Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Januar 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 212/03

(BPatG: Beschluss v. 25.01.2006, Az.: 29 W (pat) 212/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 25. Januar 2006 entschieden, dass die Marke "staatsanzeigeronline.de" nicht in das Markenregister eingetragen werden kann. Das Gericht argumentiert, dass die Marke keine Unterscheidungskraft besitzt, da sie lediglich beschreibende Elemente enthält. Der Begriff "Staatsanzeiger" sei eine übliche Bezeichnung für ein staatliches Medium, das staatliche Informationen veröffentlicht. Der Zusatz "online" beschreibt lediglich, dass die angebotenen Dienstleistungen online im Internet verfügbar sind. Der Zusatz ".de" ist die Länderkennung für Deutschland und erzeugt den Eindruck einer Internetadresse. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die Marke eine bloße Beschreibung der angebotenen Dienstleistungen ist und keine individuelle Unterscheidungskraft besitzt. Daher wird die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Markenanmeldung abgelehnt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 25.01.2006, Az: 29 W (pat) 212/03


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Markestaatsanzeigeronline.desoll für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 16: Druckschriften, Druckerzeugnisse;

Klasse 38: Telekommunikation, insbesondere datenverarbeitungsgestützte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste;

Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Entwickeln und Betreiben einer Datenbank; Anbieten und Mitteilen von auf einer Datenbank gespeicherten Informationen; Sammeln und Liefern von Nachrichten und allgemeinen Informationen; Anbieten eines elektronischen Ausschreibungsverfahrens; Anbieten eines online-Informations- und Datenaustauschesin das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 24. April 2001 und vom 25. Juni 2003 wegen mangelnder Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Das Zeichen "staatsanzeigeronline.de" erschöpfe sich in der Beschreibung von Art und Gegenstand der beanspruchten Waren und Dienstleistungen und enthalte keine darüber hinausgehende individualisierende Eigenart. Bei dem Begriff "Staatsanzeiger" handele es sich um eine übliche Bezeichnung für ein staatliches Medium, in dem staatliche Informationen veröffentlicht würden, wobei verschiedene Bundesländer einen Staatsanzeiger unterhielten. Der Zusatz "online" beschreibe lediglich, dass die Waren oder Dienstleistungen online, also im Internet angeboten oder erbracht würden. Der Zusatz ".de" sei Top-Level-Domain und Länderkennung für Deutschland und führe dazu, dass die Marke als Internetadresse wirke.

Mit ihrer gegen die Zurückweisung gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin geltend, dass das angemeldete Zeichen, selbst wenn es mit einem amtlichen Mitteilungs- und Verkündungsblatt assoziiert werde, für die Art der in Anspruch genommenen technischen Dienstleistungen keine sachbeschreibende Angabe sei. Der Schwerpunkt des Angebots liege in der Bereitstellung und der kompletten Abwicklung eines elektronischen Vergabeverfahrens. Daraus ergebe sich eine andere Qualität der angebotenen Dienstleistungen, als die unmittelbare Wortkombination "staatsanzeigeronline.de" vermittle. Für die Waren "Druckschriften und Druckereierzeugnisse" bestehe ein scheinbarer Widerspruch, da der Verkehr aufgrund der Zusätze "online" und "de" annehme, dass die Waren bzw. Dienstleistungen über das Internet angeboten werden.

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. April 2001 und vom 25. Juni 2003 aufzuheben.

Das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Recherche zur Bedeutung und der Verwendung des Begriffs "Staatsanzeiger" sowie zum Internetauftritt diverser Staatsanzeiger wurde der Anmelderin übermittelt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da der Eintragung des angemeldeten Zeichens jedenfalls das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht.

Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, Rn. 62 - Libertel; BGH GRUR 2005, 257 - Bürogebäude). Die Unterscheidungskraft ist dabei zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR Int. 2005, 135 ff., 137 - Maglite Rn. 19 m. w. N.). Damit ist der Anwendungsbereich der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG allerdings nicht auf Bezeichnungen beschränkt, welche konkret die Art oder Merkmale der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreiben. Vielmehr kann einer Bezeichnung die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 ff., Rn. 70 und 86 - Postkantoor). Unterscheidungskraft fehlt einem Zeichen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter anderem dann, wenn es für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt aufweist (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 1999, 1089 - YES; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Für eine komplexe Marke wie die vorliegende gilt weiterhin, dass sie für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft besitzt, wenn keine konkreten Anhaltspunkte darauf hinwiesen, dass die Marke in ihrer Gesamtheit mehr darstellt als die Summe ihrer beschreibenden Bestandteile. Dies kann sich etwa aus der Art und Weise ergeben, in der die verschiedenen Bestandteile der Marke miteinander kombiniert sind (vgl. EuGH GRUR Int. 2005, 1012, Rn. 29 ff. - BioID m. w. N.). Dies ist hier nicht der Fall.

