Kammergericht:
Beschluss vom 14. Januar 2009
Aktenzeichen: 2 W 68/07

(KG: Beschluss v. 14.01.2009, Az.: 2 W 68/07)

Bei der Unternehmensbewertung im Spruchverfahren genügt es, wenn das Gericht - erforderlichenfalls mit sachverständiger Unterstützung - zu der Überzeugung gelangt, dass eine bestimmte konkret vorgenommene Berechnung auf der Grundlage zutreffender Ausgangszahlen zu einem plausibel hergeleiteten Ergebnis führt.

Tenor

Die sofortigen Beschwerden gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 23. Januar 2007 € 102 O 12/03 AktG € werden zurückgewiesen.

Die Beschwerdegegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 400.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

A.

Mit der sofortigen Beschwerde verfolgen die Antragsteller zu 3., 4., 5., 6., 7. und 10. (im Folgenden: Beschwerdeführer) ihr Begehren weiter, eine Erhöhung der von der Antragsgegnerin zu 2. (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) festgesetzten Abfindung zu erlangen.

Die Beschwerdeführer waren Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1. Am 27. Juni 2002 beschloss die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1., die 3,91 % im Streubesitz befindlichen Aktien auf die seinerzeitige Hauptaktionärin, die damals als B.-... firmierende Beschwerdegegnerin zu übertragen. Dieser Beschluss ist am 23. Dezember 2002 im Handelsregister eingetragen worden.

Bei der Beschlussfassung legte die Beschwerdegegnerin einen Abfindungsbetrag von 211,49 Euro pro Aktie fest. Grundlage hierfür war ein von ihr bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P. (im Folgenden: P. ) eingeholtes Gutachten, das zu einem anteiligen Unternehmenswert von 193,11 Euro pro Aktie gelangt war. Dabei war der Börsenkurs unberücksichtigt geblieben, den P. für den Zeitraum von drei Monaten bis zum Abschluss der Bewertung am 3. Mai 2002 mit durchschnittlich 201,89 Euro ermittelte. Jenen Wert legte die Beschwerdegegnerin zunächst ihrer Abfindungsberechnung zugrunde. Nachdem eine weitere Börsenkursermittlung, die sich auf den Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung bezog, einen Kurs von 205,35 Euro ergeben hatte, legte die Beschwerdegegnerin diesen höheren Wert zugrunde. Dazu addierte sie noch 6,14 Euro pro Aktie als den Betrag, der in den vergangenen Jahren der durchschnittlichen Dividende entsprochen hatte.

Neben dem von der Beschwerdegegnerin eingeschalteten Gutachter P. hatte auch ein durch Beschluss des Landgerichts Berlin vom 15. März 2002 (102 AR 27/02 AktG) bestellter weiterer Gutachter, die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft H., H. & Partner, eine Unternehmensbewertung vorgenommen. Dabei ist der von P. ermittelte Unternehmenswert nicht beanstandet worden.

Die Beschwerdeführer und sechs weitere Antragsteller sowie der Vertreter der außenstehenden Aktionäre haben die von der Beschwerdegegnerin angebotene Barabfindung für zu niedrig gehalten. Sie haben gemeint, dass ihnen ein höherer Betrag zustehe, da die Wertermittlung auf andere Weise vorzunehmen sei, als dies die Beschwerdegegnerin getan hat. Dabei haben sie insbesondere Einwendungen gegen die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes sowie gegen die Bewertung der Beteiligung von Grundstücken sowie der Antragsgegnerin zu 1. an der F. P. ... GmbH erhoben. Zudem haben sie sich dagegen gewandt, dass die Dividende für 2001 nicht für den Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Tag der Hauptversammlung verzinst worden sei. Als verfahrensfehlerhaft wird die Auswahl der H., H. & Partner GmbH als Barabfindungsprüferin i. S. von § 372c Abs. 2 S. 3 AktG gerügt, da es sich um eine von der Beschwerdegegnerin benannte Gesellschaft handele.

Die Beschwerdeführer haben beantragt,

eine höhere Abfindung zu bestimmen sowie eine Verzinsung des Erhöhungsbetrages auszusprechen.

Die Beschwerdegegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Dabei hat sie sich im Wesentlichen auf die vorliegenden Gutachten zur Unternehmensbewertung bezogen.

Das Landgericht hat die Anträge der Beschwerdeführer mit Beschluss vom 23. Januar 2007 zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass den Beschwerdeführer kein höherer Anspruch als der von der Beschwerdegegnerin festgesetzte Betrag von 211,49 Euro pro Aktie zustehe. Dabei stützt der angegriffene Beschluss, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten verwiesen wird, sich im Wesentlichen auf das vom Landgericht eingeholte Gutachten der B. € GmbH (im Folgenden: B. ) vom 21. Dezember 2004 und die dazu von derselben Gesellschaft aufgrund von Einwendungen der Antragsteller eingeholten weiteren Stellungnahmen vom 10. Juni 2005 (Bd. IV Bl. 112 ff. d.A.), vom 25. Oktober 2005 (Bd. IV Bl. 153 ff. d.A.) sowie vom 6. Juli 2006 (Bd. IV Bl. 215 ff. d.A.).

Das Landgericht hat die Anträge insoweit als unzulässig zurückgewiesen, als sie sich gegen die Antragsgegnerin zu 1. richteten. Zur Begründung führt es aus, dass unter Geltung der §§ 327f Abs. 2, 306 AktG a.F. richtige Antragsgegnerin für das Überprüfungsverfahren nicht die Aktiengesellschaft, sondern allein deren Hauptaktionär sei. Die gegen die Beschwerdegegnerin gerichteten Anträge hat das Landgericht hingegen für zulässig erklärt.

