Bundespatentgericht:
Urteil vom 15. Oktober 2003
Aktenzeichen: 3 Ni 14/02

(BPatG: Urteil v. 15.10.2003, Az.: 3 Ni 14/02)

Tenor

Das europäische Patent 0 615 445 wird im Umfang der Patentansprüche 25 bis 52 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt ein Fünftel, die Beklagte vier Fünftel der Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 4. Dezember 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldungen 41 40 195, 41 40 177 und 41 40 178 jeweils vom 5. Dezember 1991 als internationale Patentanmeldung PCT/DE92/01010 angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patentes EP 0 615 445 B1 (Streitpatent), das vom Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer 592 06 324 geführt wird. Das Streitpatent betrifft ein "Pharmazeutisch applizierbares Nanosol und Verfahren zu seiner Herstellung" und umfasst 52 Patentansprüche, von denen der Verfahrensanspruch 1, der Erzeugnisanspruch 25 sowie die Arzneimittelansprüche 40 und 41 in der erteilten Fassung wie folgt lauten:

1. Verfahren zur Herstellung eines kolloiddispersen Systems von in Wasser schwerlöslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen, dadurch gekennzeichnet, dass mana) eine Gelatine, ein Kollagenhydrolysat oder ein Gelatinederivat nach ihrem (seinem) isoelektrischen Punkt (IEP) so auswählt, dass ihr (sein) IEP mit dem Ladungszustand der Partikel der anorganischen und/oder organischen Verbindung so abgestimmt ist, dass die Gelatine, das Kollagenhydrolysat oder das Gelatinederivat bei einem bestimmten pH-Wert mit der ungelösten anorganischen und/oder organischen Verbindung(en) zu Ladungsneutralität führt, b) die Gelatine, das Kollagenhydrolysat oder das Gelatinederivat in die wässrige Solform überführt, c) den pH-Wert in Abhängigkeit von dem IEP der Gelatine Kollagenhydrolysat oder Gelatinederivat auf einen solchen Wert einstellt, dass die sich bildenden Nanopartikel der anorganischen und/oder organischen Verbindung nahezu oder vollständig ladungsneutral stabilisiert werden, undd) vor oder nach Stufe c) die anorganische und/oder organische Verbindung in dem wässrigen Sol von Gelatine, Kollagenhydrolysat oder Gelatinederivat löst oder eine Lösung der anorganischen und/oder organischen Verbindung mit dem wässrigen Gelatinesol vereinigt.

25. Nanosol von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen oder Gemischen von anorganischen und/oder organischen Verbindungen mit Gelatine, gekennzeichnet durcha) eine innere Phase aus der oder den anorganischen und/oder organischen Verbindung(en), die eine Teilchengröße von 10800 nm aufweist (aufweisen) und eine negative oder positive Oberflächenladung besitzt (besitzen), b) eine äußere Phase aus Gelatine, einem Kollagenhydrolysat oder einem Gelatinederivat, welche(s) positiv oder negativ geladen ist, c) einen annähernd oder vollständig isoionischen Ladungszustand der inneren und äußeren Phase.

40.

Akut-Arzneimittel zur Behandlung von Diabetes, enthaltend Glibenclamid neben üblichen pharmazeutischen Trägern und Hilfsstoffen, dadurch gekennzeichnet, dass das Glibenclamid in Form eines pharmazeutisch applizierbaren Nanosols nach einem der Ansprüche 29-39 vorliegt.

41.

Akut-Arzneimittel zur Behandlung von rheumatischen und/oder entzündlichen Erkrankungen, enthaltend ein 3-Indolylessigsäurederivat neben üblichen pharmazeutischen Trägern und Hilfsstoffen, dadurch gekennzeichnet, dass das 3-Indolylessigsäurederivat in Form eines pharmazeutisch applizierbaren Nanosols nach einem der Ansprüche 29-39 vorliegt.

Wegen des Wortlautes der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 24, der auf Patentanspruch 25 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 26 bis 39 und der auf die Patentansprüche 40 und 41 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 42 bis 52 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin macht geltend, das Streitpatent sei nicht patentfähig, weil die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 39 nicht neu seien, die Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 52 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten und der Gegenstand des Patentanspruchs 25 nicht ausführbar sei. Sie macht weiterhin geltend, der Gegenstand der Patentansprüche 25, 26, 30, 31, 33 und 39 sei aufgrund offenkundiger Vorbenutzung nicht mehr neu. Zur Begründung bezieht sich die Klägerin auf die Dokumente K1: EP 065 193 A K2: Die Angewandte Makromolekulare Chemie 166/167 (1989), 139-153 K3: NanoMorph Firmenschrift und Internetauftritt K4: Römpps Chemie Lexikon, 8. Aufl, 1987, Seite 3883 K5: Verletzungsklage vom 19. März 2001 K6: R. Voigt, Lehrbuch der pharmazeutischen Technologie, 5. Auf. 1984, Seiten 108-112 K7: Schriftsatz A... vom 12. Dezember 2001 zum Verletzungsverfahren

