Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:
Urteil vom 24. Mai 2011
Aktenzeichen: 22 B 10.1875

(Bayerischer VGH: Urteil v. 24.05.2011, Az.: 22 B 10.1875)

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichts Ansbach vom 11. November 2009 in Nr. 1 des Tenors folgende Fassung erhält:

€Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Februar 2008 verpflichtet, der Klägerin im Weg der Akteneinsicht Zugang zu den gesamten Unterlagen zu gewähren, die sich auf die Haltung des Großen Tümmlers im Tiergarten der Beklagten in den Zeiträumen 1989 bis 1990 sowie 2000 bis 2011 beziehen.

Ausgenommen hiervon sind die der Klägerin bereits überlassenen Unterlagen (ARKS-Nachweise, Taxon-Report), die Unterlagen des Bundesamts für Naturschutz über die Prüfung der artenschutzrechtlichen Unbedenklichkeit der Einfuhr von Exemplaren des Großen Tümmlers, die Unterlagen des Zuchtbuchführers ... und die Unterlagen des Zuchtbuchführers des Zoos Duisburg, sowie Unterlagen über die Mitarbeiter des Tiergartens Nürnberg, soweit sie nicht deren fachliche Qualifikation betreffen.€

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist die deutsche Abteilung einer internationalen Gesellschaft, die sich den Schutz von Walen und Delphinen und deren Lebensraum zum Ziel gesetzt hat und zu diesem Zweck im Juli 2006 von der Beklagten Informationen über die Delphinhaltung im Tiergarten Nürnberg erbat. Im Tiergarten der Beklagten werden Delphine ausschließlich von der Art des Großen Tümmlers (tursiops truncatus) gehalten. Bei der zooeigenen Nachzucht sind immer wieder Todesfälle bei Neugeborenen und Jungtieren aufgetreten, die bisher nicht befriedigend erklärt werden konnten. In der dem Auskunftsbegehren folgenden Korrespondenz kam die Beklagte dem Begehren der Klägerin teilweise nach, lehnte jedoch mit Schreiben vom 25. Februar 2008 einen auf Art. 3 Abs. 1, Art. 4 des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes vom 8. Dezember 2006 (BayUlG) gestützten Antrag der Klägerin auf Akteneinsicht in die gesamten noch nicht überlassenen, bezüglich der Delphinhaltung relevanten Unterlagen des Delphinariums in ihrem Tiergarten ab. Als Begründung führte die Beklagte an, die zur Akteneinsicht begehrten Unterlagen seien keine Umweltinformationen im Sinn von Art. 2 Abs. 2 BayUlG. Auf Klage der Klägerin hob das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 11. November 2009 €den Bescheid€ der Beklagten vom 25. Februar 2008 auf und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin im Weg der Akteneinsicht Zugang zu den gesamten für die Delphinhaltung im Tiergarten der Beklagten relevanten Unterlagen zu gewähren, ausgenommen die der Klägerin bereits durch Übersendung bekannten und die in der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2009 vom Antrag ausgenommenen Unterlagen. Das Verwaltungsgericht führte aus, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch im Sinn des in der Verhandlung klargestellten und konkretisierten Antrags zu, insoweit habe die Beklagte kein Ermessen.

Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 11. November 2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen vor: Die von der Klägerin noch begehrten Informationen seien keine Umweltinformationen im Sinn des Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BayUIG, weil die Delphinhaltung im Tiergarten der Beklagten nicht wahrscheinlich Auswirkungen auf die Artenvielfalt und ihre Bestandteile als relevante Umweltbestandteile i.S. des Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BayUIG haben könne. Das Verwaltungsgericht habe die notwendige Negativabgrenzung unterlassen, welche Maßnahme oder Tätigkeit sich nicht mehr wahrscheinlich auf die Artenvielfalt und ihre Bestandteile auswirken könne. Eine solche Negativabgrenzung sei aber erforderlich, weil sonst alle Maßnahmen oder Tätigkeiten einer informationspflichtigen Stelle, die auf ein Tier bezogen seien, zugleich als wahrscheinliche Auswirkung auf die Artenvielfalt und ihre Bestandteile zu betrachten wären. Ausgehend von der Verwendung des Wortes €likely€ in Art. 2 Nr. 1 lit. c der englischen Fassung der zugrunde liegenden Richtlinie 2003/4/EG sei zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Auswirkung notwendig. Delphine von der Art des Großen Tümmlers gebe es nach Angaben der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) weltweit etwa 600.000, in europäischen Zoos würden rund 230 Große Tümmler gehalten. Diese Tierart sei insgesamt nur sehr gering bedroht, nämlich in der €Roten Liste€ der IUCN mit €least concern€ eingestuft; bedroht seien nur örtliche Populationen. Zwar seien mit der Entnahme aus der Natur auch wahrscheinliche Auswirkungen auf die Artenvielfalt und deren Bestandteile verbunden. Mit der Entnahme eines Tieres aus der Natur ende aber die hinreichend sichere Auswirkung auf die Artenvielfalt und ihre Bestandteile. Nach Entnahme eines Tieres aus dem natürlichen Lebensraum, der Prüfung dieses Vorgangs durch die Behörden des jeweiligen Mitgliedstaates im Rahmen des Europäischen Artenschutzrechts und gegebenenfalls nochmaliger Bewertung der Einfuhr nach Deutschland durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hätten die anschließenden Maßnahmen, insbesondere auch die vom geltend gemachten Informationsanspruch umfassten veterinärmedizinischen Behandlungen der Tiere, keine wahrscheinlichen Auswirkungen im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BayUIG mehr. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vom 12.6.2003 ZUR 2003,363) reiche eine Auswirkung, die nur einen ganz geringfügigen Bezug zu einem Umweltgut habe, für die Bejahung einer Umweltinformation nicht aus; ein solcher Fall liege hier vor.

