Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Urteil vom 19. Juli 1988
Aktenzeichen: 11 UE 1191/86

(Hessischer VGH: Urteil v. 19.07.1988, Az.: 11 UE 1191/86)

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner vorliegenden Klage gegen den Widerruf seiner Rechtsberatungserlaubnis.

Mit Urkunde vom 24. Mai 1977 erteilte der Präsident des Amtsgerichts Wiesbaden dem Kläger die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten (ausgenommen auf dem Gebiet der gesetzlichen Sozialversicherung) auf Grund des Gesetzes zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung vom 13. Dezember 1935 (RGBl. I S. 1478) - RBerG -. Zuvor war der Kläger als Privatdetektiv tätig, seit 1973 besaß er die Erlaubnis zur außergerichtlichen Einziehung von Forderungen und zum geschäftsmäßigen Erwerb von Forderungen zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung, seit Juni 1975 die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten unter Beschränkung auf das Gebiet des gerichtlichen Mahn- und Vollstreckungswesens. Durch Gesellschaftsvertrag vom 8. März 1982 gründete der Kläger die Firma "CARIBIC Gaststättenbetriebsgesellschaft m.b.H." mit dem Sitz in Wiesbaden. Gegenstand des Unternehmens sollte die Verwaltung und das Betreiben von Gaststätten sowie alle damit in Zusammenhang stehenden artverwandten Betätigungen sein. Das Stammkapital betrug 50.000,00 DM. Die Stammeinlage in gleicher Höhe wurde vom Kläger übernommen, der auch persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB war.

Die vorgenannte Gesellschaft betrieb in der Folgezeit in Mainz-Kastel die "CARIBIC-Bar", in der mehrere Frauen der Prostitution nachgingen. Im Jahre 1984 nahm die Kriminalpolizei in Wiesbaden gegen den Kläger Ermittlungen wegen des Verdachtes der Förderung der Prostitution (§ 180 a StGB) und der Zuhälterei (§ 181 a StGB) auf (Ermittlungsverfahren Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Wiesbaden Az. 2 Js 81210/84), im Rahmen deren mehrere Prostituierte als Zeugen vernommen wurden. Auf den Wortlaut der Zeugenaussagen wird Bezug genommen. Mit Verfügung vom 27. April 1984 stellte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Wiesbaden das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger und einen weiteren Beschuldigten, der die vorgenannte Bar als Geschäftsführer geführt hatte, mit folgender Begründung ein (Klägername im folgenden als F. abgekürzt:

"Den Beschuldigten kann eine Straftat nach § 180a StGB (Förderung der Prostitution) nicht nachgewiesen werden. Die Dirnen werden nicht in persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit gehalten. Eine Förderung der Prostitution über den Rahmen des § 180a Abs. 1 Ziffer 2 StGB hinaus liegt ebenfalls nicht vor. Die Dirnen sind nicht unter 18 Jahren und die Beschuldigten halten die Prostituierten weder zur Prostitution an, noch werben sie Dirnen an oder führen sie der Prostitution zu. Auch ein Einwirken zur Prostitution ist nicht gegeben. Alle in der Karibik-Bar beschäftigten Dirnen haben übereinstimmend bekundet, daß keinerlei Einwirkungen auf sie erfolgt und daß sie freiwillig der Prostitution nachgehen. Den Dirnen ist es frei überlassen, mit wem sie den Geschlechtsverkehr ausüben und wie oft sie es tun. Die Dirnen haben untereinander vereinbart, daß sie für die Ausübung des Geschlechtsverkehrs von den Freiern jeweils 160,00 DM verlangen. Die Beschuldigten haben auch auf diesen Preis keinerlei Einwirkung gezeigt. Zwischen dem Beschuldigten F. und den Dirnen wurde lediglich vereinbart, daß diese von den angesprochenen 160,00 DM 60,00 DM an F. für dessen Unkosten abzuliefern haben. Alle Dirnen waren mit dieser Vereinbarung einverstanden. Sie haben jeweils die 60,00 DM an den Beschuldigten B. abgegeben, der das Geld dann weiter an den Barbesitzer F. weitergeleitet hat. Auf Grund der Bekundungen der in der Bar beschäftigten Dirnen können die gesetzlichen Voraussetzungen des § 180a StGB nicht nachgewiesen werden.

Den Beschuldigten kann aber auch keine Zuhälterei nach § 181 a StGB nachgewiesen werden, denn ein Ausbeuten kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Die Dirnen geben zwar 60,00 DM pro Geschlechtsverkehr an den Beschuldigten F. ab, dieser Betrag stellt jedoch kein Ausbeuten dar, denn die Dirnen behalten immerhin selbst 100,00 DM pro Geschlechtsverkehr. Von dem Anteil, den der Beschuldigte F. erhält, bestreitet dieser die Unkosten, die mit den Zimmern verbunden sind, die er den Dirnen bereitstellt. Insgesamt stellt der Beschuldigte F. den Dirnen 4 Zimmer zur Verfügung und kommt für die Unkosten auf. Die Unkosten bestehen darin, daß er für die Bettwäsche, für die Handtücher, für die Reinigung und Instandhaltung der Zimmer sorgt. Er kommt auch für die Strom- und Wasserkosten auf. Die Dirnen können auch, wenn sie dies wollen, in den Zimmern übernachten, ohne daß sie hierfür etwas zu zahlen haben. Die Unkosten für die Zimmer sind demnach nicht unbedeutend. Unbedeutend dürfte auch nicht der Betrag sein, der dem Beschuldigten F. verbleibt. Trotzdem liegt kein Ausbeuten im Sinne des § 181 StGB vor. Den Dirnen verbleibt immerhin ein monatlicher Nettobetrag von ca. 3.000,00 DM. Nach Abzug der Unkosten erhält der Beschuldigte F. nicht nahezu die Hälfte der Einnahmen der Prostituierten. Der BGH hat lediglich ein Ausbeuten dann angenommen, wenn nahezu die Hälfte der Einkünfte der Prostituierten dem Zuhälter zufließen (vgl. MdR 77, Seite 282).

