültig gescheitert sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Rechnung des Beklagten an die Fa. C auf eine Honorarvereinbarung vom 02.03.2010 Bezug nehme, der notarielle Kaufvertrag zwischen dem Grundstückseigentümer und der Fa. C aber erst am 13.04.2010 geschlossen worden sei und damit auch erst zu diesem Zeitpunkt das Scheitern des klägerischen Vorhabens festgestanden habe. Erst durch diese doppelte Veräußerung der Pläne sei es dem Kläger endgültig unmöglich geworden, sein Nutzungsrecht zu verwirklichen und das Bauvorhaben zu realisieren.

Der Kläger hat weiter die Auffassung vertreten, dass er im Wege des Schadensersatzes den Verzicht auf den titulierten Anspruch verlangen könne. Die Zwangsvollstreckung aus dem Anerkenntnisurteil sei mithin unzulässig. Außerdem könne er die Rückzahlung der bereits auf das Honorar gezahlten Beträge verlangen. Im Rahmen des entgangenen Gewinns gem. § 252 BGB stehe ihm im Übrigen auch der sog. Verletzergewinn zu.

Schließlich stünde ihm ein entsprechender Anspruch auf den Verletzergewinn auch gem. §§ 687 Abs.2, 684 BGB oder gem. §§ 812 ff BGB zu.

Der Kläger hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts F vom 22.01.2010 (Az.: ...#) für unzulässig zu erklären;

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 11.837,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16.08.2010 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass nicht ersichtlich sei, auf welcher rechtlichen Grundlage der Honoraranspruch entfallen solle. Der Kläger habe nur das Recht erworben, die Pläne für das konkrete Bauvorhaben zu verwerten. Wenn er die Pläne letztlich nicht verwerten könne, weil das Bauvorhaben scheitere, sei dies das Risiko des Klägers. Der Honoraranspruch bleibe auch in diesem Fall bestehen. Er - der Beklagte - könne seinerseits die Pläne erneut verwerten, ohne seine Pflichten gegenüber dem Kläger zu verletzen.

Der Beklagte hat weiter behauptet, dass er die Pläne erst zu einem Zeitpunkt an die Fa. C veräußert habe, als festgestanden habe, dass der Kläger das Bauvorhaben nicht mehr realisieren könne. Dem Kläger sei es letztlich nicht gelungen, das Grundstück vom Eigentümer zu erwerben. Die finanzierende Volksbank habe sich Mitte Dezember 2009 an ihn gewandt und angefragt, ob er bereit sei, seine Pläne an einen anderen Interessenten zu veräußern. Er habe erwidert, er sei hierzu nicht bereit, solange nicht feststehe, dass das Grundstück nicht mehr an den Kläger veräußert werde. Im Januar 2010 habe er auf Bitten der Bank dieser gegenüber ein Honorarangebot für den Fall erstellt, dass der Kläger das Grundstück nicht erwerbe. Im Februar 2010 habe er erfahren, dass der Grundstückseigentümer und die Fa. C sich einig seien, woraufhin er unter dem 02.03.2010 gegenüber diesem Unternehmen einen Honorarvorschlag erstellt habe nebst Hinweis, dass er vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages nicht tätig werde. Erst nachdem er von dem notariellen Kaufvertrag erfahren habe, habe er die Pläne gegen Honorarzahlung zur Verfügung gestellt.

Das Landgericht hat die Parteien angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 01.03.2011 (Bl.81 ff d.A.) Bezug genommen.