Hilfsweise sei einzuwenden, dass gerade die Überwachung einer uneingeschränkten Akteneinsicht im Hinblick auf schutzwürdige Daten und Versagungsgründe für die Beklagte unzumutbar wäre, so dass diese ermessensfehlerfrei abgelehnt worden sei. Akteneinsicht bedeute, der Klägerin Gelegenheit zum Studium der Akten und zur Anfertigung von Notizen aus den Akten zu geben. Bei elektronischen Akten würde dies für die Beklagte erfordern, eigene neue Rechner aufzustellen und sie mit den für die Haltung der jeweiligen Tierart verfügbaren Daten und der nötigen speziellen Software zu bestücken. Bezüglich der verlangten Nachweise über die Fütterung und Pflege in der seit den 70er Jahren bestehenden Delphinhaltung müssten Papieraufzeichnungen auf schutzwürdige Daten hin gesichtet werden. Personal des Tiergartens müsste die Akteneinsicht überwachen, weil ein Recht auf allgemeinen, physischen Zugang der Öffentlichkeit zu Räumlichkeiten eines Zoos dem Bayerischen Umweltinformationsgesetz nicht zu entnehmen sei. In einer Datei, in der die tiermedizinische Behandlung aller Tiere im Tiergarten chronologisch dokumentiert sei, seien auch Hinweise auf noch nicht veröffentlichte Forschungsarbeiten (Doktor- und Master-Arbeiten) von Personen erfasst, die sich mit den Tieren beschäftigten. Diese Daten könnten gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 BayUIG nicht ohne Gefährdung der späteren Veröffentlichung der Forschungsarbeiten zugänglich gemacht werden. Das Informationsinteresse überwiege hier nicht die Schutzbedürftigkeit dieser Arbeiten. Auch seien in den Daten die Namen und Tätigkeiten weiterer externer Personen im Zusammenhang mit der Delphinhaltung erfasst, etwa von Praktikanten, von im Auftrag des Tiergartens dort arbeitenden Firmen und von externen Tiermedizinern. Zum Schutz dieser Daten müssten mit enormem Zeitaufwand Ausdrucke aus der Datei erstellt und die entsprechenden Stellen geschwärzt werden. Überdies seien diese Daten aktuell nur in einer speziellen Software auf bloß zwei Rechnern im Tiergarten der Beklagten installiert, an denen täglich gearbeitet werden müsse. Auch dies bedinge gegenüber der Auskunftserteilung einen höheren Aufwand, der ein Abweichen von der beantragten Art des Informationszugangs rechtfertige. Die Bereitstellung der vermeintlichen Umweltinformationen zur Akteneinsicht würde hohe Kosten verursachen, die wegen Art. 12 Abs. 1 Satz 2 BayUIG nicht ersetzt werden müssten. Auch dies sei ein sachliches Argument für die Verweigerung der Akteneinsicht, ohne dass der Zugang zu den Informationen über Gebühr erschwert würde. Bei einer Prüfung, ob die Verweisung auf eine Auskunftserteilung ermessensfehlerfrei sei, müsse Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2003/4/EG berücksichtigt werden, wonach die Information auch auf andere Weise gewährt werden könne, wenn dies €für die Behörde angemessen€ sei; im Erwägungsgrund 14 der Richtlinie sei sogar nur davon die Rede, dass eine andere Art der Informationsgewährung €sinnvoll€ sein müsse.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ausreichend und vorliegend zu Recht festgestellt sei, dass die die Haltung des Großen Tümmlers in ihrem Zoo betreffenden Handlungen der Beklagten unter Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 BayUIG fielen. Der Gesetzgeber habe insoweit eine Beschränkung auf die Arten, also eine Einschränkung €nach unten€ nicht gewollt. Demnach seien mit Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 BayUIG - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht einzelne Arten als Bestandteile der Artenvielfalt, sondern die Individuen einer Art als Bestandteile der Artenvielfalt gemeint. Die Maßnahmen der Beklagten im Hinblick auf die Delphine in ihrem Tiergarten seien in mehrerer Hinsicht Maßnahmen bzw. Tätigkeiten i.S. von Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 BayUIG, nämlich in Bezug auf den von der Beklagten nach eigener öffentlicher Darstellung geleisteten Beitrag zum Artenschutz und aufgrund der Tatsache, dass die im Tiergarten der Beklagten gehaltenen Delphine einer im europäischen Umweltrecht besonders geschützten Art angehörten. Die Zucht von in Gefangenschaft lebenden Delphinen sei allgemein und auch bei der Beklagten nicht nachhaltig, zumal die Beklagte nach eigenem Bekunden ohne Wildfänge nicht auskomme. Die Artenvielfalt sei auch dann beeinträchtigt, wenn - wie beim Großen Tümmler - eine Art insgesamt nur als €geringstgefährdet€ gelistet sei, verschiedene regionale Populationen aber stärker schutzbedürftig seien. Ob die Delphine Eigentum der Beklagten seien, sei unerheblich; maßgeblich sei nur, dass sich die Maßnahmen und Tätigkeiten der Beklagten auch auf diese Tiere als Bestandteile der Artenvielfalt auswirkten. Die geltend gemachte Unzumutbarkeit der Informationsbeschaffung bestehe nicht. Die Beklagte habe auch nicht qualifiziert vorgetragen, welche Interessen Dritter tatsächlich der Informationsgewährung entgegenstünden, dass sie nicht anders als durch eine Einschränkung des Informationsanspruchs gewahrt werden könnten und dass hierfür der Beklagten ein unzumutbarer Aufwand entstünde. Der Aufwand für Aufbereitung und Sichtung der Daten wäre bei einer Auskunftserteilung eher noch größer als bei einer Akteneinsicht. Die Beklagte habe lange genug Zeit gehabt, die begehrten Daten entsprechend ihrer Verpflichtung vorzubereiten.

