Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. April 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 183/03

(BPatG: Beschluss v. 07.04.2004, Az.: 28 W (pat) 183/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 7 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Dezember 2002 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 074 041 wird die Löschung der angegriffenen Marke 398 01 340 bezüglich der Waren

"Maschinen für die Metall-, Holz- und Kunststoffverarbeitung; Werkzeugmaschinen; handbetätigte Werkzeuge; handbetätigte Geräte für land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, für den Maschinen- Apparate- und Fahrzeugbau sowie die Bautechnik; Messerschmiedewaren; elektrische Apparate und Instrumente, soweit in Klasse 9 enthalten"

angeordnet.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

In das Markenregister wurde die Marke (Rollennummer 398 01 340)

Zebraals Kennzeichnung für Waren der Klassen 7, 8 und 9, darunter die im Beschlusstenor genannten Waren, nämlich Kl 7: Maschinen für die Metall-, Holz- und Kunststoffverarbeitung; Werkzeugmaschinen;

Kl 8: handbetätigte Werkzeuge; handbetätigte Geräte für land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, für den Maschinen- Apparate- und Fahrzeugbau sowie die Bautechnik; Messerschmiedewaren;

Kl 9: elektrische Apparate und Instrumente, soweit in Klasse 9 enthalteneingetragen. Die Veröffentlichung erfolgte am 10. Juni 1998.

Die Inhaberin der rangälteren, seit dem 22. Februar 1985 eingetragenen Marke (Rollennummer 1 074 041)

ZEBRA hat hiergegen Widerspruch erhoben. In der mündlichen Verhandlung hat sie den Widerspruch auf og Waren beschränkt. Diese Marke ist unter anderem für folgende Waren eingetragen:

Kl 7: Maschinenwerkzeuge, nämlich Bohrer, Schleif-, Trenn und Schuppscheiben;

Kl 8: handbetätigte Werkzeuge, nämlich Zangen, Nietzangen, Sägen, Sägeblätter.

Die Widersprechende hatte Widerspruch auch noch aus ihrer Marke 944 685 (Zebra) eingelegt, diesen in der Beschwerde aber nicht mehr weiterverfolgt.

Die Benutzung dieser Marken ist bereits im Verfahren vor der Markenstelle rechtswirksam bestritten worden. Die Widersprechende hat daraufhin eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vorgelegt, in der dieser - unter Hinweis auf seine Kenntnis der strafrechtlichen Folgen einer wissentlich falsch abgegebenen eidesstattlichen Erklärung - die Benutzung der Widerspruchsmarken von 1994 bis 1998 für die og Waren bekräftigt hat. Die Marke sei "auf den Erzeugnissen selbst und/oder auf deren Verpackung" angebracht (wofür Verwendungsbeispiele beigelegt wurden) und mit der Marke seien entsprechend den beigefügten und nach Produkten getrennten Jahresübersichten Umsätze zwischen ... DM bis ... DM jährlich gemacht worden. Zudem hat die Widerspre- chende Rechnungskopien sowie etwa 200 Katalogseiten übersandt, auf denen Werkzeuge mit dem gut sichtbar eingeprägten Wort "Zebra" abgebildet sind.

Die Markeninhaberin hat mit Schriftsatz vom 12. August 1999 die Einrede der Nichtbenutzung aufrecht erhalten, denn es sei nicht ersichtlich, aus welchen Jahren die Kataloge stammten (obwohl nahezu jedes Katalogblatt an der unteren Seite ein ohne weiteres sichtbares Erscheinungsdatum trägt) und ob die dort abgebildeten Waren auch den originalen Waren entsprächen. Dieser Schriftsatz wurde der Widersprechenden nicht zur Kenntnis gebracht.

Mit Beschluss vom 17. Dezember 2002 hat die Markenstelle den Widerspruch wegen nicht glaubhaft gemachter Benutzung zurückgewiesen, denn die vorgelegten Unterlagen seien nicht ausreichend. Die eidesstattliche Versicherung müsse die tatsächlich verwendete Wiedergabe der Marke zweifelsfrei erkennen lassen, was nicht gegeben sei und das Erscheinungsdatum der Kataloge sei unbekannt; womit eine ordnungsgemäße Kennzeichnung der Waren nicht ausreichend belegt sei.

Zusammen mit dem Beschluss ist der Widersprechenden der gegnerische Schriftsatz vom 12. August 1999 - dessen Ausführungen sich die Markenstelle zu eigen gemacht hat - übersandt worden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit dem diese die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, denn sie habe keine Gelegenheit erhalten zu og Schriftsatz Stellung zu nehmen. Wegen der Glaubhaftmachung der Benutzung weist sie zum einen auf die in den (mit Datum versehenen) Katalogen originalgetreu abgebildeten und ersichtlich mit der Marke versehenen Produkte hin und legt zum anderen für den neuen Benutzungszeitraum (des § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG) eine neue eidesstattliche Versicherung und eine Umsatzaufstellung (über ...EURO Umsatz für 2003) vor. In Besorgnis einer erneuten Zurückweisung wegen fehlender Glaubhaftmachung der Benutzung übersendet sie mehrere Kartons mit der Originalware sowie eine Vielzahl von Originalkatalogen aus den beiden Benutzungszeiträumen. In Hinblick auf die Verwechslungsgefahr weist sie auf die langjährige und intensive Benutzung der Marke (seit 1975) hin. Ihre Firma sei Marktführerin bei Kleineisenwaren und Werkzeugen, sie könne deshalb einen erhöhten Schutzumfang ihrer Marke in Anspruch nehmen. Die jetzt noch angegriffenen Waren seien zu den benutzten Waren ihrer Marke zumindest ähnlich, was bei den klangidentischen Marken zur Bejahung der Verwechslungsgefahr führen müsse.