Es hat sodann die Klage abgewiesen. Die Vollstreckungsgegenklage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Ansprüche auf Rückzahlung des Honorars bestünden ebenfalls nicht. Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch zu. Ein Architekt sei nicht verpflichtet, seine Pläne nur dem Bauherrn zur Verfügung zu stellen. Vielmehr sei er aufgrund seines Urheberrechts zum Nachbau und auch zur entgeltlichen Weiterreichung der Pläne an Dritte befugt. Dies gelte auch, soweit es um die Realisierung desselben Bauvorhabens auf demselben Grundstück gehe. Ein alleiniges Nutzungsrecht stehe dem Kläger insoweit nicht zu. Eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung könne allenfalls dann bejaht werden, wenn der Beklagte das Scheitern der Realisierung des Bauvorhabens durch den Kläger (mit-)verursacht hätte, um sodann die Pläne doppelt veräußern zu können. Dass das Dazwischentreten der Fa. C auf die Initiative des Beklagten zurückgehe, behaupte aber der Kläger selbst nicht. Eine bloße Mitwirkung durch die Veräußerung der Pläne reiche für eine Pflichtverletzung jedenfalls nicht. Im Übrigen habe der Beklagte unwiderlegt vorgetragen, dass er die Pläne erst nach Kenntnis des endgültigen Scheiterns der Realisierung des Bauvorhabens durch den Kläger veräußert habe. Außerdem bestehe ein etwaiger Schaden des Klägers in diesem Fall auch nicht in dem Honorar des Beklagten, sondern in dem Verlust aller Gewinnvorteile aus dem nicht realisierten Bauvorhaben. Darüber hinaus seien auch keine Ansprüche aus unechter Geschäftsführung oder aus Bereicherungsrecht ersichtlich. Schließlich habe der Kläger nicht einmal die Aufrechnung mit etwaigen Gegenansprüchen erklärt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch verneint. Diesen stütze er (nur noch) auf entgangenen Gewinn, den er nach den Grundsätzen des Verletzergewinns berechne.

Eine Pflichtverletzung liege bereits darin, dass der Beklagte die Pläne für dasselbe Bauvorhaben auf demselben Grundstück ein zweites Mal an einen anderen Bauträger veräußert habe. Damit habe er das (dauerhafte) Nutzungsrecht des Klägers verletzt. Das Landgericht habe nicht hinreichend zwischen dem Verwertungsrecht der Beteiligten für das konkrete und für andere Bauvorhaben differenziert. Im Übrigen habe der Architekt auch alles zu unterlassen, was das Bauvorhaben des Nutzungsberechtigten gefährde. Daher dürfe der Architekt auch nicht mit anderen Interessenten für die Planung in Kontakt treten. Bereits mit den vom Beklagten zugestandenen Gesprächen, insbesondere mit der Erteilung von Honorarangeboten, seien daher die Treuepflichten aus dem Architektenvertrag verletzt worden. Abgesehen davon seien die Behauptungen des Beklagten, er habe gegenüber dem Drittunternehmen und der Bank deutlich gemacht, dass er erst bei endgültigem Scheitern der Realisierung des Bauvorhabens durch den Kläger seine Pläne veräußern werde, schon angesichts des Zeitablaufs unglaubhaft.

Schließlich verweist der Kläger erneut darauf, dass er den Schaden nach dem Verletzergewinn berechnen könne und dem Beklagten daher kein Honoraranspruch mehr zustehe.

Er ist darüber hinaus nach wie vor der Auffassung, dass ein entsprechender Anspruch sich auch aus §§ 687 Abs.2, 684 BGB bzw. aus Bereicherungsrecht ergebe.

Wegen der zwischenzeitlich im Zuge der Zwangsvollstreckung weiter erfolgten Zahlungen des Klägers auf das Anerkenntnisurteil des Landgerichts F vom 22.01.2010 (Az.: ...#) hat der Kläger seinen Zahlungsantrag in der Berufung erhöht.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts F vom 22.01.2010 (Az.: ...#) für unzulässig zu erklären;

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 20.762,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist überwiegend begründet.

1. Die Vollstreckungsgegenklage sowie die damit verbundene Zahlungsklage sind zulässig.

Die Vollstreckungsgegenklage ist gem. § 767 Abs.1 ZPO der statthafte Rechtsbehelf, da der Kläger materiellrechtliche Einwendungen - nämlich in erster Linie die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch, hilfsweise mit einem entsprechenden Anspruch aus §§ 687 Abs.2, 681 S.2, 667 BGB oder aus Bereicherungsrecht, sowie ferner den Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB - gegen den mit Anerkenntnisurteil titulierten Honoraranspruch geltend macht.

