Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 10. Februar 2011
Aktenzeichen: 13 A 1305/09

(OVG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 10.02.2011, Az.: 13 A 1305/09)

1. Die Kreisleitstelle ist die Schaltzentrale des Rettungsdienstes. Die Rettungswache ist der Leitstelle funktionell unterstellt. Die Gemeinden sind für die Einrichtung und Unterhaltung des Notrufs 112 zuständig und dürfen diesen auf eine von ihnen unterhaltene Rettungswache aufschalten.

2. Aus der Funktion der Rettungswachen folgt das Recht, sämtliche Nothilfeersuchen nach deren Annahme selbst zu bearbeiten, wenn und solange die übergeordnete Lenkungsfunktion der Leitstelle gewährleistet ist.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 23. April 2009 geändert.

Die Weisung des damaligen Landrats des Kreises B. (nunmehr: Städteregionsrat der Städteregion B.) vom 20. Januar 2009 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig voll-streckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Voll-streckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine mittlere der (mit Wirkung vom 21. Oktober 2009 gebildeten) Städteregion B. angehörige Stadt mit etwa 55.000 Einwohnern. Sie ist Trägerin einer ständig besetzten Feuer- und Rettungswache im Sinne von § 9 des Gesetzes über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmen (RettG NRW). Auf die Wache sind der im Stadtgebiet über das Festnetz ausgelöste Notruf 112 und die für die Anforderung von Krankentransporten genutzte Telefonnummer 19222 aufgeschaltet. Durch die Feuer- und Rettungswache werden die Anrufe entgegengenommen, sodann die Einsätze sowohl des Feuerschutzes als auch des Rettungsdienstes ausgelöst und geleitet. Die Daten des jeweiligen Einsatzes werden seit September 2008 in ein Computerprogramm eingepflegt, das in kurzen Abständen einen automatischen Datenabgleich mit der Leitstelle der Städteregion B. durchführt. Sofern neue Einsatzdaten eingepflegt werden, erscheinen diese nach den Angaben der Klägerin etwa fünf Sekunden später mit dem Einsatzmittelvorschlag des Disponenten der Rettungswache auf dem Bildschirm der Leitstelle der Städteregion B.. Deren Mitarbeiter könne dann jederzeit - vor allem bei größeren Einsatzlagen - in die Leitung der Rettungswache der Klägerin eingreifen. Der im Stadtgebiet der Klägerin über Mobilfunk ausgelöste Notruf 112 geht zum größten Teil in der Leitstelle der Städteregion B. und vereinzelt in der Leitstelle des Nachbarkreises E. ein.

Im Hinblick auf die beabsichtigte Bildung der Städteregion B. teilte die Bezirksregierung L. dem damaligen Landrat des Kreises B. mit, die von der Klägerin geübte Praxis, rettungsdienstliche Hilfeersuchen unter der Notrufnummer 112 entgegenzunehmen, selbständig zu bearbeiten und zu leiten, widerspreche den Vorgaben des Rettungsrechts, wonach die Leitstelle des Kreises die Einsätze des Rettungsdienstes zu lenken habe. Die bislang geübte Praxis sei lediglich im Hinblick auf die Bildung der Städteregion B. und den Versuch, in diesem Zusammenhang eine einvernehmliche Lösung zwischen den beteiligten Verwaltungsträgern zu finden, geduldet worden. Nach vorausgegangener Anhörung gab daraufhin der damalige Landrat des Kreises B. der Klägerin durch auf § 17 Abs. 3 RettG NRW gestützte Weisung vom 20. Januar 2009 auf:

Der in der Feuer- und Rettungswache F. (G-weg 1,F.) eingehende Notruf 112 ist bei Hilfeersuchen, die ausschließlich den Rettungsdienst betreffen, an die nach § 8 RettG NRW zuständige Leitstelle weiterzuleiten. Der Notruf nach Ziffer 1 ist - sobald feststeht, dass das Hilfeersuchen ausschließlich den Rettungsdienst betrifft - unverzüglich mittels direkter Weiterleitung des Anrufenden weiterzuleiten. Der Notruf nach Ziffer 1 ist spätestens zum 21. Oktober 2009 (Inkrafttreten der Städteregion B.) weiterzuleiten. Die Krankentransportnummer 19222... im Bereich der Stadt F. ist auf die nach § 8 RettG NRW zuständige Leitstelle aufzuschalten. Die Krankentransportnummer ist spätestens zum 21. Oktober 2009 (Inkrafttreten der Städteregion B.) aufzuschalten.

Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Lenkung sämtlicher Einsätze des Rettungsdienstes müsse durch die Leitstelle des Trägers des Rettungsdienstes erfolgen. Wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser Aufgabe sei ein funktionierendes Informationssystem, die Leitstelle müsse über die Notrufnummer 112 erreichbar sein. Die Leitstelle könne aufgrund ihrer Funktion ein größeres Gebiet erfassen; bei ihr liefen sämtliche, für Rettungseinsätze relevante Schnittstelleninformationen zusammen. Ein bloßer Datenabgleich zwischen der Rettungswache und der Leitstelle sei nicht ausreichend, da die Leitstelle dadurch noch nicht in die Lage versetzt werde, ihre aus § 8 RettG NRW folgende Lenkungsfunktion wahrzunehmen. Die Erteilung der Weisung sei ermessensgerecht, um mit der Bildung der Städteregion B. die gesetzlichen Vorgaben des Rettungsgesetzes NRW zu erfüllen.

Die Klägerin hat am 18. Februar 2009 Klage erhoben und geltend gemacht:

Die Weisung zwinge sie faktisch dazu, den Notruf 112 insgesamt auf die Leitstelle der Städteregion B. aufzuschalten, weil es nicht zumutbar sei, den Anrufer im Fall einer Notlage weiterzuleiten. Einen solchen Zwang müsse die Klägerin aber nicht hinnehmen, da sie nach § 21 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über Feuerschutz und Hilfeleistung (FSHG) den Notruf auf ihre eigene Rettungswache aufschalten könne. Da die Regelung über den Notruf nicht zwischen Rettungsdienst und Feuerschutz unterscheide, habe der Gesetzgeber insoweit auch den Bereich des Rettungsdienstes geregelt. Die Weisung sei ermessensfehlerhaft, da die Forderung, einen Anrufer, der eine Notlage melde, weiterzuleiten, nicht praktikabel sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Weisung des damaligen Landrats des Kreises B. vom 20. Januar 2009 insgesamt aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht:

Die Unterhaltung der Leitstelle erfordere die Annahme sämtlicher rettungsdienstlicher Hilfeersuchen. Im Falle der Aufschaltung des Notrufs auf eine Rettungswache nach § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG seien die Hilfeersuchen unmittelbar an die Leitstelle weiterzuleiten. § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG könne nur die Aufgaben nach dem Feuerschutzgesetz, nicht jedoch rettungsdienstrechtliche Befugnisse regeln. Das ergebe sich auch aus den unterschiedlichen Zuständigkeiten der Klägerin (nämlich für die Einsätze beim Feuerschutz) und des damaligen Kreises B. (für die Lenkung von Rettungsdiensteinsätzen). Zahlreiche praktische Gründe sprächen für eine Annahme der Notrufe durch die Leitstelle. Bis zu 90 % der über die Nummer 112 gewählten Anrufe beträfen rettungsdienstliche Sachverhalte. Die Leitstelle sei durchgängig mit mehr Personal besetzt als die Rettungswache der Klägerin. Zudem gingen die über Mobiltelefone abgesetzten Notrufe bei der Leitstelle ein, was zu einer an sich überflüssigen Abklärung zwischen Leitstelle und Rettungswache zwinge, wenn auch bei dieser ein aus dem Festnetz abgesetzter Notruf zum selben Geschehen eingegangen sei.

Die Klage hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen:

Die Weisung sei rechtmäßig. Es bedürfe keiner Entscheidung, ob zutreffende Rechtsgrundlage § 17 Abs. 3 RettG NRW oder § 33 Abs. 2 FSHG sei. Die Weisung stelle sich in Anwendung beider Rechtsgrundlagen als rechtmäßig dar.

Aus den Vorschriften des Rettungsgesetzes NRW, insbesondere § 8 Abs. 1

Satz 1 RettG NRW, ergebe sich die Funktion der Kreisleitstelle als Schaltzentrale des Rettungsdienstes. Ihr komme eine umfassende Steuerungs- und Koordinierungsfunktion für sämtliche Einsätze zu. Dieser rettungsdienstliche Befund werde durch die Regelungen in § 21 Abs. 2 FSHG ergänzt. Die in § 21 Abs. 2 FSHG geregelte Aufgabe der Gemeinden, die Alarmierung der Einsatzkräfte zu gewährleisten, beziehe sich in erster Linie auf die Einsätze der Feuerwehren und enthalte nicht die Befugnis oder Verpflichtung der Gemeinden, auch die Einsätze des Rettungsdienstes zu lenken. Die Vorschrift des § 21 Abs. 2 FSHG bringe gleichzeitig ein Regel-/Ausnahmeverhältnis zum Ausdruck. Im Regelfall sei der Notruf direkt auf die Leitstelle und nur ausnahmsweise auf bestimmte Feuer- und Rettungswachen aufzuschalten. § 8 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW regele demgegenüber, dass eine Gemeinde, die an der Aufschaltung des Notrufs auf ihre Feuer- und Rettungswache festhalte, verpflichtet sei, den bei ihr eingehenden Notruf ohne jede Verzögerung an die Leitstelle weiterzuleiten.

Die Ziffern 4 und 5 der Weisung seien rechtmäßig. Die Klägerin sei aus § 8 RettG NRW verpflichtet, die Krankentransportnummer auf die Leitstelle aufzuschalten. Hinsichtlich dieser Telefonnummer enthalte das FSHG keine Regelung.

Ihre vom Senat zugelassene Berufung begründet die Klägerin wie folgt:

Aus der Leitungs- und Koordinierungsfunktion der Leitstelle folge nicht die Verpflichtung, eingehende Notrufe ausschließlich dort entgegenzunehmen.