(einschließlich der darin zitierten Anlage K21) K8: EP 425 892 A K9: EP 276 735 A K10: EP278 284 A K11: EP276 772 A K12: The Merck Index, 10th Ed. 1983, Seiten 651, 1093, 1292, 1406 K13: EP 347 751 K14: DE 37 42 473 A K15: EP 410 236 A K16: EP 282 020 K17: J. Dispersion Science and Technology, 19 (2 & 3), 163-184 (1998) K18: D. Horn und E. Lüddecke in "Fine Particles Science and Technology - From Micro to Nanoparticles", NATO Advanced Science Institutes Series 3, Vol. 12, E. Pellizetti ed., Kluwer Academic Publishers, Dordrecht 1996, p. 761 K19: Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 3. Aufl, 1958, Bd 10, Seite 599 K20: Formulierungstechnik, Wiley-VCH Verlag GmbH, 2000, Seite 5 und auf weitere als K21 bis K51 bezeichnete sowie in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Unterlagen.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 615 445 in vollem Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit geänderten Patentansprüchen 1 bis 25 gemäß Hilfsanträgen 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Patentansprüche 1 und 25 in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 lauten wie folgt:

1. Verfahren zur Herstellung eines kolloiddispersen Systems von in Wasser schwerlöslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen, dadurch gekennzeichnet, dass mana) eine Gelatine nach ihrem isoelektrischen Punkt (IEP) so auswählt, dass ihr IEP mit dem Ladungszustand der Partikel der anorganischen und/oder organischen Verbindung so abgestimmt ist, dass die Gelatine bei einem bestimmten pH-Wert mit der ungelösten anorganischen und/oder organischen Verbindung(en) zu Ladungsneutralität führt, b) die Gelatine in die wässrige Solform überführt, c) den pH-Wert in Abhängigkeit von dem IEP der Gelatine auf einen solchen Wert einstellt, dass die sich bildenden Nanopartikel der anorganischen und/oder organischen Verbindung nahezu oder vollständig ladungsneutral stabilisiert werden, undd) vor oder nach Stufe c) die anorganische und/oder organische Verbindung in dem wässrigen Sol von Gelatine löst oder eine Lösung der anorganischen und/oder organischen Verbindung mit dem wässrigen Gelatinesol vereinigt, so dass sich ein Nanosol gemäß Anspruch 25 ergibt.

25. Nanosol von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen oder Gemischen von anorganischen und/oder organischen Verbindungen mit Gelatine, gekennzeichnet durcha) eine innere Phase aus der oder den anorganischen und/oder organischen Verbindung(en), die eine Teilchengröße von 10-800 nm aufweist (aufweisen) und eine negative oder positive Oberflächenladung besitzt (besitzen), b) eine äußere Phase aus Gelatine Typ A oder Typ B welche positiv oder negativ geladen ist, c) einen annähernd oder vollständig isoionischen Ladungszustand der inneren und äußeren Phase.

Die Patentansprüche 1 und 25 in der Fassung gemäß Hilfsantrag 2 lauten wie folgt:

1. Verfahren zur Herstellung eines kolloiddispersen Systems von in Wasser schwerlöslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen, dadurch gekennzeichnet , dass mana) eine Gelatine nach ihrem isoelektrischen Punkt (IEP) so auswählt, dass ihr IEP mit dem Ladungszustand der Partikel der anorganischen und/oder organischen Verbindung so abgestimmt ist, dass die Gelatine bei einem bestimmten pH-Wert mit der ungelösten anorganischen und/oder organischen Verbindung(en) zu Ladungsneutralität führt, b) die Gelatine in die wässrige Solform überführt, c) den pH-Wert in Abhängigkeit von dem IEP der Gelatine auf einen solchen Wert einstellt, dass die sich bildenden Nanopartikel der anorganischen und/oder organischen Verbindung nahezu oder vollständig ladungsneutral stabilisiert werden, undd) vor oder nach Stufe c) die anorganische und/oder organische Verbindung in dem wässrigen Sol von Gelatine löst oder eine Lösung der anorganischen und/oder organischen Verbindung mit dem wässrigen Gelatinesol vereinigt, so dass sich ein Nanosol gemäß Anspruch 25 ergibt.

25. Nanosol von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen oder Gemischen von anorganischen und/oder organischen Verbindungen mit Gelatine, gekennzeichnet durcha) eine innere Phase aus der oder den anorganischen und/oder organischen Verbindung(en), die eine Teilchengröße von 10-800 nm aufweist (aufweisen) und eine negative oder positive Oberflächenladung besitzt (besitzen), b) eine äußere Phase aus Gelatine Typ A oder Typ B, welche positiv oder negativ geladen ist, wobei die Gelatine einen Anteil von Mikrogel (107 -108 D) von bis zu 15 Gew.-%, eine Fraktion der -Gelatine und deren Oligomere (9,5 x 104/ 105 bis 106 D) von 10 bis 40 Gew.-% sowie Peptide bis zu 80 Gew.-% aufweist, c) einen annähernd oder vollständig isoionischen Ladungszustand der inneren und äußeren Phase.

