Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 8. Januar 2010
Aktenzeichen: 6 W 153/09

(OLG Köln: Beschluss v. 08.01.2010, Az.: 6 W 153/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Beschluss über die Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung von Auskunft entschieden. Die Beschwerde der Antragstellerin wurde teilweise erfolgreich, da das Landgericht ihren Antrag zu Unrecht abgewiesen hatte. Das Gericht ordnet nun an, dass die Beteiligte 2 die Verkehrsdaten verwenden darf, um der Antragstellerin Namen und Adressen der Nutzer mitzuteilen, denen bestimmte IP-Adressen zugeteilt waren. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Kosten erhoben, die außergerichtlichen Kosten tragen die Parteien selbst.

Die Beschwerde hatte nach den Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes und des FamFG Erfolg. Das Gericht stellt jedoch fest, dass die begehrte Anordnung voraussetzt, dass die Rechtsverletzung kommerziellen Charakter hat und dass die gutgläubige Handlung eines Endverbrauchers objektiv ausgeschlossen ist. Es kommt weniger auf die Anzahl der Rechtsverletzungen durch eine Person an, sondern vielmehr auf die Schwere der Verletzung. Wenn ein Tauschbörsenteilnehmer eine Datei bereitstellt, um andere Werke kostenlos herunterzuladen, erhält er einen wirtschaftlichen Vorteil. Es muss auch berücksichtigt werden, ob die Datei einen nicht unerheblichen kommerziellen Wert hat. Das Gericht entschied bereits in einem ähnlichen Fall, dass ein geschütztes Werk von hinreichendem Umfang zum Herunterladen angeboten wird. Im vorliegenden Fall konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Verwertungsphase des Musikalbums bereits beendet ist. Es gab mehrere Neuauflagen des Albums aufgrund der großen Nachfrage, und die Antragstellerin hat dies belegt. Die aktuelle Version des Werks war immer noch in den deutschen Charts vertreten. Daher ist der Schutz des Urheberrechts nach § 101 UrhG gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den genannten Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in Verbindung mit dem FamFG.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Köln: Beschluss v. 08.01.2010, Az: 6 W 153/09


Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 21.12.2009 - 31 OH 705/09 - teilweise abgeändert, soweit damit ihr Antrag zurückgewiesen worden ist, und stattdessen angeordnet:

Die Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 TKG) durch die Betei-ligte zu 2.) zur Erteilung der Auskunft an die Antragstellerin über Namen und Anschriften derjenigen Nutzer, denen zu den (unter Nr. 328 bis 357 der Liste Anlage ASt 1) wie folgt angegebenen Zeitpunkten die mitgeteilten IP-Adressen zugeteilt waren, ist zulässig.

(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung vorhanden)

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.

Gründe

Die gemäß § 101 Abs. 9 S. 4, 6 und 7 UrhG, §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde gegen die Teilablehnung des Antrags auf Erlass einer richterlichen Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten hat in der Sache Erfolg.

Allerdings setzt die begehrte Anordnung - wie vom Landgericht zutreffend angenommen - ein gewerbliches Ausmaß der geltend gemachten Rechtsverletzung voraus, bei denen die gutgläubige Handlung eines Endverbrauchers (vgl. Richtlinie 2004/48/EG, Erwägungsgrund 14) objektiv fern liegt. Bei Veröffentlichungen in Internet-Tauschbörsen wird es dabei weniger auf die (angesichts dynamischer IP-Adressen vor erteilter Auskunft selten feststellbare) Zahl der Rechtsverletzungen durch eine einzige Person als auf die Schwere der Rechtsverletzung ankommen. Der Tauschbörsenteilnehmer, der mit dem Bereitstellen einer Datei die Kontrolle über ihre Verbreitung aufgibt und so die Möglichkeit erhält, andere angebotene Werke kostenlos herunterzuladen, verschafft sich damit einen (mittelbaren) wirtschaftlichen Vorteil; hinzu kommen muss, dass die Datei für sich genommen von nicht unbedeutendem kommerziellem Wert ist, was gemäß der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/8783, S. 50) in der Regel der Fall sein wird, wenn ein marktgängiges geschütztes Werk von hinreichendem Umfang während seiner relevanten Verkaufs- oder Verwertungsphase zum Herunterladen angeboten wird; ob dies der Fall ist, ob insbesondere die relevante Verwertung des Werks noch andauert, muss unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles bestimmt werden (Senat, MMR 2009, 334 [335] - "Die schöne Müllerin"; vgl. auch die Senatsbeschlüsse vom 04.06.2009 - 6 W 46/09; 6 W 48/09, vom 19.06.2009 - 6 W 52/09, und vom 03.07.2009 - 6 W 63/09).

Im Streitfall kann noch nicht von einem Ende der relevanten Verwertungsphase des bereits 2007 erschienenen Musikalbums "Vom selben Stern" der Gruppe "Ich & Ich" ausgegangen werden. Wie die Antragstellerin dargelegt und durch Ausdrucke von aktuellen Internetseiten (Anlagen ASt 37 und 38) glaubhaft gemacht hat, wurden infolge der großen Nachfrage nach dem Album seit seinem erstmaligen Erscheinen bis zum Zeitpunkt der geltend gemachten Rechtsverletzung mehrere Neuauflagen veranstaltet, wobei auch die Neuauflage unter dem Titel "Vom selben Stern (Limited Pur Edition)" dasselbe urheberrechtlich geschützte Werk darstellt, nämlich dieselbe Musikdatei mit dreizehn Einzeltiteln, deren dreißigfache ungenehmigte Veröffentlichung am 14., 15. und 16.12.2009 Gegenstand des Auskunftsbegehrens der Antragstellerin ist; zu Recht verweist die Beschwerde auf den Parallelfall eines in mehreren Auflagen mit leicht verändertem Einband und Untertitel erschienenen Buches. Das Angebot der CD auf der Internethandelsplattform "Amazon" (Anlage ASt 37) scheint zwar darauf hinzudeuten, dass die dafür im Handel verlangten Preise gegenüber den Preisen für die Erstauflage reduziert worden sind (der angegebene Neupreis beträgt 9,45 €, während für das aktuelle Album "Gute Reise" derselben Gruppe ein Preis von 14,95 € angegeben wird). Unter den besonderen Umständen des Streitfalles kann dies jedoch nicht als ausreichendes Indiz für das Ende der relevanten Verwertungsphase angesehen werden; dem steht insbesondere entgegen, dass die aktuelle Auflage des Werks sich (gemäß Anlage ASt 38) noch am 10.12.2009 unter den "Top 50" der deutschen "Longplay-Charts" befand, was nach Lage der Dinge ein wichtiger Anhaltspunkt für den fortdauernden kommerziellen Erfolg des Albums ist. Während die fehlende Platzierung eines Werks in gängigen Verkaufscharts allein in der Regel noch nicht auf ein Ende der Verwertungsphase hindeutet, spricht die ungewöhnlich lange Notierung in den "Album-Charts" und der weiter innegehaltene Platz unter den fünfzig meistverkauften Musikalben des betreffenden Zeitraums entscheidend dagegen, dem Rechteinhaber nunmehr den Schutz des § 101 UrhG zu versagen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 101 Abs. 9 S. 4 und 5 UrhG i.V.m. § 81 Abs. 1 S. 2, 4 FamFG.






OLG Köln:
Beschluss v. 08.01.2010
Az: 6 W 153/09


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