Wenn jedoch im vorliegenden Fall die Unkosten von den 60,00 DM abgezogen werden, die der Beschuldigte F. pro Geschlechtsverkehr von den Dirnen erhält, so ist der Anteil der ihm verbleibt, wesentlich unter der Hälfte der Einkünfte der Prostituierten.

Das Verfahren war daher einzustellen."

In einer vom Präsidenten des Amtsgerichts Wiesbaden durchgeführten mündlichen Anhörung zur Frage des Widerrufs der Rechtsberatungserlaubnis erklärte der Kläger ausweislich des insoweit erstellten Protokolls am 26. Oktober 1984 folgendes:

"Ich weiß, daß ich im Rahmen des Verfahrens auf Widerruf der mir erteilten Rechtsberatungserlaubnis gem. § 15 der 1. AVO RBerG richterlich angehört werde.

Ich möchte vorweg erklären, daß ich nicht Mitglied er Rechtsanwaltskammer gem. § 209 BRAGO bin.

Es ist richtig, daß ich nach wie vor Geschäftsführer und allein vertretungsbefugter Gesellschafter der Caribic-Gaststätten-Betriebsgesellschaft bin. Im Handelsregister wurde diese Gesellschaft am 14.7.1982 eingetragen. Ich habe jedoch die Absicht, ab 1.1.1985 einen anderen Geschäftsführer einzustellen. Er wird ein Grundgehalt erhalten und am Umsatz beteiligt sein. Natürlich werde ich die Betriebsgesellschaft nicht verkaufen, sondern als Kapitalgeber weiter fungieren und an der Gaststätte verdienen.

Es ist weiter richtig, daß die Caribic-Bar nach der Sperrbezirksverordnung in der sogenannten Toleranzzone liegt. Das war aber reiner Zufall. Tatsächlich werden in dem oberen Stockwerk des Anwesens Zimmer an Mädchen vermietet. Ich bin Eigentümer dieses Anwesens. Die Caribic-Betriebsgesellschaft hat das Anwesen gemietet und betreibt in dem oberen Stockwerk einen sogenannten Pensionsbetrieb. Dieser Pensionsbetrieb wurde bereits betrieben, bevor ich das Anwesen aufkaufte. Die Mädchen halten sich natürlich auch in der Bar auf. Es stimmt, daß die Mädchen pro Geschlechtsverkehr 160,00 DM verlangen und davon 60,00 DM an die Betriebsgesellschaft als Miete für das von ihnen benutze Zimmer abgeben. Ich möchte jedoch hinzufügen, daß ich natürlich nicht dabei bin und deswegen selbstverständlich auch nicht sagen kann, ob jedesmal wenn das Zimmer benutzt wird, ein Geschlechtsverkehr durchgeführt wird. Nach jeder Benutzung des Zimmers wird dieses gereinigt und mit frischer Bettwäsche und Handtüchern versehen. Ich möchte dadurch zum Ausdruck bringen, daß der Mietzins für diese Leistung anfällt. In der Bar sind im Durchschnitt 4 Animiermädchen beschäftigt. Etwa 6 Prostituierte sind im oberen Stockwerk des Anwesens tätig.

Ich werde mich entschieden dagegen wehren, daß die Zulassung als Rechtsbeistand mir entzogen werden soll. Ich habe als Rechtsbeistand so gut wie keinen Publikumsverkehr, meine Kunden sind große Firmen. Zu der moralischen Seite der ganzen Angelegenheit möchte ich mich an dieser Stelle eigentlich nicht äußern. Es gibt Klischeevorstellungen, die man nicht mit wenigen Sätzen widerlegen kann.

Meine hauptsächliche berufliche Tätigkeit liegt auf dem Gebiet der Rechtsbeistandschaft. Wenn mir diese entzogen würde, so würde ich dadurch eine erhebliche finanzielle Einbuße erleiden. Ich identifiziere mich mit dem Beruf des Rechtsbeistandes."

Mit Verfügung vom 7. November 1984 widerrief der Präsident des Amtsgerichts Wiesbaden die dem Kläger erteilte Rechtsberatungserlaubnis. Zur Begründung verwies er auf den vorerwähnten Sachverhalt und führte hierzu aus, die aktive Mitwirkung des Klägers bei Unterhalt und Führung einer Gaststätte, in der die Prostitution ausgeübt werde, sei den an einen Rechtsbeistand zu stellenden sachlichen und insbesondere persönlichen Anforderungen nicht angemessen. Das Verhalten des Klägers lasse eine solche erhebliche, allgemeine Unzuverlässigkeit erkennen, daß auch auf eine berufliche Unzuverlässigkeit geschlossen werden müsse. In diesem Zusammenhang sei zudem zu bemerken, daß der Kläger wiederholt auch durch Verkehrsverstöße aufgefallen sei. Das lasse erkennen, daß er wenig Rücksicht auf die bestehende Rechtsordnung nehme.

