Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 7. Oktober 2015
Aktenzeichen: 12 ZB 15.239

(Bayerischer VGH: Beschluss v. 07.10.2015, Az.: 12 ZB 15.239)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Beschluss vom 7. Oktober 2015 (Aktenzeichen 12 ZB 15.239) den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28. Oktober 2014 abgelehnt. Die Klägerin hatte die außerordentliche, hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung einer Arbeitnehmerin während der Elternzeit beantragt. Das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof haben jedoch kein Vorliegen eines "besonderen Falls" im Sinne des Gesetzes zu Elterngeld und Elternzeit festgestellt, der die Kündigung rechtfertigen würde. Insbesondere haben Aussagen der Beigeladenen in den Betriebsräumen der Klägerin sowie deren angebliche exzessive private Internetnutzung während der Arbeitszeit keine ausreichenden Gründe für eine Kündigung geliefert. Die Vernehmung der vorgeladenen Zeugen wurde nicht beantragt, daher liegt kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör der Klägerin vor. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde daher abgelehnt und die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beschluss ist endgültig und nicht anfechtbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

Bayerischer VGH: Beschluss v. 07.10.2015, Az: 12 ZB 15.239


Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28. Oktober 2014 wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin erstrebt die Zulassung der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung der Beigeladenen während laufender Elternzeit nach § 18 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz € BEEG). Der Beklagte hat die Zulassung mit Bescheid der Regierung von Oberbayern € Gewerbeaufsichtsamt € vom 26. August 2014 abgelehnt. Die daraufhin zum Verwaltungsgericht Augsburg erhobene Verpflichtungsklage blieb ebenfalls erfolglos. Mit ihrem gegen die Klageabweisung durch das Urteil vom 28. Oktober 2014 gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, besondere rechtliche Schwierigkeiten und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie die Fehlerhaftigkeit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geltend. Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.

Der zulässige Antrag hat indes keinen Erfolg, da die vorgetragenen Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, nicht vorliegen oder nicht hinreichend dargelegt sind.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen dann vor, wenn die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen einen tragenden Rechtssatz oder eine maßgebliche Tatsachenfeststellung des Urteils so infrage stellt, dass der Ausgang eines zugelassenen Berufungsverfahrens zumindest ungewiss erscheint. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

1.1 Rechtsgrundlage für die im Streit stehende Genehmigung der außerordentlichen, hilfsweise verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung der Beigeladenen bildet § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG, wonach die zuständige Aufsichtsbehörde das nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG bestehende Verbot einer Kündigung während der Elternzeit bei Vorliegen eines €besonderen Falls€ ausnahmsweise aufheben und damit die Kündigung zulassen kann.