Mit Schriftsatz vom 5. April 2011 hat die Klägerin ihr Akteneinsichtsgesuch auf die Zeiträume der Jahre 1989 bis 1990 sowie 2000 bis 2011 beschränkt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat sie weiter mitgeteilt, dass Angaben zu den Mitarbeitern des Tiergartens Nürnberg nur hinsichtlich der fachlichen Qualifikation dieser Mitarbeiter erforderlich seien.

Die Landesanwaltschaft Bayern beteiligt sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Neuregelung in § 42 BNatSchG und der Richtlinie 1999/22/EG (Zoo-Richtlinie) bestehe der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, der Klägerin den begehrten Zugang zu Umweltinformationen zu gewähren, die sich auf die Haltung des Großen Tümmlers im Tiergarten der Beklagten beziehen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Maßgabe unter Nr. I des Tenors, mit der Nr. 1 des Tenors des verwaltungsgerichtlichen Urteils neu gefasst wurde, dient der Klarstellung und beruht zudem darauf, dass die Klägerin ihr Informationsbegehren auf Anregung des Verwaltungsgerichtshofs zeitlich und inhaltlich näher präzisiert hat; eine teilweise Klagerücknahme liegt darin nicht.

1. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinn des Art. 2 Abs. 1 BayUIG verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

1.1. €Person€ im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG ist auch die Klägerin als juristische Person in Form der gemeinnützigen GmbH (vgl. BVerwG vom 21.2.2008 BVerwGE 130, 223/231). Der Tiergarten der Beklagten ist informationspflichtige Stelle im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 BayUIG und Art 1 BayVwVfG; die Klage richtet sich daher gegen die richtige Beklagte (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Informationspflichtig sind Stellen der öffentlichen Verwaltung unabhängig davon, ob sie selbst Aufgaben des Umweltschutzes wahrnehmen und ob sie öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich handeln (BVerwG vom 18.10.2005 DVBl 2006, 182). Es reicht aus, wenn Gemeinden bestimmte Einrichtungen schlichthoheitlich betreiben. Dies ist hier der Fall. Denn der Tiergarten Nürnberg ist eine öffentliche Einrichtung der Beklagten, die hierfür gemäß Art. 23 und Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO Regelungen getroffen, insbesondere eine Tiergartensatzung erlassen hat. Dass die Beklagte (bzw. deren Tiergarten) über die vom Klageantrag erfassten Informationen verfügt (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG), steht außer Frage.

1.2. Die von der Klägerin begehrten Informationen über die Haltung des Großen Tümmlers sind Umweltinformationen im Sinn des Art. 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 BayUlG.

