Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 22. Dezember 2004
Aktenzeichen: XII ZB 94/04

(BGH: Beschluss v. 22.12.2004, Az.: XII ZB 94/04)

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 2. März 2004 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 378,20 € festgesetzt.

Gründe

I.

In einem Rechtsstreit über Gewerbemiete haben die Parteien im Berufungsverfahren vor dem Landgericht am 12. August 2003 folgenden Vergleich geschlossen:

"1. Zur Erledigung aller gegenseitigen Ansprüche -gleich aus welchem Rechtsgrund -verpflichtet sich die Beklagte an die Klägerin 6.080 € zu bezahlen. Der Betrag ist ab 15.9.2003 mit 7 % zu verzinsen.

2. Der Kläger behält die Vergleichsgebühr auf sich. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. ..."

In den Vergleich sind nicht rechtshängige Forderungen einbezogen worden, die das Landgericht mit 3.000 € bewertet hat. Für diesen Vergleichsmehrwert haben die Kläger die Festsetzung einer Geschäftsgebühr in Höhe von 9,75/10 (184,28 € netto) sowie eine Besprechungsgebühr in Höhe von 7,5/10 (141,75 € netto) zuzüglich MWSt geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Festsetzung dieser Gebühren abgelehnt, statt dessen aber eine (halbe) Prozeßgebühr gemäß § 32 Abs. 2 BRAGO festgesetzt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Kläger zurückgewiesen und auf die Anschlußbeschwerde der Beklagten die Festsetzung der Gebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO aufgehoben. Gegen die Zurückweisung ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

1. Das Landgericht ist der Auffassung, eine halbe Prozeßgebühr gemäß § 32 Abs. 2 BRAGO könne nicht festgesetzt werden, da die Prozeßbevollmächtigten der Kläger versichert hätten, hinsichtlich der Forderung, die den Vergleichsmehrwert ausgemacht habe, keinen Prozeßauftrag gehabt zu haben. § 32 BRAGO komme nur zur Anwendung, wenn der Prozeßbevollmächtigte nach dem ihm erteilten Auftrag die Streitigkeit vor die ordentlichen Gerichte habe bringen sollen. Zwar stehe den Prozeßbevollmächtigten der Kläger wegen der außergerichtlichen Befassung mit den nicht rechtshängig gemachten, aber in den gerichtlichen Vergleich einbezogenen Forderungen ggf. eine Geschäftsgebühr bzw. eine Besprechungsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1, 2 BRAGO zu. Diese Gebühren könnten die Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren aber aus zwei Gründen nicht geltend machen. Zum einen dürften nach ganz überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur im Verfahren nach §§ 103 f. ZPO durch außergerichtliche Vergleichsverhandlungen nach § 118 BRAGO erwachsene Gebühren nicht festgesetzt werden. Der Umstand, daß die Parteien hinsichtlich nicht rechtshängig gemachter Ansprüche einen Prozeßvergleich schließen, bewirke nicht, daß die dadurch angefallene Geschäftsbzw. Erörterungsgebühr durch die Einbeziehung der nicht rechtshängigen Ansprüche in einen Vergleich zu Prozeßkosten würde. Das folge gerade auch aus der Rechtsprechung zu § 32 BRAGO, wonach diese Gebühr nicht anfalle, wenn insoweit kein Prozeßauftrag vorgelegen habe. In einem solchen Falle könnten die Gebühren nach § 118 BRAGO gerade keine Prozeßkosten sein. Es fehle an der erforderlichen Prozeßbezogenheit, da die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht unmittelbar auf die konkrete Prozeßführung gerichtet sei.

Zum anderen könnten die Kläger auch nicht nach dem Inhalt des zwischen ihnen abgeschlossenen Vergleichs die vorgerichtlich gemäß § 118 BRAGO entstandenen Gebühren verlangen. In dem Vergleich hätten die Parteien neben der Regelung hinsichtlich der Vergleichsgebühr lediglich die Tragung der Kosten des Rechtsstreits, d.h. die Prozeßkosten, regeln wollen. Dies entspreche auch der Üblichkeit. Zu den Kosten des Rechtsstreits gehöre nur, was zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig sei. Das außergerichtliche Betreiben des Geschäfts oder eine Besprechung mit Mandanten hinsichtlich nicht rechtshängig gemachter Ansprüche falle nicht darunter.

2. Diese Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Frei von Rechtsfehlern hat das Landgericht die Festsetzung einer Gebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO abgelehnt. Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde darauf, die Prozeßbevollmächtigten der Kläger hätten nicht erklärt, daß sie nicht beauftragt gewesen seien, die Protokollierung einer entsprechenden Einigung durch das Gericht zu beantragen; dies sei aber nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2002 (-XI ZB 9/02 NJW 2002, 3712 f.) Voraussetzung, um das Entstehen der halben Prozeßgebühr gemäß § 32 BRAGO zu verneinen.