Die angemeldete Marke ist ihrem Gesamteindruck nach wie der Domainname einer Internet-Adresse gebildet. Derartige Marken sind nach den allgemeinen markenrechtlichen Kriterien auf ihre Schutzfähigkeit zu prüfen (vgl. etwa BPatG, BlPMZ 2000, 294 - http://www.cyberlaw.de; BlPMZ 2001, 192 - eCollect m. w. N.).

In der Bezeichnung "staatsanzeigeronline.de" kommt zunächst dem Bestandteil ".de" als allgemein bekannter Top-Level-Domain in Form der üblichen Länderkennung für Deutschland keine unternehmenskennzeichnend individualisierende Bedeutung zu, da es sich insoweit nur um eine allgemein geläufige geographische Herkunftsangabe handelt (vgl. z. B. BPatG BlPMZ 2000, 294, 295 - http://-www.cyberlaw.de; OLG Hamburg Mitt 2001, 41 f. - Internet-Kennung "Kultur ... .de"; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Auflage 2003, § 8 Rn. 120 m. w. N.). Der Bestandteil "staatsanzeigeronline" wirkt demgegenüber wie eine Second-Level-Domain. Dabei ist der Bestandteil "Staatsanzeiger" - anders als von der Anmelderin im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt vorgetragen - seit langem lexikalisch belegt. Er findet sich z. B. im Brockhaus-Wahrig von 1983 als amtliches Verkündigungsblatt verschiedener Bundesländer, sowie im Meyers enzyklopädischen Lexikon von 1978 als eine in einigen Bundesländern herausgegebene Zeitschrift mit amtlichen Mitteilungen und Bekanntmachungen. Der mit "staatsanzeiger" durch einen Bindestrich verbundene aus der englischen Sprache stammende Begriff "online" bedeutet, dass eine direkte Verbindung zu einer EDV-Anlage oder zum Internet besteht (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl. 2000, Stichwörter "online" ,"Onlinedienst", "Onlinerecherche"; DUDEN, Das Fremdwörterbuch 7. Aufl. 2001, Stichwort "online"). Dem Bindestrich schließlich kommt ebenfalls kein kennzeichnender Charakter zu. Da bei Internetadressen Leerzeichen nicht vorkommen können, ist es üblich, einzelne Wörter, die in einem Bezug zueinander stehen, mit einem Bindestrich voneinander abzuheben und gleichzeitig die begriffliche Zusammengehörigkeit deutlich zu machen.

Das angemeldete Zeichen in seiner maßgebenden Gesamtheit besitzt damit für die angesprochenen breiten Verkehrskreisen nur den sachbeschreibenden Aussagegehalt, dass nämlich ein amtliches Verkündigungsblatt (auch) "online" im Internet abrufbar ist. Dieser Aussagegehalt erschließt sich ohne weiteres in Verbindung mit den hier betroffenen Waren und Dienstleistungen.