Da ein einfacherer und billigerer Weg, die Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels zu erreichen, nicht besteht, und die Zwangsvollstreckung auch noch nicht vollständig beendet ist, ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gem. § 767 Abs.1 BGB ebenfalls gegeben.

Soweit mit der Vollstreckungsgegenklage eine Klage auf Rückzahlung der bereits gezahlten sowie vollstreckten Beträge verbunden worden ist, ist auch dies zulässig. Denn mit der Vollstreckungsgegenklage wird zwar die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigt, nicht aber gleichzeitig ein Zahlungstitel hinsichtlich im Ergebnis zu Unrecht gezahlter und vollstreckter Beträge begründet.

2. Die Vollstreckungsgegenklage ist auch begründet.

Der Kläger hat hier - zumindest konkludent - die Aufrechnung mit einem Gegenanspruch auf Herausgabe des vom Beklagten im April 2010 erlangten zweiten Honorars für die hier maßgeblichen Pläne in Höhe von 23.800,00 € brutto (des sog. Verletzergewinns) gegen den ihm gegenüber titulierten Honoraranspruch nebst Zinsen und Kosten erklärt. Ein solcher Gegenanspruch des Klägers ist jedenfalls gem. §§ 687 Abs.1, 812 Abs.1 S.1 2.Fall, 818 Abs.2 BGB (Eingriffskondiktion) begründet, so dass der titulierte Honoraranspruch des Beklagten in Höhe von 18.410,48 € nebst Zinsen und Kosten durch Aufrechnung in vollem Umfang erloschen ist.

Zumindest kann der Kläger dem Beklagten aber den Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB entgegenhalten, weil dieser aus dem Anerkenntnisurteil vollstreckt, obwohl er aufgrund des zweiten Vertrages bereits ein Honorar in Höhe von 23.800,00 € - und damit ein Honorar nahezu in der vom Kläger geschuldeten Höhe - erhalten hat.

a. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Herausgabeanspruch in Höhe von 23.800,00 € gem. §§ 812 Abs.1 S.1 2.Fall, 818 Abs.2 BGB, da der Beklagte einen entsprechenden Vermögensvorteil ohne Rechtsgrund auf Kosten des Klägers erlangt hat.

Indem der Beklagte die von ihm erstellten Pläne für die Altenwohnanlage ein zweites Mal einem anderen Auftraggeber für dasselbe Grundstück, nämlich für das Grundstück L S in E2-X, gegen Entgelt zur Verfügung gestellt hat, hat er nicht nur seine Vertragspflichten dem Kläger gegenüber schuldhaft (nämlich zumindest fahrlässig) verletzt, sondern auch auf Kosten des Klägers ohne Rechtsgrund in dessen Nutzungsrecht an den Plänen und damit in ein diesem zugewiesenes vermögenswertes Recht eingegriffen. Denn nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Architektenvertrag stand das Nutzungsrecht an den Plänen bezogen auf das konkrete Grundstück L S in E2-X allein dem Kläger zu.

Ausdrückliche vertragliche Regelungen zum Umfang des dem Kläger übertragenen Nutzungsrechts an den Plänen sind allerdings nicht getroffen worden. Der zwischen den Parteien geschlossene Architektenvertrag ist daher insoweit gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen.

Hier haben die Parteien vereinbart, dass der Beklagte die Leistungen der Leistungsphasen 1-4 gem. § 15 HOAI a.F. erbringt. Im Anschluss daran war vorgesehen, dass der Kläger das vom Beklagten geplante Bauvorhaben als Bauträger - ohne weitere Mitwirkung des Beklagten - auf dem betreffenden Grundstück realisiert. Diese Vereinbarung entsprach der üblichen Verfahrensweise der Parteien, die in langjährigen Geschäftsbeziehungen zueinander standen.

Danach war der Kläger auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung berechtigt, die aufgrund des Architektenvertrags vom Beklagten erstellten Pläne für den Bau der Altenwohnanlage auf dem Grundstück K S in E2-X zu nutzen.