Es kann dahinstehen, ob die Gebühr aus § 32 Abs. 2 BRAGO nur dann entsteht, wenn dem Rechtsanwalt ein Prozeßauftrag erteilt ist, oder ob es ausreicht, daß er einen Auftrag erhalten hat, die Protokollierung einer Einigung durch das Gericht herbeizuführen (vgl. dazu H. Hansens in BRAG-Report 2002, 170). Die Prozeßbevollmächtigten der Kläger haben ausdrücklich erklärt, hinsichtlich der in den Vergleich einbezogenen nicht rechtshängigen Forderungen keinen Prozeßauftrag erhalten zu haben. Nach dem Gang des Verfahrens mußte das Landgericht auch nicht davon ausgehen, daß die Prozeßbevollmächtigten der Kläger den Auftrag erhalten hatten, einen solchen Vergleich herbeizuführen; denn sie haben sich zu keinem Zeitpunkt darauf berufen. Das Vorbringen der Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren und dessen Ablauf sprechen gegen einen solchen Auftrag. Die Prozeßbevollmächtigten haben mit der Begründung, keinen Klageauftrag für die den Vergleichsmehrwert bildenden Forderungen gehabt zu haben, davon abgesehen, eine Gebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO zu beantragen. Nachdem das Amtsgericht entgegen ihrem Antrag die Gebühr gleichwohl festgesetzt hatte, haben sie im Rahmen der Anschlußbeschwerde der Beklagten erneut geltend gemacht, keinen Prozeßauftrag erhalten zu haben, und sich deshalb erneut gegen die Festsetzung dieser Gebühr ausgesprochen. Auch im Rechtsbeschwerdeverfahren behaupten sie nicht, einen Auftrag zur Herbeiführung eines gerichtlichen Vergleichs erhalten zu haben. Wenn sie statt dessen -lediglich mit der Begründung, nicht gesagt zu haben, daß sie keinen Auftrag zur Herbeiführung eines gerichtlichen Vergleiches gehabt haben -erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren die Gebühr aus § 32 Abs. 2 BRAGO geltend machen, setzen sie sich mit ihrem eigenen Verhalten in den Tatsacheninstanzen in Widerspruch, ohne einen Rechtsfehler des Landgerichts aufzuzeigen.

b) Zu Recht hat es das Landgericht abgelehnt, gemäß § 118 BRAGO aufgrund außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen erwachsene Gebühren gemäß §§ 103 f. ZPO festzusetzen. Nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist die Festsetzung solcher Gebühren nicht möglich (OLG Köln JurBüro 1981, 1187 f. mit Anmerkung Mümmler; OLG Koblenz Anwaltsblatt 1987, 53 f.; OLG Rostock JurBüro 1998, 199; Thomas/Putzo ZPO 26. Aufl. § 104 Rdn. 8; Zöller/Herget ZPO 25. Aufl. § 104 Rdn. 21 "vorprozessuale Kosten"; Musielak/Wolst ZPO 4. Aufl. § 91 Rdn. 73; Baumbach/Hartmann ZPO § 103 Rdn. 24). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Das Festsetzungsverfahren nach §§ 103 f. ZPO ist nur für "Prozeßkosten" vorgesehen (§ 103 Abs. 1 ZPO). Anwaltsgebühren sind nur insoweit Prozeßkosten, als sie eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren vergüten. Die hier geltend gemachten Gebühren sind außerhalb des Prozesses angefallen, da die in den Vergleich einbezogenen Forderungen vor dem Abschluß des Vergleichs nicht rechtshängig waren. Solche Gebühren eignen sich nicht für eine Klärung im Kostenfestsetzungsverfahren. Dieses ist nach seiner Ausgestaltung auf eine rasche, vereinfachte, anhand der Prozeßakten vorzunehmende gebührenrechtliche Überprüfung der Tätigkeit des Rechtsanwalts zugeschnitten. Tätigkeiten des Rechtsanwalts aber, die außerhalb des Prozeßgeschehens -gleichgültig ob vor oder während des Rechtsstreits -vorgenommen werden, sind aus den Prozeßakten nicht ersichtlich, jedenfalls nicht in dem Maße, daß sie eine Überprüfung (wie sie die Rahmengebühr des § 118 Abs. 1 BRAGO erfordert) ermöglichen. Noch viel weniger läßt sich im Kostenfestsetzungsverfahren klären, inwieweit solche außergerichtlichen Tätigkeiten des Rechtsanwalts für die Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung seines Mandanten notwendig (§ 91 Abs. 1 ZPO) gewesen sind (OLG Koblenz aaO).

Soweit in der Rechtsprechung die Festsetzung solcher Gebühren für zulässig erachtet wird, handelt es sich meist um Fälle, in denen im Vergleich ausdrücklich bestimmt ist, daß auch die Gebühren des Rechtsanwalts für seine außergerichtliche Tätigkeit erstattet werden soll (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1975, 632; KG JurBüro 1975, 188; OLG Köln NJW 1963, 1018). Dabei werden für die Zulässigkeit der Festsetzung in solchen Fällen prozeßökonomische Gründe angeführt. Verlangt wird aber in aller Regel, daß die Pflicht zur Erstattung im Vergleich ausdrücklich bestimmt ist und die zur Erstattung bestimmten Gebühren des § 118 BRAGO ihrer Höhe nach im Vergleich eindeutig beziffert werden, so daß keinerlei Raum zu Auslegungsfragen bleibt (Mümmler aaO S. 1188).

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß diese Erfordernisse hier nicht erfüllt sind. Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Landgerichts wollten die Parteien lediglich die Frage der Prozeßkosten, nicht aber die der vorgerichtlich entstandenen Gebühren nach § 118 BRAGO für die nicht rechtshängig gemachten Ansprüche regeln. Davon abgesehen würde eine Festsetzung auch daran scheitern, daß es sich bei den geltend gemachten Gebühren um Rahmengebühren handelt, deren Höhe im Vergleich nicht bestimmt ist und deshalb mit den im Verfahren nach §§ 103 f. ZPO vorgesehenen Mitteln nicht geklärt werden kann.

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