Mit Schreiben vom 23. November 1984 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, mit dem er unter anderem geltend machte, seine aktive Mitarbeit in der Gaststätte beschränke sich auf die reinen Verwaltungsarbeiten der Gesellschaft, richtig sei, daß er als Geschäftsführer pro halbe Stunde Geschlechtsverkehr 60,00 DM erhalte. Hierzu habe er bereits vorgetragen, daß die Zimmer nach jeder Vermietung gereinigt und mit frischer Bettwäsche und Handtüchern versehen würden. Da pro Anmietung meistens auch zweimal geduscht werde, sei ein Mietpreis von 60,00 DM durchaus angemessen. Das Betreiben eines solchen Beherbergungsbetriebes möge zwar moralisch bedenklich sein, verstoße aber nicht gegen geltendes Recht. Der Versuch, seine allgemeine Unzuverlässigkeit durch "wiederholte Verkehrsverstöße" zu untermauern, beweise die fehlende Objektivität der Behörde bei Beurteilung der Sachlage. Ihm sei nur ein einziger Verkehrsverstoß im Jahre 1983 bekannt.

Während des Widerspruchsverfahrens reichte der Kläger Unterlagen zu den Akten, aus denen sich ergibt, daß er seinen Gesellschaftsanteil von 50.000,00 DM an der Firma CARIBIC-Gaststättenbetriebsgesellschaft m.b.H. an einen Dritten abgetreten hatte und daß er als Geschäftsführer der Gesellschaft abberufen wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 1985 wies der Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main den Widerspruch des Klägers gegen den Widerruf der Rechtsberatungserlaubnis durch den Präsidenten des Amtsgerichts Wiesbaden zurück. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Kläger besitze nicht mehr die für den Beruf des Rechtsbeistandes erforderliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung. Mit diesem Berufsbild sei die Ausübung einer Tätigkeit, die auf die Unterhaltung eines bordellartigen Betriebes hinauslaufe, unvereinbar. Auch die Zwischenschaltung einer vom Kläger gegründeten GmbH ändere nichts an der Tatsache, daß er selbst Inhaber und Betreiber der "CARIBIC-Bar" gewesen sei. Denn als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer habe er die volle Verfügungsbefugnis über sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft und damit auch über die "CARIBIC-Bar" gehabt. Dieser Zustand bestehe auch nach der Abtretung des Gesellschaftsanteils an einen Dritten weiter. Die in der entsprechenden notariellen Urkunde festgehaltene Regelung, daß weitere Vereinbarungen in diesem Zusammenhang nicht in die Urkunde aufgenommen werden sollten, lasse den Schluß zu, daß über die Abtretung hinausgehende Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Dritten getroffen worden seien. Dies räume der Kläger insoweit ein, als er angebe, er habe sein Stammkapital zurückerhalten. Darüber hinaus lasse die Formulierung den Schluß zu, daß weitere Vereinbarungen existierten, die darauf zielten, daß der Kläger Inhaber und Betreiber der "CARIBIC-Bar" - ob unmittelbar oder durch Rückerwerb der Gesellschaftsanteile könne dahinstehen - bleiben solle. Eine nähere Klärung dieses Punktes habe nicht erfolgen können, weil die zur Anhörung geladenen Personen, der beurkundende Notar und der Erwerber des Gesellschaftsanteils, zum Anhörungstermin nicht erschienen seien. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, daß sie über zusätzliche Vereinbarungen nichts aussagen wollten. Der Kläger habe dazu ergänzende Aufklärungen nicht gegeben. Solche seien schon im Hinblick auf die Tatsache erforderlich gewesen, daß der Kläger Eigentümer des Hauses sei, in dem die "CARIBIC-Bar" betrieben werde, und auf Grund der formellen Lösung von der GmbH zumindest ein Mietvertrag geschlossen sein müsse, der Aufschluß über die tatsächlichen Umstände hätte geben können. Wenn der Kläger zur Aufklärung des Sachverhalts nichts beitragen wolle, so könne sein Vortrag, er habe sich von der Gesellschaft und damit von dem Betrieb der "CARIBIC-Bar" gelöst, nicht überzeugen.

Der Kläger hat daraufhin am 16. September 1985 Klage beim Verwaltungsgericht Wiesbaden erhoben.

Während des Klageverfahrens erster Instanz ordnete der Präsident des Amtsgerichts Wiesbaden die sofortige Vollziehung der Widerrufsverfügung vom 7. November 1984 an. Auf Antrag des Klägers stellte der vorliegend erkennende Senat mit Beschluß vom 2. Februar 1987 (11 R 1742/86) die aufschiebende Wirkung der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage wieder her.

Zur Begründung seiner Anfechtungsklage verwies der Kläger unter anderem auf die historische, Entwicklung des Berufsbildes des Rechtsbeistandes, welches ursprünglich in der Gewerbeordnung geregelt gewesen sei und daher nur als Gewerbe betrachtet werden dürfe. Insofern müsse, was die Zuverlässigkeit des Erlaubnisinhabers angeht, ein anderer Maßstab angelegt werden als etwa bei einem Rechtsanwalt. Im übrigen habe er seinen Beruf als Rechtsbeistand bisher ohne Beanstandungen wahrgenommen. Es seien auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß dies in Zukunft anders sein könnte. Schließlich ließen die angefochtenen Verfügungen auch hinreichende Ermessenserwägungen vermissen. Von Bedeutung sei überdies, daß er, der Kläger, seine Tätigkeit bei der Gesellschaft unstreitig aufgegeben habe. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, wonach die Abtretung des Gesellschaftsanteils letztlich nur ein Scheingeschäft gewesen sei, erwiesen sich als reine Spekulation.