Soweit das Landgericht die Anträge für zulässig erachtet, hält es sie jedoch für unbegründet. Die Verfahrensrüge gegen die Auswahl der H., H. & Partner GmbH sei unbegründet, da es grundsätzlich zulässig sei, einen vom Hauptaktionär benannten Prüfer gerichtlich zu bestellen, und ein Hinderungsgrund hier nicht ersichtlich sei. Auch eine Parallelprüfung des gerichtlich bestellten Sachverständigen mit dem vom Hauptaktionär beauftragten Sachverständigen sei unbedenklich, soweit sich nicht eine Beratungstätigkeit des gerichtlich bestellten Prüfers auf unternehmerische Zweckmäßigkeitsentscheidungen erstrecke oder der Hauptaktionär unzulässigen Einfluss ausübe, wofür hier nichts ersichtlich sei.

Das Landgericht sieht die Unternehmensplanung der Antragsgegnerin zu 1. als taugliche Grundlage für die Ermittlung der Abfindung an. Dabei stützt sich das Gericht im Wesentlichen auf das Sachverständigengutachten der B. . In dem angegriffenen Beschluss (Umdruck, S. 9 ff.) wird im Einzelnen dargelegt, dass die Ausführungen des Gutachters zur Ertragswertmethode, zur Stand-Alone-Prämisse und zum Stichtagsprinzip zutreffend seien. Hinsichtlich der Ertragsaussichten werden die Ausführungen der von der Beschwerdegegnerin beauftragten Gutachterin P. in ausführlicher Auseinandersetzung mit den Angriffen der Antragsteller für plausibel erklärt. Hinsichtlich der Beteiligungserlöse der F. P. ... GmbH hält das Landgericht die tatsächlichen Berechnungsgrundlagen für zutreffend und die von der Sachverständigen B. angenommene künftige Ertragsentwicklung für plausibel. Zum Kapitalisierungszinssatz geht das Landgericht in Übereinstimmung mit der Gutachterin B. von einem Basiszinssatz von 5,3% aus. Darüber hinaus erachtet es einen Risikozuschlag für sachgemäß und hält den von der Sachverständigen B. angesetzten Wert von 5,5% noch für angemessen. Den Beta-Faktor bemisst es abweichend von der Sachverständigen B. nicht mit 0,5, sondern mit 0,4. Zur Begründung führt es an, dass die von der Gutachterin P. ausgewählte und von B. übernommene Peer-Group anderer Brauereien intransparent sei, da die Gutachterin P. keine Ausführungen zur Vergleichbarkeit hinsichtlich des Verschuldungsgrades mache. Es liege daher näher, den Wert des Hauptaktionärs (hier: der Beschwerdegegnerin) heranzuziehen, wenn man denjenigen der Aktiengesellschaft (hier: der Antragsgegnerin zu 1.) nicht für verwertbar halte. Demgemäß geht das Landgericht von einem Beta-Faktor von 0,4 aus. Darüber hinaus folgt der angegriffene Beschluss der Sachverständigen B. auch insoweit nicht, als diese den Risikozuschlag wegen der in den Jahren 2002 und 2003 zu beobachtenden Entwicklung um 0,25 Prozentpunkte angehoben hat. Nach dem von der Sachverständigen gewählten CAPM-Ansatz seien unternehmensindividuelle Ertragsrisiken auf der Ebene der Plausibilisierung der Unternehmensplanung zu korrigieren und dürften nicht zusätzlich durch eine Erhöhung des Risikozuschlags zu lasten der ausscheidenden Aktionäre einfließen. Hinsichtlich des Wachstumsabschlags folgt das Landgericht der Sachverständigen B. , indem sie einen Wert von 0,5% für die Antragsgegnerin zu 1. und von 1% für die F. P. ... GmbH ansetzt. Auch der von der Sachverständigen vorgenommenen Kürzung des Kapitalisierungszinssatzes um die persönlichen Ertragsteuern und der von ihr vorgenommenen Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens folgt das Landgericht.

Insgesamt gelangt das Landgericht ausgehend von den genannten Werten, insbesondere von einer Marktrisikoprämie von 5,5% und einem Beta-Faktor von 0,4, zu dem Ergebnis, dass für die Detailplanungsphase ein Kapitalisierungszinssatz von 4,87% und für die Phase der €ewigen Rente€ ein solcher von 4,37% bzw. 3,87% zugrunde zu legen seien. Die Sachverständige B. habe eine Berechnung unter Einbeziehung dieser Faktoren nicht vorgenommen. Dies hält das Landgericht jedoch für unerheblich, da die Sachverständige unter Zugrundelegung von für die Minderheitsaktionäre noch günstigeren Annahmen (Marktrisikoprämie von 5% und Beta-Faktor von 0,37) einen Ertragswert je Aktie von 211,45 Euro errechnet habe, der die von der Beschwerdegegnerin angebotene Barabfindung leicht unterschreite. Die durch die Sachverständige vorgenommene Abzinsung der Ausschüttungen auf den 30. Juni des Folgejahres sei nicht zu beanstanden, da bei Nichtdurchführung der Strukturmaßnahme die Ausschüttungen auch immer erst in der Hauptversammlung des Folgejahres erfolgt wären.

