Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Oktober 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 245/04

(BPatG: Beschluss v. 17.10.2006, Az.: 33 W (pat) 245/04)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. August 2004 aufgehoben.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 28. August 2003 die Wortmarke Semantics Fitfür die Dienstleistungen

"Werbeberatung, Marketingforschung und -beratung, Werbung, Unternehmensberatung, Marktforschung, Meinungsforschung, Absatzforschung; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung"

angemeldet worden.

Durch Beschluss vom 9. August 2004 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung vollständig gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen Fehlens der Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Anmeldemarke zwar lexikalisch nicht nachweisbar sei. Dennoch könne ihr die Aussage entnommen werden, dass die angemeldeten Dienstleistungen die Semantik "passend, geeignet oder tauglich" für den Anwender machen würden. So würde beispielsweise die Programmiersprache den spezifischen Anforderungen der Unternehmen angepasst werden, um eine optimale Kommunikation zu ermöglichen. Für ein erfolgreiches Unternehmen sei die Semantik, also die Bedeutung von Sprache und sprachlicher Zeichen, gerade im Hinblick auf Werbung, Marketingberatung, Markt- und Absatzforschung von besonderer Bedeutung. Die beanspruchte Bezeichnung werde auch vom Verkehr als Bestimmungs- und Beschaffenheitsangabe erkannt, da die angesprochenen Fachkreise der englischen Sprache mächtig seien. Insofern stelle die Anmeldemarke eine unmittelbar beschreibende Sachaussage dar, der keinerlei Unterscheidungskraft zukomme.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Nach seiner Auffassung könne die Eintragung nur dann versagt werden, wenn ein Zeichen glatt beschreibend und ihm somit die Unterscheidungseignung unter allen denkbaren Umständen abzusprechen sei. Demzufolge käme nach der Rechtsprechung des EuGH eine Zurückweisung der Anmeldung nur dann in Betracht, wenn sich das Zeichen auf wesentliche Eigenschaften der beanspruchten Dienstleistungen und nicht nur auf sekundäre oder den Dienstleistungen nicht eigentümliche Eigenschaften beziehe. Dies müsse für die Verbraucher zudem erkennbar sein. Einen eindeutigen und lexikalisch nachweisbaren Sinngehalt besitze die Anmeldemarke jedoch nicht. Insbesondere könne ihr nicht die Bedeutung "die Semantik passend für den Anwender machen" beigemessen werden. Eine solche Zergliederung und Interpretation nehme der Verkehr nicht vor, zumal eine Semantik nicht passend gemacht werden könne. Der Begriff "Semantics" sei zudem bei den angesprochenen Verkehrsteilnehmern nicht gebräuchlich. Insbesondere in den Bereichen Marketing und Absatzforschung werde sich zwar um die Bedeutung und Wirkungsweise von Worten Gedanken gemacht, jedoch komme es hierbei nicht auf die Lehre von der Wortbedeutung an. Selbst wenn der Verkehr die Bedeutung des Zeichens hinterfrage, käme er nicht zu dem von der Markenstelle lexikalisch exakt ermittelten Ergebnis. Sollte die Anmeldemarke als Werbeslogan angesehen werden, könne ihr nicht allein aufgrund dieser Tatsache die Unterscheidungseignung abgesprochen werden. Sofern ein Zeichen mehr als nur einen beschreibenden Inhalt aufweise, sei es als schutzfähig anzusehen. Hierfür seien die Kürze und Prägnanz einer Wortfolge als auch ihre Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit ein wichtiges Indiz. Im Übrigen handele es sich bei der gegenständlichen Marke auch nicht um eine übliche Bezeichnung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. In Zusammenhang mit Marketingberatung, Kommunikationswissenschaft oder Unternehmenskommunikation werde der Ausdruck "Semantics Fit" nicht benutzt. Auch ein Freihaltungsbedürfnis sei nicht gegeben, insbesondere deshalb, weil eine Verwendung des Zeichens gegenwärtig nicht belegt werden könne und in Zukunft auch nicht zu erwarten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke stehen keine absoluten Schutzhindernisse entgegen.

1. Nach Auffassung des Senats weist die Bezeichnung "Semantics Fit" die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).

Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderungen wird die angemeldete Bezeichnung gerecht. Weder kann ihr ein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden, noch sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird. Inwieweit fremdsprachigen Angaben die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, hängt in erster Linie davon ab, ob für beachtliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise ein die Eignung zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung ausschließender Sinngehalt ohne weiteres erkennbar ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 8, Rdnr. 84).

Der Zeichenbestandteil "Semantics" stellt das englische Wort für "Bedeutungslehre", "Semantik" oder "Bedeutung" dar (vgl. LEO-Wörterbuch unter "http://dict.leo.org/ende€lp=ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed§Hdr=on&spellToler=on&search=semantics&relink=on" und Pons Großwörterbuch, Englisch-Deutsch, 1. Auflage, Seite 811). Der weitere Bestandteil "Fit" kann als Adjektiv u. a. mit "geeignet", "richtig" oder "passend", als Substantiv u. a. mit "Anfall" oder "Passform" und als Verb u. a. mit "angleichen", "anpassen" oder "entsprechen" übersetzt werden (vgl. LEO-Wörterbuch unter "http://dict.leo.org-/ende€lp=ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed§Hdr=on&spellToler=on&search=fit&relink=on" und Pons, a. a. O., Seite 324). In ihrer Gesamtheit lässt sich angemeldete Bezeichnung allerdings weder im Englischen noch im Deutschen lexikalisch nachweisen (vgl. LEO-Wörterbuch unter "http://dict.leo.org-/ende€lp=ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed§Hdr=on&spellToler=on&search=semantics+fit&relink...", Auszug aus Wikipedia unter "http://de.-wikipedia.org/wiki/Spezial:Search€search=Semantics+Fit&fulltext=Suche" und Uni versität-Leipzig-Wortschatz unter "http://wortschatz.informatik.unileipzig.de/"). Damit hängt ihre deutsche Bedeutung insbesondere davon ab, wie der Bestandteil "Fit" im Inland verstanden wird. Hierbei sind sehr vielfältige Übersetzungen möglich, von denen jedoch in Bezug auf die angemeldeten Dienstleistungen "Passende Bedeutung" bzw. "Richtige Bedeutung" oder "Bedeutung anpassen" am ehesten in Betracht kommen.

Die in dem angegriffenen Beschluss vorgenommene Interpretation der Anmeldemarke geht nach Auffassung des Senats zu weit. Zwar müssen die beanspruchten Dienstleistungen auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt sein, doch ist der Wortfolge "Semantics Fit" weder eine solche noch eine andere eindeutige Aussage zu entnehmen. Grundsätzlich kann die Semantik mit Hilfe der beanspruchten Tätigkeiten für den Anwender nicht passend gemacht werden, da die Bedeutung sprachlicher Zeichen regelmäßig von allgemein gültigen Regeln abhängt, die nicht individuell verändert werden können. Aber auch wenn davon ausgegangen wird, dass die angemeldeten Werbe-, Beratungs-, Forschungs- und Programmierdienstleistungen der Vermittlung oder Untersuchung bestimmter Bedeutungen von Sprache oder sprachlicher Zeichen dienen, so stellt sich die Frage, woran sie angepasst sind oder werden sollen. In Frage kommen das Verbraucher-, das Allgemein- oder das Unternehmerinteresse. Zudem bezeichnet der englische Begriff "Semantics" ebenso wie das deutsche Wort "Semantik" in erster Linie die Lehre von der Bedeutung und wird somit von einem Teil des Verkehrs nicht mit dem Begriff "Bedeutung" gleichgesetzt werden. Es erscheint jedoch sehr unwahrscheinlich, dass mit Hilfe der angemeldeten Dienstleistungen ein Beitrag zur Bedeutungslehre geleistet werden soll.

