Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. August 2007
Aktenzeichen: 11 W (pat) 15/04

(BPatG: Beschluss v. 30.08.2007, Az.: 11 W (pat) 15/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelder wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse C 22 C des Deutschen Patent- u. Markenamts vom 26. November 2003 aufgehoben und das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 31 vom 31. Juli 2007, eingegangen am 1. August 2007, ursprünglicher Beschreibung mit überarbeiteten Seiten 4, 5, 5a und 14, den ursprünglich eingereichten Zeichnungen Figur 1 bis 6 und 8 bis 10 sowie geänderter Figur 7 erteilt.

Bezeichnung:

Verfahren zum Erzeugen von Poren oder Kanälen in einem metallischen Werkstoffkörper und nach dem Verfahren hergestellter Metallkörper.

Anmeldetag: 11. Juli 2002 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 31 vom 31. Juli 2007, eingegangen am 1. August 2007 Ursprüngliche Beschreibungsseiten 1 bis 3, 6 bis 13 und 15 bis 19 (v. 12.07.02), neue Seite 4 vom 31. Juli 2007, eingegangen am 1. August 2007, neue Seite 5, eingegangen am 13. September 2003 und neue Seite 5a, in Reinschrift eingegangen am 10. August 2007 undneue Seite 14, eingegangen am 13. September 2003.

Ursprüngliche Zeichnungen, Figuren 1 bis 6 und 8 bis 10 sowie neue Figur 7, eingegangen am 13. September 2003.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse C 22 C des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 26. November 2003 die am 11. Juli 2002 eingereichte, am 27. Mai 2004 offengelegte Patentanmeldung DE 102 31 577 mit der Bezeichnung "Verfahren zum Erzeugen von Poren oder Kanälen in einem metallischen Werkstoffkörper und nach dem Verfahren hergestellter Metallkörper" gemäß PatG § 48 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des am 13. September 2003 eingegangenen Patentanspruchs 29 gegenüber der DE 21 00 880 A (2) nicht neu sei und bereits deshalb auch die Patentansprüche 1 bis 28, 30 bis 31 nicht gewährbar seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelder.

Mit Eingabe vom 31. Juli 2007 legen die Anmelder neue Ansprüche 1 bis 31 vor und machen dazu geltend, dass deren Gegenstände, insbesondere das Verfahren nach Anspruch 1, des Metallkörpers nach Anspruch 14 und die Verwendung der Nickellegierungen zu dessen Herstellung nach dem beanspruchten Verfahren sowie die jeweiligen rückbezogenen Ansprüche 2 bis 13 und 15 bis 29 gegenüber dem Stand der Technik, insbesondere den Entgegenhaltungen DE 20 37 928 B2 (1) und DE 21 00 880 A (2) neu seien und auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.

So sei nach (1) kein Werkstoff mit einer kubischen Kristallstruktur nach Pearson Symbol cP4 enthalten wie z.B. Ni3Al, sondern stattdessen Al3Ni mit dem Pearson Symbol oP16. Auch Poren oder Kanäle würden nach (1) nicht erzeugt aus zwei Phasen sich gegenseitig durchdringender, in sich verbundener Netzwerke. Nach (2) entstehe eine Legierung als Mischschmelze der Metalle und weder eine kubisch flächenzentrierte Phase mit der Kristallstruktur des Pearson Symbols cF4, noch eine zweite Phase mit kubischer Kristallstruktur mit Pearson Symbol cP4. Auch nenne (2) kein Verfahren zur Erzeugung von Poren mittels zwei solchen, sich gegenseitig durchdringenden, in sich zu Netzwerken verbundenen Phasen, von denen eine selektiv entfernt werde. Somit sei die beanspruchte Erfindung weder bekannt noch nahegelegt und daher patentfähig.

