Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Juni 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 266/99

(BPatG: Beschluss v. 26.06.2000, Az.: 30 W (pat) 266/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen und am 29. März 1997 veröffentlicht ist unter der Rollennummer 395 40 667 das Wort RUDAFLEX, nach einer Beschränkung des Warenverzeichnisses im Beschwerdeverfahren nunmehr noch als Kennzeichnung ua für folgende Waren

"Pflaster und Verbandmaterial, nämlich Spezialpflaster und Spezialverbandmaterial zur ausschließlichen Anwendung in Kliniken, Krankenhäusern, Unfallstationen, Arztpraxen und ähnlichen Einrichtungen".

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren IR-Marke 593 733 RAUCOFLEX, die für folgende Waren eingetragen ist:

"Étoffes pour pansements, coton destine à la medecine et à l'hygiène, liens et bandes pour buts chirurgicaux et hygieniques; serviettes hygieniques.

Bandages elastiques sous forme de tuyau en filet (bande filet elastique), bandes de pl‰tre".

Die internationale Registrierung ist am 28. Oktober 1992 erfolgt.

Der Widerspruch richtet sich nur noch gegen die Waren "Pflaster und Verbandmaterial".

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat den Widerspruch (gegen alle Waren) wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zwar könnten die Waren identisch sein, der Unterschied in den Marken werde aber erkannt werden. Der Verkehr wende bei der Auswahl von Produkten im Gesundheitsbereich eine gewisse Sorgfalt auf, die ihm in Anbetracht, daß der Markenbestandteil flex verbraucht sei, die Abweichungen in den stärker beachteten Wortanfängen erkennen lasse.

Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben und auf die nicht nur registermäßig, sondern auch tatsächlich bestehende Warenidentität hingewiesen. Sie selbst kennzeichne mit der Marke Netzschlauchverbände; diese aber könnten ohne weiteres mit den Fixierpflastern der jüngeren Marke (die Markeninhaberin beabsichtige ihre Marke für derartige Waren zu verwenden) zusammentreffen. Die Beschränkung des Warenverzeichnisses auf Spezielverbände und -pflaster für den Krankenhausbereich uä vermindere nicht die Anforderungen an den Markenabstand, denn auch in Kliniken sei die Beschaffung derartiger Materialien häufig medizinischen Laien überlassen. Klanglich und insbesondere schriftbildlich stünden sich die Marken aber zu nahe.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die Eintragung der jüngeren Marke für die angegriffenen Waren zu löschen.

Die Inhaberin der jüngeren Marke beantragt, die Beschwerde zurückweisen.

Sie ist der Ansicht, hochelastische Netzschlauchverbände würden nur vom Arzt bzw nur in Krankenhäusern oder Kliniken verwendet, so daß bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf Ärzte und geschultes Fachpersonal abzustellen sei. Diesen aber sei der beschreibende Anklang der jeweiligen Endsilben flex geläufig, so daß verstärkt auf die Unterschiede in den Wortanfängen geachtet werde. Dort würden die Unterschiede auch deshalb auffallen, weil beide Beteiligten die Bestandteile Ruda bzw Rauco entsprechend einer Markenserie verwendeten (zB RUDATAPE, RUDAVLIES bzw RAUCOFLEX, RAUCOTUB).

Die Markeninhaberin hat in der mündlichen Verhandlung die Benutzung der Widerspruchsmarke mit Ausnahme für "hochelastische Netzschlauchverbände" bestritten. Der Vertreter der Widersprechenden hat hierzu erklärt, er wisse nicht, ob keine darüber hinausgehende Benutzung erfolge und beantragt vorsorglich die Zurückweisung der Nichtbenutzungseinrede wegen Verzögerung.

Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Partein, sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zwischen den Marken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 9 Abs 1 Nr 2, 107, 116 MarkenG, so daß die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Für die Entscheidung ist ohne Bedeutung, ob die erst in der mündlichen Verhandlung erhobene beschränkte Einrede der Nichtbenutzung wegen Verspätung gemäß §§ 82 Abs 1 MarkenG, 528 Abs 2, 282 Abs 2 ZPO zurückzuweisen ist (hierfür spricht vieles, denn die Widersprechende konnte sich im Termin zu der Einrede nicht erklären, die Berücksichtigung eines weiteren Sachvortrags aber hätte zu einer Verzögerung des Verfahrens geführt), denn auch bei identischen Waren haben die Marken voneinander noch einen genügenden Abstand, um Verwechslungen zu verhindern.