Das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung des § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG verkannt. Diese Regelung stehe zwar im Kontext des Feuerschutzes, regele aber gleichwohl abschließend die Frage der grundsätzlichen Aufschaltung des Notrufs 112 auch unter rettungsdienstlichen Aspekten. Die Aufschaltung des Notrufs unter den in § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG genannten Voraussetzungen stelle eine gleichberechtigte Möglichkeit neben der in § 21 Abs. 2 Satz FSHG vorgesehenen Aufschaltung der Notrufnummer auf die Leitstelle dar. Ein Regel-/ Ausnahmeverhältnis sei zwischen den Vorschriften nicht begründet.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, § 21 Abs. 2 FSHG beziehe sich nur auf die Aufschaltung des Notrufs, nicht aber auf die Frage, wie mit Hilfeersuchen, die bei den Rettungswachen eingingen, umzugehen sei, gehe ebenfalls fehl. Aus der Fassung der Vorschrift und der Entstehungsgeschichte sei nämlich zu folgern, dass die zuvor praktizierte Aufschaltung und Abfrage des Notrufs durch kommunale Feuer- und Rettungswachen beibehalten werden sollte. Die Aufschaltung des Notrufs umfasse die Möglichkeit der unmittelbaren Erfassung und des Auslösens des Einsatzes ohne die Verpflichtung, den Notrufenden zuvor an die Leitstelle weiterzuleiten.

Die Weisung sei schließlich ermessensfehlerhaft. Die Weiterleitung des Notrufs führe zu zeitlichen Verzögerungen und liefe damit dem gesetzgeberischen Ziel schneller und effektiver Rettung entgegen. Die Aufschaltung der Notrufnummer insgesamt auf die Leitstelle trage der Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG nicht angemessen Rechnung. Die Weisung hätte nur im Falle einer Beanstandung ergehen dürfen, die bislang geübte Praxis sei aber nicht beanstandet worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 23. April 2009 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus:

Die gesetzlichen Vorschriften gingen von einer klaren Hierarchie zwischen der Leitstelle und der Rettungswache aus. Die Leitstelle sei der Rettungswache übergeordnet und lenke die Rettungseinsätze. Zu dieser Aufgabe gehöre auch die Entgegennahme der Rettungsersuchen. Die eindeutige Aufgabenzuweisung ergebe sich aus den §§ 8 und 9 RettG NRW. § 21 FSHG umfasse demgegenüber nur die technische Aufschaltung des Notrufs und im Übrigen die Lenkung der Feuerwehr. Eine Kompetenz- oder Funktionsregelung stelle die Vorschrift nicht dar. Die Koordinierungsfunktion der Leitstelle in Angelegenheiten des Rettungsdienstes sei auch im Gesetzgebungsverfahren zum Feuerschutzgesetz zum Ausdruck gekommen. Mit der durch die Weisung angeordneten Weiterleitung der Anrufe sei allenfalls eine Verzögerung im Sekundenbereich verbunden. Für die Rechtmäßigkeit der Weisung seien die tatsächlichen Verhältnisse der Aufschaltung der Notrufnummer 112 in den Kreisen des Landes Nordrhein-Westfalen ohne Belang.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die von der Klägerin eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung hat Erfolg.

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Unbeschadet der insoweit nur deklaratorischen Vorschrift des § 126 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW), die die unmittelbare Anfechtungsmöglichkeit von Aufsichtsmaßnahmen im Verwaltungsstreitverfahren bestimmt, erfüllt das Begehren der Klägerin die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Erhebung einer Anfechtungsklage. Bei der streitgegenständlichen Weisung des damaligen Landrats des Kreises B. vom 20. Januar 2009 handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW).

Der Weisung kommt unmittelbare Außenwirkung zu, da die Klägerin durch die Weisung als Selbstverwaltungskörperschaft und in dieser Eigenschaft als Trägerin eigener Rechte und Pflichten betroffen ist.

Bei der erteilten Weisung handelt es sich um einen Akt der staatlichen Sonderaufsicht über die Erfüllung von Aufgaben nach dem Rettungsgesetz NRW, die der Klägerin als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen sind und von ihr damit als Selbstverwaltungsangelegenheiten durchzuführen sind.

Die Aufgaben nach dem Rettungsgesetz NRW nehmen die Kreise und - wie im vorliegenden Fall - die Gemeinden gemäß § 6 Abs. 3 RettG NRW als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr. Dabei unterliegen die Gemeinden (wie auch die Kreise) der staatlichen Sonderaufsicht (§§ 119 Abs. 2, 3 Abs. 2 Satz 1 GO, 17 Abs. 1 RettG NRW). Im Rahmen der Sonderaufsicht hat der damalige Landrat des Kreises B. von seinem Weisungsrecht Gebrauch gemacht und dazu die zur Rechtsaufsicht ermächtigende Grundlage des § 17 Abs. 3 RettG NRW herangezogen. Die Auswahl dieser Rechtsgrundlage ist vor dem Hintergrund der ebenfalls in Betracht zu ziehenden Rechtsgrundlage in § 33 Abs. 2 FSHG zu Recht erfolgt. Denn Gegenstand der ausgesprochenen Weisung ist wenigstens zum eindeutig überwiegenden Teil ein vom Rettungsgesetz NRW umfasster Regelungsbereich. Durch die einzelnen Regelungsgegenstände der Weisung soll die Klägerin verpflichtet werden, Ersuchen um Notfalleinsätze des Rettungsdienstes und Ersuchen um Krankentransporte an die Leitstelle im Sinne von § 8 RettG NRW weiterzuleiten. Der Gegenstand der Weisung wird nicht dadurch zu einem solchen des Feuerschutzgesetzes, dass die Anordnung die Weiterleitung von Ersuchen, die über die im Feuerschutzgesetz geregelte Notrufnummer 112 eingegangen sind, betrifft. Ein Eingriff in oder die Regelung von Strukturen, die die Klägerin auf der Grundlage des Feuerschutzgesetzes geschaffen hat, liegt nicht vor. Die Handhabung der im Feuerschutzgesetz geregelten Aufschaltung der Notrufnummer 112 ist von der Weisung im Kern nicht betroffen, wohl aber die (weitere) Handhabung von Lebenssachverhalten, die auf die Nutzung der im Feuerschutzgesetz geregelten Notrufmöglichkeit angewiesen sind und von ihr entsprechenden Gebrauch gemacht haben, sich sodann aber - und hier setzen die Anordnungen der Weisung an - als dem Rettungsrecht unterfallende Sachverhalte erweisen.

Bei den der Klägerin nach dem Rettungsgesetz NRW als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragenen Aufgaben handelt es sich nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts um Selbstverwaltungsaufgaben, die für die Klägerin eigene Rechte begründen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. März 1995 15 B 2839/93 -, NWVBl. 1995, 300, unter Bezugnahme auf das Urteil des VerfGH NRW vom 15. Februar 1985 - VerfGH 17/83 -, DVBl. 1985, 685, jeweils auch juris; differenzierend Schmidt-Aßmann/Röhl, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, 1. Kapitel (Kommunalrecht), Rn. 39.

Die Klägerin ist klagebefugt, da sie geltend machen kann, durch die Weisung in ihren Rechten verletzt zu sein, § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Sie kann die Rechte aus dem gemeindlichen Wirkungskreis zur Begründung ihrer Klagebefugnis anführen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 2005 - 20 A 3988/03 -, OVGE 50, 139 = juris.

Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Weisung ist insgesamt rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die materiellen Voraussetzungen der bereits benannten und allein in Frage kommenden Ermächtigungsgrundlage des § 17 Abs. 3 RettG NRW liegen nicht vor.

Dagegen ist die Zuständigkeit des damaligen Landrats des Kreises B. zum Erlass der streitgegenständlichen Weisung nicht zu beanstanden. Er war als nach § 120 Abs. 1, 1. Halbsatz GO NRW für die allgemeine Aufsicht zuständige Behörde zur Führung der hier in Frage stehenden Sonderaufsicht nach § 17 Abs. 1 RettG NRW befugt. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht weiter ausgeführt, der Regelungsgehalt der angegriffenen Weisung könne sich auf den Zeitraum nach dem 21. Oktober 2009, mithin einen Zeitraum, in dem der Kreis B. und der Landrat des Kreises B. durch die jeweiligen Rechtsnachfolger nach den Vorschriften des "Städteregion B. Gesetzes" ersetzt wurden, beziehen. Bereits begrifflich benennen die Regelungen der Weisung "die nach § 8 RettG NRW zuständige Leitstelle" und berücksichtigen insofern, dass die Leitstelle des Kreises B. zum 21. Oktober 2009 als Leitstelle der Städteregion B. fungieren würde. Die Handlungszuständigkeit des damaligen Landrats des Kreises B. ist im Hinblick auf die durch das "Städteregion B. Gesetz" angeordnete Funktionsnachfolge der dort benannten entsprechenden Organe und Körperschaften nicht zu beanstanden, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat.

Die materiellen Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 RettG NRW liegen für keinen der in der Weisung vom 20. Januar 2009 mit den Ziffern 1 bis 5 bezeichneten Regelungsgegenstände vor. Dabei betreffen die Ziffern 1 bis 3 der Weisung die Weiterleitung rettungsdienstlicher Notfallersuchen, die über die Notfallnummer 112 gemeldet werden; die Ziffern 4 und 5 betreffen die Telefonnummer 19222, die von der Klägerin - wie in vielen anderen Gemeinden und Kreisen - als Rufnummer für Krankentransporte ohne Notfallindikation gebraucht und in ihrem Ortsbereich auf die Rettungswache aufgeschaltet ist. Bei den jeweils durch Ziffern voneinander getrennten Bestandteilen der Weisung handelt es sich allerdings nicht um eigenständige Verfügungen innerhalb der beiden Regelungsbereiche "Notrufnummer 112" und "Krankentransportnummer 19222". Das ergibt die entsprechend den §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vorzunehmende und am objektiven Erklärungswert auszurichtende Auslegung der einzelnen "Regelungen" im Hinblick auf ihren Sinn und Zweck.