Die Markeninhaberin ist weiterhin der Ansicht, die Benutzung sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Sie stellt eine erhöhte Bekanntheit der Widerspruchsmarke in Abrede und hält eine Verwechslungsgefahr schon wegen der unterschiedlichen Vertriebswege (die Waren der Widersprechenden seien höher preisig und eher für den Fachmann bestimmt) für gering.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs 1 und Abs 2 MarkenG) und hat in der Sache Erfolg.

1. Entgegen der Ansicht der Markenstelle hat die Widersprechende die Benutzung ihrer Marke glaubhaft gemacht. Die von der Markenstelle an die Glaubhaftmachung der Benutzung gestellten Anforderungen gehen weit über die nach dem Gesetz notwendigen Voraussetzungen hinaus.

Nach § 43 Abs 1 MarkenG § 294 ZPO ist für die Glaubhaftmachung einer bestrittenen Tatsache ein deutlich geringerer Grad von Anforderungen an die Überzeugungskraft ausreichend als dies zB beim Strengbeweis der Fall ist. Während dieser immer zur vollen Überzeugung des Gerichts führen muss, genügt für die Glaubhaftmachung eine bloße "überwiegende Wahrscheinlichkeit". Dabei kann sich der Beweisführer aller Beweismittel der ZPO bedienen, solange sie nur sofort erhoben werden können, also präsent sind (§ 294 ZPO). Hierfür bietet sich zwar in erster Linie die eidesstattliche Versicherung an, es sind aber auch andere Beweismittel zulässig, wie zB Urkunden und sonstige Schriftstücke, anwaltliche Versicherung, Vernehmung mitgebrachter Zeugen (sofern eine mündliche Verhandlung stattfindet) usw. Soll der Nachweis mittels eidesstattlicher Versicherung erfolgen, so hat das Gericht oder die entscheidende Behörde zunächst von deren inhaltlicher Richtigkeit auszugehen, denn andernfalls hätte sich der Erklärende strafbar gemacht (§ 156 StGB). Da die Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung aber Einfluss auf den Ausgang des Verfahren hat, wäre in diesem Fall die Aussetzung des Verfahrens nach § 149 ZPO und die Weiterleitung der Akten an die Staatsanwalt in Betracht zu ziehen. Ergeben sich jedoch keine Hinweise auf die Unrichtigkeit dieser unter Strafbewehrung stehenden Erklärung, genügt grundsätzlich allein ihr Inhalt um die beweisbedürftigen Tatsachen glaubhaft zu machen. Dies entspricht im übrigen gängiger Praxis im Zivilprozess, wo häufig an Hand bloßer eidesstattlicher Versicherungen weitreichende Entscheidungen getroffen werden (so zB beim Verfahren der einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 920 Abs 2 ZPO oder beim Wiedereinsetzungsantrag nach § 236 Abs 2 ZPO). Im Markenverfahren mag daneben noch die Einreichung von Unterlagen sachdienlich sein, aus denen sich die Art und Weise des tatsächlichen Gebrauchs der Marke ergibt, zwingend notwendig ist dies allerdings nicht, solange sich nur aus der Erklärung selbst der funktionsgemäße Gebrauch der Marke ergibt.

Die hier der Markenstelle zur Verfügung gestellten Unterlagen hätten - was ihren Inhalt betrifft - für einen Vollbeweis genügt, eine "überwiegende Wahrscheinlichkeit" war jedenfalls gegeben. Die vom Gesetz eingeräumte Beweiserleichterung einer Glaubhaftmachung, deren Zulässigkeit sich auf nur wenige Anwendungsbereiche beschränkt, soll eine schnelle und wirkungsvolle Beweisführung ermöglichen, was aber durch zu hohe Anforderungen an den Nachweis erschwert oder vereitelt wird. Gerade hier hat der erhebliche Aufwand der Widersprechenden bei der Herbeischaffung der Originalware und Originalprospekte gezeigt, dass eine Überspannung der Voraussetzungen an die Glaubhaftmachung zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Sinn und Zwecks des Registerverfahrens, einem auf die Erledigung einer Vielzahl von Fällen ausgerichteten Verfahrens führt.