Sie tritt dem Vorbringen entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Dokumente:

BNi1: Zusammenstellung früherer B...-Patente BNi2: Kooperationsvertrag BNi3: Geheimhaltungsvertrag BNi4: Römpp-Chemie-Lexikon: Definition von Adsorption BNi5: Powder Proceeding, Dry and Wet Technologies, Hosokawa Alpine AG BNi6: EP 0 832 569 A2 BNi7: "Pharmazeutische Technologie" Seite 430, 3. Abschnitt, rechts

Gründe

Die Klage erweist sich als teilweise begründet.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur teilweisen Nichtigerklärung des Streitpatents in dem sich aus der Urteilsformel ergebenden Umfang. Im übrigen erweist sich die Klage als unbegründet, denn nach Auffassung des Senats ist der Gegenstand des Patents patentfähig, soweit dieser über die sich aus der Urteilsformel ergebende Nichtigerklärung des Streitpatents hinausgeht, Art II § 6 Abs 1 Nr 1 Nr 2 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ, Art 52, 54, 56 und 83 EPÜ.

I.

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines kolloiddispersen Systems von in Wasser schwerlöslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen, ein Nanosol von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen oder Gemischen von anorganischen und/oder organischen Verbindungen mit Gelatine sowie ein pharmazeutisch applizierbares Nanosol, dh ein stabiles kolloiddisperses System von in Wasser schwerlöslichen Arzneistoffen mit Gelatine, ein Akut-Arzneimittel zur Behandlung von rheumatischen und/oder entzündlichen Erkrankungen, das ein 3-Indolylessigsäurederivat enthält sowie ein Akut-Arzneimittel zur Behandlung von Diabetes, das Glibenclamid enthält (Streitpatentschrift Seite 2 Z 3-11).

In der Einleitung der Streitpatentschrift ist ausgeführt, dass es sich bei der Schwierigkeit, Arzneistoffe mit problematischer Bioverfügbarkeit in eine befriedigende pharmazeutisch applizierbare Form zu bringen, um ein allgemein bekanntes Problem handle. So sei bei den bekannten Verfahren zur Erhöhung der Sättigungslöslichkeit von Arzneistoffen bzw zur Herstellung kleiner Partikel immer die Verwendung komplexer Zusatzstoffe notwendig, deren Einsatz weder gezielt vorherbestimmt werden könne, noch wegen der toxikologischen Risiken wünschenswert sei (Streitpatentschrift Seite 2 Z 12 bis S 3 Z 14).

2.

Von dieser Problemstellung ausgehend liegt der Streitpatentschrift die Aufgabe zugrunde, die Bioverfügbarkeit von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen durch Erhöhung ihrer Lösegeschwindigkeit ohne Zusatz von schädlichen Hilfsstoffen zu verbessern (vgl Streitpatent S 3 Z 25 bis 28).

3.

Zur Lösung dieser Aufgabe beschreibt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ein

(1)

Verfahren zur Herstellung eines kolloiddispersen Systems von in Wasser schwerlöslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen,

(2)

wobei man eine Gelatine, ein Kollagenhydrolysat oder ein Gelatinederivat nach ihrem (seinem) isoelektrischen Punkt (IEP) so auswählt, dass

(3)

ihr (sein) IEP mit dem Ladungszustand der Partikel der anorganischen und/oder organischen Verbindung so abgestimmt ist, dass die Gelatine, das Kollagenhydrolysat oder das Gelatinederivat bei einem bestimmten pH-Wert mit der ungelösten an organischen und/oder organischen Verbindung(en) zu Ladungsneutralität führt,

(4)

die Gelatine, das Kollagenhydrolysat oder das Gelatinederivat in die wässrige Solform überführt,

(5)

den pH-Wert in Abhängigkeit von dem IEP der Gelatine, Kollagenhydrolysat oder Gelatinederivat auf einen solchen Wert einstellt, dass die sich bildenden Nanopartikel der anorganischen und/oder organischen Verbindung nahezu oder vollständig ladungsneutral stabilisiert werden, und

(5.1) vor oder nach Stufe c) die anorganische und/oder organische Verbindung in dem wässrigen Sol von Gelatine, Kollagenhydrolysat oder Gelatinederivat löst oder

(5.2) eine Lösung der anorganischen und/oder organischen Verbindung mit dem wässrigen Gelatinesol vereinigt.

Zur Lösung der Aufgabe beschreibt weiterhin Patentanspruch 25 in der erteilten Fassung ein

(1)

Nanosol von in Wasser schwer löslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen oder Gemischen von anorganischen und/oder organischen Verbindungen mit Gelatine, mit

(2)

einer inneren Phase aus der oder den anorganischen und/oder organischen Verbindung(en),

(3)

die eine Teilchengröße von 10-800 nm aufweist (aufweisen) und

(4)

eine negative oder positive Oberflächenladung besitzt (besitzen), und

(5)

einer äußeren Phase aus Gelatine, einem Kollagenhydrolysat oder einem Gelatinederivat,

(6)

welche(s) positiv oder negativ geladen ist, und

(7)

einem annähernd oder vollständig isoionischen Ladungszustand der inneren und äußeren Phase.

II.

1. Die Klage hat im Umfang der Patentansprüche 25, 40 und 41 und der auf diese zurückbezogenen Patentansprüche 26 bis 39 sowie 42 bis 52 Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruches 25 nicht mehr neu ist und die Bereitstellung der Gegenstände nach den Patentansprüchen 40 und 41 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

1.1 Der Gegenstand des Patentanspruches 25 in der erteilten Fassung des Streitpatentes (Hauptantrag) erweist sich mangels Neuheit als nicht bestandsfähig.