Vgl. zur Auslegung von Verwaltungsakten oder einzelnen Regelungsbestandteilen: BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1980 - 6 C 55.79 -, BVerwGE 60, 223; OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2010 - 13 A 1047/08 - PharmR 2010, 534, jeweils auch juris.

Durch die Weisung soll zunächst erkennbar die unverzügliche und direkte Weiterleitung von rettungsdienstlichen Nothilfeersuchen an die Leitstelle im Sinne von § 8 RettG NRW erfolgen, wie es Ziffer 2 der Weisung anordnet. Diese Anordnung umfasst die "Regelung" der Ziffer 1, die ausschließlich die Weiterleitung an die Leitstelle - ohne den Zusatz "unverzüglich mittels direkter Weiterleitung" - fordert. Eine isolierte Befolgung nur der unter Ziffer 1 getroffenen Anordnung machte aber erkennbar keinen Sinn. Denn es ist dem Wesen des notfallmäßig gemeldeten Rettungsersuchens immanent, dass ausschließlich eine unverzügliche und direkte Weiterleitung in Frage kommt, nicht aber eine vom Wortlaut der unter Ziffer 1 getroffenen Anordnung auch umfasste, nicht unverzügliche oder nicht direkte Weiterleitung. Ziffer 3 der Weisung enthält - wie Ziffer 5 entsprechend für den Bereich des Krankentransports - eine Fristbestimmung für die Umsetzung der geforderten Anordnung. Damit umfasst die Weisung im Ergebnis zwei Regelungen, nämlich die sich aus den Ziffern 1 bis 3 ergebende Anordnung, spätestens bis zum 21. Oktober 2009 bei der Feuer- und Rettungswache der Klägerin eingehende Notrufe, die ausschließlich den Rettungsdienst betreffen, direkt und unverzüglich an die zuständige Leitstelle nach § 8 RettG NRW weiterzuleiten (siehe nachfolgend I.) sowie die sich aus den Ziffern 4 und 5 ergebende Regelung, die Krankentransportnummer 19222 spätestens zum 21. Oktober 2009 auf die nach § 8 RettG NRW zuständige Leitstelle aufzuschalten (siehe nachfolgend II.).

I. Der erste Teil der Weisung ist rechtswidrig, weil er nicht die gesetzmäßige Erfüllung von Aufgaben (nach dem Rettungsgesetz NRW) sichert, wie es § 17 Abs. 3 RettG NRW für die Erteilung einer Weisung verlangt. Voraussetzung für die Erteilung einer Weisung des damaligen Landrats des Kreises B. als zuständiger Aufsichtsbehörde ist danach, dass die gesetzlichen Vorgaben des Rettungsgesetzes NRW von der Klägerin als seiner Aufsicht unterstellten Gemeinde nicht eingehalten werden und eine rechtmäßige Verfahrensweise nur durch eine Weisung sichergestellt werden kann; die Ausübung des Weisungsrechts ist dem pflichtgemäßen Ermessen der Aufsichtsbehörde unterstellt.

Vgl. dazu Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, Gemeindeordnung Nordhein-Westfalen, Kommentar (Stand: 35.EL, Dez. 2010), § 119 Anm. IV.1; Zacharias, Nordrheinwestfälisches Kommunalrecht, 2004, S. 299.

Daran fehlt es, weil die Aufgabenwahrnehmung durch die Klägerin den gesetzlichen Vorgaben des Rettungsgesetzes NRW nicht widerspricht und bereits deshalb kein Anlass zur Erteilung der angefochtenen Weisung besteht. Die gesetzlichen Regelungen gestatten der Klägerin als Trägerin den Betrieb einer Rettungswache im Sinne von § 9 RettG NRW und in dieser Eigenschaft die Aufschaltung des Notrufs 112 auf die Rettungswache. Die in der Rettungswache angenommenen Hilfeersuchen dürfen in der Rettungswache von deren Einsatzpersonal bearbeitet und umgesetzt werden, soweit dadurch nicht die Lenkungs- und Koordinierungsfunktion der Leitstelle nach § 8 Abs. 1 RettG NRW verletzt wird, was vorliegend nicht der Fall ist.

Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Der von der streitgegenständlichen Weisung umfasste Regelungsbereich berührt die Schnittstelle von Rettungsrecht und Feuerschutzrecht. Ein zentrales und strukturell vergleichbares Regelungsbedürfnis besteht für die Organisation rettungs- und feuerschutzdienstlicher Notfalleinsätze. Für beide Bereiche ist die ständige Erreichbarkeit einer Koordinierungsstelle und die Einsatzbereitschaft entsprechender Einsatzkräfte sowie deren Alarmierung, Ingangsetzung und im gegebenen Fall Lenkung zu gewährleisten.

Vgl. zum Sicherstellungsauftrag der Notdienstträger: Runderlass des Innenministeriums vom 12. März 1999 - II C 4 -4.429-22-, abgedruckt in: Steegmann, Recht des Feuerschutzes und des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen, Loseblattwerk, 4. Aufl. (Stand: 29. Akt., Dez. 2010), Ordnungsnummer 681.

So erklärt sich, dass die Regelungen beider Rechtsgebiete zunächst nur im Feuerschutzgesetz (in den Fassungen vom 2. Juni 1948 und 25. März 1958) zusammengefasst waren. Die vor allem aus der Zunahme des Straßenverkehrs entstandene Notwendigkeit, ein effizienteres Rettungsdienstwesen aufzubauen, führte schließlich zur Verabschiedung des Rettungsgesetzes NRW vom 26. November 1974 (GV. NW. S. 1481), mit dem erstmalig das Rettungsdienstwesen im Land Nordrhein-Westfalen durch ein eigenes Gesetz geregelt wurde. Das Rettungsgesetz NRW wurde durch die heute geltende Fassung vom 24. November 1992 novelliert, wobei die Regelungen des Rettungsgesetzes NRW 1974 und die Struktur des Rettungsdienstes im Wesentlichen beibehalten wurden; neu geschaffen wurden Regelungen zum Krankentransportwesen. Das Feuerschutzgesetz erhielt eine Neufassung vom 25. Februar 1975 (GV. NW. S. 182) sowie die heute geltende Fassung vom 10. Februar 1998. Der Gesetzgeber hat die Gemeinsamkeiten und die Verzahnung der Regelungen der genannten Bereiche in den jeweiligen Gesetzgebungsverfahren gesehen und in den Blick genommen. Nicht für jeden Bereich ist es allerdings gelungen, eine aus sich heraus verständliche sowie widerspruchsfrei anwendbare Regelung zu schaffen. Die - vom Gesetzgeber grundsätzlich gesehene und berücksichtigte - Verschränkung und Verzahnung der beiden Regelungsbereiche zeigt sich beispielhaft in Folgendem:

Zur Lenkung der Einsätze des Rettungsdienstes und des Feuerschutzes ist jeweils eine Leitstelle vorgesehen (§ 8 RettG NRW und § 21 FSHG). In § 21 Abs. 1 Satz 1 FSHG und § 7 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW hat der Gesetzgeber bestimmt, dass die Leitstelle für den Feuerschutz mit der Leitstelle für den Rettungsdienst zusammenzufassen ist; die Vorgängerregelung in § 20 FSHG 1975 hatte eine solche Verpflichtung noch nicht vorgesehen. Weiter hat der Gesetzgeber in den Beratungen zum Rettungsgesetz 1974 mehrfach auf die parallel verlaufenden Beratungen zum Feuerschutzgesetz 1975 hingewiesen und diese in die Erwägungen einfließen lassen.

Vgl. die Stellungnahmen von Abgeordneten in der zweiten und dritten Lesung zum Rettungsgesetz 1974: Plenarprotokolle 7/102 vom 29. Mai 1974, S. 4196 und 7/116 vom 13. November 1974, S. 4801, 4802, 4803.

Der Gesetzgeber hat in § 19 Abs. 1 FSHG 1975 bestimmt, dass die Feuerwehren nach Maßgabe des Rettungsgesetzes 1974 im Rettungsdienst mitwirken. Dass der Gesetzgeber den jeweils angrenzenden Regelungsbereich im Blick gehabt hat, wird schließlich offenbar durch die Regelung zur Notrufannahme durch eine Rettungswache in § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG. Der Begriff der Rettungswache als qualifizierte Feuerwache ist im Feuerschutzgesetz selbst nicht geregelt und nimmt erkennbar Rückgriff auf die Regelung in § 8 RettG NRW.

Praktische Schwierigkeiten bei der Aufgabenwahrnehmung nach dem jeweiligen Gesetz ergeben sich aus der Zuweisung der Aufgaben an unterschiedliche Träger und der Regelung zur Notruftelefonnummer 112.

Für den Rettungsdienst sind Träger grundsätzlich die Kreise und kreisfreien Städte (soweit nicht im Hinblick auf die Rettungswachen nach § 9 RettG NRW auch bestimmten kreisangehörigen Gemeinden Trägereigenschaft zukommt). Träger der Aufgaben des Feuerschutzes sind dagegen die Gemeinden. Zur Durchführung der Aufgaben des Rettungsdienstes bedienen sich die Träger einer Leitstelle, deren Aufgabe in § 8 Abs. 1 RettG NRW mit Lenkung der Einsätze des Rettungsdienstes benannt ist. Für den Feuerschutz bestimmt § 21 Abs. 2 FSHG, dass die Gemeinden die Alarmierung der Einsatzkräfte gewährleisten. Dieses erfolgt regelmäßig über von der Gemeinde unterhaltene Feuerwachen; im Feuerschutz wird die Leitstelle nur ausnahmsweise zur Einsatzlenkung in den Fällen des § 21 Abs. 1 Satz 3 FSHG tätig.