§ 18 BEEG verfolgt den Zweck, mit einem grundsätzlich absoluten Kündigungsschutz einen größtmöglichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers während der Dauer der Elternzeit zu gewährleisten (BayVGH, B.v. 8.10.2014 € 12 ZB 13.1087 € BayVBl. 2015, 195 ff.; Hessischer VGH, B.v. 6.10.2009 € 10 A 1990/08.Z € juris Rn. 4; VG Augsburg, U.v. 19.6.2012 € Au 3 K 12.266 € juris Rn. 35 f.). Demzufolge kann ein €besonderer Fall€ im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG nur dann angenommen werden, wenn außergewöhnliche Umstände es rechtfertigen, die vom Gesetz grundsätzlich als vorrangig angesehenen Interessen des Elternzeit beanspruchenden Arbeitnehmers hinter die Interessen des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zurücktreten zu lassen (BVerwG, U.v. 30.0.2009 € 5 C 32/08 € BVerwGE 135, 67 ff. Rn. 15; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v.13.6.2013 € 12 A 1659/12 € juris Rn. 3; BayVGH B.v. 29.2.2012 € 12 C 12.264 € NZA-RR 2012, 302 ff. Rn. 23 zu § 9 MuSchG). Beispielhaft für derartige außergewöhnliche Umstände nennt die nach § 18 Abs. 1 Satz 4 BEEG erlassene Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit (BAnz 2007, Nr. 5 S. 247) neben der Stilllegung bzw. Verlagerung eines Betriebs oder eines Betriebsteils und der wirtschaftlichen Existenzgefährdung des Betriebs durch Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses in Ziffer 2.1.6 besonders schwere Verstöße des Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Pflichten oder vorsätzliche strafbare Handlungen des Arbeitnehmers, die dem Arbeitgeber die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen (vgl. hierzu BayVGH B.v. 29.2.2012 € 12 C 12.264 € NZA-RR 2012, 302 ff. Rn. 23 zu § 9 MuSchG). Gründet sich der €besondere Fall€ auf einen besonders schweren arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoß, ist zudem in Rechnung zu stellen, dass während der Elternzeit die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer suspendiert sind, der Pflichtenverstoß folglich nur eine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten betreffen kann (vgl. hierzu Gallner in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, § 18 BEEG Rn. 13; BayVGH, U.v. 30.11.2004 € 9 B 03.2878 € juris Rn. 32 zu § 18 BErzGG). Bei einer Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kommt die Annahme eines gravierenden Pflichtenverstoßes indes nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht (vgl. VG Augsburg, U.v. 19.6.2012 € Au 3 K 112.266 € juris Rn. 38). Auch wenn der Kündigungsgrund im Verhalten des Arbeitnehmers vor Beginn der Elternzeit wurzelt, liegt ein €besonderer Fall€, der die Kündigungsmöglichkeit vor dem Ablauf der Elternzeit eröffnet, nur €ganz ausnahmsweise€ vor, da der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit den Arbeitgeber in der Regel wirtschaftlich nur unbedeutend belastet, sodass ihm ein Zuwarten mit der Kündigung bis zum Ende der Elternzeit zumutbar ist (vgl. Rancke in Rancke, Mutterschutz, Elterngeld, Elternzeit, 3. Aufl. 2014, § 18 BEEG Rn. 33 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 21.10.1970 € V C 34.69 € BVerwGE 36, 160 ff.). Die Annahme eines €besonderen Falls€ stellt mithin höhere Anforderungen als die eines €wichtigen Grundes€, der eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigt; beide Begriffe sind nicht deckungsgleich (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v.13.6.2013 € 12 A 1659/12 € juris Rn. 3; Hessischer VGH, B.v. 6.10.2009 € 10 A 1990/08.Z € juris Rn. 4).

Den €besonderen Fall€ im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG kennzeichnet indes nicht ausschließlich der schwerwiegende Pflichtenverstoß des Arbeitnehmers. Hinzukommen muss vielmehr, dass im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die vom Gesetz grundsätzlich als vorrangig eingestuften Belange des Arbeitnehmers ausnahmsweise hinter noch gewichtigere Interessen des Arbeitgebers zurücktreten lassen (Gallner in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, § 18 BEEG Rn. 11; BayVGH, B.v. 8.10.2014 € 12 ZB 13.1087 € BayVBl 2015, 195ff.; Hessischer VGH, B.v. 6.10.2009 € 10 A 1990/08.Z € juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 30.11.2004 € 9 B 03.2878 € juris Rn. 33). Hierzu bedarf es einer Interessenabwägung, bei der die Bedeutung der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch während der laufenden Elternzeit für den Arbeitgeber mit dem Schutzzweck des Kündigungsverbots nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG und den Interessen des hierdurch geschützten Arbeitsnehmers gegenüberzustellen sind (vgl. BayVGH, a.a.O.). Schließlich eröffnet erst die Annahme eines €besonderen Falls€ nach der geschilderten Abwägung den Raum für die Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde über die Zulassung der Kündigung (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 50).

1.2. Gemessen an den vorstehend aufgezeigten Maßstäben hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines €besonderen Falls€ im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend abgelehnt. Die Darlegungen der Klägerin in der Begründung des Zulassungsantrags führen zu keiner abweichenden Bewertung.