Hydrosole, die eine innere und eine äußere Phase aufweisen, wobei -Carotin, eine schwerlösliche organische Verbindung, mit einer Teilchengröße von 50 bis 500 nm die innere Phase und Gelatine die äußere Phase bilden, werden von D. Horn in "Die Angewandte Makromolekulare Chemie 166/167 (1989), 139 bis 153" (Entgegenhaltung K2) im Rahmen eines wissenschaftlichen Artikels beschrieben. Diese Hydrosole weisen damit die Merkmale 1) bis 3) und 5) der Nanosole gemäß Streitpatent auf (vgl Patentanspruch 25 unter I.3). Sie erfüllen jedoch auch die Merkmale 4), 6) und 7), denn nach Überzeugung des Senates liegen die innere und die äußere Phase der in dieser Publikation beschriebenen Hydrosole gleichfalls in gegensinnig geladenem Zustand vor und weisen nach außen einen zumindest annähernd isoionischen Ladungszustand auf. Kolloide stellen nämlich Stoffe dar, die über eine energiereiche, dh geladene Oberfläche verfügen, weshalb elektrische Grenzflächenerscheinungen im Zusammenhang mit der Stabilität von Kolloiden eine entscheidende Rolle spielen. In Übereinstimmung damit heißt es dazu in dem Artikel von D. Horn, dass die Eignung eines Schutzkolloids als kolloidaler Stabilisator weitestgehenst von dessen Ladungsdichte und dem pH-Wert der wässrigen Phase bestimmt wird. Verwendung zur Herstellung der Hydrosole finden sodann ua Gelatinen vom Typ A oder Typ B, somit Gelatinen, die je nach ihrem Herstellungsprozess über positive oder negative Ladungen verfügen (vgl K2 S 148 Fig 6 sowie S 149 Abs 1 iVm Streitpatentschrift S 5 Z 33 bis 38). Nachdem nun geladene oder polarisierte kolloidale Teilchen bestrebt sind, sich zu stabilisieren und sich im Zuge dessen mit gegensinnigen Ladungen zu umgeben, wird sich Gelatine, im Übrigen unabhängig davon, ob sie amphoter oder nach entsprechender Behandlung geladen vorliegt, in einer Kolloide enthaltenden Lösung mit ihren Aminooder Säuregruppen so zur Oberfläche der -Carotin-Partikel hin anordnen, dass auf diese Weise ein zumindest annähernder Ladungsausgleich bewirkt wird. Nur dann, wenn die gegensinnigen Ladungen der inneren Phasen annähernd abgesättigt sind, dh nur noch Partikel mit einer einheitlichen Ladung bzw einheitlichen elektrostatischen Kräften nach außen vorhanden sind, können solchermaßen stabilisierte Kolloide "gelöst" vorliegen. Dies trifft so auch auf die im Dokument K2 beschriebenen Hydrosole zu. Würde nämlich das Schutzkolloid die Ladungen des Kolloids nicht ausgleichen, käme es zu einer Aggregation der Teilchen und darauf folgend zu ihrer Ausflockung (vgl zB Streitpatentschrift S 6 Z 36 bis 39 und S 14 Z 7 bis 12 iVm K19 Abs 3 und K5 S 24 Abs 2).