Die Einrichtung und Organisation der telefonischen Erreichbarkeit der Notfalldienste des Rettungsdienstes und der Feuerwehr hat der nordrheinwestfälische Gesetzgeber erstmalig und ausschließlich im Feuerschutzgesetz (1998) in der Vorschrift des § 21 Abs. 2 geregelt. Dort ist bestimmt, dass die Gemeinden die Einrichtung des Notrufs 112 veranlassen, der Notruf auf die Leitstellen aufzuschalten ist, aber auch auf Rettungswachen aufgeschaltet werden kann. Das Rettungsgesetz NRW enthält insoweit keine Regelung, obwohl es sich bei der Notrufnummer 112 - neben der Notrufnummer 110 - um eine der beiden nationalen Notrufnummern und zugleich um die Umsetzung der einheitlichen europäischen Notrufnummer handelt, über die - neben Einsätzen der Feuerwehr - auch rettungsdienstliche Hilfe anzufordern ist.

Vgl. zur nationalen Notrufnummer: § 1 der Verordnung über Notrufverbindungen (NotrufV) vom 6. März 2009 und § 108 des Telekommunikationsgesetzes (TKG); zur europaeinheitlichen Notrufnummer: Entscheidung des Rates vom 29. Juli 1991 zur Einführung einer einheitlichen europäischen Notrufnummer (91/396/EWG).

Zentrale Koordinierungsstellen für die Entgegennahme von Nothilfeersuchen und die Einsatzlenkung im Rettungsrecht und im Feuerschutzrecht sind also die Leitstellen und die Feuerwachen mit jeweils unterschiedlichen Trägern.

Vgl. dazu Schubert/Rickards, Kostenverteilung einer Einsatzleitstelle, Der Gemeindehaushalt 1998, 155.

Die Leitstelle ist inzwischen als gemeinsame Leitstelle von Rettungsdienst und Feuerwehr konzipiert (§ 21 Abs. 1 Satz 1 FSHG, § 7 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW) und hat für den Rettungsdienst ihre zentrale Regelung in § 8 RettG NRW gefunden. Danach lenkt die ständig besetzte und erreichbare Leitstelle die Einsätze des Rettungsdienstes. Die entsprechend beauftragten Personen der Leitstelle müssen die Qualifikation als Rettungsassistent oder Rettungsassistentin haben (§ 8 Abs. 1 Satz 4 RettG NRW). Der Leitstelle kommt eine Koordinierungsfunktion mit sonstigen am Rettungsdienst beteiligten Einheiten wie Krankenhäusern, Polizei und Feuerwehr zu (§ 8 Abs. 1 Satz 3 RettG NRW). Aufgrund der ihr gesetzlich zukommenden Lenkungsfunktion ist die Leistelle die Schaltzentrale des Rettungsdienstes, sie lenkt sämtliche Einsätze des Rettungsdienstes. In dieser Funktion ist der Betrieb der Leitstelle vor allem auf die Erreichbarkeit durch den Hilfesuchenden und auf ein funktionierenden Nachrichtensystem mit den weiter beteiligten Einheiten angewiesen.

Vgl. die Begründung zum Entwurf des Rettungsgesetzes 1974, LT-Drs. 7/3154 vom 16. Oktober 1973, S. 13 und die Begründung zum Entwurf des Rettungsgesetzes 1992, LT-Drs.11/3181 vom 6. Februar 1992, S. 46, sowie die Aufgabenbeschreibung im Runderlass des damaligen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (MAGS) vom 22. April 1998 - VC 6-0713.41 -, abgedruckt in: Steegmann, a. a. O., Ordnungsnummer 433; Müller-Platz, Rettungsgesetz NRW, Kommentar, 2006, § 7 Anm. 2 und § 8 Anm. 1; Prütting, Rettungsgesetz NRW, Kommentar, 3. Aufl. 2001, § 8 Rn. 1, 5.

Das Leiten der Einsätze des Rettungsdienstes umfasst ggf. das Befördern der Notfallpatienten in ein geeignetes Krankenhaus und endet in diesem Fall erst mit der Übergabe des Patienten in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses.

Vgl. Steegmann, a. a. O., § 8 RettG NRW Rn. 8; Müller-Platz, § 8 Anm. 1.

Die rettungsdienstlichen Anforderungen an eine Rettungswache und deren Aufgaben sind in § 9 RettG NRW bestimmt. Die Rettungswache ist der Leitstelle funktionell unterstellt, von ihr geht die Hilfeleistung unmittelbar aus, die Rettungsfahrzeuge rücken von der Rettungswache aus. § 9 Abs. 1 RettG NRW definiert im Wege einer Funktionsbeschreibung, dass die Rettungswachen die nach dem Bedarfsplan notwendigen Rettungsmittel sowie das erforderliche Personal bereithalten und die Einsätze durchführen. Dadurch sind funktionell gewisse sachliche und personelle Mindestanforderungen an den Betrieb einer Rettungswache gestellt.

Vgl. Steegmann, a. a. O., § 9 RettG NRW Rn. 1, 10 Prütting, a. a. O., § 9 Rn. 1; Müller-Platz,

a. a. O., § 9 Anm. 2.

Träger von Rettungswachen sind die Großen kreisangehörigen Städte, Mittlere kreisangehörige Städte sind Träger, soweit sie aufgrund des rettungsdienstlichen Bedarfsplans die in § 9 Abs. 1 RettG NRW bezeichneten Aufgaben wahrnehmen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 RettG NRW).

§ 21 Abs. 2 Satz 2 FSHG bestimmt, dass der Notruf 112 auf die Leitstelle aufzuschalten ist. Nach § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG ist die Aufschaltung des Notrufs 112 auf ständige besetzte Feuerwachen von Mittleren und Großen kreisangehörigen Städten zulässig, wenn diese die Aufgaben einer Rettungswache wahrnehmen. Unter Aufschaltung ist die Beauftragung eines Telefonnetzbetreibers mit der Umsetzung einer Meldemöglichkeit an die bestimmte Stelle durch die nach

§ 21 Abs. 2 Satz 1 FSHG zur Notrufeinrichtung verpflichtete Gemeinde zu verstehen.

Zur "Schaltung des Notrufs" vgl. Runderlass des Innenministeriums vom 12. März 1999 - II C 4-4.429-22 -, abgedruckt in: Steegmann, a. a. O., Ordnungsnummer 681.

Die Aufschaltung des Notrufs auf die Leitstelle ist dabei als Regel vorgesehen (und für Kleine kreisangehörige Gemeinden allein möglich), während die Aufschaltung auf Rettungswachen als Ausnahme zulässig sein soll, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt.

So auch Steegmann, a. a. O., § 21 FSHG Rn. 17.

Dieses Regel-/Ausnahmeverhältnis ergibt sich im Wesentlichen aus der Funktion von Leitstelle und Rettungswache. Die Leitstelle erfüllt funktionell alle Anforderungen, die sich aus den praktischen Bedürfnissen einer Annahmestelle für Nothilfeersuchen ergeben, indem sie nach § 8 Abs. 1 Sätze 2 und 4 RettG NRW und § 21 Abs. 1 Satz 1 FSHG ständig mit befähigtem Personal besetzt und erreichbar ist, mit den entscheidenden Einheiten vernetzt ist und die Leistungsmerkmale des § 21 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FSHG erfüllen muss. Für die Funktionsbeschreibung jedenfalls der Rettungswache nimmt § 21 Abs. 2 FSHG erkennbar auf die Regelungen des Rettungsgesetzes NRW Bezug. Für die Aufschaltung des Notrufs 112 auf Rettungswachen verlangt § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG, dass es sich um eine ständig besetzte Feuerwache handeln muss, die zudem Aufgaben einer Rettungswache nach § 9 RettG NRW wahrnehmen muss. Durch diese qualifizierten Anforderungen an die ständige Erreichbarkeit und die Vorhaltung von Rettungsmitteln sowohl für den Rettungsdienst als auch für den Feuerschutz hat der Gesetzgeber den hohen Anforderungen an die Organisation der Erreichbarkeit von Nothilfe, wie sie sich etwa aus der Entscheidung des Rates vom 29. Juli 1991 zur Einführung einer einheitlichen europäischen Notrufnummer (91/396/EWG) ergeben, Rechnung getragen.

Das genannte Regel-/Ausnahmeverhältnis ist indessen nicht in der Weise ausgestaltet, dass die ausnahmsweise Aufschaltung des Notrufs 112 auf eine Rettungswache einer besonderen Rechtfertigung oder des Vorliegens besonderer Gründe bedarf. Vielmehr steht der insoweit zuständigen Gemeinde ein Wahlrecht zu, den Notruf 112 auf die Leitstelle des Kreises oder die in ihrer Trägerschaft befindliche Rettungswache aufzuschalten, wenn diese die gesetzlichen Anforderungen erfüllt.

Aus dem dargestellten Zusammenspiel der Regelungen des Rettungsgesetzes NRW und des Feuerschutzgesetzes ergibt sich zusammenfassend: Den Leitstellen der Kreise und kreisfreien Städte kommt die Lenkungsfunktion für sämtliche Einsätze des Rettungsdienstes zu. Die Gemeinden sind für die Einrichtung und Unterhaltung des Notrufs 112 zuständig und dürfen diesen auf eine von ihnen ggf. unterhaltene Rettungswache aufschalten. Eine solche Aufschaltung beinhaltet unzweifelhaft die Befugnis, das über die Notrufnummer 112 abgesetzte Telefongespräch entgegenzunehmen. Die gesetzlichen Regelungen geben aber keine Auskunft darüber, wie weiter zu verfahren ist, wenn über die auf eine Rettungswache aufgeschaltete Notrufnummer 112 ein ausschließlich rettungsdienstliches Hilfeersuchen abgesetzt worden ist und der zuständige Bearbeiter der Rettungswache dieses entgegengenommen hat. Die Lösung des sich offenbarenden Konflikts zwischen der (umfassenden) Lenkungsbefugnis der Leitstelle und der Befugnis der Rettungswache, (auch) rettungsdienstliche Nothilfeersuchen jedenfalls entgegenzunehmen, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei kommen drei Möglichkeiten in Betracht: Die Rettungswache könnte befugt sein, das von ihr entgegengenommene Nothilfeersuchen eigenständig zu bearbeiten und den Rettungseinsatz durchzuführen. Als weitere Möglichkeit ist eine Pflicht der Rettungswache in Betracht zu ziehen, eingegangene Rettungshilfeersuchen unverzüglich an die Leitstelle weiterzuleiten, wie die streitgegenständliche Weisung in den Ziffern 1 - 3 fordert. Schließlich könnte die Rettungswache berechtigt sein, nach Entgegennahme eines Rettungsersuchens über den Notruf 112 den erforderlichen Rettungseinsatz selbst zu veranlassen und andererseits verpflichtet sein, die Leitstelle davon unverzüglich in Kenntnis zu setzen und ihr so die Einsatzlenkung entsprechend der gesetzlichen Aufgabenzuweisung zu ermöglichen.