1.2.1 Soweit das Verwaltungsgericht zunächst die Äußerung der Beigeladenen gegenüber einer Kollegin in den Betriebsräumen der Klägerin €Du bist das Hinterfotzigste, was ich jemals erlebt habe€ und €Ich habe Dich hier rein gebracht und jetzt werden Intrigen gesponnen€ als eine noch von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG erfasste Aussage angesehen und folglich nicht als ehrverletzende Beleidigung qualifiziert hat, die die Annahme eines besonderen Falls im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG rechtfertigen könnte, hat die Klägerin dies mit ihrem Zulassungsantrag nicht angegriffen.

Ihr weiterer Vortrag, das Verwaltungsgericht hätte auch die von ihr behauptete und von der Beigeladenen bestrittene Äußerung €A. ist eine Schlampe und hat ein Verhältnis mit Herrn B.€ als €besonderen Fall€ berücksichtigen müssen, greift nicht durch. Denn insoweit trägt die Klägerin auch im Zulassungsverfahren lediglich vor, ein nicht genannter Dritter, demgegenüber die Äußerung getätigt worden sein soll, habe einer namentlich benannten Zeugin hiervon berichtet. Das Verwaltungsgericht ist insoweit zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin mit diesem Sachvortrag bereits ihrer für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG bestehenden Darlegungspflicht nicht genügt (zur Darlegungspflicht des Arbeitgebers vgl. Gallner in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 18 BEEG Rn. 16; Rancke in Rancke (Hrsg.), Mutterschutz, Elterngeld, Elternzeit, 3. Aufl. 2014, § 18 BEEG Rn. 26), da weder der Zeitpunkt noch die Gelegenheit, bei der die Äußerung gefallen sein soll, und erst recht nicht der angebliche Gesprächspartner der Beigeladenen genannt werden. Damit bietet der Sachvortrag auch keinen Ansatzpunkt für amtswegige Ermittlungen durch den Beklagten wie durch das Verwaltungsgericht. Soweit das Verwaltungsgericht darüber hinaus (€unabhängig davon€; Entscheidungsumdruck S. 16) auf die nur begrenzte Zuverlässigkeit eines Zeugen vom Hörensagen eingeht, handelt es sich um einen zusätzlichen, indes nicht entscheidungstragenden Begründungsansatz. Die ausschließlich zum €Zeugen vom Hörensagen€ angestellten Erwägungen der Klägerin im Begründungsschriftsatz vom 23. Februar 2015 können daher die Zulassung der Berufung nicht bewirken, da sie sich mit dem Hauptargument des Verwaltungsgerichts, der fehlenden Substantiierung des besonderen Falls im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG durch die Klägerin, nicht auseinandersetzen. Insoweit kommt es auf die weitere Behauptung der Klägerin, es liege hier eine vorweggenommene Beweiswürdigung vor, nicht entscheidungserheblich an.

Auch soweit das Verwaltungsgericht die von der Klägerin behauptete und von der Beigeladenen bestrittene Äußerung im Telefongespräch mit der Geschäftsführerin der Klägerin am 25. August 2013 €Pass mal auf, die A. ist die allergrößte Schlampe und du hast dich einer Gehirnwäsche durch Herrn B. unterziehen lassen€ für die Annahme eines besonderen Falls im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG als ungeeignet ansieht, ist dies nicht zu beanstanden. Diesbezüglich trägt die Klägerin im Verwaltungsverfahren wie auch in ihrem Zulassungsvorbringen selbst vor, die Geschäftsführerin habe bei dem über ihren Privatanschluss geführten Telefonat den Lautsprecher eingeschaltet, sodass ihr Ehemann € ebenfalls Geschäftsführer der Klägerin € das Gespräch habe mithören können. Damit liegen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Voraussetzungen für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots wegen des heimlichen Mithörens eines Telefongesprächs vor.

Grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass durch das absichtliche heimliche Mithörenlassen von Telefongesprächen das aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners verletzt wird, wenn er von dem Mithören keine Kenntnis besitzt. Der durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistete Schutz vor heimlichem Mithören von Telefongesprächen soll sicherstellen, dass die Gesprächspartner selbst bestimmen können, ob der Gesprächsinhalt einzig dem anderen Partner, einem bestimmten erweiterten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Daher wird das Persönlichkeitsrecht nicht verletzt, wenn der Gesprächspartner in das Mithören eines Dritten einwilligt oder positive Kenntnis besitzt, dass sein Gespräch mitgehört wird. Eine Verletzung des Rechts am gesprochenen Wort setzt auch nicht voraus, dass das Mithören mit Wissen eines der Gesprächsteilnehmer erfolgt, ebenso wenig durch die Kenntnis vom Vorhandensein einer Mithöreinrichtung (vgl. hierzu LAG Köln, U.v. 4.10.2013 . 10 Sa 453.13 € juris Rn. 27 f., vgl. ferner BAG, U.v. 23.4.2009 € 6 AZR 189.08 € BAGE 130, 347 Rn. 21 ff.). Soweit die Klägerin diesbezüglich ausführt, die Beigeladene habe in das Mithören des Ehemanns konkludent eingewilligt bzw. € aufgrund des €Halls€ beim Telefonieren den angeschalteten Lautsprecher erkannt, kann sie damit nicht durchdringen. Denn die Aktivierung einer Lautsprecherfunktion bzw. deren Eingeschaltetseinlassen gehört nicht zu den üblichen Telefoniergewohnheiten, mit denen man heutzutage ohne weiteres rechnen müsste. Vielmehr ist das Anschalten eines Lautsprechers sowohl bei Festnetz- als auch bei Mobiltelefonen eine gesonderte, nicht allgemein praktizierte Funktion (LAG Köln, a.a.O. Rn. 28). Dass die Beigeladenen daher das Mithören erkannt und in der Folge konkludent hierin eingewilligt haben soll, stellt sich als unbelegte Behauptung der Klägerin dar, die nicht geeignet ist, die Annahme eines Beweisverwertungsverbots durch das Verwaltungsgericht in Frage zu stellen. Mithin lässt sich aus der behaupteten Äußerung auch kein €besonderer Fall€ im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 2 BEEG ableiten.

Ergänzend zu dem vorstehend Ausgeführten und ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankäme weist der Senat darauf hin, dass € einen Nachweis der von der Klägerin behaupteten Äußerungen der Beigeladenen unterstellt € die Annahme eines besonderen Falls in der Folge auch deshalb ausscheiden müsste, weil derartige Äußerungen unter Kollegen, d.h. im Innenbereich einer Firma und ohne Auswirkungen auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Arbeitsgebers, bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Interesse an einer Kündigung während laufender Elternzeit und dem Schutzzweck des Kündigungsverbots des § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG regelmäßig zurückstehen müssten (zu hiervon zu unterscheidenden, rufschädigenden öffentlichen Äußerungen vgl. BayVGH, U.v. 30.11.2004 € 9 B 03.2878 € BayVBl. 2005, 409 ff Rn. 37; B.v. 29.2.2012 € 12 C 12.264 € NZA-RR 2012, 302 ff.).