Den Börsenkurs hält das Landgericht hier als Untergrenze der Barabfindung für maßgeblich, da die für eine Nichtberücksichtigung erforderliche Marktenge von der Beschwerdegegnerin nicht hinreichend dargelegt worden sei. Der von der Gutachterin P. ermittelte durchschnittliche gewichtete Börsenkurs von 205,35 Euro pro Aktie übersteige jedoch den Ertragswert nicht. Eine Berücksichtigung des Liquidationswerts als Untergrenze lehnt das Landgericht unter Hinweis darauf ab, dass die Antragsgegnerin zu 1. profitabel arbeite und die für einen den Ertragswert übersteigenden Liquidationswert erforderlichen stillen Reserven nicht ersichtlich seien.

Gegen den ihnen am 29. Januar 2007 zugestellten Beschluss haben die Beschwerdeführerinnen zu 3. und 7. mit am 8. Februar 2007 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeführerin zu 4. hat gegen den ihr am 30. Januar 2007 zugestellten Beschluss am 12. Februar 2007 Beschwerde eingelegt. Am selben Tag ist die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 5. eingegangen, der der Beschluss am 29. Januar 2007 zugestellt worden war. Der Beschwerdeführer zu 6. hat gegen den ihm am 30. Januar 2007 zugestellten Beschluss am 7. Februar 2007 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeführerin zu 10. hat gegen den ihr am 31. Januar 2007 zugestellten Beschluss am 14. Februar 2007 Beschwerde eingelegt.

Die Beschwerdeführer meinen, die in dem angegriffenen Beschluss gebilligte Abfindung sei zu niedrig.

Im Einzelnen tragen die Beschwerdeführerinnen zu 3. und 7. vor, der angegriffene Beschluss habe ihren erstinstanzlichen Vortrag nicht hinreichend gewürdigt. Falsch sei die Annahme in dem Beschluss (S. 29 des Umdrucks), dass es bei der Unternehmensbewertung um eine Bewertung fiktiv unterstellter Dividenden gehe, nachdem die Dividendenausschüttung erst in der Hauptversammlung des Folgejahres erfolge. Vielmehr habe es die Unternehmensbewertung mit €ausschüttbaren€ Erträgen zu tun, die bereits am 31. Dezember jedes Geschäftsjahres verfügbar seien. Dies werde durch die Rechtsprechung des BGH zum Gewinnabführungsvertrag in BGHZ 142, 382 unterstrichen. Für jedes künftige Jahr müsse mithin jeder ausschüttbare Betrag um ein halbes Jahr weniger abgezinst werden. Der Unterschied belaufe sich auf etwa 2,5% oder rund 5 Euro pro Aktie.

Überdies gehe aus dem angegriffenen Beschluss nicht nachvollziehbar hervor, wieso das Landgericht nicht den im Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 06.07.2006 mit 219,88 Euro ermittelten Betrag zugrunde gelegt habe. Der Beschluss (Umdruck, S. 22) verweise hierzu darauf, dass für den Zeitraum vom 30. November 1993 bis zum 31. Dezember 2003 eine Marktrisikoprämie von 5,15% ermittelt worden sei. Für eine zukunftsbezogene Prognose dürften indessen nicht €für beliebige 10-Jahreszeiträume der Vergangenheit nahezu beliebige Ergebnisse herausgerechnet€ werden. Vielmehr müssten längerfristige Zeiträume zugrunde gelegt werden, zu denen die Beschwerdeführerinnen zu 3. und 7. Erhebungen vorlegen. Sie meinen, eine angemessene Abfindung betrage 225,00 Euro.

Die Beschwerdeführerin zu 5. und der Beschwerdeführer zu 6. tragen wörtlich identische Einwände vor; die Beschwerdeführerin zu 4. schließt sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu 6. an. Demnach müsse die Ertragsbewertung um einen bereits am Bewertungsstichtag angelegten Konsolidierungseffekt €deutlich nach oben korrigiert€ werden. Nach Ansicht der Beschwerdeführer verfehlen die Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss sowie die Aussagen der verschiedenen Gutachter zur Stand-Alone-Prämisse, zur Ablehnung der Berücksichtigung von Synergieeffekten und zur Beschränkung der Unternehmensbewertung auf bereits konkret eingeleitete Maßnahmen die sich bereits aufhellenden Perspektiven der Antragsgegnerin zu 1. Die Vorgaben von Gutachter und Landgericht seien zu pessimistisch. Es sei rechtsfehlerhaft, dass in dem angegriffenen Beschluss die verbesserten Umsatz- und Ergebniszahlen unter Verweis auf das Stichtagsprinzip für irrelevant erklärt würden. Vielmehr seien diese Entwicklungen am Stichtag bereits absehbar gewesen; sie seien daher zu berücksichtigen. Zudem habe das Landgericht (S. 25 des Umdrucks) den Wachstumsabschlag beim Kalkulationszinsfuß viel zu niedrig bemessen und sogar unterhalb des Durchschnitts der Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts von 2001 bis 2004 angesetzt. Vor allem müsse der Kalkulationszinsfuß als nominale (nicht inflationsbereinigte) Größe an den nominalen Wachstumsraten ausgerichtet werden, die rund 2 % höher lägen. Zudem sei der Wachstumsabschlag an einer durch die Euro-Umstellung verursachten, aber nur vorübergehenden Anpassungskrise orientiert und dann aber in die Zukunft fortgeschrieben worden.

