Landgericht Wiesbaden:
Urteil vom 14. Mai 2008
Aktenzeichen: 11 O 8/08

(LG Wiesbaden: Urteil v. 14.05.2008, Az.: 11 O 8/08)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Endverbrauchern in von der Beklagten betriebenen Einzelhandelsfilialen den Abschluss von Versicherungsverträgen anzubieten und / oder mit einem derartigen Angebot zu werben € so wie zwischen dem 17.9. und 15.10.2007 in den von der Beklagten betriebenen ... € Supermärkten geschehen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot wird der Beklagten die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro beziehungsweise von Ordnungshaft, falls das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, und die sofortige Verhängung von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, bei mehreren Verstößen längstens bis zu zwei Jahren angedroht.

Die Ordnungshaft ist an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Interessenverband zur Förderung der gewerblichen Interessen von freien Versicherungs € und Kapitalanlagevermittlern. Ihm gehören circa 1700 Mitgliedsunternehmen an, er repräsentiert hierdurch rund 30.000 Finanzdienstleister, insbesondere Versicherungsmakler. Zu den satzungsmäßigen Zielen des Klägers gehört gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 der Satzung die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.

Die Beklagte ist Betreiberin der bekannten Supermarktkette .... In einer gemeinsamen Verkaufsaktion mit dem Versicherungskonzern ... bot sie zwischen dem 17.9. und 15.10.2007 bundesweit in ihren ... € Filialen eine Verkaufsbox an, in der der sich Versicherungsunterlagen zu einem Versicherungspaket bestehend aus Unfallschutz, Opfer € Rechtschutz und Schutzbrief befanden. Die Kunden konnten an einem separaten Verkaufsstand im Supermarkt eine ...- Karte entnehmen und damit an der Kasse die Verkaufsbox für 49 Euro erwerben. Die Kunden erhielten ein Registrierungsformular sowie eine PIN Nummer. Entschlossen sich die Kunden nach dem Öffnen des Pakets dazu, die Versicherung abzuschließen, mussten sie sich per Post, Fax oder Online bei der ARAG registrieren und erhielten dann ihren Versicherungsschein zugeschickt. In diesem Fall wurde der bei ... für die Box entrichtete Kaufpreis mit den Versicherungsprämien für das erste Jahr verrechnet, so dass der Kunde keine weiteren Zahlungen veranlassen musste. Entschloss er sich dagegen, den Versicherungsvertrag nicht abzuschließen, gab er die Box zusammen mit dem Kassenbon im ... Markt zurück und ließ sich den Kaufpreis auszahlen. Die Aktion wurde durch eine Plakatwerbung begleitet. Wegen des genauen Inhaltes wird auf die Anlage K 2 verwiesen. Darüber hinaus befanden sich in den Märkten unmittelbar am Regal Informationsflyer der ..., die das Produkt erläuterten und auch Hinweise enthielten. Wegen des Inhaltes wird auf die Anlage B 4 verwiesen. Für darüber hinausgehende Informationen mussten sich die Kunden unmittelbar per Telefon oder per E-Mail an in die ... wenden.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte mit der Verkaufsaktion gegen § 34 d Gewerbeordnung verstoßen habe. Sie sei bei Verkauf der Boxen als Versicherungsvermittlerin aufgetreten. Sie habe durch ihre Werbung bewusst auf potentielle Kunden eingewirkt um diese zum Abschluss eines Versicherungspaketes zu bewegen. Darüber hinaus habe sie sogar den Erstversicherungsbeitrag an der Kasse eingezogen. Da es sich bei § 34d GewO um eine Marktverhaltensregelung handle, sei das Verhalten der Beklagten als unlauter im Sinne der §§ 3 und 4 UWG anzusehen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,€ Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten € wobei die Ordnungshaft an ihren persönlich haftenden Gesellschaftern zu vollziehen ist € verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Endverbrauchern in von der Beklagten betriebenen Einzelhandelsfilialen den Abschluss von Versicherungsverträgen anzubieten, zu ermöglichen und/oder mit einem derartigen Angebot zu werben € so wie zwischen dem 17.9. und 15.10.2007 in den von der Beklagten betriebenen ...-Supermärkten geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, sie habe lediglich der ... eine Plattform in ihren Supermärkten zur Verfügung gestellt. Hintergrund der Verkaufsaktion sei ein sich seit einiger Zeit vollziehender Wandel im Einzelhandel, nach dem Lebensmittelhändler, Kaffeeröster etc. neben ihrem eigentlichen Kerngeschäft nun teilweise auch branchenfremde Produkte in verschiedenen Formen anbieten würden. Für Direktvertriebsunternehmen erschließe sich hierdurch die Möglichkeit, neue Kundenschichten anzusprechen. Die Kunden der Einzelhändler könnten sich neben ihrem Einkauf über branchenfremde Produkte informieren. Zudem seien die angebotenen Waren und Dienstleistungen auch besonders günstig, weil Kostenvorteile der Direktanbieter an die Kunden weitergegeben würden. Sie habe nicht als Vermittlerin für die ... gehandelt. Vielmehr habe die Verkaufsbox das Registrierungsformular für die ... enthalten. Nur über dieses Registrierungsformular habe der Kunde den Vertrag mit der ... schließen können. Bis zum Eingang des ausgefüllten Registrierungsformulars hätten der ... keinerlei personalisierte Angaben zum potentiellen Versicherungskunden vorgelegen. Die Vergabe der PIN Nummer sei beim Einscannen des Verkaufspreises automatisch generiert und auf den Kassenbon gedruckt worden. Dies habe allein der Vorbeugung von Inventurdifferenzen gedient. Über einen Online Zugriff habe die ... bei Eingang des Registrierungsformulars überprüfen können, ob es sich um eine legal in einem ... Markt erworbene Box gehandelt habe. Die Einziehung des Erstjahresbetrags an der Kasse habe allenfalls die Abwicklung eines gegebenenfalls später mit der ... zu schließenden Vertrages unterstützt. Dies sei eine freie unternehmerische Entscheidung der ... gewesen. Wäre der erste Jahresbeitrag nicht mit dem Verkaufspreis der Box verrechnet worden, hätte die ... den Versicherungsbeitrag über Einzugsermächtigung eingezogen. Nach Auffassung der Beklagten mache es keinen Unterschied, ob der Kunde die Box gegen eine Schutzgebühr erwerbe oder ob er durch kostenfreie Materialien an das Formular gelange. Darüber hinaus sei dem Kunden durch die Plakatwerbung und die ausliegenden Flyer im Markt mehr als deutlich klar vor Augen geführt worden, dass der Vertrag mit der ... geschlossen werden und Informations- und Beratungsleistungen allein von dieser erbracht werden könnten.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf den Akten befindlichen Urkunden und Schriftstücke sowie auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 iVm § 34 d GewO, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG gegen die Beklagte zu.