Als wesentliches Indiz für das Vorliegen eines annähernd oder vollständigen isoionischen Ladungszustandes der inneren und äußeren Phase, verursacht durch eine Ladungsneutralisation des eine negative oder positive Oberflächenladung besitzenden Kolloids durch das gegensinnig geladene Schutzkolloid, wird von der Streitpatentinhaberin - wie sie es auch in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat - die in diesem Fall zu beobachtende Verschiebung des bei einem spezifischen pH-Wert vorliegenden isoelektrischen Punktes (IEP) des Schutzkolloids, hier der Gelatine, zu anderen pH-Werten angesehen. So weichen gemäß Streitpatent die spezifischen pH-Werte der isoelektrischen Punkte (IEP) der Nanosole dann von den isoelektrischen Punkten der jeweils eingesetzten Gelatinen ab, wenn das Stabiltätsmaximum der herzustellenden Nanosole vorliegt (vgl Beispiele 1 bis 13). Nachgewiesen wird eine solche Änderung des isoionischen Punktes über die Messung des Zeta-Potentiales bzw über die Mobilitätsdaten, wie sie auch in der Fig 6 der Veröffentlichung K2 wiedergegeben sind. Dabei handelt es sich - wie die Streitpatentinhaberin in der mündlichen Verhandlung ebenfalls bestätigte - um die einzige im vorliegenden Fall geeignete Nachweismethode zur Bestimmung des Ladungszustandes. Eine solche Verschiebung des isoelektrischen Punktes (IEP) ist nun aber auch bei den in K2 beschriebenen Hydrosolen zu beobachten. Danach verschiebt sich der isoelektrische Punkt (IEP), der bei sauer hergestellter Gelatine (Typ A) bei einem pH-Wert von 9,5 liegt, zu einem pH-Wert von 6, jener basisch hergestellter Gelatine (Typ B) von 6-7 zu 4,5, wenn diese die äußere Phase eines -Carotin als Kern enthaltenden Hydrosols bilden. Erklärt wird dies mit einer Konformationsänderung der Gelatinen, also einer Umorientierung der hier ua beteiligten Aminound Säure-Gruppen, die den isoelektrischen Punkt (IEP) maßgeblich beeinflussen (vgl S 149 Abs 1 iVm Fig 6). Während die Verschiebungen des isoelektrischen Punktes (IEP) gemäß Streitpatent nach Auffassung der Streitpatentinhaberin nun aber auf eine Veränderung der Anzahl der nach außen wirksamen durch Aminound/oder Säuregruppen verursachten Ladungen zurückzuführen sind, sind nach Auffassung der Streitpatentinhaberin die im Dokument K2 beschriebenen Verschiebungen der isoelektrischen Punkte (IEP) auf das Vorliegen abgebauter, denaturierter Gelatinen zurückzuführen, die einen ausgeprägteren hydrophoben Charakter hätten und in Folge des dort angegebenen Herstellungsprozesses entständen. Dieser Argumentation kann sich der Senat jedoch deshalb nicht anschließen, weil zum einen auch gemäß Streitpatenschrift beliebige Gelatinesorten bzw Gelatinederivate, dh denaturierte und partiell abgebaute Gelatine-Typen, zur Herstellung der beanspruchten Nanosole eingesetzt werden (vgl Streitpatentschrift Patentanspruch 25 und Beschreibung S 12 Z 26 bis 29, S 12 Beispiel I bis S 13 Beispiel III iVm Z 41 bis 49). Zum anderen können der Publikation K2 keine Anhaltspunkte entnommen werden, die auf das Vorliegen nicht vom Streitpatent umfasster Gelatinesorten bei den in K2 genannten Hydrosolen schließen lassen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb entsprechende Gelatinesorten unter vergleichbaren Bedingungen unterschiedlich - dh das eine Mal aufgrund hydrophober Kräfte, das andere Mal aufgrund elektrostatischer Kräfte - reagieren sollten, obgleich die dabei hergestellten Erzeugnisse bei den objektiv feststellbaren Parametern keine Unterschiede erkennen lassen.

Weitere Nachweisverfahren, die geeignet sein könnten, das Vorliegen bzw Nicht-Vorliegen des zur Diskussion stehenden Ladungsausgleiches der inneren und äußeren Phase der in Rede stehenden Nanopartikel bzw Hydrosole zu belegen, konnten von der Streitpatentinhaberin nicht genannt werden. Nachdem somit keine weiteren messbaren Parameter vorliegen, die dazu geeignet wären, die beanspruchten Nanosole von den aus der Veröffentlichung K2 bekannten Hydrosolen zuverlässig zu unterscheiden, ist zwischen den beanspruchten Nanosolen und den aus der Druckschrift K2 bekannten Hydrosolen weder ein Unterschied hinsichtlich ihrer Zusammensetzung noch hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften feststellbar.

Der Gegenstand des Patentanspruches 25 (Hauptantrag) ist somit gegenüber der Publikation K2 nicht mehr neu.

1.2. Auch die Gegenstände der Patentansprüche 41 und 42 in ihrer veröffentlichten Fassung erweisen sich als nicht bestandsfähig.

Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern die von der Nichtigkeitsklägerin bestrittene Neuheit der mit diesen Patentansprüchen beanspruchten Akut-Arzneimittel gegenüber der europäischen Patentanmeldung 0 282 020 A2 (Entgegenhaltung K16) gegeben ist, denn diese Gegenstände beruhen im Hinblick auf die Entgegenhaltungen K2 und K16 jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Publikation K2 vermittelt dem Fachmann, hier einem mit der Galenik von Arzneimitteln befassten Industrieapotheker bzw Diplom-Chemiker, nicht nur die Lehre, dass die Bioverfügbarkeit schwerlöslicher Stoffe, wie des Provitamins -Carotin, mit seiner Überführung in die Hydrosol-Form gesteigert werden kann. Sie führt darüber hinaus aus, dass die Bioverfügbarkeit von in Wasser schwerlöslichen Wirkstoffen ganz entscheidend verbessert werden kann, wenn sich die Teilchengröße des Wirkstoffes in einem Bereich von kleiner 1 µm, dh im Nanometer-Bereich, bewegt, weshalb die Agglomeration der Teilchen durch die Anwesenheit von Schutzkolloiden wie zB Proteinen, verhindert werden sollte (vgl K2 S 139 Abs 2 und 3, S 141 Abs 2, S 145 1. Satz, S 147 Abs 2 bis Abs 3 4. Satz, S 151 Abs 2 iVm Fig 8 sowie S 152 Abs 1 und 2). Von den in diesem Dokument genannten Hydrosolen unterscheiden sich die in den Patentansprüchen 40 und 41 genannten Nanosole nun nur in der Auswahl der Wirkstoffe. Arzneimittel aber, die ebenfalls Wirkstoff-Zubereitungen enthalten, die nach dem Kern-Schale-Prinzip aufgebaut sind, wobei der Wirkstoff den Kern bildet, sind vor dem Prioritätstag des Streitpatentes aus dem europäischen Dokument K16 bekannt gewesen. Bei diesen Wirkstoff-Zubereitungen handelt es sich um Partikel mit einer Korngröße von <10 µm, die eine innere Phase bestehend aus einem nichtsteroidalen Antirheumatikum (NSAID), zu denen auch das 3-Indolylessigsäurederivat Indomethacin zählt, und eine äußere Phase aus Proteinhydrolysaten, wie hydrolysierte Gelatine, aufweisen. Dabei besitzen die Phasen gegensinnige Ladungen, die zu einem annähernd oder vollständig isoionischen Ladungszustand führen. Diese Absättigung der Säuregruppen der Wirkstoffe mit einem positiv geladenen Schutzkolloid ist gemäß der Entgegenhaltung K16 ebenfalls eine Voraussetzung für eine verbesserte Bioverfügbarkeit, hier die gezielte Resorbierbarkeit im Darmtrakt (vgl Ansprüche 1 bis 9 iVm Beschreibung S 2 Z 23 bis 28, 33 bis 38 und 45 bis 47, S 3 Z 23 bis 27 sowie Z 31 bis 37 und S 4 Z 20 bis 22 sowie Streitpatentschrift S 4 Z 54 bis S 5 Z 5). War der Fachmann daher vor die Aufgabe gestellt, schwerlösliche Wirkstoffe mit verbesserter Bioverfügbarkeit in Form von Arzneimitteln -ohne im übrigen dabei auf den Einsatz schädlicher Hilfsstoffe zurückgreifen zu müssen -bereitzustellen, so musste er lediglich die mit dem Dokument K16 vermittelte Anregung aufgreifen, diese Wirkstoffe in Form nach außen abgesättigter Kern-Schale-Partikel bereitzustellen und zwar dieses -der Publikation K2 folgend - mit einer Korngröße im Nanometer-Bereich. Damit konnte er durch eine Zusammenschau der Entgegenhaltungen K2 und K16, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zu den gemäß den Patentansprüchen 40 und 41 beanspruchten Akut-Arzneimitteln gelangen. Auch wenn weder mit der Veröffentlichung K2 oder der europäischen Anmeldung K16 Glibenclamid als Wirkstoff genannt wird, ist es angesichts der dargelegten Sachlage doch als nahe liegend anzusehen, auch diesen Wirkstoff, der ebenfalls in Wasser praktisch unlöslich ist und dessen Bioverfügbarkeit aus diesem Grunde gleichfalls als verbesserungswürdig angesehen wird, den Lehren der Dokumente K2 und K16 folgend als Nanosol in Arzneimitteln bereitzustellen. Eine erfinderische Leistung kann in dieser Tätigkeit daher ebenfalls nicht gesehen werden.

1.3.

Bezüglich der sich jeweils anschließenden Patentansprüche 26 bis 39 und 42 bis 52 hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständig erfinderischer Gehalt zukäme. Dies ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Die Patentansprüche 26 bis 39 und 42 bis 52, deren selbständiger erfinderischer Gehalt von der Klägerin unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.

2.

Auch die von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen der Patentansprüche 25 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 erweisen sich als nicht bestandsfähig.

2.1. Die Patentansprüche nach Hilfsantrag 1 basieren auf den erteilten Patentansprüchen 1, 21, 22 und 25. Das Patentbegehren gemäß diesem Hilfsantrag hält sich im Umfang der ursprünglichen Offenbarung. Weder der Patentgegenstand noch der Schutzbereich des Streitpatents sind hierdurch erweitert worden, die Beschränkungen sind somit zulässig. Nach dem von der Streitpatentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrag 1 ist der Patentanspruch 25 auf Nanosole gerichtet, bei denen die äußere Phase aus Gelatinen vom Typ A oder vom Typ B gebildet wird. Da das Dokument K2 - wie vorstehend ausgeführt -bereits Hydrosole beschreibt, die sämtliche Merkmale der beanspruchten Nanosole aufweisen, darüber hinaus als Schutzkolloide auch nach diesem Dokument Gelatinen vom Typ A oder vom Typ B Verwendung finden, gelten die vorstehenden Erwägungen und die sich daraus ergebende Beurteilung der Neuheit in gleicher Weise für den Gegenstand des Patentanspruches 25 nach Hilfsantrag 1 (vgl dazu insbesondere auch K2 S 148 Fig 6 und S 149 Abs 1).

2.2.

Der Patentanspruch 25 nach Hilfsantrag 2 erfüllt die Erfordernisse der ursprünglichen Offenbarung dagegen nicht. Die Formulierung "wobei die Gelatine einen Anteil von Mikrogel (107 -108 D) von bis zu 15 Gew.-%, eine Fraktion der -Gelatine und deren Oligomere (9,5 x 104/ 105 bis 106 D) von 10 bis 40 Gew.-% sowie Peptide bis zu 80 Gew.-% aufweist" lässt sich zwar aus S 5 Z 25 bis 32 der Beschreibung einer handelsüblichen Gelatine ableiten, ist jedoch so im Zusammenhang mit Gelatinen vom Typ A oder Typ B weder den ursprünglichen noch den erteilten Unterlagen zu entnehmen. Dieser Patentanspruch ist daher schon aus formalen Gründen nicht zulässig.

3.

