Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 18. November 2002
Aktenzeichen: 1 L 2154/02

(VG Köln: Beschluss v. 18.11.2002, Az.: 1 L 2154/02)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 25.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Ziffer 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 80 Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zulässige Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 7212/02 der Antragstellerin gegen den Bescheid der An- tragsgegnerin vom 23. Juli 2002 anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit der im Streit befindlichen Maßnahme (§ 80 Abs. 2 TKG) und dem Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.

Bei der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage kann weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 23. Juli 2002 festgestellt werden. Die demnach erforderliche allgemeine Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus.

Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen, auf §§ 30 Absätze 4 und 2, 25 Abs. 2, 24 TKG i.V.m. § 27 Abs. 4 TKG, §§ 2, 3 der Telekommunikations- Entgeltregulierungsverordnung (TEntgV) gestützten, Bescheides folgt zunächst nicht daraus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Entgelt des Payphone Access Charge (PAC) nicht um ein solches für "andere Telekommunikationsdienstleistungen" im Sinne des § 25 Abs. 2 TKG handelte.

Dass die fraglichen Entgelte nicht der exante-Regulierung nach § 25 Abs. 1 bzw. §§ 39 1. Alt., 25 Abs. 1 TKG unterfallen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf daher keiner weiteren Darlegung. Dass es der nachträglichen Entgeltregulierung unterfällt, ergibt sich aus nachstehenden Überlegungen:

Das PAC wird von der Antragstellerin für die Zuführung von so genannten Freephone-Gesprächen aus ihren öffentlichen Telefonstellen von solchen Netzbetreibern erhoben, die in ihren Netzen gebührenfreie Nummern realisieren, und zwar für den Betrieb, die Wartung und die Instandhaltung der öffentlichen Telefonstellen. Die Bereitstellung von öffentlichen Telefonstellen hat zunächst der Normgeber in § 1 Ziffer 2 lit. c) der Telekommunikations-Universaldienstleistungsverordnung (TUDLV) als Telekommunikationsdienstleistung, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Sprachtelefondienst steht, qualifiziert. Der Verordnungsgeber hat sich mit dieser Regelung auch im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 17 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 3 TKG gehalten, denenzufolge durch Rechtsverordnung Telekommunikationsdienstleistungen als Universaldienstleistungen bestimmt werden können, die wiederum mit solchen Telekommunikationsdienstleistungen, die u.a. den Bereichen des Sprachtelefondienstes und des Betreibens von Übertragungswegen zuzuordnen sind, in unmittelbarem Zusammenhang stehen und deren Erbringung für die Öffentlichkeit als Grundversorgung unabdingbar geworden sind. Nach Vorstellung des Gesetzgebers sollten u.a. öffentliche Sprechstellen unter § 17 (bzw. § 16 des Gesetzesentwurfs) Abs. 1 Satz 3 TKG fallen und damit - wie geschehen - als Telekommunikationsdienstleistungen qualifiziert werden können,

vgl. BT-Drucksache 13/3609, Seite 41.

Handelt es sich aber damit bei der Zurverfügungstellung von öffentlichen Telefonstellen um eine "andere Telekommunikationsdienstleistung" gemäß § 25 Abs. 2 TKG, unterliegt das hierfür von der Antragstellerin erhobene Entgelt in Form des PAC dem Verfahren nach § 30 TKG.

Weiter ist der Bescheid vom 23. Juli 2002 auch nicht deswegen offensichtlich rechtswidrig, weil ihm ein unzutreffender Kostenmaßstab insoweit zu Grunde gelegt worden wäre, als die Antragsgegnerin das PAC daraufhin untersucht hat, ob es sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientiert.

Nach § 30 Abs. 4 TKG erfolgt die Anpassungsaufforderung, wenn die Entgelte nicht den Maßstäben des § 24 Abs. 2 TKG genügen, d.h. insbesondere dann, wenn sie bestimmte Aufschläge oder Abschläge enthalten. Es kann vorliegend offen bleiben, ob aus der alleinigen Bezugnahme auf die Tatbestände des § 24 Abs. 2 TKG gefolgert werden muss, dass etwa generell - bei anderen als den vorliegend streitgegenständlichen Entgelten - im Rahmen der Anpassungsaufforderung nach § 30 Abs. 4 TKG die Frage, ob sich die Entgelte an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne des § 24 Abs. 1 TKG orientieren, keine Rolle spielt. Gegen eine solche Sichtweise spricht allerdings zum einen, dass die Regulierungsbehörde die Überprüfung nach § 30 Abs. 2 TKG einzuleiten hat, wenn ihr Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass die betreffenden Entgelte nicht den Maßstäben des § 24 TKG - insgesamt - genügen, mithin auch dann, wenn sie - nur - nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 1 TKG entsprechen. Zum anderen spricht gegen eine solche Auslegung des § 30 Abs. 4 TKG die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 TEntgV, demzufolge bei der nachträglichen Entgeltüberprüfung § 3 entsprechend gilt. § 3 Abs. 1 TEntgV wiederholt aber sinngemäß die Regelung des § 24 Abs. 1 TKG, indem er der Regulierungsbehörde aufgibt, die vorgelegten Kostennachweise dahingehend zu überprüfen, ob sich die Entgelte an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientieren. Dies hätte zur Folge, dass die Regulierungsbehörde dann nach § 30 Abs. 4 TKG vorzugehen hätte, wenn die überprüften Entgelte sich in Abweichung von § 24 Abs. 1 TKG nicht an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientieren oder einer der in § 24 Abs. 2 TKG normierten Missbrauchstatbestände erfüllt ist,