16Art. 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 BayUIG enthält - mit Ausnahme geringer, vorliegend nicht einschlägiger Unterschiede - eine nahezu wörtliche Umsetzung des Art. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. a und lit. c der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl L 41, S. 26, im Folgenden: Umweltinformationsrichtlinie bzw. Richtlinie 2003/4/EG). Der Oberbegriff €Umweltbestandteil€ im Sinn des Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG umfasst auch €die Artenvielfalt und ihre Bestandteile€; demzufolge fallen unter Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 BayUIG auch Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf die Artenvielfalt und ihre Bestandteile auswirken oder den Schutz der Artenvielfalt und ihrer Bestandteile bezwecken (vgl. zum gleichlautenden Bundesrecht die Begründung zu § 2 RegE, BT-Drucks. 15/3406, S. 14 f; Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, RdNrn. 33 bis 36 zu § 2 UIG [Bund]; Fluck/Theuer, Informationsfreiheitsrecht, RdNrn. 276 bis 293 und 316 ff. zu § 2 UIG [Bund]). Soweit in der deutschen Übersetzung der Richtlinie 2003/4/EG (und in den entsprechenden Vorschriften des UIG und des BayUIG) durch die grammatikalisch uneinheitliche Verwendung des Personalpronomens Zweifel entstehen könnten, ob €die Artenvielfalt und ihre Bestandteile€ nicht ein Unterfall, sondern eine selbständige Alternative neben €Umweltbestandteilen€ sein soll (was rechtliche Folgen bei der Anwendung des Art. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. c der Richtlinie 2003/4/EG bzw. Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 BayUIG hätte), ergibt sich aus der - jeweils grammatikalisch eindeutigen - französischen und englischen Fassung der Richtlinie unzweifelhaft, dass es in Art. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. a der Richtlinie nur um (beispielhaft genannte) €Umweltbestandteile€ und um die Wechselwirkungen zwischen ihnen geht.

Die im Delphinarium der Beklagten gehaltenen Großen Tümmler gehören zur €Artenvielfalt und ihren Bestandteilen€. Ihre Haltung im Zoo der Beklagten stellt auch im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BayUIG eine relevante Maßnahme bzw. Tätigkeit dar.

Was dem Begriff der Artenvielfalt und ihrer Bestandteile im Einzelnen zu verstehen ist, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, da Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG weder bestimmte Tiere noch allgemein Tiere oder Pflanzen benennt. Das Tatbestandsmerkmal €Artenvielfalt und ihre Bestandteile€ ist vielmehr auslegungsbedürftig und auslegungsfähig, wobei auf die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) und den Vorschriftenzweck (teleologische Auslegung) zurückgegriffen werden kann; zu beidem enthalten die Erwägungsgründe der Richtlinie 2003/4/EG Aussagen: Der erweiterte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen und die Verbreitung dieser Informationen tragen dazu bei, €letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern€ (Erwägungsgrund 1); die Richtlinie 2003/4/EG soll die Vorgängerrichtlinie 90/313/EWG ersetzen, hierbei jedoch den Weg zu einer größeren Offenheit und Transparenz der Behörden fortsetzen und noch weiter ausbauen und daher den aufgrund der Richtlinie 90/313/EWG schon gewährten Zugang noch erweitern (Erwägungsgründe 2 und 6). Hieraus ergibt sich, dass der Begriff €Umweltinformation€

- und damit auch die in Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG genannten Unterfälle - nicht eng, sondern weit auszulegen sind (vgl. auch BVerwG vom 21.2.2008 BVerwGE 130, 223/227, zu Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/4/EG; BVerwG vom 25.3.1999 BVerwGE 108, 369/376 sowie EuGH vom 12.6.2003 ZUR 2003, 363, jeweils zur Richtlinie 90/313/EWG; Reidt/Schiller, a.a.O., RdNrn. 34 und 43 zu § 2 UIG). Dies verlangt nicht zuletzt der allgemeine europarechtliche Grundsatz des €effet utile", der besagt, dass die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts nicht nur rechtlich umgesetzt werden müssen, sondern die Umsetzung zur Verwirklichung dieser Vorgaben auch tatsächlich wirksam sein muss (BVerwG vom 18.5.2010 BVerwGE 137, 58/63; zu der im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte und den Sinn und Zweck des UIG gebotenen weiten Auslegung vgl. auch OVG NRW vom 1.3.2011 Az. 8 A 2861/07 <juris-RdNrn. 35 ff.>).

