Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. November 2005
Aktenzeichen: 26 W (pat) 226/04

(BPatG: Beschluss v. 16.11.2005, Az.: 26 W (pat) 226/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren und Dienstleistungen

"12: Kraftfahrzeuge, Motoren für Landfahrzeuge, Sportwagen; 25: Bekleidung für Autofahrer, Jacken, Mützen, T-Shirts; 37: Instandsetzung und Leistungssteigerung von Boxermotoren für Landfahrzeuge."

eingetragene Marke 301 21 661 ist Widerspruch erhoben worden 1. aus der Gemeinschaftsmarke 73155 Boxsterdie u. a. für die Waren und Dienstleistungen

"Kraftfahrzeuge und deren Teile, Luft- und Wasserfahrzeuge und deren Teile.

Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.

Bau- und Reparaturwesen, insbesondere Reparatur und Wartung von Kraftfahrzeugen, Aus- und Umrüstung (Tuning) von Serienkraftfahrzeugen zu Sport- und Rennfahrzeugen."

geschützt ist; sowie 2. aus der Marke 2 034 385 Boxsterdie für "Kraftfahrzeuge und deren Teile" eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprüche aus beiden Marken wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen seien zwar zum Teil identisch bzw. sehr ähnlich, weshalb die jüngere Marke zu den Widerspruchsmarken einen erheblichen Abstand einzuhalten habe. Dieser Abstand sei jedoch gewahrt.

In ihrer Gesamtheit unterschieden sich die zu vergleichenden Marken deutlich: Während die angegriffene Marke den Begriff "Boxer Shop" beinhalte, der mit der Umrisslinie eines Kraftfahrzeugs überzogen sei, bestünden beide Widerspruchsmarken nur aus dem Wort "Boxster". Eine Prägung der jüngeren Marke allein durch das Wort "Boxer" sei ebenfalls zu verneinen, denn diesem Begriff komme keine eigenständige, den Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein prägende Bedeutung zu, weil das weitere Markenelement "Shop" nicht derart in den Hintergrund trete, dass ihm der Verkehr keinen besonderen Hinweis auf die Herkunftsstätte der mit dem Gesamtzeichen versehenen Waren entnehme. Dafür spreche, dass in der Wortfolge "Boxer Shop" ein eigenständiger Gesamtbegriff zu sehen sei, der als Hinweis auf einen auf Boxer bzw. auf Boxer-Artikel bezogenen Shop verstanden werden könne. Die Zusammengehörigkeit der Einzel-Begriffe werde optisch durch die umrisshafte Linie unterstützt. Es komme hinzu, dass das Wort "Boxer" im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen auf "Boxermotoren" hinweise und ihm damit ein beschreibender Anklang innewohne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Ihrer Ansicht nach sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen verwechselbar. Die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen seien identisch oder zumindest ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der beiden Widerspruchsmarken sei durch die Bekanntheit und den besonderen Ruf des von ihr seit 1996 hergestellten Sportwagens "Boxster" erheblich gesteigert. Von der ersten Generation des "Boxster" seien weltweit ... Fahrzeuge verkauft worden.

Die angegriffene Marke werde durch den Bestandteil "Boxer" geprägt. Eine (mit-) prägende Bedeutung des weiteren Bestandteils "Shop" scheide aus, denn er bedeute "Geschäft, Laden", so dass ihm keinerlei herkunftshinweisende Bedeutung zukomme. Der Verkehr orientiere sich vielmehr am weiteren Bestandteil "Boxer", der dieses Geschäft von anderen Geschäften unterscheidbar mache. Soweit die Markenstelle auf die beschreibende Bedeutung des Wortes "Boxer" verweise, könne dies nur für die sogenannten "Boxer-Motoren", nicht aber für ganze Kraftfahrzeuge gelten.

Es stünden sich mithin die klanglich und schriftbildlich hochgradig ähnlichen Begriffe "Boxer"/"Boxster" verwechselbar gegenüber.

Demgemäss beantragt die Widersprechende, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen und der Beschwerdeführerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss. Eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht. Er verwende sein Kennzeichen "Boxer Shop" in der prägenden und stark individualisierenden Schreibweise zusammen mit der eigenartig ausgestalteten Käfer-Silhouette, wodurch von vornherein eine Verwechslungsgefahr mit den Widerspruchsmarken ausgeschlossen sei.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Marken keine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen, umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehören insbesondere die Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren sowie die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 1995, 216 - Oxygenol II).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen ist im vorliegenden Fall von Warengleichheit auszugehen, denn beide Kennzeichnungen sind ua für "Kraftfahrzeuge und ihre Teile", "Bekleidung" und "Tuning" bestimmt. Die Kennzeichnungskraft der beiden übereinstimmenden Widerspruchsmarken kann nur als durchschnittlich angenommen werden. Zwar sollen nach Angaben der Widersprechenden seit 1996 weltweit ... Fahrzeuge der ersten Generation des Sportwagens "Boxster" verkauft worden sein. Wie viel Fahrzeuge davon in Deutschland veräußert wurden, ist jedoch offen.