Die erstgenannte Variante ist von vornherein auszuscheiden, da sie der Lenkungsfunktion der Leitstellen nach § 8 Abs. 1 RettG NRW in keiner Weise gerecht zu werden vermag. Von den verbleibenden Varianten ist der letztgenannten der Vorzug zu geben. Das ergibt eine Auslegung der Vorschriften §§ 6 - 9 RettG NRW und § 21 FSHG anhand der Entstehungsgeschichte (1.), nach Sinn und Zweck (2.) sowie der Einordnung in den systematischen Zusammenhang der betroffenen Regelungen (3.). Die rettungsdienstlichen Befugnisse der Rettungswachen folgen maßgeblich aus der ihnen in § 9 RettG NRW zugewiesenen Funktion.

1. Vor Inkrafttreten des ersten nordrheinwestfälischen Rettungsgesetzes im Jahr 1974 erfolgte die Lenkung und Koordinierung rettungsdienstlicher Einsätze wesentlich über die im Land in unterschiedlicher Dichte verteilten Feuer- und Rettungswachen; die Einrichtung von Leitstellen der Kreise und kreisfreien Städte war gesetzlich bis dahin nicht vorgesehen. Die Lenkung durch Feuer- und Rettungswachen war der bis heute in Nordrhein-Westfalen verbreiteten Praxis geschuldet, nach der ein Großteil der rettungsdienstlichen Aufgaben von den Feuerwehren (mit-)wahrgenommen wurde und wird. Diese Praxis hatte sich bewährt, weil zahlreiche Angehörige der Berufsfeuerwehren und der Feuerwehren mit hauptamtlichen Kräften auch eine rettungsdienstliche (Zusatz-)Ausbildung durchlaufen hatten.

Vgl. dazu etwa Steegmann, a. a. O., § 7 RettG NRW Rn. 9.

Dieser vor Inkrafttreten des Rettungsgesetzes NRW bestehende Zustand wurde auch durch die mit dem Rettungsgesetz NRW 1974 und dem Feuerschutzgesetz 1975 geschaffenen, jeweiligen Leitstellen für die Rettungswachen beibehalten, jedenfalls was die Annahme von Hilfeersuchen und die Erstbearbeitung derselben durch die Rettungswachen anbetrifft.

Vgl. Nr. 1.1.1 des Runderlasses des Innenministeriums vom 30. Juni 1982 - V B 4-4.429-51 -, sogenannter "Leitstellenerlass", MBl. NW., S. 1106, abgedruckt in: Steegmann, a. a. O., Ordnungsnummer 600, in der die ständig besetzte Feuerwache neben der Leistelle (nach dem FSHG 1975) gleichberechtigt zur Annahme von Hilfeersuchen und Veranlassung der Einsätze genannt ist. Nach einem Bericht des Instituts für Wirtschaftsgeographie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn aus dem Jahr 1997 (Rettungsdienst in Nordrhein-Westfalen - Leistungs- und Organisationsstruktur, S. 45) bestanden im Jahr 1995 in Nordrhein-Westfalen neben 54 rettungsdienstlichen Leitstellen noch 83 Abfragestellen in kombinierten Feuer- und Rettungswachen.

Die in Nordrhein-Westfalen bestehenden Strukturen hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Rettungsgesetzes NRW aus dem Jahr 1974 und der Novellierung des Gesetzes im Jahr 1992 berücksichtigt, wie die Gesetzgebungsmaterialien belegen. Bereits in der allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für das Rettungsgesetz NRW 1974 heißt es:

"Die Kreise und kreisfreien Städte werden zu Trägern des Rettungs- und Krankentransportdienstes bestimmt. ... Die Einbeziehung bestehender und zu schaffender Rettungswachen der kreisangehörigen Gemeinden, die insoweit zu Trägern der Rettungswachen werden, und der freiwilligen Hilfsorganisationen, wird sichergestellt."

LT-Drs. 7/3154 vom 16. Oktober 1973, S. 1 f.

Die Vorschrift des § 6 (Leitstelle - zentraler Krankenbettennachweis) ist folgendermaßen begründet:

"Absatz 1 beschreibt die Aufgaben der Leitstelle. Die Leitstelle ist die Schaltzentrale des Rettungsdienstes. Sie lenkt sämtliche Einsätze, sowohl solche, die sie selbst veranlaßt, als auch jene, die unmittelbar bei Rettungswachen angefordert werden. Das schließt nicht aus, daß im Einzelfall nach einem an die Rettungswache gerichteten Hilfeersuchen der Krankenkraftwagen sofort ausrückt, er ist aber in jedem Falle verpflichtet, seinen Einsatz mit der Leitstelle zu koordinieren. Die wesentlichste Voraussetzung hierfür ist ein reibungslos funktionierendes Nachrichtensystem. Dazu gehört u.a., daß Notrufe, die über die Rufnummer 110 bei der Polizei auflaufen, unmittelbar an die Leitstelle weiter vermittelt werden. Das gleiche gilt für die Rufnummer 112 (Feuerwehr), sofern die Leitstelle nicht von der Feuerwehr betrieben wird."

LT-Drs. 7/3154 vom 16. Oktober 1973, S. 13.

Die insoweit maßgeblichen Vorschriften des § 6 Abs. 1 (Leitstelle) und § 7 Abs. 1 (Rettungswache) hielten nach intensiven Beratungen in den Ausschüssen und im Plenum unverändert Eingang in die Gesetzesfassung aus dem Jahr 1974. An den grundsätzlichen Motiven für die Schaffung des Rettungsgesetzes NRW und dem Erhalt der damals bereits bestehenden Strukturen der Rettungswachen - allerdings mit Unterstellung unter die neu geschaffenen Leitstellen - ändert nichts, dass in der zweiten und dritten Lesung des Gesetzes im Plenum des Landtags auch die Auffassung geäußert wurde, künftig sollten alle Nothilfeersuchen bei der Leitstelle auflaufen und von dort bedient werden.

So etwa der Abgeordnete Grundmann in der zweiten Lesung am 29. Mai 1974, Plenarprotokoll 7/102, S. 4141; ähnlich Kultusminister Girgensohn in der dritten Lesung am 13. November 1974, Plenarprotokoll 7/116, S. 4804.

Auch der Gesetzgeber des Rettungsgesetzes NRW 1992 berücksichtigte die erhalten gebliebenen Strukturen der Rettungswachen, wie sich wiederum aus den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens ergibt. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung heißt es:

"Die bewährten Strukturen des öffentlich organisierten Rettungsdienstes bleiben erhalten und werden in einem Abschnitt zusammengefaßt."

LT-Drs. 11/3181 vom 6. Februar 1992, S. 2.

In der Begründung zu § 8 (Leitstelle - zentraler Krankenbettennachweis) heißt es, die Vorschrift des § 6 RettG NRW a. F. werde im Wesentlichen übernommen. Die Begründung zu Abs. 1 entspricht beinahe wörtlich der Begründung zu § 6 RettG NRW 1974. Es heißt, die Leitstelle lenke "sämtliche Einsätze, sowohl solche, die sie selbst veranlaßt, als auch jene, die unmittelbar von Rettungswachen angefordert werden". Im unmittelbaren Anschluss ist der in der Begründung zu § 6 RettG NRW 1974 vorhandene Satz entfallen, wonach nicht ausgeschlossen sei, dass im Einzelfall der Krankenwagen von der Rettungswache sofort ausrücke.

LT-Drs. 11/3181 vom 6. Februar 1992, S. 46.

Vor allem der Gebrauch der Formulierung, ", ... die unmittelbar von Rettungswachen angefordert werden.", die sich gegenüber der Begründung im Gesetzgebungsverfahren zum Rettungsgesetz NRW 1974 inhaltlich nicht verändert hat (dort: ", ... die unmittelbar bei Rettungswachen angefordert werden."), verdeutlicht die gesetzgeberischen Motive, die dem heute geltenden Rettungsgesetz NRW zugrundeliegen und im für den hier vorliegenden Fall maßgeblichen Teil von einer Möglichkeit der Notrufannahme und Weiterbearbeitung der Ersuchen durch die Rettungswachen ausgingen. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs zum Rettungsgesetz 1974, wonach nicht ausgeschlossen sei, dass im Einzelfall nach einem an die Rettungswache gerichteten Hilfeersuchen der Krankenwagen sofort ausrücke, folgt nicht, dass es sich dabei um - wie auch immer zu bestimmende - Ausnahmefälle handeln soll. Vielmehr wollte der Gesetzgeber das bis dahin praktizierte Ingangsetzen von Einsätzen durch die Rettungswachen generell weiter gestatten und hat diese als Einzelfälle (nicht aber als Ausnahmen) gegenüber der ebenfalls bestehenden Möglichkeit, einen einzuleitenden Einsatz unmittelbar der Leitstelle zu melden, bezeichnet.

Diese Auffassung wird weiter bestärkt durch die Ausführungen zu der durch das Zweite Gesetz zur Funktionalreform vom 18. September 1979 (GV. NW. S. 552) begründeten Trägereigenschaft für Rettungswachen von Großen und Mittleren kreisangehörigen Städten nach § 6 und § 7 RettG NRW (Einrichtungen des Rettungsdienstes), dort heißt es:

"... Im Rahmen der technischen Möglichkeiten kann der Kreis einzelne Aufgaben der Leitstelle durch Große und Mittlere kreisangehörige Städte wahrnehmen lassen, wenn dadurch die zentrale Lenkung und Koordinierung von Einsätzen nicht beeinträchtigt wird. ..."