Eine enge Auslegung des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes, des Umweltinformationsgesetzes des Bundes und der Umweltinformationsrichtlinie in Bezug auf die Begriffe €Umweltbestandteile€ und €Artenvielfalt und ihre Bestandteile€ sowie bezüglich der Frage, ob sich Maßnahmen auswirken oder wahrscheinlich auswirken (Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BayUIG), verbietet sich auch aus folgendem Grund: Die Umweltinformationsrichtlinie und damit auch das Umweltinformationsgesetz des Bundes sowie das Bayerische Umweltinformationsgesetz (mit denen die Bundesrepublik Deutschland bzw. der Freistaat Bayern der mitgliedsstaatlichen Umsetzungspflicht nachgekommen sind, vgl. die Begründung zu § 2 RegE, BT-Drucks. 15/3406, S. 14 f.) bezwecken den Schutz der Umwelt. Die Vorschriften stellen indes weder die Rechtsgrundlagen für - gewissermaßen auf der nächsten Stufe folgende - konkrete behördliche Maßnahmen zur Verfügung, die unmittelbar dem Umweltschutz und insbesondere dem Artenschutz dienen und hierzu gegebenenfalls in entgegenstehende Rechte eingreifen (z.B. Verbote oder Verpflichtungen bezüglich der Haltung von Tieren), noch stehen sie Einschränkungen des grundsätzlich gebotenen Artenschutzes entgegen, die im konkreten Fall gerechtfertigt sein können (vgl. z.B. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG). Vielmehr verleihen die Umweltinformationsrichtlinie - und in deren Umsetzung das Umweltinformationsgesetz des Bundes sowie das Bayerische Umweltinformationsgesetz - lediglich Informationsrechte über den €Ist-Zustand€ der Umwelt bzw. der Artenvielfalt, um der Öffentlichkeit die Möglichkeit der Hinwirkung auf konkrete Schutzmaßnahmen zu geben (vgl. oben zum Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 2003/4/EG). Ein zu enges Verständnis der Begriffe €Umweltbestandteil€ oder €Artenvielfalt und ihre Bestandteile€ würde daher dem Ziel einer wirksameren Teilnahme an Entscheidungsverfahren bereits auf der Stufe der Informationsbeschaffung zuwiderlaufen und stünde damit dem Gesetzeszweck einer Verbesserung des Umweltschutzes entgegen. Zur €Artenvielfalt€ gehören deshalb grundsätzlich alle Arten von Tieren (oder Pflanzen oder anderen Lebewesen) (vgl. auch § 7 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG). Ob zu den €Bestandteilen€ der Artenvielfalt weitergehend grundsätzlich jedes einzelne Tier einer Art gehört, bedarf im vorliegenden Fall einer gesetzlich geschützten Art und der Haltung von Exemplaren dieser Art in einem Zoo keiner generellen Entscheidung.

Aus dem Schutzzweck der Umweltinformationsrichtlinie und der entsprechenden nationalen Vorschriften ergeben sich zwar Grenzen des Anwendungsbereichs und der Auslegung der jeweiligen Bestimmungen: Für die Verwirklichung des letztendlich angestrebten Umweltschutzes bedarf es eines Informationsanspruchs der Öffentlichkeit nämlich dort nicht, wo eine Gefährdung eines der unter €Umweltbestandteile€ zu subsumierenden Schutzgüter offensichtlich in keiner Weise oder nur ganz geringfügig (EuGH vom 12.6.2003 ZUR 2003, 363) zu besorgen ist. Bezogen auf das Schutzgut €Artenvielfalt und ihre Bestandteile€ bedeutet dies, dass der Informationsanspruch der Öffentlichkeit sich nicht auf solche Maßnahmen oder Tätigkeiten erstreckt, die mit irgendeiner bedrohten €Art€ nichts oder nur ganz geringfügig (EuGH vom 12.6.2003 a.a.O.) zu tun haben, beispielsweise die von der Beklagten (Schriftsatz vom 28.1.2010) angesprochenen Fälle von Drogenspürhunden der Polizei. Der vorliegende Fall liegt aber anders, und zwar zum einen, weil der Große Tümmler eine gesetzlich geschützte Art darstellt, und zum anderen im Hinblick auf die besondere gesetzliche Zweckbestimmung von Zoos (§ 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BNatSchG bzw. Art. 1 und Art. 4 der Richtlinie 1922/22/EG des Rates vom 29. März 1990 über die Haltung von Wildtieren im Zoo (ABl L 94, S. 24, ab hier: Zoo-Richtlinie).

Der Große Tümmler, der im Tiergarten der Beklagten gehalten wird, gehört zu den gefährdeten und damit nach dem oben beschriebenen Schutzzweck des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes bzw. der Umweltinformationsrichtlinie unter den Begriff €Artenvielfalt und ihre Bestandteile€ fallenden Tierarten. Wie die Klägerin vorgetragen und belegt hat, ist der Große Tümmler in seinem Bestand zwar nicht global gefährdet, jedoch in verschiedenen Regionen der Welt bedroht bis stark bedroht und deshalb gemeinschaftsrechtlich sowie in internationalen und regionalen Konventionen unter Schutz gestellt. So gewähren beispielsweise die Vertragsstaaten des Abkommens zum Schutz von Walen und Delphinen im Mittelmeer und im Schwarzen Meer dem Großen Tümmler den Gefährdungsstatus €stark gefährdet€ bzw. €gefährdet€. Der Große Tümmler ist im Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl L 206, S. 7, ab hier: FFH-Richtlinie) gelistet. Als Art innerhalb der Ordnung der Wale (cetacea) gehört der Große Tümmler außerdem zu den nach Anhang IV der FFH-Richtlinie streng zu schützenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse und damit auch zu den nach § 7 Abs. 2 Nr. 14 lit. b BNatSchG streng geschützten Arten.