Die Beklagte hat bei Durchführung der Verkaufsaktion als Versicherungsvermittlerin der ... im Sinne von § 34 d GewO gehandelt. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.12.2002 über Versicherungsvermittlung umgesetzt. Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Versicherungsvermittler ist am 22.05.2007 in Kraft getreten. Nach der Legaldefinition des § 34 d Abs. 1 S. 1 GewO ist Versicherungsvermittler, wer gewerbsmäßig als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter den Abschluss von Versicherungsverträgen vermitteln will. Vermittler in diesem Sinne sind also weder die im Werbeaußendienst tätigen Arbeitnehmers des Versicherers noch die so genannten Gelegenheitsvermittler, die nur sporadisch und damit gerade nicht gewerbsmäßig tätig werden.

Die Begriffe Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter werden in der GewO nicht definiert. Nachdem gleichzeitig in Kraft getretenen § 42c Abs. 2 und Abs. 3 VVG ist Versicherungsvertreter, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen. Versicherungsmakler ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Allerdings bezieht sich die Begriffsbestimmung in § 42 c VVG alte Fassung nur auf die Regelungen des VVG.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde als Versicherungsvermittler derjenige bezeichnet der kraft rechtsgeschäftlicher Geschäftsbesorgungsmacht für einen anderen Versicherungsschutz ganz oder teilweise beschafft, ausgestaltet und abwickelt, ohne selbst Versicherungsnehmer oder Versicherer zu sein immer (BGHZ 94,358 ff).

Von dem Versicherungsvermittler abzugrenzen ist der sog. Tippgeber, der durch die Beschränkung in § 34 d GewO aus dem Vermittlerbegriff heraus fällt. Für den so genannten Tippgeber hat der Gesetzgeber eine Regulierungsnotwendigkeit nicht erkannt. Die Begründung zum Gesetzesentwurf weist darauf hin, dass der Tippgeber den Interessenten lediglich an einen Vermittler oder einen Versicherer vermittelt. Die bloße Namhaftmachung von Abschlussmöglichkeiten und die Anbahnung von Verträgen sollen keine Vermittlung darstellen, weil sie als vorbereitende Handlung nicht auf eine konkrete Willenserklärung des Interessenten zum Abschluss eines Vertrages, der Gegenstand der Vermittlung ist, abzielen. Von einem bloßen Tippgeber, der lediglich Kontaktdetails weitergibt € wobei eine Konkretisierung auf ein bestimmtes Produkt noch gar nicht stattgefunden hat € erwartet ein potentieller Versicherungsnehmer auch keine Beratung (BT Drucksache 16/1935 Seite 17).