LT-Drs. 11/3181 vom 6. Februar 1992, S. 45.

Auch das Gesetzgebungsverfahren zum Ersten Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1999 (1. ModernG NRW), durch dessen Art. 17 verschiedene Vorschriften des Rettungsgesetzes NRW geändert wurden, bezeugt den Willen des Gesetzgebers, den Rettungswachen die Annahme und Bearbeitung von Notrufen zu belassen. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. Februar 1999 sah für § 9 Abs. 1, 2. Halbsatz RettG NRW im Hinblick auf die Rettungswachen folgende Fassung vor: "sie führen unter Lenkung und Leitung der Leitstelle die Einsätze - auch außerhalb ihres Bereichs - durch".

LT-Drs. 12/3730 vom 25. Februar 1999, S. 88.

Aus den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren wird offenbar, dass die angedachte - im Gesetzentwurf insoweit nicht begründete - Regelung in den Ausschüssen und von den im Verfahren beteiligten Verbänden und Institutionen in dem Sinne verstanden wurde, dass zugunsten der Leitstellenfunktion die in der Praxis von den Rettungswachen ausgeübte Tätigkeit der Annahme von Notrufen beendet werden sollte.

Vgl. etwa Bericht der Ministerin Fischer in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge vom 17. März 1999, aufgrund der gesetzlichen Klarstellung solle die Abwicklung der Einsätze aus Qualitätsgründen nur noch über den Notruf 112 erfolgen, APr 12/1181, S. 27; Diskussionsbeitrag der Abgeordneten Hürten in der Sitzung des genannten Ausschusses vom 12. Mai 1999, die Rettungswachen müssten erhalten bleiben, es werde eine Annäherung zu den Vorschriften des FSHG angestrebt, APr 12/1233, S. 17.

In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Verwaltungsstrukturreform vom 4. Juni 1999 war die bereits geltende Fassung von § 9 Abs. 1 RettG NRW als Beschluss des Ausschusses genannt und damit begründet, dass sich die ursprüngliche Fassung als praktikabel erwiesen habe und beibehalten werden solle. Damit bleibe die Möglichkeit erhalten, den Notruf auf Wachen von Mittleren und Großen kreisangehörigen Städten als Träger von Rettungswachen aufzuschalten, wenn diese Aufgaben nach den Bestimmungen des Feuerschutzgesetzes mit ständig besetzten Feuerwachen wahrnähmen.

LT-Drs. 12/3947 vom 4. Juni 1999, S. 51 und 99.

Dem ist das Plenum des Landtags gefolgt und hat die ursprünglich vorgesehene Änderung von § 8 Abs. 1 RettG NRW, die sich nach der im Gesetzgebungsverfahren wohl herrschenden Auffassung als Einschränkung der Befugnisse der Rettungswachen ausgewirkt hätte, nicht als Gesetz beschlossen.

Schließlich spricht auch das Gesetzgebungsverfahren zur Neufassung des Feuerschutzgesetzes aus dem Jahr 1998 für die dargestellte Auffassung von eigenen Befugnissen der Rettungswachen unter der funktionellen Leitung der Leitstellen. Wie bereits dargelegt, wurde die Schaltung des Notrufs 112 in § 21 Abs. 2 FSHG erstmals geregelt. Im Gesetzentwurf der Landesregierung vom 2. Mai 1997 heißt es hierzu wiederum, die beabsichtigte Regelung in § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG, die die Aufschaltung des Notrufs 112 auf Rettungswachen gestatte, entspreche "der derzeitigen Praxis".

LT-Drs. 12/1993 vom 2. Mai 1997, S. 55.

Zuvor hatte das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen einen Referentenentwurf vom Februar 1996 vorgelegt, der folgende Fassung von § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG vorsah: "Eine Schaltung des Notrufs 112 auf ständig besetzte Wachen ist nicht zulässig." Zur Begründung wurden Effizienzgesichtspunkte bei der Wahrnehmung der Lenkungsfunktion durch die Leitstellen sowie Einsparungsmöglichkeiten auf Gemeindeebene angeführt. Während des Gesetzgebungsverfahrens wurden diese Argumente auch vom Landkreistag Nordrhein-Westfalen vorgetragen.

Vgl. etwa Stellungnahme vom 7. August 1997, Zuschrift 12/1265, S. 2 - 4; auch in Eildienst LKT 1/2008, 16 (18).

Der Städtetag Nordrhein-Westfalen sprach sich dagegen für eine Stärkung der gemeindlichen Rettungswachen gegenüber den Leitstellen des Kreises aus.

Vgl. Stellungnahme vom 21. August 1997, Zuschrift 12/1283, S. 4 - 5.

Schließlich hat der Gesetzgeber nach teilweise kontroverser Diskussion im Ausschuss für Innere Verwaltung,

vgl. etwa APr 12/640 vom 4. September 1997, S. 29 ff. und 36 ff.,

die von der Landesregierung als Entwurf eingebrachte Fassung des § 21 Abs. 2 FSHG als Gesetz beschlossen. Die im Gesetzgebungsverfahren dokumentierte Diskussion und Erörterung zeigt die deutliche und bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für die bis dahin bereits ausgeübte Praxis, nach der die Rettungswachen den Notruf 112 entgegennahmen und sodann auch das unmittelbar Erforderliche selbst veranlassten.

Die verschiedenen Gesetzgebungsverfahren verdeutlichen, dass sich der Gesetzgeber jeweils auch mit der Möglichkeit befasst hat, die gesetzlich geregelte Lenkungsfunktion der Leitstelle durch die ausdrückliche Verpflichtung zu ergänzen, diese Hilfeersuchen ausschließlich zuzuleiten. An entsprechenden Stellungnahmen und Meinungsbekundungen, die sich für eine solche gesetzgeberische Lösung aussprachen, hat es nie gefehlt.

Vgl. die bereits benannte Stellungnahme des Landkreistages Nordrhein-Westfalen vom 7. August 1997, a. a. O., sowie weitere, in den entsprechenden Landtagsausschüssen vorgetragene Stellungnahmen; Steegmann, a. a. O., § 21 FSHG Rn.17; Vorschlag im Bericht des Instituts für Wirtschaftsgeographie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, a. a. O., S. 68 f.; Thesen zu Aufgaben, Aufbau und Funktion von integrierten Leitstellen zur nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr in Deutschland, in: Brandschutz - Deutsche Feuerwehr-Zeitung 1998, 787; Stratmann, Rettungsdienst und Feuerwehr - medizinische Aspekte, in: Städte- und Gemeinderat 1996, 199 (200).

Eine solche ausdrückliche Aufgabenzuweisung an die Leitstelle wäre auch gesetzlich ohne Weiteres umzusetzen gewesen, wie etwa der Referentenentwurf des Innenministeriums NRW zur Novellierung des Feuerschutzgesetzes aus dem Jahr 1996 oder die in anderen Bundesländern, etwa die in Rheinland-Pfalz geschaffene Leitstellenkompetenz nach § 7 Abs. 3 Nrn. 1, 2 Buchst. a und 3 Buchst. a des Landesgesetzes über den Rettungsdienst sowie den Notfall- und Krankentransport vom 22. April 1991 (GVBl. Rh-Pf. S. 217) zeigen. Nach der rheinlandpfälzischen Landesvorschrift gehören zu den Leitstellenaufgaben die Entgegennahme nicht polizeilicher Notrufe und die Entgegennahme und Bearbeitung aller Hilfeersuchen, sie ist Meldekopf für den Feuerwehrruf und den europäischen Notruf 112. Indessen hat sich der nordrheinwestfälische Landesgesetzgeber nach den vorliegenden Gesetzesmaterialien ausdrücklich nicht für eine solche Lösung entschieden, sondern wollte die im Land Nordrhein-Westfalen hergebrachte Praxis, nach der die Rettungswachen selbständig Hilfeersuchen annehmen und unmittelbar einen erforderlichen Rettungseinsatz in Gang setzen, beibehalten. Die Notrufschaltung hat er in § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG ausdrücklich geregelt, nicht aber die weiteren Befugnisse der Rettungswache, nachdem der Notfallanruf angenommen wurde, diese erschließen sich erst nach dem ermittelten Willen des Gesetzgebers.

Zustimmend Müller-Platz, a. a. O., § 9 Anm. 1; wohl auch Prütting, a. a. O., § 8 Rn. 6, aber mit deutlicher Akzentuierung auf das Lenkungsrecht der Leitstelle und dem Hinweis auf die Verpflichtung, rettungsdienstliche Hilfeersuchen weiterzuleiten: § 7 Rn. 10 und § 8 Rn. 10; kritisch: Steegmann, a. a. O., § 21 FSHG Rn. 17.

2. Die Auslegung der in Frage stehenden Vorschriften nach Sinn und Zweck bestätigt das anhand der Entstehungsgeschichte ermittelte Ergebnis. Gesetzlicher Zweck sowohl des Rettungsgesetzes NRW als auch des Feuerschutzgesetzes ist die möglichst schnelle und effektive Gewährung von Hilfeleistung in zumeist akuten Notlagen. Aus dem Vorliegen einer Notfallsituation ergibt sich, dass dem Zeitmoment bei der Hilfegewährung entscheidende Bedeutung zukommt. Dessen Bedeutung wird noch dadurch verstärkt, dass regelmäßig Rechtsgüter hohen Ranges, wie das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder Sachen von bedeutendem Wert betroffen sind. Die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften, deren Wortlaut für den hier in Frage stehenden Bereich keine eindeutigen Regelungen trifft, hat sich an diesen Zwecken der Gesetze zu orientieren.