Die Haltung von Exemplaren des Großen Tümmlers in einem Zoo stellt eine nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BayUlG relevante Tätigkeit dar. Diese Relevanz geht auch nicht dadurch verloren, dass das einzelne Tier nicht mehr in freier Wildbahn, sondern in einem Zoo lebt, selbst wenn der Zoo - wie die Beklagte hinsichtlich ihres Delphinariums geltend macht - ein geschlossenes System dergestalt sein sollte, dass der Tierbestand ausschließlich durch eigene Nachzuchten, aber nicht durch Zuführungen aus der freien Wildbahn, seien sie direkt oder mittelbar über andere Zoos, aufrecht erhalten und gegebenenfalls aufgestockt wird. Dies ergibt sich aus der besonderen rechtlichen Stellung eines Zoos: Gemäß § 42 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG sind Zoos so zu errichten und zu betreiben, dass bei der Haltung der Tiere den biologischen und den Erhaltungsbedürfnissen [Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof] der jeweiligen Art Rechnung getragen wird. Hierbei müssen die Vorschriften des Tier- und Artenschutzes beachtet werden (§ 42 Abs. 3 Nr. 4 BNatSchG). § 42 Abs. 3 Nr. 7 BNatSchG verbindet mit der Errichtung und dem Betrieb von Zoos die Pflicht des jeweiligen Zoos, sich an verschiedenen (alternativ genannten) Maßnahmen der Arterhaltung zu beteiligen. Dies rechtfertigt die Folgerung, dass die nach dem Bayerischen Umweltinformationsgesetz bzw. der Umweltinformationsrichtlinie zu schützende Artenvielfalt nicht gewissermaßen an den Toren des Zoos endet. Vielmehr finden der Schutz der Artenvielfalt und die Erhaltung der Arten nach der Konzeption des Gesetzgebers auch innerhalb des Zoos statt, unabhängig davon, welche Art von tatsächlichem Zusammenhang zwischen den dort lebenden Individuen einer wildlebenden Art und ihren Artgenossen in freier Wildbahn besteht. Auch dem Gemeinschaftsrecht ist zu entnehmen, dass die Haltung von Tieren in Zoos starke Bezüge zur Artenvielfalt aufweist. Art. 1 der Zoo-Richtlinie betont die Rolle der Zoos bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt, die es zu stärken gelte, und bringt dies auch in den Anforderungen an Zoos zum Ausdruck (Art. 4). Insbesondere müssen die Haltungsbedingungen den Erhaltungsbedürfnissen der jeweiligen Art Rechnung tragen. Diese Bestimmungen der Zoo-Richtlinie zeigen, dass vorliegend gerade nicht Informationen abgefragt werden sollen, die nur einen ganz geringfügigen Bezug zu den in der Umweltinformationsrichtlinie genannten Umweltgütern, sondern im Gegenteil einen starken Bezug hierzu aufweisen (vgl. EuGH vom 12.6.2003 a.a.O.).

Zusammengefasst heißt dies, dass die von der Klägerin begehrten Informationen über die Haltung der im Delphinarium der Beklagten lebenden Großen Tümmler Umweltinformationen im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 lit. a BayUIG sind. Denn Maßnahmen der Beklagten beim Betrieb des Delphinariums wirken sich zwangsläufig auf die dort lebenden Tiere aus. Im Hinblick auf die rechtliche Aufgabenstellung eines Zoos insbesondere bei gesetzlich geschützten wildlebenden Tierarten hat dies gleichsam von Rechts wegen Auswirkungen auf die Artenvielfalt und ihre Bestandteile. Es kommt deshalb nicht darauf an, in welcher Weise sich der Betrieb des Delphinariums auf den Bestand der in freier Wildbahn lebenden Individuen des Großen Tümmlers tatsächlich auswirkt.

Die von der Beklagten angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Frage, ob die hier streitgegenständlichen Informationen Umweltinformationen im Sinn von Art. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. a und e der Richtlinie 2003/4/EG sind, ist nicht veranlasst. Die Frage lässt sich - wie geschehen € an Hand der einschlägigen Rechtsquellen und der bereits ergangenen Rechtsprechung beantworten, ohne dass Raum für vernünftige Zweifel bliebe. (vgl. dazu Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl. 2010, RdNrn. 45 und 46 zu Art. 267 AEUV m.w.N.).