Nach der seitens der Markeninhaberin durchgeführten Beschränkung des Warenverzeichnisses auf Spezialpflaster und Spezialverbandmaterial, das ausschließlich zur Anwendung in Kliniken, Krankenhäusern, Arztpraxen und dgl gedacht ist, erscheint ein Vertrieb dieser Ware über Kaufhaus, Selbstbedienungsdrogerie oder SB-Großmarkt ausgeschlossen. Zum einen erfordern die Handhabung und der Gebrauch derartiger Spezialverbände regelmäßig Fachkenntnisse, so daß ein Anbieten an den medizinischen Laien kaum erfolversprechend sein dürfte, zum anderen sind für den Fachvertrieb angebotene Packungsgrößen für den Verkauf meist an Letztverbraucher zu groß und daher ungeeignet. Es ist daher angebracht, nicht den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 140 ATTACHÉ/TISSERAND) und medizinischen Laien, der im Drogeriemarkt eine Mullbinde oder ein Heftpflaster erwirbt, als maßgebenden Beteiligten anzusehen, es ist vielmehr abzustellen auf diejenigen Personen, die im Klinikbereich, in den Arztpraxen und vergleichbaren Einrichtungen mit dem Einkauf und der Verwendung einer derartigen Spezialware zu tun haben. Bei diesen speziellen Verkehrskreisen handelt es sich um Ärzte, Krankenschwestern, Klinikapotheker sowie Personen, die - wenn auch medizinische Laien - so doch beruflich mit dem Einkauf von Klinikmaterial betraut sind. Von ihnen kann ein gewisser Sachverstand, eine Fachkenntnis und eine Erfahrung im Umgang mit derartigen Produkten erwartet werden. Die Anforderungen an den bei identischen Waren notwendigen deutlichen Markenabstand sind demnach etwas reduziert.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und damit ihr Schutzumfang sind durchschnittlich. Zwar ist der Bestandteil "flex" als Hinweis auf "flexibel", "Flexibilität" für die geschützten Waren beschreibend, das Gesamtzeichen ist jedoch aussagekräftig und geeignet, die Ware eines Unternehmers von den anderer Unternehmer zu unterscheiden.

Bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den Gesamteindruck der beiden Marken abzustellen, denn der Verkehr unterzieht eine Marke regelmäßig keiner analysierenden Betrachtung (ständige Rechtsprechung, zB BGH MarkenR 2000, 130 - comtes/ComTel). Beschreibende Bestandteile einer Marke können zwar Auswirkungen auf den Gesamteindruck haben, vermögen alleine eine Verwechslungsgefahr aber nicht zu begründen. Trifft der Verkehr auf eine beschreibende Silbe, die noch dazu in einem bestimmten Warenbereich gehäuft auftritt, wird er verstärkt auf die sonstigen Bestandteile der Marke achten. Flex ist als Hinweis auf die Beweglichkeit, Anpassungsfähigkeit und Geschmeidigkeit von Pflaster und Verbandmaterial unmittelbar beschreibend und wird von den beteiligten Verkehrskreisen in dieser Bedeutung auch erkannt werden. Die übrigen Markenbestandteile Ruda und Rauco stimmen aber nur im ersten Buchstaben überein; im übrigen sind weder Buchstabenzahl, Vokalfolge, noch Konsonanten gleich, was insgesamt zu einer ausreichend deutlichen Abweichung im Klangbild führt. Auch schriftbildlich sind die Unterschiede für die Verneinung der Verwechslungsgefahr noch ausreichend. Sowohl bei handschriftlicher Wiedergabe (diese ist bei den hier maßgebenden speziellen Verkehrskreisen ohnehin eher unwahrscheinlich), wie auch bei maschinengeschriebener Schreibweise sind die Abweichungen (insbesondere unterschiedlicher Buchstabenzahl und isolierte Oberlänge des d) ausreichend deutlich. Letztlich wird die Verwechslungsgefahr noch durch den Umstand reduziert, daß die Inhaberin der jüngeren Marke über 20 weitere Marken mit dem Bestandteil Ruda besitzt, so daß, auch wenn über die Benutzung der jeweiligen Marken nichts bekannt ist, doch ein gewisser Hinweis darauf besteht, daß diesem Bestandteil zumindest beim Fachverkehr ein gewisser Aussagewert in Richtung auf die Inhaberin der jüngeren Marke zukommt.

Die Beschwerde ist demnach ohne Erfolg.

Eine Kostenauferlegung ist nicht veranlaßt (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Buchetmann Winter Schwarz-Angele Hu






BPatG:
Beschluss v. 26.06.2000
Az: 30 W (pat) 266/99


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