Für unangemessen halten die Beschwerdeführerin zu 5. und der Beschwerdeführer zu 6. auch die Marktrisikoprämie von 5,5 % (S. 32 des Umdrucks). Die rechtfertigende Bezugnahme auf das Gutachten von S. sei ungeeignet, da dieses eine Minimierung von Abfindungen bezwecke und fehlerhaft sei; eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den von W. dargelegten Fehlern dieses Gutachtens unterbleibe in dem angegriffenen Beschluss. Auch der von Großfeld/Stöver herausgegriffene Zehnjahreszeitraum von 1993 bis 2003 sei ungeeignet; in der Kapitalmarkttheorie sei es allgemein anerkannt, dass Beobachtungszeiträume unter 30 Jahren ungeeignete, weil zu stark zufallsgeprägte Ergebnisse lieferten. Eine Marktrisikoprämie von mehr als 2 % könne keinesfalls akzeptiert werden. Ergänzend verweist die Beschwerdeführerin zu 5. darauf, dass inzwischen neue Befunde von D. , M. und S. vorlägen, aus denen hervorgehe, dass auch bisherige Anhänger vergleichsweise hoher Risikoprämien sich allmählich gezwungen sähen, ihre Schätzungen deutlich nach unten zu korrigieren. Als Zwischenbefund gingen diese Autoren derzeit von 3-3,5 % Risikoprämie aus.

Als fehlerhaft rügen die Beschwerdeführerin zu 5. und der Beschwerdeführer zu 6. auch die Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens. Fiktive Steuern auf stille Reserven bei Immobilien, deren Veräußerung nicht geplant sei, dürften nicht abgezogen werden. Sollten Immobilien tatsächlich veräußert worden seien, so könne die in den Gutachten unterstellte Steuerbelastung durch Rücklagen nach § 6b EStG vermieden werden. Fehlerhaft sei auch die Einschätzung des Landgerichts (Umdruck, S. 27), dass eine Weiternutzung nicht günstiger sei als ein unterstellter Verkauf. Die Weiternutzung könne nämlich auch darin bestehen, dass an einen potentiellen Erwerber vermietet werde statt €unter maximaler Steuerbelastung€ an ihn zu veräußern.

Die Beschwerdeführerin zu 5. verweist noch darauf, dass die bereits erstinstanzlich vorgetragenen Einwendungen gegen die vom Landgericht akzeptierte Unternehmensbewertung auf einer Tagung am 8. April 2008 von einem von ihr als €Chefideologen des I. € bezeichneten Dr. M. J. nicht mehr angezweifelt würden.

Die Beschwerdeführerin zu 10. meint, selbst wenn man den nach ihrer Ansicht deutlich zu hoch gewählten Basiszinssatz von 5,3% beim Kapitalisierungszinssatz noch akzeptieren möge, seien weitere €Verzerrungen€ nicht hinnehmbar. Die Marktrisikoprämie von 5,5% sei massiv überhöht. Die Beschwerdeführerin zu 10. verweist hierzu auf verschiedene Quellen, in denen deutlich niedrigere Marktrisikoprämien angenommen worden seien. Daraus folge, dass eine Prämie von mehr als 3% keinesfalls hinnehmbar sei. Keine der in dem angegriffenen Beschluss (S. 20 des Umdrucks) angeführten obergerichtlichen Entscheidungen habe eine Prämie von 5,5% akzeptiert. Der Beschluss übernehme zudem unkritisch die vom Gutachter behauptete Ungeeignetheit des unternehmenseigenen Beta-Faktors wegen angeblich zu geringer Börsenumsätze. Es hätte nicht das Beta der Beschwerdegegnerin von 0,4, sondern der Beta-Faktor von 0,37 angesetzt werden müssen. Der Wachstumsabschlag von 0,5% sei zu niedrig bemessen; es hätte nicht der Zeitraum von 2001 bis 2004 (mit einem Durchschnitt von 0,55%) zugrunde gelegt werden dürfen, da der Abschlag erst ab dem Jahr 2006 angesetzt wurde. Auch wenn man von 0,5% realem Wachstum und einer Inflationsrate von ca. 1,5% ausgehe, wäre angesichts der Zukunftsaussichten eine Absenkung allenfalls auf 1% zu rechtfertigen. Bei dem zukunftsfähigen Geschäft der F. P. ... GmbH sei mindestens der normale Wachstumsabschlag von 2% anzusetzen.

Einwände bringt die Beschwerdeführerin zu 10. auch hinsichtlich der von ihr für erforderlich gehaltenen Aufzinsung der Dividende auf den Bewertungsstichtag vor. Bei der Ertragsplanung hätten der gerichtlich bestellte Gutachter und auch das Landgericht einen Abfluss der Dividende bereits zum Bilanzstichtag unterstellt. Dann aber müsse das Zinsergebnis erhöht werden; jedenfalls sei es falsch, einen Abfluss der Dividende am 1. Januar und einen Zufluss beim Aktionär erst am 27. Juni zu unterstellen. Überdies sei der von der Beschwerdegegnerin vorgenommene Zuschlag zur Abfindung nicht als deren Bestandteil zu betrachten, sondern als vom Unternehmenswert unabhängiger und zu ihm zu addierender Ausgleich für die nicht ausgeschüttete Dividende. Als solcher müsse er auch im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung behandelt werden. Aus alledem errechnet die Beschwerdeführerin zu 10. einen Abfindungsbetrag von bis zu 292,22 Euro.