1.3. Soweit die Beklagte dem Informationsbegehren der Klägerin entgegenhält, einige der im Delphinarium gehaltenen Großen Tümmler seien Eigentum Dritter und deshalb vom Informationsanspruch ausgenommen, ist dem nicht zu folgen. Denn weder der Begriffsdefinition des Zoos (§ 42 Abs. 1 BNatSchG) noch dem gesetzlichen Auftrag eines Zoos (§ 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BNatSchG) ist eine Einschränkung hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an den gehaltenen Tieren zu entnehmen. Auch nach dem Bayerischen Umweltinformationsgesetz stehen die Rechte Dritter (insbesondere Besitz- oder Eigentumsrechte) in Bezug auf den Gegenstand des Informationsbegehrens dem Anspruch nicht schlechthin entgegen, sondern nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 BayUIG. Überdies weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass eine Beschränkung des Informationsanspruchs auf Tiere im Eigentum des Betreibers die Möglichkeit zu einer nahezu beliebigen Umgehung der Informationspflicht dadurch eröffnen würde, dass Tiere - ohne dass der Betreiber ihr Eigentümer ist - im Tiergarten gehalten werden (gewissermaßen als €Dauerleihgabe€).

2. Der Antrag der Klägerin, ihr Zugang zu Umweltinformationen zu gewähren, ist auch nicht zu unbestimmt (Art. 4 Abs. 2, Art. 7 Abs. 2 Nr. 5 BayUIG). Die Formulierung des Antrags beruht auf der Eigenart der begehrten Informationen. Dass der Umfang der begehrten Informationen vergleichsweise groß ist, ergibt sich aus der oben beschriebenen Besonderheit der - auf gesetzlichem Auftrag und eigener Satzung beruhenden - Tätigkeit des Tiergartens der Beklagten bei der Haltung des Großen Tümmlers. Dass der Klägerin eine nähere, über die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof erfolgte Präzisierung hinausgehende Präzisierung ihres Antrags nicht möglich ist, folgt daraus, dass die Klägerin bislang noch keinen Überblick über den Umfang und den Inhalt der bei der Beklagten vorhandenen Unterlagen hat und noch nicht abschätzen kann, welche Zusammenhänge zwischen einzelnen Maßnahmen der Beklagten und den Todesfällen bei Neugeborenen und Jungtieren bestehen könnten. Die Beklagte hat zuletzt auch weder geltend gemacht, der Antrag sei zu unpräzise (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayUIG), noch hat sie Unterstützung bei einer Präzisierung angeboten (Art. 4 Abs. 2 Satz 4 BayUIG).

3. Die Beklagte kann die Klägerin anstelle der begehrten Akteneinsicht nicht auf Auskünfte verweisen, die sie erst auf konkrete, von der Klägerin zu stellende einzelne Fragen zu erteilen bereit ist.

Zwar hat gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayUIG die informationspflichtige Stelle grundsätzlich Ermessen, ob sie den Zugang zu Umweltinformationen durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnet. Allerdings ist dieses Ermessen dahingehend intendiert, dass gemäß Art. 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayUIG die beantragte Art des Informationszugangs gewährt wird, es sei denn, es ist für die informationspflichtige Stelle angemessen, die Information auf andere Art zugänglich zu machen, oder die begehrten Umweltinformationen stehen der antragstellenden Person bereits auf andere, leicht zugängliche Art zur Verfügung. Insoweit weicht zwar die Formulierung in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz BayUIG von der ermessensintendierenden Bestimmung in § 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 UIG (€gewichtiger Grund€) ab. Ob sich dadurch ein gegenüber dem Bundesrecht nennenswert anderer landesrechtlicher Rahmen für die Ermessensausübung ergibt, kann aber dahinstehen. Jedenfalls gilt auch bei Anwendung des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes, dass angesichts des materiell uneingeschränkten Anspruchs auf Information die Ermessenserwägungen nicht zu dem Ergebnis führen dürfen, dass die von der Behörde gewährte Information diesen Anspruch nicht oder nur unzulänglich erfüllt, was wiederum zur Folge hat, dass das Auswahlermessen nur zwischen solchen Informationsmitteln besteht, die im wesentlichen die gleiche Informationseignung besitzen (BVerwG vom 6.12.1996 BVerwGE 102, 282/287). Daran fehlt es hier. Abgesehen davon ist nicht zu erwarten, dass bei unterstellter gleicher Informationseignung von Einzelauskünften die Beklagte hierdurch ihren Verwaltungsaufwand wesentlich reduzieren könnte.

