Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. März 2000
Aktenzeichen: 32 W (pat) 372/99

(BPatG: Beschluss v. 29.03.2000, Az.: 32 W (pat) 372/99)

Tenor

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. November 1998 und 3. Mai 1999 aufgehoben und das Verfahren an die Markenstelle zurückverwiesen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patentamt hat der Inhaber der IR-Marke 646 783 Lokmausfür die Waren und Dienstleistungen 9 Pieces de construction relevant de la technique de reglage pour les modeles reduits cites en classe 28 et pour leurs installations de commande; transformateurs; postes de commande geographique ‡ touches; circuits pour boucles de retour; commandes de fonctionnement pour blocs et/ou bus (electriques et/ou electroniques) et leurs elements de commutation pour la commande, le reglage et la surceillance d'installations de rails et/ou de vehicules miniatures avec raccordement de ligne ou avec transmission sans fil; appareils electroniques d'entree tels qu'appareils de commande sur ecran (souris); parties des produits precites non comprises dans d'autres classes.

11 Generateurs electriques de vapeur.

28 Modeles reduits de chemin de fer notamment locomotives, wagons, tramway; materiel de voies pour modeles reduits de vehicules notamment pour modeles reduits de chemin de fer et de vehicules; modeles reduits de vehicules militaires, notamment de tanks, poids lourds, bataeaux, avions; parcours en tant de jouets; installations de rails pour modeles reduits de vehicules ‡ entraînement electrique, notamment pour voitures, tous les produits precites etant avec ou sans generateur electrique ou avec generateur ‡ vapeur pour modeles reduits de vehicules, modeles reduits de vehicules sur rails ou sur route avec entraînement ‡ vapeur; modeles reduits de construction; modeles reduits de dispositifs d'eclairage et de signalisation; dispositifs de commande pour systemes de voies de modeles reduits de vehicules, notamment installations de rails pour modeles reduits de vehicules sur rails et/ou sur routes; tous les produits precites ayant des èchelles et des ecartements de voies differentes; dispositifs de commande par calculateur et autoprogrammables avec ordinateurs, notamment ordinateurs indiveduels; tous les produits precites etant destines ‡ des modèles reduits de vehicules et/ou à des installations en modèle reduit pour modeles reduits de vehicules, notamment pour des vehicules sur rails et/ou sur routes ou pour vehicules militaires, bateaux et/ou avions, composants electriques pour modeles reduits, notamment pour modeles reduits de vehicules; appareils d'eclairage et de commutation pour le modeles reduits precites ainsi que leurs installations de commande; tous les produits precites etant des jouets.

42 Elaboration de logiciels pour la commande, le reglage et/ou la surveillance de vehicules miniatures et/ou d'installations de voies pour vehicules miniatures notamment sous utilisation d'appareils electroniques d'entree tels qu'appareils de commande sur ecran (souris).

um Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nachgesucht.

Die Markenstelle für Klasse 28 IR - besetzt mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes - hat durch Beschluß vom 24. November 1998 den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland verweigert. Zur Begründung wird ausgeführt, die Marke sei freihaltebedürftig, da sie ausschließlich aus einer Angabe bestehe, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art und der Beschaffenheit der Waren und Dienstleistungen dienen könne. Es handele sich bei "Lokmaus" entgegen der Ansicht der Markeninhaberin keineswegs um ein Phantasiewort. Aus den Wortbestandteilen "Lok", einem allgemein üblichen Kürzel für "Lokomotive", und "Maus", einem Fachbegriff aus der Datenverarbeitung für ein Eingabegerät, habe sich der Begriff "Lokmaus" entwickelt, wie sich aus einem Artikel in "Eisenbahn Magazin", Ausgabe 7/96 ergebe, in dem von einem neuen Gerät des Anbieters Lehmann zur digitalen Steuerung von Modelleisenbahnen berichtet werde. Ein Eingabegerät zur Einhandsteuerung einer Modellbahnanlage werde dabei als "Mausregler" und in einer Kurzbeschreibung der zugehörigen Abbildung als "Lokmaus" bezeichnet. Damit handele es sich bei der Bezeichnung "Lokmaus" um eine rein beschreibende Angabe der Art und/oder Beschaffenheit, die im Interesse der Mitbewerber von der Eintragung als Marke ausgeschlossen sei.

Gegen den Beschluß der Markenstelle hat die Markeninhaberin Erinnerung eingelegt, die die Markenstelle für Klasse 28 vom 3. Mai 1999 durch eine Beamtin des höheren Dienstes mit Beschluß zurückgewiesen hat. Zur Begründung wird auf den Beschluß der Markenstelle vom 24. November 1998 verwiesen.

Gegen den Beschluß der Markenstelle richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 21. Juni 1999 mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Sie macht geltend, § 33 Abs.2 MarkenG begründe einen öffentlichrechtlichen Anspruch auf Eintragung einer Marke. Dies bedeute, daß die Schutzversagungsgründe eng auszulegen seien und die "Beweislast" für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieser Schutzversagungsgründe bei der Markenstelle lägen. Sie benutze seit Jahren den Begriff "Lokmaus". Die Konkurrenz verwende diese Bezeichnung nunmehr auch, weil es sich um ein gutes Schlagwort handele. Die Markenstelle habe nicht geprüft, ob die schutzsuchende Bezeichnung für sämtliche Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibend sei. Demgemäß liege ein Begründungsmangel vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Amtsakte der IR-Marke 646 783 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig (§ 66 Abs 2 und 5 MarkenG), in der Sache hat sie insoweit Erfolg, als das Verfahren unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen wird.