Die Widersprechende hat die Benutzung der Waren " Maschinenwerkzeuge, nämlich Bohrer, Schleif-, Trenn und Schuppscheiben; handbetätigte Werkzeuge, nämlich Zangen, Nietzangen, Sägen, Sägeblätter" ausreichend glaubhaft gemacht. Der weiterhin aufrecht erhaltene Nichtbenutzungseinwand der Markeninhaberin ist demgegenüber kaum beachtlich, handelt es sich bei ihr doch um eine unmittelbare Wettbewerberin, die Kenntnis vom erheblichen Umsatz der mit der Marke versehenen Waren haben muss (zB 2003 allein über 5 Mio Umsatz mit "Trenn- und Schruppscheiben"), so dass ihr weiteres Bestreiten - insbesondere nach Vorlage der Originalware und der dezidierten Umsatzzahlen - in Hinblick auf die in § 138 ZPO normierte Wahrheitspflicht nicht unbedenklich erscheint.

2. Bei den klanglich identischen Marken reicht der Abstand der Waren für die Verneinung der Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht aus. Dies trifft auch bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu, so dass insoweit eine Entscheidung über einen möglicherweise vorliegenden erweiterten Schutzumfang nicht erforderlich ist.

Die sich gegenüberstehenden Waren können - aus der Sicht des Verbrauchers - unter die Produktverantwortung eines einzigen Unternehmers fallen, womit sie warenähnlich sind. Bezüglich der "handbetätigten Werkzeuge und Geräte" usw ist sogar von Warenidentität auszugehen, denn es handelt sich dabei um die Oberbegriffe der von der Widersprechenden angebotenen Spezialwaren. Bei den Werkzeugmaschinen (die auch in den "elektrischen Apparaten ..., bzw enthalten sein können) ist eine Ähnlichkeit zu den Maschinenwerkzeugen der Widersprechenden zu bejahen. Maschineneinsatzteile wie Bohrer udgl sind genormt und werden von den unterschiedlichsten Herstellern produziert. Viele davon stellen daneben keine Maschinen her, es gibt aber andererseits mehrere Hersteller von Werkzeug-Maschinen, die auch Maschinen - Einsatzteile anbieten (zB die Firmen Bosch, AEG, Hilti, Metabo usw). Dies lässt beim Verbraucher den Gedanke aufkommen, dass sich diese Teile für die jeweiligen Maschinen besonders gut eignen. Bei identischer Kennzeichnung wird der Verbraucher damit zumindest von einer wirtschaftlichen Verknüpfung beider Hersteller ausgehen, was für die Bejahung der Warenähnlichkeit ausreicht.

Die Abwägung der für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr maßgebenden Faktoren Marken- und Warenähnlichkeit, sowie Kennzeichnungskraft führt somit zur Bejahung eines Eingriffs der jüngeren Marke in den Schutzbereich der Widerspruchsmarke; die Beschwerde hat damit Erfolg.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr erfolgt aus mehreren Gründen. Zum einen ist sie durch die oben dargestellte Entscheidung der Markenstelle bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung gerechtfertigt, zum anderen wurde im Verlauf des Verfahrens das rechtliche Gehör der Widersprechenden verletzt. Der Schriftsatz der Markeninhaberin vom 12. August 1999, dessen Ausführungen sich die Markenstelle anschloss, wurde ihr erst nach über 3 Jahren zusammen mit dem ablehnenden Beschluss übersandt. Sachliche Gründe diesen Schriftsatz nicht weiterzuleiten, sind nicht erkennbar. Dies umso weniger, als die Markenstelle eine Sachstandsanfrage der Widersprechenden mit Schreiben vom 22. März 2001 vorbeschied. Warum diesem Anschreiben nicht der Schriftsatz der Gegnerin beigefügt wurde, ist unerfindlich. Ein solches Vorgehen schränkt die Rechte des jeweiligen Verfahrensbeteiligten auf Information und sachgerechte Beteiligung an einem behördlichen Verfahren erheblich ein, denn schon der allgemeine Rechtsstaatsgedanke gebietet es, dass der Einzelne vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommt, um Einfluss auf das Verfahren nehmen zu können. Dies kann er wirksam aber nur dann tun, wenn ihm alle bei der Entscheidung vorliegenden Schriftsätze des Gegners auch zur Kenntnis gebracht werden (st Rspr zB BverfG, NJW 2002, 1334; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. § 59 Rdz 26, 27). Hierauf hat er auch einen durch die Verfassung geschützten Anspruch (§ 59 Abs 2 MarkenG, Art 103 Abs 1 GG). In Einzelfällen mag es gerechtfertigt sein, einen Schriftsatz erst zusammen mit dem Beschluss zu übermitteln; zB dann, wenn die Sach- und Rechtslage von allen Beteiligten bereits ausführlich erörtert ist und der betreffende Schriftsatz sich nur auf Wiederholungen beschränkt. Das Einbehalten eines Schriftsatzes über einen Zeitraum von mehreren Jahren ist durch nichts gerechtfertigt. Allein die unverzügliche Übersendung jedes Schriftsatzes an den Gegner gewährleistet die Durchführung eines den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahrens.

4. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 MarkenG Stoppel Hartlieb Schwarz-Angele Bb






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