Im vorliegenden Fall hat unstreitig die Beklagte für das von der ... angebotene Versicherungspaket Werbung unter ihrem eigenen Logo betrieben. Darüber hinaus hat sie für den ... € Konzern die Jahreserstprämie eingezogen und eine Pin-Nummer an die Kunden vergeben, auf die der ... Konzern Zugriff nehmen konnte. Hierfür hat die Beklagte unstreitig eine Verkaufsprovisionen erhalten. Die Beklagte hat also nicht nur einen Teil ihrer Verkaufsfläche zum Zwecke des Vertriebes dem ... Konzern zu Verfügung gestellt, sondern darüber hinaus die Aktion bundesweit beworben und Versicherungsprämien für den ... Konzern eingezogen. Sie unterscheidet sich daher nach Auffassung des erkennenden Gerichts von einem bloßen Tippgeber.

Zum einen hatte bereits eine Konkretisierung auf ein ganz bestimmtes und auch beworbenes Produkt stattgefunden, zum anderen hat die Beklagte nicht lediglich Kontaktdetails weitergegeben, sondern durch Einziehung des Verkaufspreises von 49 Euro auf die Abschlussbereitschaft der Kunden eingewirkt. Hierdurch hat sie den Kunden bereits im gewissen Umfang an den (noch zu schließenden) Vertrag gebunden. Zwar bestand grundsätzlich für den Kunden die Möglichkeit, die Verkaufsbox gegen Vorlage des Kassenbons an der Kasse eines ... Marktes zurückzugeben. Dies bedeutet jedoch für den Kunden eine nochmalige Willensentschließung und einen gewissen zeitlichen Aufwand, den er möglicherweise scheut. Die Beklagte kann nicht mit dem Argument gehört werden, dass der eigentliche Versicherungsvertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt zwischen dem Kunden und dem Versicherer zustande gekommen ist. Auch in dem Fall, in dem der Kunde sich eines Versicherungsvermittlers bedient und mit diesen gemeinsam einen Versicherungsantrag ausfüllt, kommt der Versicherungsvertrag erst mit Annahmeerklärung des Versicherers zu Stande.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie erkennbar keine Informationen zu den Versicherungsleistungen habe geben können, dass sich ihre Kunden in ihren Lebensmittelmärkten grundsätzlich allein bedienen und die Tätigkeit ihrer Mitarbeiter darauf beschränkt sei, die Ware ab zu kassieren und die Regale zu befüllen. Für diesen Fall hätte sie entweder auf die Durchführung der Aktion verzichten müssen oder sich für den Vertrieb der Boxen ausgebildeter Versicherungsvermittler im Sinne von § 34 d GewO bedienen müssen.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die europäische Vermittler- Richtlinie die "beiläufig Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit, sofern diese Tätigkeit nicht zum Ziel hat, den Kunden beim Abschluss oder der Handhabung des Versicherungsvertrags zu unterstützen", keine Versicherungsvermittlung darstelle. Die von der Beklagten mit dem ... Konzern durchgeführte Verkaufsaktion diente dem Zweck, ein Versicherungspaket des ... Konzerns an die spezifische Käuferschicht der Beklagten zu vertreiben. Etwaige Auskünfte im Zusammenhang hiermit sind daher keine beiläufige Erteilungen im Sinne von Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2002/92/EG. Vielmehr hat hierdurch die Beklagte die Tätigkeit einer Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufgenommen und ausgeübt, wenn dies auch nur für den Zeitraum der Aktion. Im Zusammenhang mit der Größe der Beklagten und der Vielzahl von ... Märkten, mithin des Umfangs der Verkaufsaktion kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte lediglich als Gelegenheitsvermittler im Sinne von § 34 d Abs. 9 Nr. 1 GewO aufgetreten ist.

Da § 34 d GewO eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG darstellt, die auch dem Verbraucherschutz dienen soll vor einer Gefährdung seiner Rechtsgüter durch unzuverlässige Personen, steht dem klagenden Verband einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG zu.

Die Klage war in geringem Umfangs abzuweisen, soweit der Kläger begehrt hat, dass die Beklagte es unterlassen solle, Endverbrauchern den Abschluss von Versicherungsverträgen in ihren Filialen zu ermöglichen. Dass die Beklagte mit der Verkaufsaktion vergangenen Herbst Endverbrauchern den Abschluss von Versicherungsverträgen in ihren Filialen ermöglicht hat, hat der Kläger schlüssig nicht vorgetragen. Nach der tatsächlichen Handhabe der Verkaufsaktion hat die Beklagte Verkaufsboxen des ... Konzern verkauft, die der Kunde im Anschluss hieran ausgefüllt und dem ... Konzern zugeleitet hat. Dabei hat nicht die Beklagte im Ladenlokal die Registrierungsformulare entgegengenommen, vielmehr musste der Kunde die ausgefüllten Formulare per Post, Fax oder Online dem ... Konzern übermitteln.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91,92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.






LG Wiesbaden:
Urteil v. 14.05.2008
Az: 11 O 8/08


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