Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 17. August 1999
Aktenzeichen: (2) 6 EVY 6/99

(AGH des Landes Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 17.08.1999, Az.: (2) 6 EVY 6/99)

Tenor

Das Urteil des Anwaltsgerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf vom 26. April 1999 wird aufgehoben.

Der Angeschuldigte wird freigesprochen.

Die Gerichtskosten hat die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf zu tragen; die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden nicht erstattet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

§§ 116 BRAO, 467 III S. 2 Nr. 1 StPO.

Gründe

Gegen Rechtsanwalt Dr. X ist durch Urteil des Anwaltsgerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf vom 26.04.1999 wegen Verstoßes gegen die Berufspflichten nach §§ 43, 49 b Abs. 2, 113, 114 BRAO ein Verweis verhängt worden.

Das Anwaltsgericht hat den Pflichtverstoß in dem Abschluss einer unzulässigen quotalitis-Vereinbarung zwischen der Sozietät Dres. X, S und Partner und der L AG in L2 gesehen. Diese Vereinbarung hatte folgenden Wortlaut:

"X S & P werden hiermit unwiderruflich bevollmächtigt, Schuldnerzahlungen in Empfang zu nehmen. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, daß X S & P hiervon zur pauschalen Abgeltung aller im Zusammenhang mit den Beitreibungsmaßnahmen aufgewendeten Kosten und alle hiermit verbundenen Honoraransprüche für die anwaltliche Tätigkeit

50 % zustehen. Die anderen 50 % der vereinnahmten Schuldnerzahlungen sind regelmäßig halbjährlich nach Maßgabe der Einzelabrechnung an PKB auszukehren. Es besteht Einigkeit darüber, daß RKB von allen Schuldnerzahlungen ohne jeglichen Abzug 50 % zustehen.

Die Parteien verzichten gegenseitig darauf, sich auf die Unwirksamkeit der vorstehenden "Quota-Litis-Vereinbarung" berufen."

Diese Vereinbarung soll nach Feststellungen des Anwaltsgerichts von dem angeschuldigten Anwalt am 27.07.1995 in E unterzeichnet worden sein.

Gegen dieses Urteil hat der Angeschuldigte mit Schriftsatz vom 03.05.1999, beim Anwaltsgericht am gleichen Tage eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 27.07.1999 begründet. Er hat im wesentlichen geltend gemacht, dass ihm ein Pflichtverstoß nicht zur Last falle, da er das fragliche Mandat nicht selbst geführt habe.

Die zulässige Berufung des Rechtsanwalts hat auch in der Sache Erfolg. Rechtsanwalt Dr. X war unter Aufhebung des angefochtenen Urteils aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Aufgrund der in der Berufungshauptverhandlung verlesenen und in Augenschein genommenen Mandatsvereinbarung sowie der Einlassung des Angeschuldigten nach der Inaugenscheinnahme steht fest, dass die Urkunde nicht von ihm, sondern von einem anderen Sozius der Sozietät unterzeichnet worden ist. Der Schriftzug über dem gedruckten Namen "Dr. X stammt offensichtlich nicht vom Angeschuldigten, was sich nach erstem Augenschein bereits durch den Vergleich mit anderen in der Akte befindlichen Unterschriften ergibt.

Da sich der Angeschuldigte nunmehr auch dahingehend eingelassen hat, vor dem vorliegenden Verfahren auch keine Kenntnis von dem Inhalt dieser Mandatsvereinbarung gehabt zu haben und auch an der Aushandlung nicht beteiligt gewesen sein will, konnte eine Verletzung von Berufspflichten nicht festgestellt werden. Zwar hat der Angeschuldigte vor Erhebung der Anschuldigungsschrift in einer gemeinsam mit Herrn Rechtsanwalt N verfassten und von ihm mitunterzeichneten Einlassung eingeräumt, dass die fragliche Honorarabrede von ihm mitverfasst und unterzeichnet worden sei. Dass er sie mitunterzeichnet habe, hat er darüber hinaus auch nach Erhebung der Anschuldigungsschrift in einem Schriftsatz an das Anwaltsgericht und selbst noch bei seiner Einlassung zu Beginn der Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof eingeräumt. Seine Angaben nach Einsicht in die Urkunde, dass die vorhergehenden Angaben auf einem Irrtum beruhten, kann ihm letztlich nicht widerlegt werden. Hinsichtlich der Unterzeichnung der Vereinbarung ist dies erwiesen. Hinsichtlich der Frage, ob er überhaupt mit dem Abschluss der Vereinbarung befasst war, bestehen weiterhin Zweifel. Diese lassen sich jedoch nicht ausräumen. Jedenfalls lässt sich dem Angeschuldigten nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen, dass er an Verhandlungen, die zum Abschluss der Vereinbarung geführt haben, beteiligt gewesen ist.

Der Gerichtshof hat jedoch gemäß § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StPO, welcher über § 116 BRAO entsprechend anzuwenden ist, davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Anwaltskammer aufzuerlegen. Denn der Anwalt hat die Erhebung der Anschuldigungsschrift dadurch veranlasst, dass er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder in Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet hat. Er hat - bis noch in die Hauptverhandlung vor dem Gerichtshof - eingeräumt, die fragliche Honorarvereinbarung mitunterzeichnet zu haben. Diese Angabe war falsch. Hätte er von Beginn an darauf hingewiesen, dass die Unterschrift unter der Vereinbarung nicht von ihm stammt und er auch an dem Zustandekommen der Vereinbarung nicht beteiligt war, wäre eine Anschuldigungsschrift nicht gegen ihn erhoben worden.

Seine damalige Einlassung als richtig unterstellt, hätte er sich jedoch eines Verstoßes gegen die Berufspflichten, wie vom Anwaltsgericht festgestellt, schuldig gemacht. Die Vereinbarung verstieß gegen § 49 b Abs. 2 BRAO. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Anwaltsgericht einen Verbotsirrtum der Anwälte ausgeschlossen. Gegen einen solchen Irrtum spricht schon der Wortlaut der Vereinbarung, dem sich entnehmen lässt, dass ihnen die Unwirksamkeit der quotalitis-Vereinbarung bewusst war. Ansonsten gäbe der Hinweis, dass sich keine der Parteien auf diese Unwirksamkeit berufen wolle, keinen Sinn. Hätte der Angeschuldigte die Vereinbarung auch unterschrieben, wäre seine Einlassung, er selbst habe mit der Führung des Mandates nichts zu tun gehabt, es sei weder sein Mandat gewesen noch sei er in die Bearbeitung der Angelegenheit mit einbezogen worden, er habe lediglich die fragliche Honorarvereinbarung mitunterzeichnet, unerheblich. Die Mandatsvereinbarung wurde ausdrücklich zwischen der L AG und der Anwaltssozietät X, S und Partner geschlossen. Als Vertreter dieser Anwaltssozietät hätte der Angeschuldigte unterzeichnen sollen. Für diese hätte er damit die verbotene quotalitis-Vereinbarung geschlossen. Er selbst hätte somit die Pflichtverletzung begangen.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil nicht über Rechtsfragen oder Fragen der anwaltlichen Berufspflicht entschieden wordenist, die von grundsätzlicher Bedeutung sind (§ 145 Abs. 2 BRAO).






AGH des Landes Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 17.08.1999
Az: (2) 6 EVY 6/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/83af1b5e249c/AGH-des-Landes-Nordrhein-Westfalen_Urteil_vom_17-August-1999_Az_2-6-EVY-6-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share