Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 29. Juli 2002
Aktenzeichen: 23 W 74/02

(OLG Hamm: Beschluss v. 29.07.2002, Az.: 23 W 74/02)

Tenor

Unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses und des Ab-änderungsbeschlusses vom 05. November 2001 wird die dem Beteiligten zu 1) aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung anderweitig auf 2.664,56 EUR (5.211,42 DM) festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Durch Beschluß vom 06. September 2000 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Landgerichts die Vergütung des Beteiligten zu 1) unter Kürzung des Gesuchs um eine Differenzprozeßgebühr von 922,40 DM netto auf 5.583,89 DM festgesetzt (Bl. 288 d.A.). Diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 1) hingenommen, jedoch der Beteiligte zu 2) mit der Erinnerung vom 19. September 2001 angegriffen, weil die Prozeßgebühr nur 994,50 DM netto anstelle berücksichtigter 2.187,90 DM netto betrage. Nach Abzug des Differenzbetrages von 1.193,40 DM zuzüglich Umsatzsteuer - das sind 1.384,34 DM - sollte eine Vergütung von 4.199,55 DM (5.583,89 - 1.384,34) verbleiben (Bl. 345 d.A.).

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat dieser Erinnerung abgeholfen und mit Beschluß vom 05. November 2001 die Festsetzung antragsgemäß abgeändert. Dagegen hat der Beteiligte zu 1) Erinnerung vom 16. November 2001 eingelegt, der nicht abgeholfen wurde und die durch Beschluß der 15. Zivilkammer vom 29. November 2001 zurückgewiesen worden ist. Diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 1) mit dem Ziel angegriffen, daß es bei der ursprünglichen Festsetzung von 5.583,89 DM verbleibe. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist der Leiter des Dezernats 10 der hiesigen Verwaltungsabteilung angehört worden. Dieser hat eine teilweise Anhebung der Prozeßgebühr angeregt, aber gemeint, daß dem Beteiligten zu 1) die mit 99,50 DM netto zugebilligten Schreibauslagen nicht zustünden und daß der Festsetzungsbeschluß vom 06. September 2000 auch insoweit abzuändern sei. Zur Überprüfung durch den Senat gestellt ist somit die Höhe der Prozeßgebühr und die Erstattungsfähigkeit von Schreibauslagen.

1.

Der Senat ist ebenso wie der Beteiligte zu 1) und der Leiter des Dezernats 10 der hiesigen Verwaltungsabteilung der Auffassung, daß dem beigeordneten Anwalt, der für mehrere Auftraggeber tätig ist, auch bei Verschiedenheit der Gegenstände die erhöhte Gebühr des § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO zugute kommt, wenn und soweit sich die Kummulation der Streitwerte nach § 7 Abs. 2 BRAGO wegen der Höchstgebühr des § 123 BRAGO nicht zu seinen Gunsten auswirkt (vgl. BGH NJW 1981, 2757). Bei der gewollten Begrenzung der Vergütung des beigeordneten Anwalts (vgl. Anwaltkommentar-BRAGO-Schnapp, § 123 Rn. 1, 11) durch eine wertbezogene Höchstgebühr hat der Gesetzgeber nicht bedacht, daß er den Mehrvertretungszuschlag nach unterschiedlichen Methoden geregelt hat, von denen sich nur der Ansatz über eine Erhöhung der Grundgebühr (§ 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO) noch anspruchserhöhend auswirkt, wenn es um Streitwerte von mehr als 50.000,00 DM geht. Das läuft nicht nur dem Grundsatz zuwider, wonach eine Mehrfachvertretung stets eine höhere Vergütung bewirkt als eine Einzelvertretung, sondern würde darüber hinaus auch zu einem Wertungswiderspruch führen, weil die Mehrfachvertretung von unechten Streitgenossen geringer vergütet würde als eine solche von echten Streitgenossen, obwohl sie vom Gesetzgeber als arbeitsintensiver angesehen wird. Dieser Widerspruch ist durch eine Ergänzung des Gebührentatbestandes aufzulösen, indem als Mindestgebühr für die Mehrfachvertretung jedenfalls die Erhöhung gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO Anwendung findet.

Auf die umstrittene Frage, wie die Erhöhung bei unterschiedlichen Beteiligungen zu berechnen ist (vgl. Gerold/Schmidtvon Eicken, BRAGO, § 6 Rn. 35; Anwaltkommentar-BRAGO-Schnapp § 6 Rn. 47 und § 123 Rn. 15), braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden, weil der Leiter des Dezernats 10 die Berechnungsmethode für anwendbar hält, die zu einem geringeren Anspruch des Anwalts führt, und der Beteiligte zu 1) sich insoweit mit dessen Berechnung einverstanden erklärt hat (Bl. 402 d.A.). Mithin ist eine Prozeßgebühr in Höhe von 1.870,70 DM zugrundezulegen.

2.

Das erstmalige Streitig-Stellen der Schreibauslagen im Rahmen der Stellungnahme vom 08. Mai 2002 qualifiziert sich als zulässiges Nachschieben von Gründen, um der Erinnerung des Beteiligten zu 2) vom 19. September 2001 (teilweise) auch dort zum Erfolg zu verhelfen, wo die Argumentation zur Prozeßgebühr letztlich keinen Bestand haben sollte.

Die Überprüfung der Gerichtsakte ergibt, daß der Berufungserwiderung insgesamt 101 Kopien angelegen haben. Der Senat geht ohne detaillierte Überprüfung davon aus, daß auch für die Gegenseite Ablichtungen erstellt worden sind und daß dazu Veranlassung bestanden hat. Mithin sind 202 Kopien zu berücksichtigen, die auch der Staatskasse gegenüber in Ansatz gebracht werden können (vgl. Anwaltkommentar a.a.O. § 126 Rn. 29). Die vom Beteiligten zu 1) darüber hinaus aufgeführten Kopien betreffen hingegen PKH-Unterlagen, auf die sich die Vergütungspflicht der Staatskasse nicht erstreckt (vgl. Anwaltkommentar a.a.O. Rn. 22). Mithin sind an Schreibauslagen netto 95,60 DM anzusetzen. Einschließlich Umsatzsteuer erhöht sich also der von dem Leiter des Dezernats 10 errechnete Vergütungsanspruch von 5.100,52 DM um 110,90 DM auf nunmehr 2.664,56 EUR (5.211,42 DM).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 128 Abs. 5 BRAGO.






OLG Hamm:
Beschluss v. 29.07.2002
Az: 23 W 74/02


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