Landgericht Bonn:
Beschluss vom 20. Dezember 2012
Aktenzeichen: 32 T 892/12

Tenor

Die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin vom 20.11.2012 gegen den Beschluss der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn vom 25.10.2012 wird zurückgewiesen.

Die Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin vom 20.11.2012 gegen den Beschluss der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn vom 25.10.2012 wird zurückgewiesen.

Gründe

1.

Gegen die Entscheidungen des Landgerichts in Verfahren nach § 335 HGB, die nach der gesetzlichen Regelung keiner Überprüfung im weiteren Beschwerdewege zugänglich sind, ist nach ständiger Rechtsprechung sämtlicher mit diesen Verfahren befasster Kammern des Landgerichts Bonn die Anhörungsrüge nach § 44 FamFG statthaft (vgl. hierzu auch OLG Köln, Beschluss vom 12.11.2010 - 2 Wx 165/10, BeckRS 2010, 28678). Sie ist hier in zulässiger Weise erhoben worden.

Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Die Kammer hat den Anspruch der Beschwerdeführerin nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

Es bedurfte keines der Beschlussfassung vorausgehenden Hinweises darauf, dass die Kammer - mit dem Bundesamt für Justiz - davon ausging, die Beschwerdeführerin sei zur Einrichtung eines Aufsichtsrats verpflichtet.

Zwar kann eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung vorliegen, wenn das Gericht die Beteiligten nicht auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt hinweist, den es seiner Entscheidung zugrunde legen will (vgl. BVerfG NJW 1997, 2305). Dies kann der Fall sein, wenn ein bisher nicht erörterter Gesichtspunkt zur Grundlage einer Entscheidung gemacht wird, der dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens und unter Berücksichtigung der möglichen vertretbaren Rechtsauffassungen nicht hat rechnen müssen. Jedoch gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und die richterliche Hinweispflicht nicht, dass das Gericht die maßgebende Rechtsfrage mit den Beteiligten erörtert und das Ergebnis seiner rechtlichen Würdigung in jedem Fall vorab mitteilt. Die richterliche Hinweispflicht soll in erster Linie der Gewährleistung eines fairen Verfahrens dienen und Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten geben, ohne deren Eigenverantwortlichkeit einzuschränken.

Hier hat bereits das Bundesamt für Justiz sowohl in der Begründung der angefochtenen Ordnungsgeldentscheidung vom 02.08.2012 als auch im Nichtabhilfebescheid vom 29.08.2012 ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Beschwerdeführerin nach den Vorschriften des DrittelbG verpflichtet sei, einen Aufsichtsrat einzurichten, so dass ihre offengelegten Jahresabschlussunterlagen wegen Fehlens eines Aufsichtsratsberichts unvollständig seien. Insofern musste die Beschwerdeführerin damit rechnen, dass auch die Kammer eine Pflicht zur Einrichtung eines Aufsichtsrats bejahen würde. Da sie Gelegenheit hatte, zum Nichtabhilfebescheid Stellung zu nehmen, hätte sie die Möglichkeit nutzen können und müssen, im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 02.10.2012 dazu auszuführen, statt dies wie bereits in der Beschwerdebegründung ausdrücklich "dahingestellt" sein zu lassen.

Selbst wenn die Beschwerdeführerin auf entsprechenden Hinweis bereits vor Beschlussfassung ihre Rechtsauffassung zur Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 DrittelbG vorgetragen hätte, hätte dies nicht zu einer anderen Bewertung geführt. Die Beschwerdeführerin legt auch in ihrem Schriftsatz vom 20.11.2012 nicht dar, inwiefern die von der Kammer bestätigte Rechtsauffassung des Bundesamtes für Justiz, nach der sie verpflichtet ist, einen Aufsichtsrat zu bilden, unzutreffend ist. Die Beschwerdeführerin stützt ihre Argumentation vielmehr darauf, dass diese Pflicht die Durchführung eines Statusverfahrens voraussetze und dass selbst bei Anwendbarkeit des DrittelbG keine vorwerfbare Pflichtverletzung vorläge, da die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin zur Einleitung eines Statusverfahrens nach §§ 97 ff. AktG lediglich berechtigt, nicht aber verpflichtet sei. Diese Argumentation überzeugt indes nicht. Indem der Gesetzgeber einen obligatorischen Aufsichtsrat vorgesehen hat in Fällen, in denen die "numerischen" Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG vorliegen, ist das zu seiner Bildung durchzuführende Statusverfahren zwingend einzuleiten.

Auch ein Hinweis zur Verschuldensfrage war nicht geboten. Davon abgesehen hat die Beschwerdeführerin auch im Rahmen der Anhörungsrüge nicht dargelegt, welche Tatsachen sie bei einem entsprechenden Hinweis vorgetragen hätte. Vielmehr greift sie lediglich die rechtliche Wertung des Landgerichts an und setzt an deren Stelle ihre eigene Wertung. Um sich auf einen unvermeidlichen Rechtsirrtum berufen zu können, reicht es jedoch nicht aus, einer vertretbaren Rechtsauffassung zu folgen; vielmehr bedarf es in der Regel des Vertrauens auf höchstrichterliche oder zumindest obergerichtliche Rechtsprechung (vgl.BGH NJW 2010, 2339). Derjenige, der sich auf einen Rechtsirrtum beruft, muss darlegen, dass er nicht mit der Möglichkeit rechnen konnte, das Gericht werde einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen. Gerade weil weder die in dem angegriffenen Beschluss genannte Entscheidung der Kammer veröffentlicht ist noch Entscheidungen, die die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin stützen könnten, konnte bei der Beschwerdeführerin kein schutzwürdiges Vertrauen in die von ihr vertretene Rechtsauffassung entstehen.

2.

Es kann dahin stehen, ob eine Gegenvorstellung neben einer Anhörungsrüge erhoben werden kann. Jedenfalls ist die Gegenvorstellung aus denselben Gründen wie die Anhörungsrüge nicht begründet.

3.

Eine Kostenentscheidung und eine Wertfestsetzung sind im Hinblick auf § 131d S. 1 KostO nicht veranlasst.






LG Bonn:
Beschluss v. 20.12.2012
Az: 32 T 892/12


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