Ebenso fehlen Angaben dazu, in welchem Umfang überhaupt Sportwagen im relevanten Zeitraum in Deutschland abgesetzt wurden. Mithin ist nicht ersichtlich, welche Marktstellung die "Boxster"-Sportwagen der Widersprechenden in Deutschland eingenommen haben. Hiervon ausgehend hält die jüngeren Marke den erforderlichen Abstand zu den Marken der Widersprechenden ein.

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (vgl. EuGH a. a. 0. - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND, m. w. N.). Die sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen weichen in ihrem klanglichen und schriftbildlichen Gesamteindruck so deutlich voneinander ab, dass Verwechslungen insoweit offensichtlich ausgeschlossen sind.

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Übereinstimmung prägender Markenbestandteile besteht ebenfalls nicht. Eine derartige Prägung setzt voraus, dass die übrigen Markenteile (hier "Shop") für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurückträten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnten, bzw. dem Bestandteil "Boxer" eine so eigenständig kennzeichnende und insgesamt dominierende Bedeutung zukäme, dass er als markenmäßiger Schwerpunkt des Gesamtzeichens gesehen würde. Für einen derartigen Ausnahmetatbestand müssen besondere Gründe vorliegen. Im Einzelfall kann auch eine für sich gesehen beschreibende Angabe iVm einem weiteren Bestandteil wesentlich zur besonderen Identifizierung der Gesamtmarke beitragen (vgl. dazu Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl. § 9 Rdnr. 374, 378, 381, 408 m. w. N.).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass ein markenrechtlich erheblicher Teil der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher das Wort "Boxer" als markenmäßigen Schwerpunkt der angegriffenen Marke "Boxer Shop" ansieht. Gegen eine derartige Annahme spricht vielmehr, dass der Verkehr dem nur zweiteiligen Gesamtzeichen im Zusammenhang mit "Bekleidung" ohne Weiteres die Gesamtaussage "Laden für Boxer(-bedarf)" (= Boxerbekleidung, Boxerhandschuhe, Boxerschuhe, Punchingbälle) entnimmt. Im Zusammenhang mit "Kraftfahrzeugen", "Motoren" und "Tuning" liegt ebenfalls die einheitliche Wertung "Geschäft, Betrieb für Boxer (-Motoren)" nahe. Soweit die Widersprechende darauf verweist, dass dem Bestandteil eines Zeichens, der - für den Verkehr erkennbar - nicht das Produkt, sondern das dahinter stehende Unternehmen bezeichnet, im Allgemeinen keine prägende Bedeutung zukommt (vgl. BGH GRUR 2003, 880, 882 - City Plus), so gilt dieser Grundsatz für den Bestandteil "Shop" der angegriffenen Marke insofern nicht, als "Shop" vorrangig für den (eher eingeschränkten) Zuschnitt einer Verkaufsstätte oder Werkstatt, nicht aber für einen Hersteller von Sportwagen oder Motoren steht und damit nicht als Unternehmenshinweis aufgefasst wird.

Für eine etwaige gedankliche Verbindung der sich gegenüberstehenden Kennzeichen liegen ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Hiergegen spricht nicht nur, dass die angegriffene Marke "Boxer Shop" einen Gesamtbegriff bildet, sondern auch, dass der Bestandteil "Boxer" und die Widerspruchsmarken "Boxster" so erhebliche klangliche, schriftbildliche und insbesondere begriffliche Unterschiede aufweisen, dass der Gedanke an Serienmarken desselben Unternehmens nicht aufkommen kann (vgl dazu Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdnr. 480).

Der Beschwerde musste deshalb der Erfolg versagt werden.

Dem vom Inhaber der angegriffenen Marke gestellten Kostenantrag war nicht zu entsprechen. Nach §§ 63 Abs. 1; 71 Abs. 1 MarkenG können in einem Widerspruchsverfahren die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt und nur bei Vorliegen besonderer Umstände eine Kostenüberbürdung in Frage kommt (vgl. BGH GRUR 1972, 600 - Lewapur). Solche Umstände sind u. a. bei einem Verhalten gegeben, das mit derprozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Da für einen derartigen Verstoß keine Anhaltspunkte erkennbar sind, rechtfertigen die Einlegung des Widerspruchs und der Beschwerde im vorliegenden Fall keine Abweichung von dem o. g. Grundsatz.

Albert Reker Kraft WA






BPatG:
Beschluss v. 16.11.2005
Az: 26 W (pat) 226/04


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