Das in dem angegriffenen Beschluss erwähnte Beispiel, mit der Anmeldemarke werde zum Ausdruck gebracht, dass die Programmiersprache den spezifischen Anforderungen der Unternehmen angepasst werde, eignet sich ebenfalls nicht zur Begründung der Schutzunfähigkeit. Durch diese Argumentation wird zum einen zu stark auf das Instrument, also die Programmiersprache, mit dem die Programme erstellt werden, abgestellt. Angemeldet ist jedoch die Dienstleistung "Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung" und nicht eine Tätigkeit zur Modifikation von Programmiersprachen. Zum anderen wird die Anpassung einer Programmiersprache an die spezifischen Anforderungen eines Unternehmens im Gegensatz zur Anpassung eines Programms eher eine untergeordnete Rolle spielen, da auch Programmiersprachen bestimmten Regeln folgen, die Änderungen nur bedingt zugänglich sind. Im Übrigen ist die Bezeichnung "Semantics Fit" auch in Zusammenhang mit der Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung wenig aussagekräftig und vermittelt keine konkreten Vorstellungen. Insbesondere wird ein Computerprogramm wohl eher mit "Angepasste Funktionsweise" oder "Auf die Bedürfnisse des Anwenders abgestimmte Software", nicht jedoch mit "Angepasste Bedeutung" oder "Richtige Bedeutungslehre" beworben werden.

Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass bereits das deutsche Wort "Semantik" zur Bezeichnung der Lehre von der Bedeutung sprachlicher Zeichen (vgl. Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache, 21. Auflage, Seite 676) nicht allen Verkehrsteilnehmern bekannt sein dürfte. Es handelt sich um einen aus dem Griechischen stammenden Begriff, der hauptsächlich in Fachkreisen Verwendung findet (vgl. Google-Trefferliste unter "http://www.google.de/search€q=Semantik&hl-=de&lr=lang_de&newwindow=1&start..."). Im Geschäftsleben ist er jedoch kaum anzutreffen, zumal er in diesem Zusammenhang keine klaren Werbebotschaften vermittelt. Erst recht wird das englische Wort "semantics" nur sehr wenigen Kunden bekannt sein, insbesondere auch deshalb, weil es die Pluralform im Deutschen nicht gibt.

Unabhängig davon ist die Anmeldemarke auch für den fachlich und sprachlich gebildeten Verkehr besonders interpretationsbedürftig, da die am nächsten liegenden Übersetzungen "Passende Bedeutung" bzw. "Richtige Bedeutung" oder "Bedeutung anpassen" in der englischen Sprache nicht dem Ausdruck "Semantics Fit" entsprechen.

Die begriffliche Unschärfe der Anmeldemarke, der nicht von jedermann erfassbare Bedeutungsgehalt des Bestandteils "Semantics" als auch die vielfältigen Übersetzungsmöglichkeiten lassen sie folglich in ausreichendem Umfang als eigenartig und damit unterscheidungskräftig erscheinen.

2. Auch sind keine Anhaltspunkte für das Vorliegen des Schutzhindernisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und insbesondere eines Freihaltungsbedürfnisses erkennbar. Im Internet konnte die Anmeldemarke nicht als beschreibende Angabe ermittelt werden. Ein Treffer bezieht sich zwar auf die Wortfolge "semantics fit" (vgl. Google-Trefferliste unter "http://www.google.de/search€hl=de&q=%22Semantics+Fit%22&btnG=Google-Suche..."), doch handelt es sich hierbei nicht um einen Gesamtbegriff, sondern um die zufällige Aneinanderreihung eines Substantivs und eines Verbs in einem wissenschaftlichen Vortrag (vgl. Arbeitsberichte des Instituts für Informatik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Band 38, Nummer 5, Oktober 2005: "We found that such semantics fit all resources in our system."). Ansonsten kommen die beiden Bestandteile "Semantics" und "Fit" in verschiedenen Texten lediglich jeweils in Alleinstellung vor (vgl. Google-Trefferliste unter "http://www.google.de/search€hl-=de&newwindow=1&q=Semantics+Fit&btnG=Suche...").

Des Weiteren ist nicht zu erwarten, dass die Anmeldemarke zu einem späteren Zeitpunkt als Sachhinweis eingesetzt werden wird. Insofern bestehen weder ein gegenwärtiges noch ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis an der gegenständlichen Bezeichnung.

3. Aus den oben genannten Belegen ergibt sich schließlich, dass die Wortfolge "Sematics Fit" zur Bezeichnung der angemeldeten Dienstleistungen nicht üblich geworden ist. Insofern kann die Eintragung auch nicht gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG versagt werden.

Der Beschwerde war demzufolge stattzugeben.






BPatG:
Beschluss v. 17.10.2006
Az: 33 W (pat) 245/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/817c42e7edd0/BPatG_Beschluss_vom_17-Oktober-2006_Az_33-W-pat-245-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share