1.2.2 Auch mit Blick auf die von der Klägerin behauptete exzessive private Internetnutzung der Beigeladenen während der Arbeitszeit, hat das Verwaltungsgericht die Annahme eines €besonderen Falls€ im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG zutreffend abgelehnt. Insoweit geht es zunächst davon aus, dass die Klägerin einen schwerwiegenden Verstoß der Beigeladenen gegen arbeitsvertragliche Pflichten zwar dargelegt habe, jedoch bei der erforderlichen Abwägung die Interessen der Klägerin an einer Kündigung während der Elternzeit hinter den durch das Kündigungsverbot geschützten Interessen zurückzustehen habe, sodass im Ergebnis das Vorliegen eines besonderen Falls nicht angenommen werden kann (vgl. zum Fall einer privaten PC-Nutzung auch Hessischer VGH, B.v. 6.10.2009 € 10 A 1990/08.Z € juris Rn. 6 ff.). Auf diese Argumentation des Verwaltungsgerichts, die neben ergänzenden Erwägungen unter Rn. 49 des Entscheidungsumdrucks auf die ausführlichen Erwägungen unter Rn. 46 verweist, geht das Zulassungsvorbringen nicht ein und genügt insoweit bereits dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass darüber hinaus bereits erhebliche Zweifel an der behaupteten €exzessiven€ privaten Internetnutzung der Beigeladenen bestehen sowie aufgrund der Gestattung der privaten Internetnutzung im Betrieb der Klägerin hinsichtlich der vorgelegten sog. €Logfiles€ wohl ebenfalls von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen ist. Letzteres könnte sich daraus ergeben, dass im Fall der gestatteten privaten Internetnutzung die Regelungen des § 88 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zugunsten der Beigeladenen eingriffen und der Klägerin die Erhebung der Internetnutzungsdaten untersagen würden (vgl. hierzu Kratz/Gubbels, Beweisverwertungsverbote bei privater Internetnutzung am Arbeitsplatz, NZA 2009, 652 ff.). Darüber hinaus steht die Aussagekraft der von der Klägerin umfangreich vorgelegten Logfiles hinsichtlich der Dauer einer bestimmten Internetnutzung in Frage, da Logfiles lediglich ein bestimmtes Ereignis € also beispielsweise den Aufruf einer bestimmten Internetseite zu einem bestimmten Zeitpunkt € belegen, nicht hingegen den Zeitraum zwischen den protokollierten Ereignissen. Insoweit hat die Beigeladene wohl zu Recht geltend gemacht, dass die Klägerin dies bei ihren Berechnungen der Dauer der privaten Internetnutzung außer Acht gelassen habe und eine €exzessive€ private Internetnutzung gar nicht vorliege.

1.2.3 Schließlich hat das Verwaltungsgericht zutreffend auch in den sog. €Arbeitszeitaufschreibungen€ der Beigeladenen keinen besonderen Fall im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG gesehen. Dabei gilt es zunächst zu berücksichtigen, dass die Beigeladene aufgrund ihres Arbeitsvertrags nicht dazu verpflichtet war, den täglichen Beginn und das Ende der Arbeitszeit einschließlich etwaiger Pausen zu dokumentieren (vgl. Ziffer III. des Arbeitsvertrags vom 1.4.2005). Insofern kann in einer €fehlerhaften€ Führung eines Arbeitszeitkontos auch kein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten liegen, sodass diesbezüglich die Annahme eines besonderen Falls von vornherein ausscheidet.

Soweit die Klägerin in einer im Vergleich zur vereinbarten Arbeitszeit € laut Ziffer III. des Arbeitsvertrag vom 1.4.2005 mindestens 40 Stunden € geringeren Arbeitszeit der Beigeladenen einen Arbeitszeitbetrug behauptet, fehlt es an einer entsprechend substantiierten Darlegung der Klägerin, die für diesen Umstand im Zweifelsfall darlegungspflichtig ist. Ihrer Darlegungspflicht hat sie indes weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren genügt. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit der Beigeladenen arbeitsvertraglich kein Verfahren zur Kontrolle der Arbeitszeit festgelegt hat. Beginn und Ende der Arbeitszeit sollen sich überdies nach der betrieblichen Übung richten. Valide Daten der Klägerin, die die tatsächliche Arbeitszeit der Beigeladenen dokumentieren, bestehen folglich nicht. Diese werden auch nicht durch die nachträglich auf dem PC der Beigeladenen €entdeckten€ Aufzeichnungen über Arbeitszeiten in Form einer Excel-Tabelle ersetzt, die das Verwaltungsgericht als rein private Aufzeichnungen der Klägerin gewertet und für eine gegenüber der Klägerin beabsichtigte Täuschung über die Arbeitszeit ungeeignet befunden hat.