Der Kläger beantragte,

den Bescheid des Präsidenten des Amtsgerichts Wiesbaden vom 7. November 1984 in Form des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. August 1985 aufzuheben.

Das beklagte Land beantragte,

die Klage abzuweisen.

Es führte in Ergänzung seiner Darlegungen in den angefochtenen Bescheiden aus, die Tätigkeit eines Rechtsbeistands sei zweifellos höher einzustufen als die eines Gewerbetreibenden. Dies müsse schon im Hinblick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsbeistand und Mandant angenommen werden, welches dem Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant vergleichbar sei. Ein "Vollrechtsbeistand" müsse, auch wenn er nicht Mitglied der Rechtsanwaltskammer sei, hinnehmen, daß an ihn bezüglich seines Ehrverhaltens annähernd gleiche Ansprüche wie an einen Rechtsanwalt gestellt würden. Dies gelte auch für den Kläger, zumal dieser mit Rechtsanwälten eine Bürogemeinschaft eingegangen sei.

Mit Urteil vom 27. November 1985 wies das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Klage im wesentlichen mit der Begründung ab, mit der Tätigkeit eines Rechtsbeistandes sei ein Verhalten, welches letztlich auf die Führung eines bordellartiges Betriebes hinauslaufe, unvereinbar. Entgegen der Auffassung des Klägers seien bei Beurteilung der Zuverlässigkeit und der persönlichen Eignung eines Rechtsberaters spätestens seit Neufassung des Rechtsberatungsgesetzes andere als die von der Gewerbeordnung gegebenen Maßstäbe anzulegen. Die Tätigkeit des Rechtsberaters sei gerade durch ein besonderes Vertrauensverhältnis gekennzeichnet, welches dem Vertrauensverhältnis zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten ähnlich sei. Insoweit könne auch dahinstehen, ob die spätere Abtretung der Geschäftsanteile des Klägers an einen Dritten sich als Scheingeschäft erweise und der Kläger nach wie vor für die Gesellschaft bzw. für die "CARIBIC-Bar" tätig sei. Denn selbst wenn der Kläger diese Tätigkeit vor Erlaß des Widerspruchsbescheides tatsächlich ganz aufgegeben haben sollte, wäre die Erlaubnis zu widerrufen gewesen. Zwar sei für die Entscheidung der Widerspruchsbehörde die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides maßgeblich, doch gelte dies nur, wenn sich aus der Natur der in Frage kommenden Entscheidung nichts anderes ergebe. Im Falle eines Erlaubniswiderrufs müsse in jedem Fall auf den Zeitpunkt des Erlasses der Grundverfügung abgestellt werden. Hielte man nämlich den behaupteten Rückzug des Klägers aus der Gesellschaft und aus dem Betrieb für beachtlich, hätte dies zur Folge, daß ein Widerruf nicht mehr ausgesprochen werden könnte, da es der Erlaubnisinhaber trotz Vorliegens der Widerrufsvoraussetzungen in der Hand hätte, bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides die Widerrufsgründe in Wegfall zu bringen, um so einer Versagung zu entgehen. Diese aber widerspräche der Natur des Widerrufstatbestandes.

Gegen dieses ihm am 10. April 1986 zugestellte Urteil legte der Kläger am 21. April 1986 Berufung ein, in der er unter anderem darauf hinweist, der Widerruf der Rechtsberatungserlaubnis müsse an Art. 12 Abs. 1 GG gemessen werden. Ein derart schwerwiegender Eingriff sei nach ständiger Rechtsprechung nur unter strengen Voraussetzungen und zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Dem habe das Verwaltungsgericht nicht Rechnung getragen. Der Widerruf der Rechtsberatungserlaubnis greife nicht nur tief in das Grundrecht der freien Berufswahl ein, sondern zugleich in seine private und familiäre Existenz sowie Lebensgestaltung. Angesichts dieser Tatsache setze der Widerruf eine besonders sorgfältige, auf die Umstände des Einzelfalles abstellende Prüfung voraus. Es habe eine Gesamtabwägung stattzufinden, ob die Belange des Klägers hinter den Interessen des Gemeinwohls zurücktreten müßten. Hierbei sei wesentlich auf den Schutzzweck des Beratungsgesetzes abzustellen, welches dem Schutz der Allgemeinheit diene. Der Rechtsuchende solle vor Nachteilen und Schäden bewahrt werden, die dadurch entstehen könnten, daß er in Unkenntnis seine Rechtsangelegenheit in die Hände einer Person lege, die unzuverlässig sei und infolge dessen keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Erledigung der Rechtsangelegenheit biete. Dies bedeute, daß nicht jede Unzuverlässigkeit es schlechthin rechtfertige, den Widerruf der Erlaubnis auszusprechen. Entscheidend sei vielmehr, ob der Betreffende die genügende Zuverlässigkeit besitze, die gerade für den Beruf des Rechtsbeistandes erforderlich sei. Nur Gründe, die die Unzuverlässigkeit gerade in bezug auf diesen Beruf erkennen ließen, rechtfertigten daher im allgemeinen die Versagung bzw. den Widerruf der Erlaubnis. Der Beklagte habe nichts vorgetragen, was darauf hindeute, daß er, der Kläger, seine Pflichten verletzt und die schützenswerten Belange der rechtssuchenden Bevölkerung gefährdet habe. Auch die Gleichstellung von Rechtsbeiständen und Rechtsanwälten, was die maßgeblichen Zuverlässigkeitskriterien angeht, erweise sich als ungerechtfertigt. Der Beruf des Rechtsbeistandes sei vielmehr gegenüber dem des Rechtsanwalts seinem Wesen nach artfremd und die Pflichten eines Rechtsbeistandes zur redlichen, gewissenhaften und ordnungsgemäßen Führung übernommenen Geschäfte mit den Standesregeln der Rechtsanwälte nicht vergleichbar. Er, der Kläger, könne im übrigen auch nicht darauf verwiesen werden, nach einiger Zeit des Wohlverhaltens erneut eine Erlaubnis zu beantragen, da eine Rechtsberatungserlaubnis in der Form, wie er sie derzeit noch innehabe, nach entsprechender Gesetzesänderung nicht mehr erteilt werde. Die Entziehung der Rechtsberatungserlaubnis hätte daher für ihn zur Folge, daß er für die Zukunft seinen Beruf in der jetzigen Form nicht mehr ausüben könne. Was seine Tätigkeit in der CARIBIC-Bar angeht, so habe er sich weitgehend im Hintergrund gehalten. Er habe im Büro gesessen, die Buchhaltung gemacht und sei für die Technik des Hauses zuständig gewesen. Mit dem "Milieu" habe er nie zu tun gehabt, auf den Geschäftsführer der Bar, der dem "Milieu" näher gestanden habe, habe er stets "bremsend" eingewirkt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 27. November 1985 und den Bescheid des Präsidenten des Amtsgerichts Wiesbaden vom 7. November 1984 in der Form des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. August 1985 aufzuheben.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es wiederholt und ergänzt im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Ferner wird Bezug genommen auf einen Band beim Amtsgericht Wiesbaden geführter Personalakten des Klägers, auf die Akten des Verfahrens Hess. VGH 11 R 1742/86 und auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Wiesbaden (2 Js 81210/84).