Dies zugrundegelegt ließe sich zwar, falls die tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend vorlägen, vertreten, die in § 8 Abs. 1 RettG NRW bestimmte Lenkungsfunktion der Leitstelle gebiete aus Gründen der Effektivität sowie der Effizienz die Bearbeitung sämtlicher Rettungshilfeersuchen gerade durch die Leitstellen, weswegen diese von einer annehmenden Rettungswache ohne jegliche Verzögerung an sie weiterleiten zu seien. Die Lenkungsfunktion ist aber vor dem Hintergrund der gemeindlichen Befugnis nach § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG zu bestimmen, die über die einheitliche Notrufnummer 112 abgesetzten Nothilfeersuchen auf ihrer Rettungswache entgegenzunehmen. Eine uneingeschränkte Ausübung der in § 8 Abs. 1 RettG NRW bestimmten Lenkungsfunktion der Leitstelle erforderte vor dem Hintergrund der Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG die unverzügliche Weiterleitung rettungsdienstlicher Ersuchen an die Leitstelle, wie es die streitgegenständliche Weisung beabsichtigt. Der damit verbundene Zeitverlust verbietet sich aber in Anbetracht der Zielsetzungen des Rettungsgesetzes NRW. Auch angesichts der Einsatzmöglichkeiten moderner elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten wie digitaler Telefon- oder sonstiger Standleitungen mit entsprechenden Aufschaltmöglichkeiten wäre eine solche Weiterleitung mit nicht abzuschätzenden Zeitverlusten verbunden. Dabei liegen den zu einem möglicherweise folgenreichen Zeitverlust führenden Weiterleitungen weniger technische Probleme als die sich aus der Notfallmeldung selbst ergebenden Umstände zugrunde. Zum einen wird es für eine beachtliche Zahl von Notfallmeldungen zutreffen, dass die meldende Person sich bereits äußerlich erkennbar in einem Zustand großer Erregung befindet und allein deshalb die Sachverhaltsklärung durch den Disponenten der Annahmestelle erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann. Zum anderen wird es eine ebenfalls beachtliche Anzahl von Meldungen geben, in denen sich nicht oder jedenfalls nicht umgehend erkennen lässt, ob es sich um ein rein rettungsdienstliches Nothilfeersuchen oder ein kombiniertes Ersuchen auch um Hilfe der Einsatzkräfte der Feuerwehr handelt. Zu denken ist etwa an Verkehrsunfälle mit Verletzten, die auch die technische Hilfe der Feuerwehr erforderlich machen oder an Schadenfeuerereignisse, die auch rettungsdienstliche Hilfe erfordern. Dass in den genannten Fällen eine Weiterleitung des Nothilfeersuchens an die Leitstelle zu einer auch folgenreichen Verzögerung des Rettungseinsatzes führen kann, ist ohne Weiteres vorstellbar. Zudem verböte der hohe Rang der betroffenen Rechtsgüter eine Abwägung unter Zuhilfenahme eines noch als hinnehmbar eingestuften Zeitverlusts. Eine Auslegung der Leitungsfunktion der Leitstelle, nach der ihr auch die von einer Rettungswache nach § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG zulässigerweise angenommenen rettungsdienstlichen Nothilfeersuchen unmittelbar zuzuleiten sind, würde dem Zweck des Rettungsgesetzes NRW nicht gerecht werden können.

Vielmehr folgt aus der den Rettungswachen durch den Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 RettG NRW verliehenen Funktion auch das Recht, sämtliche Nothilfeersuchen nach deren Annahme zunächst selbst zu bearbeiten, wenn und solange die übergeordnete Lenkungsfunktion der Leitstelle gewährleistet ist.

Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei der Rettungswache um eine qualifizierte Form der Wache, die wesentlich durch die ihr zugedachte Funktion bestimmt ist. Sie hat die im Bedarfsplan des Kreises nach § 12 RettG NRW festgelegten personellen und sachlichen Mittel vorzuhalten. Die Rettungswache muss - was sich auch bereits aus der Funktion nach § 9 Abs. 1 RettG NRW ergibt - gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG ständig besetzt sein, wenn sie Notrufe selbständig entgegennimmt. Die den Rettungswachen in § 9 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW zugewiesene Funktion, Einsätze mit den vorgehaltenen Mitteln durchzuführen sowie das Erfordernis ständiger Erreichbarkeit versetzen die Rettungswache auch tatsächlich in die Lage, nach Annahme eines Nothilfeersuchen dieses (zunächst) selbst zu bearbeiten und den Einsatz in Gang zu setzen. An diesen tatsächlich vorhandenen und vorzuhaltenden Kapazitäten hat sich der Gesetzgeber bei Schaffung der Aufschaltungsmöglichkeit nach § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG orientiert. Hat er als sinnvolleren Weg auch die regelhafte Aufschaltung des Notrufs 112 auf die Leitstelle nach § 21 Abs. 2 Satz 2 FSHG angesehen, so hat er den entsprechend leistungsfähigen Gemeinden gleichwohl die Möglichkeit der Notrufannahme durch ihre Rettungswache belassen und dabei unter Bezugnahme auf § 9 RettG NRW die Erfüllung der dort geregelten Funktionsanforderungen als Mindestanforderungen bestimmt. Damit folgt die Befugnis der Rettungswachen zur unmittelbaren Ingangsetzung von rettungsdienstlichen Nothilfeeinsätzen nicht gleichsam als Annex zur Befugnis der Entgegennahme von Nothilfeersuchen aus § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG. Vielmehr ergibt sich dieses Recht, das den Rettungsdienst betrifft, gesetzessystematisch zutreffend aus der Funktionsvorschrift des

§ 9 Abs. 1 RettG NRW.

Der sich zu Lasten der Lenkungsbefugnis der Leitstellen auswirkende Einflussbereich der Rettungswachen erfährt eine weitere (örtliche) Begrenzung im Übrigen dadurch, dass wegen der nur möglichen Aufschaltung des Notrufs 112 aus dem Gemeindegebiet eine darüber hinausgehende geografische Abdeckung nicht möglich ist.

Gegenüber dieser Auslegung zugunsten der Befugnisse der Rettungswache ist gemessen an den Zielsetzungen des Rettungsgesetzes NRW hinnehmbar, dass die Rettungswachen nicht wie die Leitstellen einen zentralen Krankenbettennachweis führen, von Gesetzes wegen nicht mit Personen besetzt sein müssen, die die Qualifikation als Rettungsassistent oder Rettungsassistentin haben (§ 8 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 RettG NRW) und auch die Planung eines Notarzteinsatzes regelmäßig wohl nur durch die Leitstelle erfolgen kann. Denn die Durchführung des Einsatzes untersteht in jedem Fall der Lenkung der Leitstelle, der mit ihrem Personal und den vorhandenen Informationen - etwa über Krankenbettenkapazitäten in den Krankenhäusern - auch bei Ingangsetzung der Rettungsmaßnahme durch die Rettungswache die übergeordnete Koordinierung und Leitung obliegt.

3. Gesetzessystematische Bedenken stehen dem nicht entgegen, wenn die gesetzlich angeordnete Lenkungsfunktion der Leitstellen durch das Handeln der Rettungswachen weiter gewährleistet ist. Der Leitstelle muss es möglich sein, jederzeit lenkend in den (veranlassten) Rettungseinsatz einzugreifen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, wenn die Rettungswache der Leitstelle unverzüglich die wesentlichen Informationen über eine ihr gemeldete Notsituation sowie das von ihr Veranlasste übermittelt. Welcher Kommunikationsmittel sie sich dabei bedient, ist nicht entscheidend. Es kommt darauf an, der Leitstelle die genannten Informationen so unmittelbar zu übermitteln, dass diese fortan den Einsatz selbst übernehmen kann oder aber - unter ihrer Leitung - die Rettungswache den in Gang gesetzten Rettungsauftrag ausführen lässt. Diesen Anforderungen lässt sich mit Hilfe der Mittel elektronischer Kommunikation vergleichsweise einfach entsprechen. Für die in diesem Sinne verstandene Ausübung der Leitungsfunktion der Leitstelle bedarf es nicht des unmittelbar persönlichen Kontaktes mit der anrufenden Person, wenn die wesentlichen Informationen über die Notlage von der Rettungswache übermittelt werden. Dass die Ausübung der Lenkungsfunktion bei dieser Praxis nicht in einem solchen Umfang möglich ist wie bei der Entgegennahme der Nothilfeersuchen durch die Leitstelle selbst, mithin in gewisser - aber hinnehmbarer - Weise eingeschränkt ist, wird nicht verkannt.

Mit einem solchen Ergebnis ist erreicht, dass die aus dem Auseinanderfallen der Lenkungsfunktion in § 8 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW und dem Recht auf Notrufaufschaltung aus § 21 Abs. 2 Satz 3 FSHG folgenden möglichen Verzögerungen bei der Durchführung des Rettungseinsatzes in einen Bereich verlagert werden, in dem diese Verzögerung nach Möglichkeit keine oder möglichst geringe Auswirkungen hat. Denn der Rettungseinsatz wird in diesem Fall unmittelbar nach Eingang des Notrufs 112 veranlasst, die Leitstelle erhält die darüber erforderlichen Informationen mit (geringer) Verzögerung. Im Falle der Weiterleitung eines Anrufs auf die Leitstelle während des laufenden Gesprächs besteht dagegen ein höheres Risiko, dass die Veranlassung des Einsatzes verzögert wird, was potentiell schwerwiegendere Folgen nach sich ziehen kann.

Daraus ergibt sich auch, dass der Funktionalität des öffentlichen Rettungswesens dann besser entsprochen ist, wenn die Rettungswache den Rettungseinsatz unmittelbar in Gang setzt. Ein solches Vorgehen führt auch zu einer einheitlichen Handhabung des für den Rettungsdienst und den Feuerschutz gleichermaßen geltenden Notrufs, was vor dem Hintergrund von Schadenslagen, die beide Sachbereiche betreffen, Zustimmung verdient. Die bisherige und bereits langjährige Praxis hat gezeigt, dass ein solches System zu handhaben ist. Zwar können gewichtige - u. a. in den verschiedenen Gesetzgebungsverfahren geäußerte - Gründe dafür sprechen, die Leitstelle des Rettungsdienstträgers als alleinige Stelle zur Annahme von Nothilfeersuchen vorzusehen und ausschließlich die Leitstelle erforderliche Einsätze anordnen zu lassen. Diesen Weg ist der nordrheinwestfälische Gesetzgeber aber bislang ausdrücklich nicht gegangen.

