Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. November 2006
Aktenzeichen: 7 W (pat) 360/04

(BPatG: Beschluss v. 15.11.2006, Az.: 7 W (pat) 360/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Patent 102 09 484 mit der Bezeichnung "Turbolader für Fahrzeuge mit verbesserter Aufhängung für den Betätigungsmechanismus der variablen Düsen" wurde widerrufen. Die Einsprechende, die A... Inc., hatte gegen das Patent Einspruch erhoben und argumentiert, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei. Als Stand der Technik wurden mehrere Patentschriften genannt, sowie eine offenkundige Vorbenutzung. Die Einsprechende beantragte den Widerruf des Patents, während die Patentinhaberin hingegen beantragte, den Einspruch als unbegründet zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten. Das Bundespatentgericht entschied im Rahmen des Einspruchsverfahrens, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu sein mag, jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Es wurde festgestellt, dass die Merkmale des Patentanspruchs bereits in einem anderen Patent zu finden sind und dass die Unterschiede zwischen den beiden Erfindungen lediglich einfache bauliche Anpassungen sind, die ohne erfinderische Tätigkeit vorgenommen werden können. Da die Patentinhaberin nicht geltend gemacht hat, dass die weiteren Patentansprüche patentbegründende Merkmale enthalten, wurde das Patent widerrufen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 15.11.2006, Az: 7 W (pat) 360/04


Tenor

Das Patent 102 09 484 wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das Patent 102 09 484 mit der Bezeichnung Turbolader für Fahrzeuge mit verbesserter Aufhängung für den Betätigungsmechanismus der variablen Düsen, dessen Erteilung am 24. Juni 2004 veröffentlicht worden ist, hat die A... Inc. in B... in C..., am 23. September 2004 Einspruch erhoben.

Sie macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei.

Zum Stand der Technik nennt die Einsprechende die Patentschriften:

US 2 860 827 US 4 804 316 US 5 947 681.

Darüber hinaus macht die Einsprechende eine offenkundige Vorbenutzung geltend und legt zum Nachweis die Unterlagen gemäß Anlagen E1 bis E13 des Einspruchsschriftsatzes vom 23. September 2004 vor. Zu deren Inhalt wird auf die Akte verwiesen.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2006, mit dem sie auch mitgeteilt hat, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, beantragt, den Einspruch als unbegründet zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.

Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgende Fassung:

Turbolader, bei dem Gas durch einen ersten Ringspalt (30) zur Turbine geführt wird, mit - einem Gehäuse (18, 24, 26),

- einem Ringspalt von Leitschaufeln (34) im ersten Ringspalt (30), die schwenkbar auf einem Düsenring (38) gelagert sind, welcher eine Begrenzung des ersten Ringspalts (30) darstellt,

- einem Betätigungsring (48) mit kreisförmigem Querschnitt, der so gekoppelt ist, dass er durch relative Rotation in Bezug auf den Düsenring (38) die Leitschaufeln (34) schwenkt, und - einer Aufhängeeinrichtung (55, 59) für den Betätigungsring (48), die eine koaxiale Positionierung des Düsenrings (38) und des Betätigungsrings (48) zueinander und um die Turbinenwelle gewährleistet, wobei in Umfangsrichtung der Ringe (48, 38) auf einem Kreis angeordnete Stifte (55") sowie mit Bohrungen und Nuten über den Umfang versehene Führungsrollen (49) vorhanden sind, und die Führungsrollen (49) in einem zwischen Betätigungsring (48) und Düsenring (38) gebildeten zweiten Ringspalt angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Stifte (55") einseitig und damit freitragend in Bohrungen (55a) eingreifen, welche in einem Gehäuseteil (24, 26) angebracht sind, unddass die Länge der aus den Bohrungen (55a) herausragenden Stiftteile im Wesentlichen gleich der axialen Länge der Führungsrollen (49) ist.

Die erteilten Patentansprüche 2 bis 4 sind auf Merkmale gerichtet, durch die der Gegenstand nach Patentanspruch 1 weiter ausgebildet werden soll.

Es liegt gemäß Absatz [0028] der Streitpatentschrift die Aufgabe zugrunde, einen Turbolader mit den im Oberbegriff des Anspruchs 1 genannten Merkmalen derart zu verbessern, dass er die in der Beschreibungseinleitung Abschnitte [0002] bis [0027] geschilderten Nachteile nicht mehr aufweist. Dazu gehören in erster Linie Montageprobleme, die entstehen, wenn beim Turbolader aus dem Stand der Technik Stifte zur Lagerung von Rollen mit dem einen Ende in Bohrungen eines Düsenrings und mit dem anderen Ende in Bohrungen eines Turboladergehäuses einzusetzen sind.