Die Anmelder beantragen, den Beschluss der Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und das Patent mit den eingereichten Unterlagen zu erteilen.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

1. Verfahren zum Erzeugen von Poren oder Kanälen in einem metallischen Körper aus einem Werkstoff

(a) mit mindestens zwei Phasen (1, 2) unterschiedlicher Kristallstrukturen,

(b) wobei eine Phase (1) eine kubisch flächenzentrierte Kristallstruktur mit Pearson Symbol cF4 ist, dadurch gekennzeichnet, dass

(c) eine Phase (2) eine kubische Kristallstruktur mit Pearson Symbol cP4 aufweist, und

(d) die Poren oder Kanäle erzeugt werden, indem - aus den zwei Phasen (1, 2) sich gegenseitig durchdringende, in sich verbundene Netzwerke erzeugt werden und - anschließend eine der Phasen (1, 2) selektiv entfernt wird.

Die Ansprüche 2 bis 13 betreffen Ausbildungen dieses Verfahrens.

Der geltende Anspruch 14 lautet:

14. Poröser Metallkörper, bestehend aus einem Werkstoff mit

(a) mindestens zwei Phasen (1, 2) unterschiedlicher Kristallstrukturen,

(b) wobei eine Phase (1) eine kubisch flächenzentrierte Kristallstruktur mit Pearson Symbol cF4 aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass

(c) eine Phase (2) eine kubische Kristallstruktur mit Pearson Symbol cP4 aufweist,

(d) wobei die zwei Phasen (1, 2) sich gegenseitig durchdringende, in sich verbundene Netzwerke bilden und

(e) eine der Phasen (1, 2) zumindest bereichsweise zur Ausbildung von Kanälen entfernt ist.

Die Ansprüche 15 bis 29 betreffen Ausbildungen des Metallkörpers.

Die Ansprüche 30 und 31 betreffen die Verwendung einer Nickel-Basislegierung bestimmter Zusammensetzung zur Herstellung eines porösen Metallkörpers nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 13.

Sinngemäß liegt die Aufgabe vor, ein Verfahren zur Erzeugung poröser Körper aus metallischen Werkstoffen sowie solche anzugeben, die industriell mit sehr kleinen Porenabmessungen hergestellt und deren poröse Struktur von einem Medium durchströmt werden kann.

Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelder ist begründet.

Die geltenden Ansprüche leiten sich aus den ursprünglichen Schutzansprüchen in Verbindung mit den übrigen Anmeldungsunterlagen her und sind formal zulässig.

Die Ansprüche 1 und 14 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 13, nunmehr abgegrenzt gegenüber der Entgegenhaltung (1).

Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 und 8 bis 12 sowie 15 bis 29 entsprechen der ursprünglich eingereichten Fassung der Ansprüche 2 bis 6 und 8 bis 12 sowie 14 bis 28. Der ursprüngliche Anspruch 7 ist in die beiden geltenden Ansprüche 7 und 13 aufgeteilt worden. Die ursprünglichen Ansprüche 29 und 30 sind nunmehr als geltende Ansprüche 30 und 31 Verwendungsansprüche einer Nickel- Basislegierung zur Herstellung eines porösen Metallkörpers nach dem beanspruchten Verfahren der Ansprüche 1 bis 13.

Das Verfahren zum Erzeugen von Poren oder Kanälen nach Anspruch 1, der poröse Metallkörper nach Anspruch 14 und die Verwendung einer Nickel-Basislegierung für das beanspruchte Verfahren nach den Ansprüchen 30 und 31 sind jeweils offensichtlich gewerblich anwendbar.

Sie sind gegenüber dem Stand der Technik auch jeweils neu und beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Fachmann ist ein werkstoffkundiger Diplom-Ingenieur (FH) z. B. der Fachrichtung Maschinenbau oder Werkstofftechnik mit langjähriger einschlägiger Erfahrungen in der Entwicklung und Herstellung von Werkstoffen für poröse Metallkörper, beispielsweise für Filter, Katalysatoren usw.

Die Entgegenhaltungen (1) DE 20 37 928 B2 und (2) DE 21 00 880 A betreffen inhaltlich auch Verfahren zur Herstellung poröser bzw. Kanäle enthaltender nickelhaltiger Metallkörper aus einem Werkstoff mit mindestens zwei Phasen unterschiedlicher Kristallstrukturen. Nach der gattungsgemäßen Entgegenhaltung (1) - die eine Phase weist in Form von Al eine kubisch flächenzentrierende Kristallstruktur mit Pearson Symbol cFH auf - besteht dort eine der Phasen aus Al3Ni - Mischkristall, gemäß Fachliteratur T. B. Massalski, Binary Alloy Phase Diagrams, S. 143 mit einem orthorhombisch primitiven Bravais-Gitter nach dem Pearson Symbol oP16 und nicht der erfindungsgemäßen Phase mit kubischer Kristallstruktur nach dem Pearson Symbol cP4 wie es z. B. Ni3Al aufweist.