Die Beschwerdeführer beantragen,

den Beschluss des Landgerichts aufzuheben, die Barabfindung pro Aktie der Antragsgegnerin zu 1. höher festzusetzen als auf 211,49 Euro und der Beschwerdegegnerin sämtliche Kosten des Spruchverfahrens aufzuerlegen.

Die Beschwerdegegnerin hat keinen Antrag gestellt.

B.

I. Die Beschwerden gegen den Beschluss des Landgerichts sind zulässig. Während für den angegriffenen Beschluss noch das frühere Recht maßgeblich war, ist auf das nach dem 1. September 2003 eingeleitete Beschwerdeverfahren gem. § 17 Abs. 2 S. 2 SpruchG dieses Gesetz anwendbar. Gegen den angegriffenen Beschluss ist gem. § 12 Abs. 1 SpruchG die sofortige Beschwerde statthaft. Nach § 12 Abs. 2 S. 1 SpruchG ist das Kammergericht zur Entscheidung darüber berufen. Sämtliche Beschwerden sind innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses und somit fristgerecht eingelegt worden (§§ 12 Abs. 1, 17 Abs. 1 SpruchG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 FGG). Beschwerdegegnerin ist gem. § 5 Nr. 3 SpruchG allein die Antragsgegnerin zu 2.

II. In der Sache haben die Beschwerden keinen Erfolg.

Dies ergibt sich aus einer umfassenden Sachprüfung durch den Senat. Eine solche umfassende Prüfung war ungeachtet der Tatsache geboten, dass die Beschwerdegegnerin keinen Antrag gestellt hat; denn Versäumnisentscheidungen analog §§ 330, 331 ZPO sind im FGG-Verfahren auch dann ausgeschlossen, wenn es sich wie hier um ein echtes Streitverfahren handelt (OLG Hamm RdL 1960, 102;von König/von Schuckmann, in: Jansen, FGG, 3. Aufl. 2006, Vor §§ 8-18 Rn. 69; s. auchBriesemeister, in: Jansen, FGG, § 12 Rn. 42).

Die umfassende Sachprüfung ergibt, dass die angegriffene Entscheidung zutreffend ist. Der anteilige Unternehmenswert liegt nämlich nicht oberhalb der von der Beschwerdegegnerin angebotenen Barabfindung von 211,49 Euro pro Stückaktie. Keiner der von den Beschwerdeführern vorgebrachten Einwände verfängt; auch aus anderen Gründen erweist sich die vom Landgericht zugrunde gelegte Unternehmensbewertung nicht als fehlerhaft. Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif, ohne dass es der neuerlichen Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer mündlichen Verhandlung sowie einer Vernehmung von Zeugen bedürfte. Vielmehr ist der Sachverhalt nach Überzeugung des Senats durch die drei eingeholten Sachverständigengutachten, insbesondere das erstinstanzlich eingeholte Gutachten der Sachverständigen B. nebst der drei dazu vorliegenden Ergänzungsgutachten, in der gebotenen Intensität aufgeklärt. Soweit sich im Übrigen die Antragsteller gegen die Auswahl der H., H. & Partner GmbH als gem. § 327c Abs. 2 AktG gerichtlich bestellten Gutachter wenden, kommt es hierauf im Spruchverfahren nicht an, da es darin allein um die Überprüfung des angemessenen Ausgleichs geht, während die Kontrolle der Voraussetzungen des § 327c Abs. 2 AktG dem Beschlussanfechtungsverfahren zuzuordnen ist. Auch die Beschwerdeführer greifen diesen Punkt nicht mehr auf.

1. Grundlagen

36Im Spruchverfahren gem. § 1 Nr. 3 SpruchG nach einem sog. Squeeze-out ist eine Unternehmensbewertung anzustellen mit dem Ziel sicherzustellen, dass die ausscheidenden Aktionäre den ihnen nach § 327a Abs. 1 S. 1 AktG zustehenden angemessenen Ausgleich erhalten. Dabei geht es um eine vollwertige Kompensation für den durch den Entzug der Aktionärsstellung eintretenden Verlust (€volle Entschädigung€; BVerfG ZIP 1999, 1436, 1440 € DAT/Altana). Für die €richtige€ Bewertung eines Unternehmens zu Zwecken der Bemessung einer Abfindung ausscheidender Aktionäre gibt es keine näheren gesetzlichen Vorgaben. Auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion haben sich bislang keine einheitlichen Grundsätze herausgebildet. Vor diesem Hintergrund kann es im Spruchverfahren von vornherein nicht darum gehen, mit gleichsam naturwissenschaftlich-mathematischer Genauigkeit eine objektiv verifizierbare Berechnung vorzunehmen. Vielmehr genügt es, wenn das Gericht € erforderlichenfalls mit sachverständiger Unterstützung € zu der Überzeugung gelangt, dass eine bestimmte konkret vorgenommene Berechnung auf der Grundlage zutreffender Ausgangszahlen zu einem plausibel hergeleiteten Ergebnis führt. Maßgeblich sind damit € richtige Ausgangsdaten vorausgesetzt € im Wesentlichen Plausibilitäten (LG Frankfurt/M. AG 2007, 42, 43;Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 98). Dabei steht den Gerichten ein großer Spielraum vertretbarer Annahmen zu, innerhalb dessen letztlich durch Schätzung nach § 287 ZPO zu entscheiden ist (Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008, § 305 Rn. 53). Von diesen Grundsätzen hat sich das Landgericht in dem angegriffenen Beschluss (s. Umdruck, S. 15 f.) leiten lassen; sie gelten auch für das Beschwerdeverfahren. Es kann mithin auch in der Beschwerdeinstanz nicht, wie dies in den Beschwerdebegründungen der Beschwerdeführer teils anklingt, darum gehen, im Bereich der Plausibilitätskontrolle verschiedene in den Wirtschaftswissenschaften in Aufsätzen oder Vorträgen vertretene unterschiedliche Lehrmeinungen immer wieder mittels neuerlicher Gutachten oder Zeugenvernehmungen gegeneinander €auszuspielen€. Maßstab für die Entscheidung über die Beschwerden ist insoweit vielmehr allein, ob die im konkreten Fall von der Beschwerdegegnerin der Berechnung des Abfindungsbetrages zugrunde gelegte Unternehmensbewertung einer Plausibilitätskontrolle standhält.