Gründe

Die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil erster Instanz bleibt erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat die Entscheidung des beklagten Landes, die Rechtsberatungserlaubnis des Klägers zu widerrufen, zu Recht für rechtmäßig erklärt.

Nach § 14 Abs. 1 der (ersten) Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes vom 13. Dezember 1935 (RGBl. I S. 1481) - 1. AVO RBerG - ist die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Art. 1 § 1 RBerG zu widerrufen, wenn Tatsachen eintreten oder nachträglich bekannt werden, die eine Versagung der Erlaubnis rechtfertigen. In Art. 1 § 1 Abs. 2 RBerG ist normiert, daß die Erlaubnis nur erteilt werden darf, wenn der Antragsteller die für den Beruf erforderliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung sowie genügende Sachkunde besitzt. Ob der um die Erlaubnis Nachsuchende sich als zuverlässig im vorgenannten Sinne erweist, ist gemäß § 6 1. AVO RBerG unter Berücksichtigung seines Vorlebens, insbesondere etwaiger Strafverfahren, zu prüfen, und zwar gleichgültig, ob ein Strafverfahren mit Einstellung, Nichteröffnung oder Verurteilung geendet hat. Die Erlaubnis ist nach dieser Vorschrift in der Regel zu versagen, wenn der Antragsteller nach dem Strafregister wegen eines Verbrechens verurteilt ist oder wegen eines Vergehens, das einen Mangel an Zuverlässigkeit hat erkennen lassen; die Erlaubnis ist ferner zu versagen, wenn mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Antragstellers und die Art seiner Wirtschaftsführung die Belange der Rechtssuchenden gefährdet werden würden.

Daß insoweit - was die für die Beurteilung des Rechtsstreits maßgebliche Sach- und Rechtslage angeht - auf den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides abzustellen ist, entspricht anerkannter Auffassung in Fällen der vorliegenden Art (z. B. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 1977 - BVerwG 1 C 43.74 - (NJW 1977 S. 2178 )). Ohne zwingenden Grund verlagert das Verwaltungsgericht in Abweichung von dieser Rechtsprechung im vorliegenden Rechtsstreit diesen maßgeblichen Zeitpunkt auf das Datum des Erstbescheides, offenbar um überzeugender rechtfertigen zu können, daß das vom Kläger nach Erlaß des Erstbescheids an den Tag gelegte Wohlverhalten (Übertragung seines Gesellschaftsanteils auf einen Dritten) für die Beurteilung seiner Zuverlässigkeit unbeachtlich sei. Der insoweit vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsauffassung ist indes nicht zu folgen. Grundsätzlich hat die Widerspruchsbehörde im Rahmen ihrer Entscheidung, ob sie auf den Widerspruch des Betroffenen einen Bescheid über den Widerruf einer beruflichen Erlaubnis bestätigt oder aufhebt, in eigener Zuständigkeit alle maßgeblichen Sach- und Rechtsfragen zu prüfen und in ihre Erwägung einzubeziehen. Dies umfaßt auch ein Verhalten des Betroffenen nach Erlaß des Erstbescheides, wobei es allerdings der Würdigung der Widerspruchsbehörde (wie auch des später zur Überprüfung dieser Entscheidung berufenen Verwaltungsgerichts) obliegt, welche (eventuell geringe) Bedeutung sie einem möglichen Wohlverhalten des Betroffenen beimißt, das dieser erst in Kenntnis des Erlaubniswiderrufs an den Tag gelegt hat. Entwicklungen, die zwischen Erlaß des Erstbescheids und Erlaß des Widerspruchsbescheids eingetreten sind, jedoch nicht zur Kenntnis zu nehmen und statt dessen allein auf die Sachlage im Zeitpunkt des Erstbescheids abzustellen, entspricht dagegen weder der Funktion des Widerspruchsverfahrens noch der Aufgabe der Widerspruchsbehörde. Dementsprechend ist auch im Falle gerichtlicher Überprüfung der Widerrufsentscheidung auf den Zeitpunkt abzustellen, in welchem der Widerspruchsbescheid ergangen ist.