Es liegt auf der Hand, dass dann, wenn - wie vorliegend - dem Antragsteller eine detaillierte Präzisierung seines Begehrens auf Grund von dessen Eigenart nicht möglich ist, die Akteneinsicht (in elektronisch gespeicherte wie auch auf Papier vorhandene Daten) im Vergleich zu einer Vielzahl von einzeln zu erfragenden Auskünften eine beträchtlich bessere Informationseignung hat und zudem auch für den Informationspflichtigen insgesamt einfacher, kostengünstiger und zeitlich weniger aufwendig ist. Denn jede Antwort auf eine konkret gestellte Frage erfordert eine Sichtung der (elektronischen oder herkömmlichen) Akten und die eigenständige Formulierung der Antwort; zudem ist davon auszugehen, dass jede Antwort Anlass zu Nachfragen geben und weiteren Aufwand verursachen kann. Demgegenüber stellt die Sichtung und Aufbereitung umfangreicher und komplexer Umweltinformationen schon aus der Sicht des Gesetzgebers keinen Ablehnungsgrund für eine bestimmte Art des Informationszugangs dar, wie sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BayUIG ergibt. Zudem kann dies für die Beklagte als Betreiberin eines Zoos keine ganz neue Aufgabe darstellen, da sie gesetzlich zur Beteiligung an Forschungen verpflichtet ist (§ 42 Abs. 3 Nr. 7 BNatSchG) und erklärtermaßen u.a. die von der Klägerin begehrten Umweltinformationen externen Wissenschaftlern zur Verfügung stellt. Der Einwand der Beklagten, für die Gewährung der Akteneinsicht in elektronisch gespeicherte Umweltinformationen sei eine besondere Hardware oder Software nötig, die aber für die Verwendung durch andere Personen nicht verfügbar sei, überzeugt nicht, weil das (bereits zum 1.1.2007 in Kraft getretene) Bayerische Umweltinformationsgesetz in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Nr. 3 und bereits zuvor Art. 7 Abs. 1 der am 28. Januar 2003 erlassenen Umweltinformationsrichtlinie den informationspflichtigen Stellen aufgeben, sich um eine zunehmend elektronische Speicherung ihrer Daten zu bemühen und für einen erleichterten Zugang zu Informationen - auch auf elektronischem Weg - zu sorgen. Mit diesem gesetzlichen Auftrag untrennbar verbunden ist die für eine Informationsgewährung erforderliche Aufbereitung der vorhandenen Daten.

4. Vorliegend kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg einwenden, dem Informationsbegehren stehe der Schutz geheimhaltungsbedürftiger Daten entgegen.

Zum einen obliegt es der Beklagten, bei der Aufbereitung ihrer Informationen zur Gewährung des Informationszugangs eine Trennung der von dem Begehren erfassten Informationen von den übrigen Inhalten vorzunehmen bzw. - wenn eine körperliche oder elektronische Trennung von Dokumenten nicht möglich sein sollte - gegebenenfalls von dem Begehren nicht erfasste Daten noch auszusondern bzw. zu €schwärzen€; dies gilt z.B. für Entwürfe von Forschungsarbeiten von Wissenschaftlern. Zudem hat die Klägerin ihr Informationsbegehren gerade auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof so präzisiert, dass persönliche Daten von Mitarbeitern des Zoos weitgehend ausgeklammert sind.

Zum andern sind bereits nach dem Gebot der gemeinschaftsrechtsfreundlichen Auslegung von nationalem Recht (€effet utile€) und nunmehr auch gemäß der ausdrücklichen Regelung in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/4/EG die zum Schutz besonderer Interessen geschaffenen Ausnahmetatbestände des Art. 8 BayUIG eng auszulegen (vgl. auch den Erwägungsgrund Nr. 16 Satz 2 der Richtlinie 2003/4/EG). Dies führt hier dazu, dass Art. 8 Abs. 1 Nr. 1 BayUlG nicht anwendbar ist.

Mangels Definition im Bayerischen Umweltinformationsgesetz ist für den Begriff der personenbezogenen Daten in Art. 8 Abs. 1 Nr. 1 BayUIG auf die Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BDSG zurückzugreifen. Demnach gehören hierzu grundsätzlich alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen, unabhängig davon, welcher Lebensbereich angesprochen ist, einschließlich der sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Beziehungen der Person zu ihrer Umwelt. Danach mögen in den Akten der Beklagten vorhandene Daten über Tätigkeiten von im Auftrag des Tiergartens tätigen externen Personen, z.B. Tierärzten, personenbezogene Daten sein. Weitere Voraussetzung dieses Ablehnungsgrunds ist aber, dass durch die Offenbarung schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt würden. Dies setzt ein gewisses Gewicht des Geheimhaltungsinteresses voraus. Dafür sind sowohl das konkrete Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung als auch die Intensität der Beeinträchtigung nach Art und Umfang von Bedeutung (vgl. OVG NRW vom 1.3.2011 Az. 8 A 3358/08 <juris-RdNrn. 160 f. m.w.N.>). Daran fehlt es hier. Die im Allgemeinen verharrenden Ausführungen der Beklagten geben für ein solches Mindestmaß an Schutzwürdigkeit nichts her, so dass der Verwaltungsgerichtshof die Sache auch insofern für spruchreif hält (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (Auffangwert).






Bayerischer VGH:
Urteil v. 24.05.2011
Az: 22 B 10.1875


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/81723aa1f49e/Bayerischer-VGH_Urteil_vom_24-Mai-2011_Az_22-B-101875




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share