II.

1. Der Einspruch ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 PatG in der Fassung des Kostenbereinigungsgesetzes Art. 7 Nr. 37 vom 13. Dezember 2001, geändert durch das Gesetz zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes Art. 1 Nr. 2 vom 9. Dezember 2004 dem Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zur Entscheidung zugewiesen.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 mag zwar neu sein, er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der zuständige Fachmann ist ein Maschinenbau-Ingenieur mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Turboladerentwicklung.

Die im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 genannten Merkmale sind auch beim Gegenstand der US 2 860 827 erkennbar. So zeigt diese Druckschrift in der Figur 1 einen Turbolader, bei dem Gas durch einen ersten Ringspalt (nozzle mechanism 62) zur Turbine (turbine rotor 56) geführt wird, mit - einem Gehäuse (housing 11, flange 64, torus 63),

- einem Ringspalt von Leitschaufeln (vanes 87) im ersten Ringspalt (62), die schwenkbar auf einem Düsenring (plate 81) gelagert sind, welcher eine Begrenzung des ersten Ringspalts (62) darstellt,

- einem Betätigungsring (actuating ring 97) mit kreisförmigem Querschnitt, der so gekoppelt ist, dass er durch relative Rotation in Bezug auf den Düsenring (81) die Leitschaufeln (87) schwenkt, und - einer Aufhängeeinrichtung (shafts 99, rollers 98) für den Betätigungsring (97), die eine koaxiale Positionierung des Düsenrings (81) und des Betätigungsrings (97) zueinander und um die Turbinenwelle (shaft 20) gewährleistet, wobei in Umfangsrichtung der Ringe (81, 97) auf einem Kreis angeordnete Stifte (shafts 99) sowie mit Bohrungen und Nuten (groove 101)über den Umfang versehene Führungsrollen (rollers 98) vorhanden sind, und die Führungsrollen (98) in einem zwischen Betätigungsring (97) und Düsenring (81) gebildeten zweiten Ringspalt angeordnet sind.

Die koaxiale Positionierung des Düsenrings und des Betätigungsrings zueinander und um die Turbinenwelle wird bei dem in der Figur 1 der US 2 860 827 dargestellten Ausführungsbeispiel des Gegenstandes wie auch bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Streitpatents nach Figur 3 lediglich mittelbar erzielt.

Weiter zeigt die US 2 860 827 in der Figur 1 auch noch das erste im Kennzeichenteil des Patentanspruchs 1 des Streitpatents angegebene Merkmal, wonachdie Stifte (99) einseitig und damit freitragend in Bohrungen eingreifen, welche in einem Gehäuseteil (flange 64) angebracht sind.

Die in der Figur 1 dargestellte Länge der aus den Bohrungen herausragenden Stiftteile der Stifte (99) übertrifft beim Gegenstand der US 2 860 827 die axiale Länge der Führungsrollen (98) während beim Streitpatentgegenstand gemäß Patentanspruch 1 die Länge der aus den Bohrungen herausragenden Stiftteile im Wesentlichen gleich der axialen Länge der Führungsrollen sein soll (=zweites kennzeichnendes Merkmal).

Vom Gegenstand der US 2 860 827 gelangt der Fachmann zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Streitpatent ohne jede erfinderische Tätigkeit. Der vorstehend genannte Unterschied bedeutet inhaltlich lediglich eine einfache bauliche Anpassung, die ohne weitergehende Bedeutung bei der im Prinzip schon bekannten Vorrichtung bleibt. Der zuständige Fachmann ist es aus seiner täglichen Praxis gewohnt, bei Bedarf, hier ein reines Bauraumproblem, routinemäßig solche Anpassungen von Stiftlängen zweckorientiert vorzunehmen. Eine erfinderische Tätigkeit ist dazu nicht erforderlich. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ergibt sich somit in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Dass in den Patentansprüchen 2 bis 4 noch Merkmale von patentbegründender Bedeutung enthalten sind, hat die Patentinhaberin nicht geltend gemacht und ist für den Senat auch nicht erkennbar.

Bei dieser Sachlage braucht auf die behauptete offenkundige Vorbenutzung nicht eingegangen werden. Das Patent war zu widerrufen.






BPatG:
Beschluss v. 15.11.2006
Az: 7 W (pat) 360/04


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