Dies gilt auch dann, wenn die Pläne des Beklagten urheberrechtsfähig sind. Nicht jedes Bauwerk bzw. nicht jede Planung eines Bauwerks genießt allerdings urheberrechtlichen Schutz. Dieser erstreckt sich vielmehr nur auf Bauten, die auf einer besonderen künstlerischen Gestaltung beruhen, solche, die persönliche und geistige Schöpfungen darstellen. Verlangt wird also eine gewisse Gestaltungshöhe und Individualität, die im Bauwerk Gestalt gewonnen hat (Locher/Koeble/Fink, HOAI, 10.Aufl., Einl., Rn.296). Ob die Planungen des Beklagten hier, wovon beide Parteien offenbar ausgehen, urheberrechtsfähig sind, kann an dieser Stelle jedoch dahinstehen. Denn auch in diesem Fall hat der beklagte Architekt die Pläne dem Kläger für die einmalige Errichtung des Bauwerks auf dem hier maßgeblichen Grundstück zur Verfügung gestellt. Nach der sog. Zweckerreichungstheorie räumt der Urheber dem Vertragspartner (zumindest stillschweigend) die Rechte ein, die für die Erreichung des Vertragszwecks erforderlich sind. Wird - wie hier - ein Architektenvertrag über die Leistungsphasen 1-4 gem. § 15 HOAI a.F. geschlossen und besteht dabei Einigkeit darüber, dass der Auftraggeber als Bauträger nach den Plänen bauen wird, ohne den Architekten mit den weiteren Leistungsphasen zu beauftragen, wird dem Auftraggeber das einmalige urheberrechtliche Nutzungsrecht bzgl. des konkreten Bauvorhabens, das einmalige Nachbaurecht, übertragen. Diese Übertragung ist durch die Honorarsätze der HOAI mit abgegolten (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13.Aufl., Rn.2446 m.w.N.).

Dem Kläger stand daher in jedem Fall - d.h. ungeachtet der Frage der Urheberrechtsfähigkeit - das Nutzungsrecht an den Plänen für das Bauvorhaben auf dem konkreten Grundstück zu, da nur auf diese Weise der Zweck des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages zu erreichen war.

Hier ist das Bauvorhaben des Klägers jedoch letztlich gescheitert, weil der Grundstückseigentümer das Grundstück anderweitig veräußert hat. Die ursprünglich von den Parteien vorgesehene Nutzung der Pläne in der Weise, dass der Kläger als Bauträger das vom Beklagten geplante Bauvorhaben auf dem Grundstück verwirklicht, war mithin nicht mehr möglich.

Grundsätzlich bleibt der Auftraggeber bei Scheitern des Projekts allerdings verpflichtet, das Honorar an den Architekten zu bezahlen. Es liegt nämlich in seiner Risikosphäre, ob und inwieweit er mit den Plänen etwas anfangen kann. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Architekt zum Scheitern des Projektes beigetragen hat. Ob das hier zu bejahen ist, kann letztlich jedoch dahinstehen. Denn auch wenn die ursprünglich vorgesehene Nutzung der Pläne aus nicht von dem beklagten Architekten (mit-)verursachten Gründen gescheitert sein sollte, darf er die Pläne für das konkrete Bauvorhaben auf demselben Grundstück nicht erneut verwerten.

Da die Parteien diesen Fall bei Vertragsschluss nicht bedacht und demgemäß konkrete vertragliche Regelungen hierzu nicht getroffen haben, ist der Vertrag auch insoweit gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen. Danach bleibt es hier im Ergebnis dabei, dass dem Kläger als Auftraggeber das alleinige Nutzungsrecht an den Plänen bezogen auf das konkrete Bauvorhaben auf dem konkreten Grundstück zusteht, auch wenn die ursprünglich von den Parteien vorgesehene Nutzung durch einen vom Auftraggeber durchzuführenden Nachbau als Bauträger nicht mehr möglich ist.