Die Anmelderin hat in Klasse 16 mit "Druckschriften" und "Druckerzeugnissen" weite Warenoberbegriffe beansprucht. Hierbei ist zu beachten, dass die Eintragung für einen Oberbegriff bereits dann ausgeschlossen ist, wenn sich auch nur für eine spezielle darunter fallende Ware oder Dienstleistung ein Eintragungshindernis ergibt (vgl. BGH WRP 2002, 91 - AC). Begegnen die angesprochenen Verkehrskreise dem Zeichen "staatsanzeigeronline.de" auf amtlichen Verkündungsblättern, werden sie aufgrund des o. g. Aussagegehalts in dem Zeichen den bloßen Hinweis auf eine zur Druckversion parallele Online-Version sehen. Dies ergibt sich neben dem Sinngehalt des Zeichens auch auf Grund der bestehenden Übung auf dem Sektor der Staatsanzeiger. Wie die Internetrecherche ergeben hat, existieren zu derartigen ursprünglich als Druckereierzeugnisse erschienenen amtlichen Verkündungsblättern entsprechende Online-Versionen, so z. B. der Staatsanzeiger für Baden-Württemberg (www.staatsanzeigerverlag.de; www.staatsanzeigerbw.de), der niedersächsische Staatsanzeiger (www.staatsanzeiger- niedersachsen.de/staatsanzeiger), der Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz (www.staatsanzeiger.rlp.de/staatsanzeiger), der Staatsanzeiger für Hessen (starweb.hessen.de), der Thüringer Staatsanzeiger Online (www.husemanneisenach.de) oder der bereits im Anmeldeverfahren nachgewiesene Bayerische Staatsanzeiger. Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, ist es im Bereich der Printmedien im Übrigen allgemein üblich, in der Kopfzeile etwa in Form eines Untertitels den Hinweis auf eine Online-Version der betreffenden Zeitschrift aufzunehmen. Das allgemein aufgeklärte Publikum im Sinne des europäischen Verbraucherleitbildes wird in dem Zeichen in Bezug auf Druckerzeugnisse daher nur einen Werbe-, keinen Herstellerhinweis sehen.

Dies gilt auch für die beanspruchten Dienstleistungen. Für "Telekommunikation, insbesondere datenverarbeitungsgestützte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste" wird durch den Aussagegehalt des Zeichens lediglich die beanspruchte elektronische Informationsdienstleistung beschrieben, dass es sich nämlich um Informations- und Kommunikationsdienste handelt, die von der Bevölkerung über einen im Internet und damit "datenverarbeitungsgestützt" verfügbaren elektronischen Staatsanzeiger abgerufen werden können. Soweit die Anmelderin geltend macht, dass sie nur technische Dienstleistungen beanspruche, kann dem schon vom Wortlaut ihres Verzeichnisses her nicht gefolgt werden. Mit dem Hinweis auf Informations- und Kommunikationsdienste stellt sie über den rein technischen Datenaustausch hinausgehende inhaltliche Bezüge her. Darüber hinaus wird das Publikum das Zeichen angesichts des engen Sachzusammenhangs zwischen den technischen Übertragungsdienstleistungen im Bereich der Telekommunikation und den übermittelten Inhalten auch insoweit nur als Hinweis auf eine Staatsanzeiger-Online-Version auffassen, mithin als ein Internetportal und nicht als Herkunftshinweis. Entsprechend beschreibt das Zeichen auch für die Dienstleistungen "Betreiben einer Datenbank; Anbieten und Mitteilen von auf einer Datenbank gespeicherten Informationen; Sammeln und Liefern von Nachrichten und allgemeinen Informationen; Anbieten eines elektronischen Ausschreibungsverfahrens; Anbieten eines online-Informations- und Datenaustausches" lediglich die Art, das Medium und den Inhalt der Angebote der Online-Versionen der Staatsanzeiger (vgl. die Angebote der Online-Versionen des Baden-Württemberger Staatsanzeigers, der neben dem Ausschreibungsportal z. B. einen elektronischen Shop anbietet, die naturgemäß in Form von Datenbanken aufgebaut sind, ebenso die Inhalte des Staatsanzeigers für Rheinland-Pfalz, der von Veröffentlichungen mit Rechtssatzcharakter über Studien- und Prüfungsordnungen der Hochschulen und öffentlichen Ausschreibungen bis zu Bekanntmachungen der Gerichte reichen). Dies betrifft auch den Tätigkeitsschwerpunkt der Anmelderin, der Bereitstellung und der kompletten Abwicklung eines elektronischen Vergabeverfahrens, für den das Zeichen lediglich darauf hinweist, dass dieses Verfahren in einem elektronischen Staatsanzeiger angeboten wird und abgerufen werden kann.

Da es im Zusammenhang mit den beanspruchten Angeboten notwendig ist, Programme für die speziellen Anwendungen der Online-Versionen von Staatsanzeigern zu erstellen und geeignete Datenbanken zu entwickeln, gibt das Zeichens insoweit lediglich den sachbezogenen Hinweis auf die Zweckbestimmung.

Die angemeldete Marke ist daher für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen wegen ihres im Vordergrund stehenden sachbezogenen Begriffsinhalts nicht als individualisierender Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb geeignet und daher nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.






BPatG:
Beschluss v. 25.01.2006
Az: 29 W (pat) 212/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/84fe6132ac42/BPatG_Beschluss_vom_25-Januar-2006_Az_29-W-pat-212-03




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