Inwieweit in den privaten, arbeitsvertraglich nicht geschuldeten Aufzeichnungen der Beigeladenen ein für öffentlich-rechtliche Sachverhalte beachtliches €Anerkenntnis gegen sich selbst€ liegen soll, hat die Klägerin weder substantiiert dargetan noch erschließt es sich anderweitig. Zwar kennt das Zivilrecht im schuldrechtlichen Kontext die Rechtsfigur eines €Anerkenntnisses gegen sich selbst€. Weder aus der von der Klägerin zitierten Kommentierung (Sprau in Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 781 Rn. 6) noch aus der zitierten Rechtsprechung des BGH (U.v. 11.11.2008 € VIII ZR 265.07 € NJW 2009, 580 ff.), die Gewährleistungsansprüche beim Gebrauchtwagenkauf wegen eines Getriebeschadens zum Gegenstand hat, ergeben sich Anhaltspunkte, die der Klägerin mit Blick auf ihre Darlegungspflicht bezüglich des besonderen Falls nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG Beweiserleichterungen zubilligen. Solche sind auch sonst nicht erkennbar. Mithin liegt auch in dem Komplex €Arbeitszeitaufschreibungen€ tatbestandsmäßig kein besonderer Fall vor. Erst recht kommt diesbezüglich, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, kein überwiegendes Arbeitgeberinteresse an einer Kündigung während der Elternzeit in Betracht. Zu letzterem Gesichtspunkt verhält sich die Zulassungsbegründung nicht.

2. Die vorliegende Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen würden.

Wann ein €besonderer Fall€ im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG vorliegt, ist in der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. oben sub 1.1). Insbesondere differenziert die Regelung über die Aufhebung des Kündigungsverbots während der Elternzeit nicht danach, ob der Arbeitgeber eine außerordentliche oder eine ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung beabsichtigt. Allenfalls dann, wenn der Beklagte nach Bejahung des Vorliegens eines €besonderen Falls€ eine Ermessensentscheidung über die Zulassung einer Kündigung trifft, könnte sich die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung stellen. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, weil es bereits am Vorliegen eines besonderen Falls im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG fehlt. Besondere rechtliche Schwierigkeiten, wie sie die Klägerin im Hinblick auf die Differenzierung zwischen verschiedenen Kündigungsarten behauptet, wirft der Sachverhalt daher nicht auf.

3. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt vorliegend ebenfalls nicht in Betracht. Grundsätzliche, durch das Berufungsgericht im Rahmen eines Berufungsverfahrens zu klärende Rechtsfragen hat die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht aufgezeigt. Dies gilt zunächst für die für notwendig erachtete Differenzierung zwischen einer außerordentlichen und einer ordentlich verhaltensbedingten Kündigung. Da das Verwaltungsgericht zutreffend bereits das Vorliegen eines besonderen Falls im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG verneint hat, stellt sich die Frage der Differenzierung zwischen verschiedenen Kündigungsformen im Rahmen der Ermessensentscheidung nach Bejahung eines besonderen Falls im vorliegenden Fall nicht.

Dies gilt in gleicher Weise für die von der Klägerin aufgeworfene Frage einer Gesamtwürdigung des Verhaltens eines Arbeitnehmers bei der Prüfung des besonderen Falls. Gegenstand des Verfahrens betreffend die Genehmigung einer Kündigung während laufender Elternzeit bildet, ohne dass es hierzu einer besonderen Regelung bedürfte, der gesamte vom Arbeitgeber dem zuständigen Gewerbeaufsichtsamt unterbreitete Kündigungssachverhalt. In diesem Zusammenhang berücksichtigt die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen indes nicht, dass nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts es sich bei den behaupteten ehrverletzenden Äußerungen der Beigeladenen entweder um eine noch zulässige Ausübung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG handelt oder aber diese Äußerungen durch die Klägerin nicht nachweisbar sind. Mangels Tatbestandsmäßigkeit können diese Äußerungen daher nicht in eine €Gesamtwürdigung€ bei der Prüfung des besonderen Falls einfließen. Dies gilt gleichermaßen für den Komplex der €Arbeitszeitaufschreibung€, bei dem es aus Sicht des Verwaltungsgerichts bereits an der schwerwiegenden Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten fehlt. Soweit das Verwaltungsgericht jedenfalls für den Komplex der €exzessiven privaten Internetnutzung€ von einer Pflichtverletzung der Beigeladenen ausgeht, wägt es in der Folge die Interessen der Klägerin an der Kündigung mit den Interessen der Beigeladenen an der Aufrechterhaltung des Kündigungsverbots während der Elternzeit ab. Für die Einbeziehung eines Verhaltens der Beigeladenen, das tatbestandsmäßig nicht zu einem besonderen Fall im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG führen kann, in eine Art Gesamtwürdigung besteht daher im vorliegenden Fall kein Raum. Mithin stellen sich auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen würden.