Mit dieser Auslegung wird nach Auffassung des Senats der Interessenlage beider Parteien unter Berücksichtigung des Sinnes und Zweckes des Vertrages angemessen Rechnung getragen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Architekt als Gegenleistung für eine nach dem Vertrag erforderliche Übertragung des einmaligen Nutzungsrechts an seinen Plänen bezogen auf ein konkretes Grundstück sein Honorar erhält. Dann ist es auf der anderen Seite gerechtfertigt, dem Auftraggeber das alleinige Nutzungsrecht an diesen Plänen für das konkrete Grundstück zuzubilligen, auch wenn der ursprünglich vorgesehene Nachbau durch ihn selbst unmöglich wird. Dies gilt umso mehr, wenn es sich - wie hier - um einen gewerblichen Auftraggeber handelt. Im Baugewerbe ist es nämlich durchaus nicht unüblich, dass Bauvorhaben anders als ursprünglich vorgesehen realisiert werden. Der Auftraggeber hat in diesem Fall aber ein berechtigtes Interesse daran, auf veränderte Bedingungen reagieren zu können und in Auftrag gegebene Pläne - bezogen auf das konkrete Grundstück - auch in anderer Weise nutzen zu können, etwa durch Weitergabe an einen anderen Grundstückserwerber. Demgegenüber hat der Architekt, der für seine Planungen vom Auftraggeber honoriert wird, kein berechtigtes Interesse daran, diese erneut für dasselbe Grundstück an einen zweiten Auftraggeber zu veräußern und insoweit ein doppeltes Honorar zu kassieren.

Dem Kläger stand mithin nach dem mit dem Beklagten geschlossenen Vertrag auch für den vorliegenden Fall, dass ein Nachbau durch ihn als Bauträger scheiterte, das alleinige Nutzungsrecht an den Plänen bezogen auf das Grundstück L S in E2-X zu.

Indem der Beklagte die Pläne bezogen auf dieses Grundstück einem anderen Auftraggeber entgeltlich überlassen hat, hat er in das insoweit allein dem Kläger zugewiesene Nutzungsrecht eingegriffen. Dies geschah ohne Befugnis und damit ohne Rechtsgrund.

Der Beklagte hat mithin in sonstiger Weise auf Kosten des Klägers ohne Rechtsgrund die Pläne für das Grundstück L S in E2-X (erneut) durch Verwertung genutzt. Er hat daher den infolge der Verwertung erzielten Erlös in Höhe von 23.800,00 € jedenfalls gem. §§ 812 Abs.1 S.1 2.Fall, 818 Abs.2 BGB herauszugeben. Bei Zugrundelegung beider Schlussrechnungen des Beklagten - sowohl der Schlussrechnung vom 05.12.2008 als auch der vom 22.04.2010 - entspricht dies dem objektiven Wert der Pläne und stellt insbesondere keinen Übererlös dar.

Es kann folglich dahinstehen, ob vorliegend im Rahmen des dem Kläger gegen den Beklagten dem Grunde nach ebenfalls zustehenden Schadensersatzanspruches gem. § 280 Abs.1 BGB der Schaden nach dem sog. Verletzergewinn berechnet werden könnte - eine Besonderheit, die der Bundesgerichtshof im gewerblichen Rechtsschutz, insbesondere für Urheberrechts-, Markenrechts- und Patentverletzungen, entwickelt hat. Ebenfalls kann dahinstehen, ob der Beklagte bei der Verwertung der Pläne im April 2010 in Kenntnis seiner fehlenden Berechtigung gehandelt hat, mit der Folge, dass sich ein entsprechender Anspruch in Höhe von 23.800,00 € aus §§ 687 Abs.2, 681 S.2, 667 BGB ergäbe.

Der titulierte Honoraranspruch des Beklagten in Höhe von 18.410,48 € nebst Zinsen und Kosten ist daher durch die Aufrechnung mit dem zumindest gem. §§ 812 Abs.1 S.1 2.Fall, 818 Abs.2 BGB entstandenen Gegenanspruch des Klägers in Höhe von 23.800,00 € in vollem Umfang erloschen.

b. Darüber hinaus steht dem Kläger aber zumindest der Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB zu.

Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zur Übertragung des Nutzungsrechts an den Plänen für das konkrete Grundstück erscheint es jedenfalls rechtsmissbräuchlich, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger auf Vertragserfüllung besteht und seine Honorarforderung gegen ihn seit Juli 2010 aus dem erstrittenen Anerkenntnisurteil vollstreckt, obwohl er bereits im April 2010 das Honorar für die Pläne bezogen auf dasselbe Bauvorhaben auf demselben Grundstück in nahezu gleicher Höhe von dritter Seite erhalten hat.

c. Die hier gegebenen materiellrechtlichen Einwendungen gegen den titulierten Honoraranspruch sind auch nicht gem. § 767 Abs.2 ZPO präkludiert.

Die Einwendungen sind nämlich erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2010, die zu dem Anerkenntnisurteil geführt hat, entstanden. Soweit die Aufrechnung betroffen ist, ist dieser Einwand - zumindest nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur - bereits dann im Sinne des § 767 Abs.2 ZPO entstanden, wenn sich beide Forderungen aufrechenbar gegenüber standen (Zöller/Herget, ZPO, 28.Aufl., § 767 Rn.12 "Aufrechnung" m.w.N.). Die Gegenforderung des Klägers ist hier aber erst im April 2010 - mit der erfolgten erneuten Verwertung der Pläne - entstanden und damit nach der maßgeblichen mündlichen Verhandlung im Januar 2010.

Gleiches gilt für den Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB. Auch dieser Einwand ist erst nach der mündlichen Verhandlung im Januar 2010 entstanden. Denn der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs beginnt erst mit der Vollstreckung ab Juli 2010 trotz Erzielung eines Honorars in Höhe von 23.800,00 € für dasselbe Bauvorhaben im April 2010.

Die Vollstreckungsgegenklage ist mithin begründet.

3. Der Kläger kann schließlich auch Rückzahlung der - nach den obigen Ausführungen - seit Juli 2010 zu Unrecht vollstreckten Beträge verlangen. Diese belaufen sich ausweislich des Schreibens des Gerichtsvollziehers vom 08.09.2011 auf 14.925,00 €. Der Beklagte hat dies nicht konkret bestritten, vielmehr im Senatstermin die Größenordnung bestätigt.

Darüber hinaus kann der Kläger Zahlung des nach Aufrechnung nicht erloschen Teils der Forderung gem. §§ 812 Abs.1 S.1 2.Fall, 818 Abs.2 BGB verlangen.

Dies ist jedoch lediglich ein Betrag in Höhe von noch 943,07 €.

Der Senat legt dabei folgende Berechnung zugrunde:

Der seinerzeit - zu Recht - titulierte Honoraranspruch betrug 18.410,48 €. Daneben waren jedoch auch Zinsen tituliert, nämlich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2008 aus einem Betrag in Höhe von 9.429,75 € sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.05.2009 aus einem Betrag von 8.980,73 €. Bis zum 22.04.2010 sind mithin Zinsen in Höhe von insgesamt 2.215,59 € (1.779,18 € + 436,41 €) angefallen. Ferner sind Verfahrenskosten in Höhe von 1.406,10 € zzgl. Zinsen in Höhe von 16,96 € sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 807,80 € angefallen. Das macht einen Gesamtbetrag in Höhe von 22.856,93 € aus. Da die Aufrechnung gem. § 389 BGB bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind, ist der bis zum 22.04.2010 aufgelaufene Betrag in Höhe von 22.856,93 € durch die Aufrechnung mit der Gegenforderung vom 22.04.2010 in Höhe von 23.800,00 € erloschen. Der verbleibende Betrag in Höhe von 943,07 € kann noch gem. §§ 812 Abs.1 S.1 2.Fall, 818 Abs.2 BGB herausverlangt werden. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht dagegen nicht.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus § 291 ZPO.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Problematik einer doppelten Verwertung von Architektenplänen durch den Architekten bezogen auf dasselbe Grundstück höchstrichterlich noch nicht behandelt wurde. Die Zulassung der Revision erscheint daher zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung angezeigt.






OLG Hamm:
Urteil v. 29.11.2011
Az: I-21 U 58/11


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