Die Nichtigkeitsklägerin hat schriftsätzlich gegenüber den Patentansprüchen 25, 26, 30, 31, 33 und 39 als weitere Angriffe gegen das Streitpatent noch fehlende Ausführbarkeit und offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht. Ein detailliertes Eingehen hierauf erübrigt sich, weil dem Begehren der Klägerin schon durch die teilweise Vernichtung des Streitpatentes aus den oben genannten Gründen Rechnung getragen wurde.

4.

Der Gegenstand des Patentanspruches 1 in seiner erteilten Fassung (Hauptantrag) erweist sich dagegen als bestandsfähig, weil er neu ist und seine Bereitstellung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4.1. Die Neuheit des beanspruchten Verfahrens ist alleine schon deshalb gegeben, weil keinem der vorliegenden Dokumente eine Anregung dahingehend zu entnehmen ist, zur Herstellung eines kolloiddispersen Systems von in Wasser schwerlöslichen anorganischen und/oder organischen Verbindungen das Schutzkolloid in Form von Gelatine, Kollagenhydrolysat oder Gelatinederivat gezielt in Abhängigkeit vom Ladungszustand der die innere Phase bildenden Verbindungen so auszuwählen, dass die bereitgestellten Nanosole bei einem in Abhängigkeit vom IEP des Schutzkolloids gewählten pH-Wert nahezu oder vollständig ladungsneutral stabilisiert werden (vgl Merkmale (2), (3) und (5) ).

Die Nichtigkeitsklägerin bestreitet die Neuheit mit dem in der Veröffentlichung K2 angegebenen Mischkammerverfahren. Dieses arbeite zum einen wie das Verfahren gemäß Streitpatent nach dem Auflösungs-Fällungs-Prinzip, zum anderen zeige die dort angegebene Fig 6, dass die Gelatine in Abstimmung mit dem Ladungszustand der Carotinoidpartikel so gewählt werden könne, dass Ladungsneutralität erhalten werde. Dieser Auffassung kann sich der Senat insofern nicht anschließen, als aus Fig 6 lediglich ersichtlich ist, bei welchem pH-Wert die Hydrosole Ladungsneutralität aufweisen. Hinweise jedoch, zur Herstellung dieser Hydrosole die Schutzkolloide gezielt in Abhängigkeit des pKa-Wertes der die innere Phase bildenden Verbindungen auszuwählen und den pH-Wert der Lösungen sodann unter Einbeziehung der elektrischen Punkte der Schutzkolloide einzustellen (vgl Streitpatentschrift Patentanspruch 1 iVm S 14 Z 17 bis 21), werden mit diesem Dokument nicht gegeben.

Auch gemäß den europäischen Patentanmeldungen K1, K8, K9, K10, K11 und K15 wird nach dem Mischkammer-Verfahren gearbeitet. Angaben jedoch, nach welchen Gesichtspunkten der in den Beispielen jeweils gewählte pH-Wert der Gelatine-Lösungen eingestellt worden ist, sind diesen Dokumenten gleichfalls an keiner Stelle zu entnehmen (vgl K1: Beispiele 1, 2 und 16; K8, K9, K10, K11, K15: jeweils Beispiel 1).

In dem mit der europäischen Patentanmeldung K13 angegebenen Verfahren wird die Gelatine-Lösung ohne Einstellung eines bestimmten pH-Wertes eingesetzt (vgl K13 Beispiele). Nach dem Verfahren gemäß der deutschen Offenlegungsschrift K14 werden zwar Essigsäure oder Zitronensäure in einem vorgegebenen Gewichtsverhältnis zugesetzt, diese haben jedoch die Funktion, als Peptisator zu wirken. In irgendeinem Bezug zum isoelektrischen Punkt (IEP) des Schutzkolloids oder dem pKa-Wert der inneren Phase steht diese Maßnahme aber ebenfalls nicht (vgl K14 S 6 Z 15 bis 18). Anregungen in Richtung der beanspruchten Lehre gibt auch die europäische Patentanmeldung K16 nicht, denn auch hier spielen bei der Herstellung der dort genannten Partikel die isoelektrischen Punkte (IEP) von Wirkstoff und Schutzkolloid keine Rolle (vgl K16 Beispiele 1 bis 3, 4 und 5).

Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften können die Neuheit ebenfalls nicht in Frage stellen. Sie wurden von der Nichtigkeitsklägerin auch nicht im Hinblick auf die Patentfähigkeit des beanspruchten Verfahrens genannt.

4.2 Die Bereitstellung des beanspruchten Verfahrens nach Patentanspruch 1 (Hauptantrag) beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Den nächstliegenden Stand der Technik stellt die Literaturstelle K2 dar, die ein Verfahren zur Herstellung von Hydrosolen mit einer Korngröße im Nanometer-Bereich nennt, das -wie auch das Verfahren gemäß Streitpatentschrift -nach dem Auflösungs-Fällungs-Prinzip arbeitet. Im Falle der Druckschrift K2 handelt es sich dabei um das sogenannte Mischkammerverfahren. Dieses umfasst die Auflösung einer schwerlöslichen Substanz - hier des ß-Carotins - unter kurzfristiger Anwendung höherer Temperaturen und höherer Drücke. Die anschließende Bildung des Kolloids erfolgt sodann in Anwesenheit eines Schutzkolloides, wie Gelatine.