4. Schließlich legt die Klägerin auch Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen würden, nicht dar.

4.1 In der unterbliebenen Einvernahme der zur mündlichen Verhandlung vom Verwaltungsgericht geladenen Zeugen Frau T. und Herrn B. liegt keine Verletzung rechtlichen Gehörs der Klägerin. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert einer Prozesspartei die Möglichkeit, sich vor dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu allen entscheidungserheblichen Aspekten zu äußern. Besteht diese Möglichkeit, nimmt sie aber eine Prozesspartei nicht in dem Sinne wahr, dass sie sich Gehör gegenüber dem Gericht verschafft, liegt keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG vor. So liegt die Sache hier. Denn die Klägerin hat ausweislich der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2014 keinen auf die Vernehmung der Zeugen Frau T. und Herrn B. gerichteten Beweisantrag gestellt. Mithin kann sie sich mit Blick auf die unterbliebene Zeugenvernehmung nicht auf einen Gehörsverstoß berufen.

Soweit die Klägerin sinngemäß in der unterlassenen Vernehmung der Zeugen auch eine Verletzung der gerichtlichen Amtsaufklärungspflicht nach § 86 VwGO rügt, greift dies ebenfalls nicht durch. Denn hat es eine Prozesspartei unterlassen, in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag auf eine Zeugenvernehmung zu stellen, kommt eine Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nur dann in Betracht, wenn sich die Vernehmung der Zeugen unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts offensichtlich aufdrängen musste. Dies war vorliegend nicht der Fall, da das Verwaltungsgericht die Nichtberücksichtigung der angeblichen Äußerung der Beigeladenen gegenüber einem nicht benannten Dritten, der wiederum den Zeugen hiervon berichtet haben soll, auf die Darlegungspflicht der Klägerin und die fehlende Substantiierung gestützt hat. Demzufolge war die Vernehmung der benannten Zeugen aus der Perspektive des Gerichts überflüssig. Dies ist nicht zu beanstanden. Ferner erwächst allein aus der Ladung eines Zeugen zur mündlichen Verhandlung kein Anspruch einer Prozesspartei darauf, dass dieser Zeuge auch gehört und die in sein Wissen gestellte Beweisbehauptung auch berücksichtigt wird.

4.2 Auch in der unterbliebenen Vernehmung des Ehemanns der Geschäftsführerin der Klägerin, Herrn Günter T., liegt keine Verletzung rechtlichen Gehörs der Klägerin. Denn ebenso wie hinsichtlich der Zeugen T. und B. hat die Klägerin von ihrer Möglichkeit, sich durch Stellen eines entsprechenden Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung rechtliches Gehör zu verschaffen, keinen Gebrauch gemacht. Einer auch insoweit sinngemäß erhobenen Aufklärungsrüge ist ebenfalls entgegenzuhalten, dass sich € gemessen an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, das bei einem möglichen Zeugnis von Herrn Günter T. von einem Beweisverwertungsverbot ausging € eine weitere Sachaufklärung nicht aufdrängen musste. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht von einer Zeugeneinvernahme von Herrn Günter T. abgesehen.

Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen würden, sind daher nicht ersichtlich.

Im Ergebnis war daher der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28. Oktober 2014 als unbegründet abzulehnen.

5. Die Klägerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des erfolglosen Zulassungsverfahrens. Vorliegend gebietet es billiges Ermessen, ihr auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen. Der Streitwert bestimmt sich für das Zulassungsverfahren nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG. Mit der Ablehnung der Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.

Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.






Bayerischer VGH:
Beschluss v. 07.10.2015
Az: 12 ZB 15.239


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/8123a178e189/Bayerischer-VGH_Beschluss_vom_7-Oktober-2015_Az_12-ZB-15239




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