Dieses Ergebnis vermögen auch die weiteren vom Beklagten angeführten Argumente für die Weiterleitung der rettungsdienstlichen Nothilfeersuchen und die Aufschaltung der Notrufnummer 112 insgesamt auf die Leitstelle nicht in Frage zu stellen. Die Überlegungen, die Koordinierung durch eine zentrale Leitstelle könne zu insgesamt kürzeren Einsatzzeiten führen, die Leitstelle sei regelmäßig personell stärker und besser besetzt, bei ihr liefen alle erforderlichen Schnittstellenfunktionen zusammen, der überwiegende Anteil aller Nothilfeersuchen betreffe den Rettungsdienst und nicht den Feuerschutz und über das Festnetz und die Mobilfunknetze abgesetzte Nothilfeersuchen gingen bei unterschiedlichen Stellen ein, wären vom Gesetzgeber im Falle der (Neu-)Ausgestaltung der Notrufstrukturen zu berücksichtigen und in seine Entscheidung einzubeziehen. Angesichts der hier aber bereits vorliegenden und erkannten Regelung rechtfertigt sich kein abweichendes Ergebnis.

Zu keinem anderen Ergebnis kann auch die in Ziffer 5 des Runderlasses des damaligen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (MAGS) vom 22. April 1998 - VC 6-0713.41 -, a. a. O., geäußerte Auffassung führen, die Lenkungsfunktion der Leitstelle gebiete die unverzügliche Weiterleitung von rettungsdienstlichen Nothilfeersuchen an die Leitstelle. Dem genannten Runderlass kommt als Instrument der für die nachgeordneten Behörden verbindlichen Gesetzesauslegung durch das zuständige Ministerium für die Auslegung des Gesetzes durch den Senat keine normative Kraft zu.

Auch aus der Entscheidung des Rates vom 29. Juli 1991 zur Einführung einer einheitlichen europäischen Notrufnummer (91/396/EWG) folgt nichts anderes. Durch diese Ratsentscheidung wird den Mitgliedstaaten aufgegeben, die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass über die Notrufnummer 112 geeignete Stellen der Nothilfe erreicht werden; die Ausgestaltung im Einzelnen ist den Mitgliedstaaten überlassen.

Gemessen an diesen Vorgaben fehlt es an den Tatbestandsvoraussetzungen für die Anordnung der in der streitgegenständlichen Weisung des damaligen Landrats des Kreises B. vom 20. Januar 2009 genannten Mittel, mit denen die Sicherung der gesetzmäßigen Erfüllung der Aufgaben nach dem Rettungsgesetz NRW bezweckt ist. Nach den dem Gericht vorliegenden Verwaltungsvorgängen und dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Beteiligten stellt sich die von der Klägerin vorgenommene Organisation ihrer Rettungswache als mit den Vorschriften des Rettungsgesetzes NRW vereinbar dar. In der Anlage zum Beschlussentwurf der Ratssitzung der Klägerin vom 22. Oktober 2008 ("Sachverhalt, Zu 2.", S. 3 - 4) sind die Abläufe auf der Rettungswache der Klägerin von der Annahme eines telefonisch eigegangenen Nothilfeersuchens bis zur Auslösung des Einsatzes und Information der Leitstelle nachvollziehbar beschrieben. Seit September 2008 werden telefonisch über die Notrufnummer 112 übermittelte Nothilfeersuchen vom Disponenten der Rettungswache der Klägerin angenommen und die maßgeblichen Daten zusammen mit einem Einsatzmittelvorschlag unmittelbar in den Einsatzleitrechner eingepflegt, der so mit dem zentralen Rechner der Leitstelle verbunden ist, dass die maßgeblichen Daten dort mit nur sekundenweiser Verzögerung erscheinen. Der jeweilige Mitarbeiter der Leitstelle kann sodann den Einsatz selbst koordinieren oder - unter seiner Lenkung und Leitung - den Mitarbeiter der Rettungswache der Klägerin den Einsatz entsprechend dessen Vorschlag durchführen lassen.

Daran ist im Hinblick auf die beschriebenen rechtlichen Anforderungen nach derzeitiger Rechtslage nichts auszusetzen. Eine unverzügliche Weiterleitung telefonisch eingegangener Nothilfeersuchen an die Leitstelle kann von der Aufsichtsbehörde nicht verlangt werden. Eine Weisung zur Weiterleitung der rettungsdienstlichen Nothilfeersuchen an die Leitstelle erscheint demgegenüber als Versuch, faktisch einen Zustand zu erreichen, den der Gesetzgeber nicht hat durchsetzen können oder wollen.

Ob dem ersten Teil der streitgegenständlichen Weisung ausreichende Ermessenserwägungen zugrundeliegen, bedarf danach keiner Vertiefung.

II. Die Weisung ist auch rechtwidrig, soweit darin angeordnet wird, die Telefonnummer 19222... zum 21. Oktober 2009 auf die Leitstelle im Sinne von § 8 RettG NRW der neu gebildeten Städteregion B. aufzuschalten (Ziffern 4 und 5 der Weisung vom 20. Januar 2009).

Eine gesetzliche Regelung der Telefonnummer 1.... gibt es nicht. Die Telefonnummer 19222... gehört nicht wie die Telefonnummern 112 und 110 zu den als solchen bestimmten nationalen Notrufnummern, was sich aus § 1 NotrufV ergibt. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Rufnummer, die von der Telekom Deutschland GmbH (einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG) vergeben und die seit jeher von verschiedenen Gemeinden, Kreisen und kreisfreien Städten im süddeutschen Raum als Notrufnummer, in anderen Regionen wiederum als Servicenummer für die Anforderung von Krankentransporten gebraucht worden ist. Einzelne Bundesländer haben diese Telefonnummer - anders als das Land Nordrhein-Westfalen - in verschiedenen Rechtsakten erwähnt.

So etwa § 5 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz der Landesverordnung Schleswig-Holstein zur Durchführung des Rettungsdienstgesetzes vom 20. November 2008; Art. 10 Abs. 1 Nr. 9 des bayerischen Gesetzes über die Errichtung und den Betrieb Integrierter Leitstellen vom 25. Juli 2002.

Gegenstand des im Rahmen der Sonderaufsicht ausgeübten Weisungsrechts kann die von der Klägerin eingerichtete Schaltung der Rufnummer 19222 zu ihrer Rettungswache indessen nicht sein. Die Schaltung berührt unabhängig davon, dass diese Nummer als "Krankentransportnummer" bekannt sein und als solche auch genutzt werden mag, keine öffentliche Rechtspflicht, auf die sich das Weisungsrecht grundsätzlich nur erstreckt.

Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, a. a. O.,

§ 119 Anm. III.1 - 5.

Die Schaltung und Nutzung der Telefonnummer 19222 gehört nicht zu den gesetzlichen Aufgaben, die die jeweiligen Träger des Rettungsdienstes nach den Vorgaben des Rettungsgesetzes NRW wahrzunehmen hätten. Es handelt sich auch nicht um einen Bereich, der gleichsam als ungeschriebene Regelungskompetenz öffentlichrechtlich dem Aufgabenbereich der für den Krankentransport zuständigen Leitstellen zugeordnet wäre. Für eine solche Möglichkeit fehlen jegliche Anhaltspunkte.

Für den Erlass der Weisung mit ihren Ziffern 4 und 5 bestand danach kein Anlass, wobei auch hier der Frage eines ordnungsgemäßen Ermessensgebrauchs nicht nachgegangen werden muss. Es sei nur erwähnt, dass sich der schriftliche Bescheid vom 20. Januar 2009 - abgesehen von der in den Ziffern 4 und 5 ausgesprochenen Anordnung - zur Frage der Aufschaltung der Rufnummer 19222 als eigenem Regelungsbereich nicht verhält.

Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass damit keine Aussage dazu getroffen ist, ob der Beklagte oder sonstige Verwaltungsträger die begehrte Schaltung der Telefonnummer 19222 aus sonstigen Rechten, etwa zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen oder aufgrund einer Weisung im Rahmen der Sonderaufsicht (etwa auf der Grundlage des § 17 Abs. 4 Nr. 1 RettG NRW) verlangen könnten.

Die in der Weisung vom 20. Januar 2009 getroffenen Anordnungen können auch nicht auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden. Es wurde bereits dargelegt, dass § 33 Abs. 2 FSHG für die hier getroffenen Anordnungen nicht als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommt. Abgesehen davon lägen auch die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor, die wie § 17 Abs. 3 RettG NRW die Sicherung der gesetzmäßigen Erfüllung von Aufgaben gewährleistet.

Die Klägerin ist durch die rechtswidrige Weisung in ihren Rechten verletzt. Die Weisung betrifft die Klägerin unmittelbar in ihrem gemeindlichen Wirkungskreis. Durch die Weisung ist hier kein Fall betroffen, in dem die Gemeinde gleichsam "fremdnützig" die ihr zur Erfüllung nach Weisung übertragenen Pflichtaufgaben gegenüber Dritten ausführt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 2005 - 20 A 3988/03 -, a. a. O.

Vielmehr betrifft der Inhalt der Aufgabe, nämlich die Organisation und Durchführung des Rettungsdienstes und der Notrufannahme, die Klägerin selbst in ihrer eigenen Organisationshoheit, indem ihr eine bestimmte Art der Aufgabenerfüllung für ihren Wirkungskreis vorgegeben wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 10.02.2011
Az: 13 A 1305/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/83bdb34cdfc5/OVG-Nordrhein-Westfalen_Urteil_vom_10-Februar-2011_Az_13-A-1305-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share