Ohne Rechtsfehler ist das beklagte Land zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Kläger unter Beachtung der Sachlage, wie sie sich bei Erlaß des Widerspruchsbescheids darstellte, die Zuverlässigkeit für die Ausübung des Berufs eines Rechtsberaters fehlte. Dies folgt aus den besonderen Umständen, unter denen der Kläger unter Zwischenschaltung einer sogenannten "Ein-Mann-GmbH" die "CARIBIC-Bar" in Mainz-Kastel betrieb.

Vorab ist insoweit zu bemerken, daß sich der Kläger in diesem Zusammenhang zu Unrecht darauf beruft, daß seine Funktionen im Zusammenhang mit dieser "CARIBIC-Bar" außerhalb des eigentlichen Aufgabenbereichs und seiner Tätigkeit als Rechtsbeistand gelegen hätten und daher für die Beurteilung seiner Zuverlässigkeit auf dem Gebiet der Rechtsberatung außer Betracht bleiben müßten. Zwar ist anerkannt, daß nicht schlechthin jede Art persönlicher Unzuverlässigkeit die Versagung bzw. den Widerruf einer Rechtsberatungserlaubnis rechtfertigt. Vielmehr muß es sich grundsätzlich - soll eine derart schwerwiegende und in den Kernbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifende Entscheidung rechtmäßigerweise getroffen werden können - um eine spezifisch berufsbezogene Unzuverlässigkeit handeln, welche die Annahme nahelegt, der Betroffene sei den Aufgaben der Rechtsberatung nicht gewachsen oder biete aus sonstigen Gründen keine hinreichende Gewähr für eine ordnungsgemäße Berufsausübung, so daß das Hauptziel des Rechtsberatungsgesetzes, die Bevölkerung vor Schädigungen durch Rechtsberater zu schützen, nicht erreicht werden könnte. Diese Einschränkung bedeutet indes nicht, daß für die Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit eines Rechtsbeistands ausschließlich Umstände herangezogen werden dürften, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der eigentlichen Berufstätigkeit stehen oder die sich gar bei Ausübung des Rechtsberaterberufes zugetragen haben. Vielmehr können und müssen insoweit auch Tatsachen Beachtung finden, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit als Rechtsbeistand stehen, die also beispielsweise im eher privaten Bereich des Betroffenen oder im Bereich einer zusätzlich ausgeübten Tätigkeit angesiedelt sind, die aber begründete Zweifel an einer ordnungsgemäßen Ausübung des Rechtsberaterberufes aufkommen lassen (vgl. zum Vorstehenden etwa BVerwG, Beschluß vom 5. April 1974 - 1 B 71.73 - (DÖV 1974 S. 681 (L)), Urteil vom 3. Mai 1977 - BVerwG 1 C 43.74 - (a.a.O.), Altenhoff/Busch/Kampmann, Rechtsberatungsgesetz, 7. Aufl., Rdnr. 715 ff.).