Zutreffend ist das Landgericht in dem angegriffenen Beschluss davon ausgegangen, dass die Unternehmensbewertung sich an der Ertragswertmethode zu orientieren hat (statt vielerEmmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 305 Rn. 52b; dies billigt auch BVerfG ZIP 1999, 1436, 1441 € DAT/Altana). Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Bewertungsstichtag; als diesen hat das Landgericht richtig den Tag der Hauptversammlung, hier also den 27. Juni 2002 angesehen. Zu folgen ist dem Landgericht auch darin, dass künftige Entwicklungen für die Unternehmensbewertung nur insoweit berücksichtigt werden können, als sie sich am Stichtag bereits konkret abgezeichnet haben.

2. Stellungnahme zu den einzelnen Rügen der Beschwerdeführer

a) Unternehmensplanung

Sofern die Beschwerdeführer meinen, die der Bewertung zugrunde gelegte Unternehmensplanung seien zu pessimistisch, sind keine Umstände ersichtlich, die es gebieten würden, einen günstigeren Verlauf anzunehmen. Zutreffend ist das Landgericht in dem angegriffenen Beschluss davon ausgegangen, dass die sog. Stand-Alone-Prämisse zugrunde zu legen ist, wonach Planungen nur insoweit zu berücksichtigen sind, als hierfür bereits zum Bewertungsstichtag konkrete Maßnahmen eingeleitet worden sind. Die Gutachterin P. hat zu der zugrunde liegenden Planrechnung eingehend Stellung bezogen und dabei auch die sich aus der Zusammenlegung der Braustätten Potsdam und Berlin-Neukölln ergebenden Effekte berücksichtigt. Dasselbe hinsichtlich der für die Zeit seit dem Jahr 2003 angenommene Konsolidierung des Marktes für Bier. Die Beschwerdeführer tragen keine weiteren Umstände vor, die ernsthafte Zweifel an der Plausibilität der von P. und B. bestätigten Unternehmensplanung erwecken könnten.

b) Kapitalisierung künftiger Erträge

Auch die Einwände gegen die Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes verfangen nicht. Dieser Zinssatz war bereits in erster Instanz Gegenstand umfassender Erörterung. Zutreffend hat das Landgericht hierzu ausgeführt, dass es insoweit gilt, im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO einen angemessenen Wert zu bestimmen. Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes:

aa) Basiszinssatz

Mit eingehender Begründung geht der angegriffene Beschluss (Umdruck, S. 17 ff.) davon aus, dass der in dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten angesetzte Basiszinssatz von 5,3% unbedenklich ist. Hiergegen bringen die Beschwerdeführer keine substantiierten Einwände vor. Auch ansonsten sieht der Senat insoweit keine Bedenken gegenüber den Ausführungen des Landgerichts.

bb) Höhe der Marktrisikoprämie; maßgeblicher Beta-Faktor

Hinsichtlich des Risikozuschlags folgt das Landgericht dem Standard IDW S1 von 2005, der als Methode das sog. CAPM empfiehlt. Dies ist nicht zu beanstanden und wird auch von den Beschwerdeführern nicht gerügt. Der angegriffene Beschluss greift sodann den vom gerichtlich bestellten Sachverständigen benannten Wert von 5,5% auf. Dies geschieht mit nachvollziehbarer Begründung und unter Bezugnahme auf Äußerungen im Schrifttum. Wenn die Beschwerdeführer dieser Einschätzung teils abweichende Meinungsbekundungen gegenüberstellen, ist nach Überzeugung des Senats hierdurch angesichts der dargelegten für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Grundlagen keine erneute Einholung eines Sachverständigengutachtens in der Beschwerdeinstanz veranlasst. Dies gilt umso mehr, als sich insoweit kein einheitlicher Standard herausgebildet hat und die Ausführungen des Gutachters einer Plausibilitätskontrolle standhalten.