Nach § 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG kann das Bundespatentgericht die angefochtenen Entscheidungen aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem Patentamt an einem wesentlichen Mangel leidet. Einen derartigen Mangel stellt der Verstoß gegen die Begründungspflicht dar (vgl Schulte PatG, 5. Aufl, § 79 Rdn 11). Ein Begründungsmangel ist gegeben, wenn aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht zu ersehen ist, welche tatsächliche Feststellungen und welche rechtliche Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren, was auch dann der Fall sein kann, wenn die niedergelegten Gründe unverständlich sind (BGH GRUR 1989, 245 "Superplanar"). Verständlich ist eine Begründung nur, wenn sie die Nachprüfung durch die Beteiligten und durch das Bundespatentgericht ermöglicht und sich auf alle entscheidungserheblichen Punkte tatsächlicher und rechtlicher Art erstreckt (Schulte aa0, § 67 Rdn 16; BGH BlPMZ 1963, 343, 346 "Warmpressen"; BPatGE 15, 57, 61).

Mithin liegt ein Begründungsmangel vor, da den angefochtenen Beschlüssen keine nachprüfbare Begründung zu entnehmen ist, inwieweit "Lokmaus" in bezug auf die jeweiligen Waren und Dienstleistungen beschreibenden Charakter hat.

Aus den angefochtenen Beschlüssen ist nicht nachprüfbar ersichtlich, inwieweit sich "Lokmaus" iVm den jeweiligen Waren und Dienstleistungen als beschreibend darstellt. Zu einer Prüfung und entsprechenden Begründung hätte um so mehr Anlaß bestanden, als die Markeninhaberin bereits in ihrer Erwiderung auf den Beanstandungsbescheid darauf hingewiesen hatte, daß ein etwaiges Schutzhindernis nicht sämtliche Waren und Dienstleistungen umfassen könne. So waren Waren und Dienstleistungen angeführt worden, für die nach ihrer Auffassung das schutzsuchende Markenwort unter keinen Umständen beschreibend sein könne. Demgemäß hätte es einer näheren Auseinandersetzung mit dieser Argumentation der Markeninhaberin bedurft. Statt dessen hat die Markenstelle in dem Erstbeschluß, auf den sich die Erinnerungsprüferin lediglich pauschal zur Begründung bezogen hat, ohne nähere Differenzierung und ohne tatsächliche Darlegungen ausgeführt, "Lokmaus" stelle iVm dem Modellbau für alle Waren und Dienstleistungen eine Sachbeschreibung dar. Damit hat die aus den angefochtenen Entscheidungen ersichtliche Begründung lediglich generalisierenden Charakter, ohne die Mindestanforderungen an eine nachprüfbare Begründung erfüllen zu können. Demgemäß leidet das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt an einem wesentlichen Verfahrensmangel.

Der Senat hielt eine Zurückverweisung an die Markenstelle für geboten, da es zur Klärung der Frage, inwieweit "Lokmaus" iVm den jeweiligen Waren und Dienstleistungen beschreibenden Charakter hat, einer eingehenden Prüfung bedarf, deren Nachholung der Senat im Beschwerdeverfahren nicht für zweckmäßig erachtete. Für das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, daß der Senat davon ausgeht, daß "Lokmaus" zumindest für die Regelung und Steuerung des Fahrbetriebs von Modelleisenbahnen freihaltungsbedürftig (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) und nicht unterscheidungskräftig (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) ist. Schon der von der Markenstelle dem Beschluß vom 24. November 1998 beigefügte Auszug aus dem "Eisenbahn Magazin 7/96" zeigt, daß das schutzsuchende Markenwort als beschreibende Sachangabe verstanden wird. Die vom Senat vorgenommene Internet-Recherche vom 24. März 2000 belegt darüber hinaus, daß auch andere Mitbewerber "Lokmaus" als Hinweis auf eine digitale Steuerungstechnik verwenden, was die Markeninhaberin nicht in Abrede stellt. Soweit sie eine Schutzfähigkeit gleichwohl daraus herleitet, sie habe den Begriff geschaffen, vermag dies eine Schutzerstreckung nicht zu rechtfertigen. Anderenfalls wäre der erstmalige Verwender einer beschreibenden Angabe in der Lage, diese zu monopolisieren, was durch § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG gerade verhindert werden soll.

Im weiteren Verfahren wird die Markenstelle auch zu prüfen haben, ob nicht auch ein Schutzhindernis für die Waren besteht, die durch eine Lokmaus zu bedienen sind. Schon angesichts der Neuartigkeit der digitalen Steuerungstechnik dürfte der Hinweis darauf, daß eine Bedienung der Waren durch eine Lokmaus möglich ist, eine Beschaffenheitsangabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG darstellen. Der Verkehr wird in der Regel iVm derartigen Waren in "Lokmaus" auch lediglich eine Sachangabe und nicht ein Betriebskennzeichen sehen. Auch für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dieser digitalen Steuerungstechnik stehen, könnte die schutzsuchende Bezeichnung beschreibenden Charakter haben, was die Markenstelle ebenfalls im einzelnen zu prüfen hat.

Nach alledem waren auf die Beschwerde der Markeninhaberin die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und das Verfahren gemäß § 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Fuchs-Wissemann Engels Klante Ju






BPatG:
Beschluss v. 29.03.2000
Az: 32 W (pat) 372/99


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