Gemäß Streitpatentschrift wird nun vorgeschlagen, diesen Vorgang mit der Maßgabe durchzuführen, die Schutzkolloide gezielt in Abhängigkeit vom Ladungszustand der zu stabilisierenden Substanzen so auszuwählen, dass eine zumindest annähernde Ladungsneutralität der inneren und äußeren Phase erreicht wird. In der Publikation K2 wird im Zusammenhang mit den Schutzkolloiden dagegen lediglich ausgeführt, dass dessen Adsorptionsverhalten und Eignung durch seine Ladungsdichte und den pH-Wert der wässrigen Phase bestimmt wird, des weiteren, dass diese Substanzen für die Stabilität der hergestellten Hydrosole verantwortlich sind, das Wachstum der Kolloide beeinflussen, und sie über ihre Wechselwirkung mit der Oberfläche der wachsenden Partikel die Kinetik des Ausfällungsprozesses bestimmen (vgl S 143 Abs 1 bis S 144 Abs 1 sowie S 147 Abs 3). Hinweise dahingehend aber, zur Erzielung dieser Wirkungen und damit zur Herstellung stabiler Nanosole nun das Schutzkolloid in Abhängigkeit vom pKa-Wert des Wirkstoffes auszuwählen und in einem weiteren Schritt zum Erreichen des Stabilitätsmaximums den pH-Wert der beide Komponenten enthaltenden Lösung in Abhängigkeit vom isoelektrischen Punkt (IEP) der Schutzkolloide einzustellen, erhält der Fachmann mit diesem Dokument nicht. Es gibt ihm auch deshalb keine Veranlassung so zu handeln, weil dort als verantwortlich für die Stabilisierung der Hydrosole die Existenz von sowohl elektrostatischen als auch hydrophoben Wechselwirkungen zwischen Kolloid und Schutzkolloid diskutiert wird (vgl K2 S 148 Abs 2 bis 149 Abs 2).

Die mit dem Patentanspruch 1 (Hauptantrag) beanspruchte Lehre wird dem Fachmann auch nicht durch eine Zusammenschau des Dokumentes K2 mit einer der weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen nahegelegt.

Die mit den Druckschriften K1, K8 bis K11 und K15 vermittelten Lehren gehen nämlich nicht über den Inhalt der Veröffentlichung K2 hinaus. Sie betreffen die Herstellung von Hydrosolen unter Anwendung des Mischkammerverfahrens wie es in K2 beschrieben wird. Hinweise dahingehend, das Schutzkolloid in Abhängigkeit vom pKa-Wert der das Kolloid bildenden Substanz auszuwählen und den pH-Wert der Lösung so einzustellen, dass die Nanosole zu mindest annähernd ladungsneutral stabilisiert werden, sind auch diesen nicht zu entnehmen.

Die Druckschriften K12 oder K14 führen in Kombination mit der Publikation K2 gleichfalls nicht zum Gegenstand des Patentanspruches 1 (Hauptantrag). So geben diese zwar ebenso Verfahren nach dem Auflösungs-Fällungs-Prinzip zur Herstellung von Wirkstoff enthaltenden Nanosolen unter Beteiligung von Schutzkolloiden an, jedoch ist nicht zu erkennen, dass bei der Auswahl der Reaktionsbedingungen die Ladungszustände der beteiligten Komponenten eine Rolle gespielt haben könnten.

Die beanspruchte Lehre ergibt sich für den Fachmann auch nicht aus einer Kombination der Entgegenhaltungen K2 und K16. K16 vermittelt nämlich wie die Veröffentlichung K2 lediglich die Lehre, zur Herstellung von Wirkstoff enthaltenden Kern-Schale-Partikeln gegensinnig geladene Komponenten einzusetzen, um zu vermeiden, dass die Ladung der die innere Phase bildenden Substanz nach außen wirksam werden kann. Dem Fachmann wird aber keine Anregung dahingehend gegeben, zur Herstellung von Wirkstoff enthaltenden Nanosolen deren Stabilitätsoptimum einzustellen, wozu das Schutzkolloid in Abhängigkeit vom Ladungszustand der inneren Phase auszuwählen ist und sodann in einem nächsten Schritt der pH-Wert der Lösung in Abhängigkeit vom isoelektrischen Punkt (IEP) des Schutzkolloides so einzustellen ist, dass sich die Ladungen der Phasen neutralisieren.

Die weiteren von der Nichtigkeitsklägerin genannten Entgegenhaltungen liegen dem Gegenstand des Patentanspruches 1 (Hauptantrag) noch ferner.

Angesichts des Standes der Technik musste der Fachmann somit erfinderisch tätig werden, um das mit dem Patentanspruch 1 (Hauptantrag) beanspruchte Verfahren bereitzustellen. Der Gegenstand des Patentanspruches 1 (Hauptantrag) wird daher vom Stand der Technik nicht nahegelegt.

Die mittelbar oder unmittelbar auf diesen Patentanspruch rückbezogenen, auf ein Verfahren gerichteten Patentansprüche 2 bis 24 haben mit dem Patentanspruch 1 Bestand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 PatG iVm § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Hellebrand Dr. G. Wagner Brandt Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Pr






BPatG:
Urteil v. 15.10.2003
Az: 3 Ni 14/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/81cca9f17682/BPatG_Urteil_vom_15-Oktober-2003_Az_3-Ni-14-02




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