Dasselbe gilt für den vom Landgericht für maßgeblich erachteten Beta-Faktor. Demnach war der Beta-Faktor von 0,4 der Beschwerdegegnerin anzusetzen. Dieser Wert liegt zugunsten der Beschwerdeführer um 0,1 und damit um 20% unterhalb des von der gerichtlich bestellten Gutachterin B. für maßgeblich erachteten Beta-Faktors. Einen weiteren Korrekturbedarf in Richtung auf den für die Antragsgegnerin zu 1. maßgeblichen Beta-Faktor von 0,37 sieht der Senat aus den bereits vom Landgericht (Umdruck, S. 23) dargelegten Gründen nicht.

cc) Höhe des Wachstumsabschlags

Der Hinweis einiger Beschwerdeführer darauf, der vom Landgericht gebilligten Unternehmensbewertung liege eine zu pessimistische Einschätzung der Zukunftsaussichten der Antragsgegnerin zu 1. zugrunde, geht fehl. Wie das Landgericht hierzu im Einzelnen überzeugend ausgeführt hat, war es aufgrund der Darlegungen in dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten der Sachverständigen B. plausibel, dass die Aussichten als verhalten eingestuft wurden. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die bereits erstinstanzlich gegenüber dieser Einschätzung vorgetragenen Einwände, zu denen der angegriffene Beschluss (Umdruck, S. 11-13) eingehend Stellung bezieht. Das Landgericht hat dabei auch keineswegs unbesehen die Ausführungen des Gutachters übernommen, sondern hierzu differenziert Position bezogen.

Soweit die Beschwerdeführerin zu 10. Einwendungen gegen den bei der F. P. ... GmbH zugrunde gelegten Wachstumsabschlag vorbringt, ist zunächst auf die ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen B. vom 25. Oktober 2005 hinzuweisen. Darin wird dargelegt, dass gegen eine Unterbewertung steuerliche Aspekte sprechen, was dem Senat überzeugend erscheint und wogegen sich auch keine Einwände der Beschwerdeführer richten. Sofern die Beschwerdeführerin zu 10. im Übrigen allein unter Hinweis darauf, dass das Geschäft der F. P. ... GmbH €zukunftsfähig€ sei, einen Wachstumsabschlag von 2% ansetzen möchte, übergeht sie die eingehende Begründung des geringeren Abschlags in dem angegriffenen Beschluss (Umdruck, S. 14 ff.).

Sofern die Beschwerdeführer zu 4., 5. und 6. beanstanden, dass der Wachstumsabschlag unterhalb des Durchschnitts der Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts liege, verkennen sie, dass das Landgericht (Umdruck, S. 26) den Abschlag von 0,5% nicht auf jene Werte gestützt hat, sondern auf das Sachverständigengutachten. Das sehr niedrige, teils sogar negative Gesamtwachstum der Wirtschaft wird vielmehr allein als zusätzlicher Beleg für die auch unter Hinweis auf die reale Umsatzentwicklung der Antragsgegnerin zu 1. dargelegte Plausibilität dieser gutachterlichen Annahme herangezogen. Die Ausführungen des Landgerichts bezwecken ersichtlich nicht, die absolute Höhe des Wachstumsabschlags aus einem € in dem Beschluss gar nicht errechneten € Durchschnittssatz des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts herzuleiten, sondern lediglich auf die seinerzeit schwache Konjunktur und das daraus herzuleitende Nachfrageverhalten nach den Getränken der Antragsgegnerin zu 1. hinzuweisen. Damit erledigt sich zugleich der weitere Einwand, dass der Kalkulationszinsfuß als nominale Größe an den nominalen Wachstumsraten ausgerichtet werden müsse, während die in dem angegriffenen Beschluss wiedergegebenen Zahlen bereits inflationsbereinigt seien.

c) Maßgeblicher Stichtag für die Dividenden

Keinen Bedenken begegnet auch die vom Landgericht zugrunde gelegte Behandlung der Dividenden. Maßgeblicher Stichtag für die Ermittlung des Unternehmenswerts ist der Tag der Hauptversammlung, hier der 27. Juni 2002. Die Thematik einer diesbezüglichen Ab- oder Aufzinsung ist bereits im erstinstanzlichen Verfahren ausführlich erörtert worden. Die Gutachterin B. hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 6. Januar 2006 dargelegt, dass als Stichtag für die Ausschüttung des Gewinns eines Geschäftsjahres jeweils der 30. Juni zugrunde gelegt wurde. Für den Gewinn des Geschäftsjahres 2002 ist demnach als Tag des Zuflusses der 30. Juni 2003 zugrunde gelegt worden. Dieser Gewinn ist sodann auf den Bewertungsstichtag, den 27. Juni 2002, abgezinst worden, mithin um ein Jahr und drei Tage. Für die Gewinne der Jahre 2003, 2004 und 2005 erhöhte sich der Abzinsungszeitraum jeweils um ein weiteres Jahr. Der Barwert zur €ewigen Rente€ wurde auf den 30. Juni 2006 ermittelt und um vier Jahre und drei Tage abgezinst. Dabei räumt die Gutachterin B. ein, dass insoweit eine Ungenauigkeit vorliegt, als die zusätzlichen drei Tage zur Abzinsung auf den 27. Juni 2002 unberücksichtigt bleiben, da jeweils volle Jahre angesetzt wurden. Eine genaue Abzinsung würde zu einer Verringerung der ermittelten Werte um wenige Cent führen. Wie die Gutachterin B. in ihrer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 6. Juli 2006 (S. 9; Bd. IV Bl. 223 d.A.) auf Nachfrage des Landgerichts ausgeführt hat, ist die Annahme einer Ausschüttung bereits zum Ende des Geschäftsjahres, also hier zum 31. Dezember 2001, nicht realistisch. Zudem weist die Gutachterin B. an jener Stelle ausdrücklich darauf hin, dass die von den Beschwerdeführern begehrte Aufzinsung zu einer nicht begründeten Werterhöhung führt. Eine solche Aufzinsung müsste spiegelbildlich zur Folge haben, dass auf Seiten der Beschwerdegegnerin der Zinsertrag wegfiele, der auf den Zeitraum zwischen dem Bewertungsstichtag und dem Ultimo des Vorjahres entfällt. In Wirklichkeit ist diese Liquidität jedoch in die Ertragsrechnung eingeflossen; sie erhöht damit den Unternehmenswert. Zudem sieht auch der IDW-Standard S 1 eine Verzinsung ausschließlich für thesaurierte Beträge und selbst für diese nur insofern vor, als für ihre Verwendung keine Planungen vorliegen (IDW S 1 Nr. 4.4.2.3). Sofern der Beschwerdeführer zu 6. meint, für die hier interessierende Frage aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Ausgleichsanspruch entsprechend § 302 Abs. 1 AktG (BGHZ 142, 382) etwas Abweichendes entnehmen zu können, ist dem nicht zu folgen. Bei der hier in Rede stehenden Unternehmensbewertung ist der maßgebliche Stichtag dadurch vorgegeben, dass die Höhe der Barabfindung gem. § 327b Abs. 1 S. 1 AktG die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses berücksichtigen muss. Eine vergleichbare gesetzliche Vorgabe besteht für die Verlustausgleichspflicht gem. § 302 Abs. 1 AktG nicht. Bei jener Pflicht geht es, wie der Bundesgerichtshof in der angeführten Entscheidung dargelegt hat, um den Schutz von Gläubigern und außenstehenden Aktionären vor Manipulationsmöglichkeiten, die sich ergeben, wenn man anstelle des Bilanzstichtags auf den festgestellten Jahresabschluss abstellt. Derartige Gefahren bestehen hinsichtlich der hier in Rede stehenden Dividendenausschüttung nicht; auch der Beschwerdeführer zu 6. trägt Gegenteiliges nicht vor. Demgemäß bleibt es bei dem Grundsatz, dass eine realitätsnahe Berechnung anzustellen ist, so dass die tatsächlichen Ausschüttungszeitpunkte zugrunde zu legen sind.

d) Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens

Auch die Einwendungen gegen die Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens erweisen sich als unbegründet. Das nicht betriebsnotwendige Vermögen ist grundsätzlich € soweit es keine Erträge erbringt € mit seinem Liquidationswert anzusetzen (Kölner Kommentar/Riegger, Anh. § 11 Rn. 44 f.;Wehmann, Die Barabfindung beim Squeeze-out, §§ 327a-f AktG, 2006, S. 91). Dabei sind die im hypothetischen Falle einer tatsächlichen Veräußerung auf Unternehmensebene anfallenden Ertragsteuern abzuziehen (OLG Düsseldorf AG 2003, 688, 692; ZIP 2004, 753, 758; OLG München ZIP 2007, 375, 379; LG Frankfurt AG 2007, 42, 47;Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, S. 172 f.; abw. für Altfälle unter Geltung der im Jahre 1989 maßgeblichen Bewertungsgrundsätze HFA 2/1983 BayObLG AG 2006, 41, 44 unter ausdrücklicher Abgrenzung von den heute geltenden betriebswirtschaftlichen Grundsätzen). Dafür spricht entscheidend, dass die anzustellende Fiktion einer Liquidierung auf halbem Wege stehen bliebe, wenn man diese für den wirtschaftlichen Wert jener Vermögensgegenstände mitunter beträchtlichen Folgen ausblenden würde. Die Berücksichtigung der Steuern auf der Unternehmensebene, wie sie auch Nr. 4.5 IDW S 1 vorsieht, entspricht demgegenüber der Behandlung künftiger Überschüsse auf der Ebene des Unternehmens und der Anteilseigner.

e) Zusammensetzung des Abfindungsbetrags

Schließlich ist die von der Beschwerdegegnerin angebotene Barabfindung in Höhe von 211,49 Euro entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin zu 10. nicht in einen Abfindungsbetrag und einen Ausgleich für eine nicht ausgeschüttete Dividende aufzuteilen. Für eine solche Aufteilung findet sich weder im Übertragungsbeschluss der Hauptversammlung vom 27. Juni 2002 noch in den Darlegungen der Beschwerdegegnerin im Spruchverfahren (s. Schriftsatz vom 12. Februar 2003, Bd. III Bl. 16 ff. d.A.) eine Grundlage. Vielmehr handelt es sich bei dem vollen Betrag von 211,49 Euro um die Barabfindung i. S. von § 327a Abs. 1 S. 1 AktG, um deren Angemessenheit es im vorliegenden Spruchverfahren geht.

C.

I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 15 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SpruchG. Der Senat hält es letztlich nicht für geboten, abweichend hiervon die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen nach § 15 Abs. 2 S. 2 SpruchG den Beschwerdeführern aufzuerlegen. Die Beschwerden waren nicht offensichtlich unbegründet, auch wenn sie im Wesentlichen allein solche Themen betrafen, die bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren. Der Umstand, dass die Beschwerden erfolglos geblieben sind, genügt für sich genommen nicht, um den Beschwerdeführern die Kosten aufzuerlegen (BayObLG NZG 2003, 483;Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 15 SpruchG Rn. 17).

II. Der Wert ist gem. § 15 Abs. 1 S. 2 SpruchG auch für die Beschwerdeinstanz auf 400.000 Euro festzusetzen. Der Senat sieht keinen Anlass, von der Festsetzung abzuweichen, die das Landgericht auf Grundlage der Größenordnung einer möglichen Erhöhung der Abfindung getroffen hat.






KG:
Beschluss v. 14.01.2009
Az: 2 W 68/07


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