Die Entgegenhaltung (2) betrifft eine Legierung, für die dort ebenfalls die Phase NiAl3 angegeben ist, z. B. S. 8 unten und Seite 9, Abs. 1, für die das Pearson Symbol oP16 gilt, sowie als weitere Phase Ni2Al3, gemäß Fachliteratur T. B. Massalski eine hexagonalen Phase mit dem Pearson Symbol hP5. Schon wegen dieser gegenüber dem beanspruchten Verfahren und Metallkörper unterschiedlichen Kristallphasen ist sind diese neu gegenüber den Entgegenhaltungen (1) und (2).

Darüber hinaus betrifft (1) das Herstellverfahren eines Nickelschwamms, der aus der abgekühlten mindestens 30 Minuten zwischen 790 und 854OC gehaltenen flüssig- festen Ni/Al-Schmelze gewonnenen und dann zerkleinerten Legierung hergestellt wird durch das Herauslaugen von Aluminium aus dieser zerkleinerten Legierung, also aus den beiden Phasen der zerkleinerten Legierungspartikel.

Dem gegenüber ist anmeldungsgemäß - außer der anderen Phase - für die Herstellung der Poren- bzw. Kanäle beansprucht, dass aus den beiden Phasen sich gegenseitig durchdringende in sich verbundene Netzwerke erzeugt werden und anschließend daraus eine der beiden Phasen selektiv entfernt wird und nicht das Aluminium aus beiden Phasen.

Für die beanspruchten Maßnahmen vermag die Entgegenhaltung (1) keinerlei Hinweis oder Vorbild zu geben.

Die Entgegenhaltung (2) betrifft eine nickelhaltige Legierung mit Aluminium, Molybdän und möglichen weiteren Komponenten zur Herstellung eines Katalysators.

Auch hier wird die Legierung nach dem Abkühlen normalerweise zerkleinert um fein verteiltes Material herzustellen und Aluminium wird aus der Legierung aufgelöst, also wiederum aus allen Aluminium enthaltenden Phasen.

Für das anmeldungsgemäß beanspruchte selektive Entfernen einer von zwei Phasen bestimmter Kristallstruktur, die für Entgegenhaltung (2) schon nicht genannt sind, vermittelt auch die Entgegenhaltung (2) keinerlei Hinweis oder Vorbild, um das beanspruchte Verfahren für den Fachmann nahezulegen.

Auch eine Zusammenschau der Entgegenhaltungen (1) und (2) vermag daher keinerlei Hinweis oder Hilfe für die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 zu geben.

Die Merkmalsgesamtheit des Verfahrens nach Anspruch 1 beruht daher gegenüber dem Stand der Technik auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Dies gilt aus den gleichen Gründen auch für den beanspruchten porösen Metallkörper nach Anspruch 14 sowie für die Verwendung von Nickel-Basislegierungen nach den Ansprüchen 30 und 31, die sich auf das patentfähige Verfahren nach Anspruch 1 stützen, ebenso wie die hiervon getragenen rückbezogenen Ansprüche 2 bis 13 und 15 bis 29.

Weil somit das beanspruchte Verfahren nach Anspruch 1 bis 13, der Metallkörper nach Anspruch 14 bis 29 sowie die Legierungsverwendung für das Verfahren (Ansprüche 30 und 31) gegenüber dem Stand der Technik und dem beim Fachmann vorauszusetzenden Wissen und Können auf einer patentbegründenden erfinderischen Tätigkeit beruht, sind die Ansprüche 1 bis 31 gewährbar.

Nach alledem ist dem Antrag der Anmelder zu folgen und das Patent zu erteilen.

Dr. Maier Dr. Henkelv. Zglinitzki Harrer Na






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Az: 11 W (pat) 15/04


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