Ein Rechtsbeistand, der - wie der Kläger - wenn auch unter Zwischenschaltung einer GmbH eine Bar betreibt, bei der es sich letztlich - nach dem zwischen den Beteiligten weitgehend unstreitigen Sachverhalt - um einen bordellartigen Betrieb handelt, kann nicht als zuverlässig auch im zuvor genannten berufsspezifischen Sinne angesehen werden. Unstreitig sind in der vom Kläger betriebenen "CARIBIC-Bar" mehrere Frauen der Prostitution in der Weise nachgegangen, daß sie in der Bar Männer angesprochen und sich bei entsprechender Bereitschaft mit diesen in Räume zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs zurückgezogen haben, die der Bar unmittelbar angegliedert und speziell zu diesem Zweck vorgesehen waren. Aufgrund einer entsprechenden Absprache forderten die Prostituierten für eine halbstündige Dienstleistung regelmäßig einen Betrag von 160,00 DM, wovon sie einen Teil in Höhe von 60,00 DM an die Betriebsgesellschaft und damit an den Kläger abzuführen hatten. Auf diese Weise verdiente der Kläger, der nach eigenen Angaben die Buchhaltung des Etablissements führte und für die Technik des Hauses zuständig war, nach unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts an der Prostitution etwa 60.000,00 DM pro Jahr. Wie sich aus den im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren 2 Js 81210/84 zu Protokoll genommenen Aussagen der vernommenen Prostituierten ergibt, bezeichneten diese den Kläger nahezu durchweg als "Chef" (vgl. z. B. Gabriele Sch., Ermittlungsakten Bl. 19, Hedwig Monika G., Ermittlungsakten Bl. 26, Ruth K., Ermittlungsakten Bl. 9, Eva Barbara M., Ermittlungsakten Bl. 13). Ferner verdeutlichen diese Zeugenaussagen auch hinreichend, daß sich der Kläger nicht etwa ausschließlich distanziert im Hintergrund gehalten hatte, sondern daß er sich aktiv in die Geschäftsgestaltung einmischte und teilweise unmittelbar Anweisungen an die Prostituierten gab. So habe er etwa eine der Zeuginnen (Eva Barbara M.) aufgefordert, ein ärztliches Attest vorzulegen, mehrfach hatte er den Prostituierten gegenüber auf die Höhe des ihm zustehenden Anteils hingewiesen (Ruth K., Eva Barbara M.) oder Vorstellungsgespräche mit neu hinzugekommenen Prostituierten geführt (Ruth K., Irene D., Ermittlungsakte Bl. 30). Teilweise habe er auch selbst mit den Frauen abgerechnet oder über den nötigen Umgangston hinsichtlich der Gäste der Bar Anweisungen gegeben (Ruth K.). Daß das gegen den Kläger eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Förderung der Prostitution und der Zuhälterei letztlich eingestellt wurde, schließt nicht aus, das vorgenannte Verhalten des Klägers in Bezug auf seine Zuverlässigkeit als Rechtsbeistand negativ zu würdigen. Es bringt nämlich hinreichend zum Ausdruck, daß sich der Kläger, auch wenn er seine Tätigkeit zu bagatellisieren versucht, persönlich und aktiv mitgestaltend in ein Milieu begeben hat, das zweifelsfrei und unbeschadet möglicherweise veränderter Moralvorstellungen in Teilen der Bevölkerung zumindest in der "Grauzone" zwischen Moral und Unmoral angesiedelt ist und im Hinblick auf die in diesem Milieu üblicherweise agierenden Personen eine gewisse Nähe zur Kriminalität aufweist. Berücksichtigt man demgegenüber, daß der Beruf des Rechtsbeistandes - auch wenn er gegenüber dem des Rechtsanwalts geringere Anforderungen an Qualifikation und Zuverlässigkeit des Berufsinhabers stellt - entscheidend durch die Zielsetzung bestimmt ist, dem in Fragen des Rechts unerfahrenen Bürger Hilfe und Orientierung zu geben, ihn zu beraten und gegebenenfalls davor zu bewahren, zur Durchsetzung bestimmter Anliegen von der Rechtsordnung nicht mehr gebilligte Mittel zu wählen, so verdeutlicht dies, daß den Rechtsberater - soll er für diesen Beruf tauglich sein - auch ein Mindestmaß an Seriosität und moralischer Festigkeit auszeichnen muß. Ein Rechtsbeistand, der in der zuvor geschilderten Weise im Dirnenmilieu tätig ist, kann dies nach Auffassung des Senats nicht für sich in Anspruch nehmen. Deutlich mag dies werden, wenn man sich etwa als Beispiel vorstellt, ein rechtsuchender Bürger würde sich, ohne den Kläger und seine berufliche "Doppelfunktion" näher zu kennen, im Vertrauen in eine korrekte und seriöse Rechtsberatung und -betreuung an diesen wenden und später durch Dritte - etwa gar durch die gegnerische Streitpartei - mit dem Hinweis konfrontiert werden, sein Rechtsbeistand bewege sich in Prostituiertenkreisen und sei - neben seiner Rechtsberatungstätigkeit - Inhaber eines bordellartigen Betriebs. Daß das Vertrauen dieses Rechtsuchenden in die sachgerechte, seriöse und zuverlässige Abwicklung seiner Rechtsangelegenheit nachhaltig erschüttert würde, bedarf keiner weiteren Begründung. Gerade dieses Vertrauen zu wahren und den Rechtsuchenden vor Überraschungen und Enttäuschungen dieser Art zu schützen, ist aber wesentliches Anliegen des Rechtsberatungsgesetzes. Durch die Tätigkeit des Klägers in der zuvor erwähnten "Grauzone" zwischen Moral und Unmoral, durch sein nahes Heranrücken an ein Milieu, in dem sich erfahrungsgemäß eine erhebliche Kriminalität feststellen läßt, gerät er zwangsläufig in Kontakt mit anderen in diesem Milieu agierenden Personen und damit in deren Einflußbereich. Hierdurch könnte die Ordnungsmäßigkeit der Berufsausübung als Rechtsbeistand auch deshalb beeinträchtigt werden, weil jeder, der sich auf diese Weise in eine Konfliktsituation begibt, in welcher Anforderungen des einen Berufs mit spezifischen Besonderheiten der anderen Tätigkeit miteinander in Kollision geraten können, der Gefahr unsachlicher Einflußnahme - wenn nicht gar erpresserischer oder nötigender Versuche - ausgesetzt ist. Selbst wenn aber eine solche Gefahr im konkreten Falle nicht bestanden haben sollte, so kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, daß Dritte zumindest den Verdacht oder den Eindruck gewinnen könnten, der Betreffende unterliege derartigen Einflüssen. Dies wiederum wäre ein Umstand, der geeignet ist, das Vertrauen in die Seriosität, Zuverlässigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Rechtsberatungstätigkeit zu untergraben. Im übrigen kommt hinzu, daß der Kläger durch sein Verhalten und sein Engagement im Dirnenmilieu zu erkennen gegeben hat, daß er im Interesse einer raschen und nicht unerheblichen Gewinnerzielung bereit ist, weitgehend anerkannte Wert- und Moralvorstellungen und vorherrschende Einschätzungen, was die charakterliche Qualität von Inhabern rechtsberatender Berufe angeht, leichtfertig über Bord zu werfen, so daß jedenfalls die Gefahr nicht auszuschließen ist, der Kläger könnte aufgrund seiner hierin zum Ausdruck kommenden Persönlichkeitsstruktur auch im Rahmen der Ausübung seines Rechtsberaterberufes - etwa im Zusammenhang mit der Entgegennahme oder Verwaltung von Mandantengeldern - Verlockungen dieser Art nicht hinreichend und seinem Beruf angemessen widerstehen. Belanglos ist insoweit, daß gewichtige Verfehlungen oder Beanstandungen im Rahmen der Rechtsberatertätigkeit des Klägers bisher offenbar nicht zu verzeichnen waren. Die Notwendigkeit eines Widerrufs der Rechtsberatererlaubnis ist schon dann gegeben, wenn aufgrund bestimmter Fallgestaltungen eine negative Auswirkung im Bereich der Rechtsberatung nicht ausgeschlossen werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies so formuliert, daß eine Gefährdung von Interessen des rechtsuchenden Bürgers immer schon dann zu bejahen sei, wenn sie nicht so fern liege, daß sie ohne Bedenken außer Acht gelassen werden könne (Urteil vom 3. Mai 1977 - BVerwG 1 C 43.74 - (a.a.O.)).

Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß der Kläger durch das Betreiben eines bordellartigen Betriebes nicht nur in Kauf genommen hat, daß sein Ruf und seine Integrität und Seriosität in weiten Kreisen der Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen werden. Er hat vielmehr auch dazu beigetragen, daß jedenfalls bei denjenigen Personen, die von diesem Verhalten Kenntnis erhalten, der gesamte Berufsstand des Rechtsbeistandes und möglicherweise der rechtsberatenden Berufe insgesamt in seinem Ansehen herabgewürdigt werden könnte. Das im Rechtsberatungsgesetz begründete Zulassungserfordernis dient aber nicht nur dem Schutz der Interessen des rechtsuchenden Bürgers, sondern auch dem Schutz des Ansehens der Rechtspflege schlechthin, das durch Verhaltensweisen, wie sie der Kläger hier an den Tag gelegt hat, erheblichen Schaden erleiden würde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Oktober 1984 - 9 S 2473/83 - (VBl BW 1985 S. 390 )).

Hat das beklagte Land den Kläger daher zu Recht als für die Ausübung des Rechtsberaterberufes unzuverlässig angesehen, so ist schließlich auch nicht zu beanstanden, daß die Widerspruchsbehörde das Wohlverhalten des Klägers, das dieser durch Abgabe seines Gesellschaftsanteils an einen Dritten während des Widerspruchsverfahrens an den Tag gelegt hat, nicht entscheidend zugunsten des Klägers gewürdigt hat. Auch der erkennende Senat ist der Auffassung, daß ein derartiges Wohlverhalten, welches in Kenntnis des bereits eingeleiteten Verfahrens auf Widerruf der Rechtsberatungserlaubnis an den Tag gelegt wird, jedenfalls im vorliegenden Fall nicht geeignet ist, die einmal begründete Unzuverlässigkeit aus der Welt zu schaffen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Kläger insoweit nicht kraft besserer Einsicht, sondern nur zur Vermeidung einer von ihm als unliebsam empfundenen Rechtsfolge gehandelt hat. Wäre der Sachverhalt, der schließlich zum Widerruf der Erlaubnis führte, der zuständigen Behörde nicht bekannt geworden oder hätte diese ihn nicht zum Anlaß für die Einleitung eines Widerrufsverfahren genommen, hätte der Kläger sich nicht dazu bereit gefunden, seine nunmehr beanstandete Tätigkeit aufzugeben. Das von ihm gezeigte Wohlverhalten vermag daher nichts Entscheidendes an der negativen Prognose hinsichtlich der beruflichen Zuverlässigkeit des Klägers zu ändern. Daher braucht auch nicht näher auf die im Widerspruchsbescheid behandelte Frage eingegangen zu werden, ob es sich bei der Übertragung des Gesellschaftsanteils auf einen Dritten ohnehin nur um ein "Scheingeschäft" handelte und ob der Kläger nicht doch weiterhin einen wesentlichen Einfluß auf den Geschäftsbetrieb der GmbH und der "CARIBIC-Bar" behielt.

Da die Berufung des Klägers erfolglos geblieben ist, hat er gemäß § 154 Abs. 2 VwGO auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung angefochten werden. Die Beschwerde ist durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule einzulegen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der die Entscheidung abweicht, oder ein Verfahrensmangel bezeichnet werden, auf dem das Urteil beruhen kann (vgl. § 132 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und § 18 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 - BGBl. I S. 661).

Die Revision ist auch ohne Zulassung statthaft, wenn einer der in § 133 VwGO genannten Verfahrensmängel gerügt wird. In diesem Fall ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Revision muß die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Die Revisionsbegründung oder die Revision muß einen bestimmten Antrag enthalten ferner die verletzte Rechtsnorm und die Tatsachen bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben.

Beschwerde und Revision sind einzulegen bei dem

Hessischen Verwaltungsgerichtshof

Brüder-Grimm-Platz 1

3500 Kassel






Hessischer VGH:
Urteil v. 19.07.1988
Az: 11 UE 1191/86


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BGH, Urteil vom 5. Juli 2011, Az.: II ZR 199/10BPatG, Beschluss vom 19. Juli 2001, Az.: 25 W (pat) 195/01BPatG, Beschluss vom 24. April 2001, Az.: 33 W (pat) 249/00VG Berlin, Urteil vom 23. Mai 2013, Az.: 27 K 102.11Hessischer VGH, Beschluss vom 23. Dezember 1993, Az.: TK 1734/93BPatG, Beschluss vom 10. Januar 2000, Az.: 15 W (pat) 54/97BPatG, Beschluss vom 21. Februar 2011, Az.: 8 W (pat) 4/10OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juli 2008, Az.: I-20 U 191/07BGH, Beschluss vom 22. April 2008, Az.: X ZB 18/07AGH des Landes Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. August 2009, Az.: 1 AGH 89/08