vgl. Spoerr in: Trute/Spoerr/Bosch, TKG und FTEG, § 30 TKG Rdn. 16; Schuster/Stürmer in: Beck`scher TKG Kommentar, 2. Auflage, § 30 TKG Rdn. 39; ferner: Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, § 30 TKG Rdn. 10.

Jedenfalls hat letztere Auslegung für den vorliegenden Regelungszusammenhang zu gelten. Dies ergibt sich aus Folgendem: Gemäß §§ 24 Abs. 1 Satz 2, 17 Abs. 1 Satz 1 TKG haben Universaldienstleistungen erschwinglich zu sein. Der Begriff der Erschwinglichkeit ist für die hier in Rede stehenden Universaldienstleistungen im Sinne des § 1 Ziffer 2 lit. c) TUDLV in § 2 Abs. 2 TUDLV inhaltlich entsprechend dem Kostenmaßstab des § 24 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. TKG definiert. Nach der genannten Norm gilt der Preis für die Universaldienstleistungen nach § 1 Ziffer 2 TUDLV nämlich dann als erschwinglich, wenn er sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne des § 3 Abs. 2 TEntgV orientiert. Damit spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin zu Recht im Rahmen der nachträglichen Entgeltregulierung eine Überprüfung anhand der Maßstäbe beider Absätze des § 24 TKG vorgenommen hat.

Im Zusammenhang mit der erfolgten Kostenprüfung besteht allerdings Anlass darauf hinzuweisen, dass die Annahme der Antragsgegnerin auf Seite 9 des angefochtenen Bescheides, sie könne im Rahmen der expost-Kontrolle in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 3 TEntgV ein vollständiges Verbot der Entgelterhebung aussprechen, verfehlt ist. Die zitierte Vorschrift ist ausschließlich im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens im Rahmen der exante-Regulierung anwendbar. Dies ergibt sich - außer aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 TEntgV sowie dem Wesen des Genehmigungsverfahrens - auch aus § 6 Abs. 1 Satz 1 TEntgV, der nur auf § 2 Abs. 1 und 2 nicht aber auf Abs. 3 verweist. Dieser fehlerhafte rechtliche Ansatz führt indes nicht zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 23. Juli 2002, da er sich nicht auf die getroffene Regulierungsentscheidung ausgewirkt hat; die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin nicht die Erhebung des PAC vollständig untersagt, sondern sie vielmehr lediglich aufgefordert, es auf 0,09 EUR zu senken.

Führen somit die oben genannten Gesichtspunkte nicht zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vom 23. Juli 2002, so kann umgekehrt auch nicht festgestellt werden, dass der Bescheid offensichtlich rechtmäßig wäre. Ob und in welchem Umfange nämlich die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 TKG vorliegen, d.h., ob das PAC nicht den Maßstäben des § 24 TKG genügt, entzieht sich der Beurteilung im vorliegenden gerichtlichen Eilverfahren. Diese Klärung setzt umfängliche Ermittlungen der Ist- bzw. Plankosten sowie deren Überprüfung - gegebenenfalls unter Inanspruchnahme externen Sachverstands - voraus, die den Rahmen des summarischen Verfahrens sprengen würden.

Die damit erforderliche allgemeine Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.

Den von der Antragstellerin befürchteten jährlichen Umsatzeinbußen von 8 Millionen EUR auf der einen Seite stehen die wirtschaftlichen Interessen der Wettbewerber, die ein erhöhtes PAC an ihre Kunden mit entsprechenden Folgen für ihre Marktgängigkeit weitergeben müssten, auf der anderen Seite gegenüber. Das von der Antragstellerin des Weiteren angeführte Insolvenzrisiko kann zum einen realistischerweise nicht alle Netzbetreiber, von denen das PAC erhoben wird, betreffen. Zum anderen ist darauf zu verweisen, dass der Antragstellerin auch der Weg, über eine Amtshaftungsklage gegen die Antragsgegnerin vorzugehen, unbenommen bleibt. In dieser Situation einer Gleichrangigkeit der widerstreitenden wirtschaftlichen Interessen muss damit die Abwägung schon deswegen zu Lasten der Antragstellerin ausfallen, weil der Gesetzgeber in § 80 Abs. 2 TKG die sofortige Vollziehbarkeit von Regulierungsentscheidungen generell angeordnet hat. Nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er in § 80 Abs. 2 TKG zum Ausdruck kommt, besteht nämlich ein besonderes Interesse am Sofortvollzug, um möglichst schnell einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb herzustellen,

dies betonend: BVerwG, Urteil vom 25. April 2001 - 6 C 6.00 -, UA S. 33 = NVwZ 2001, 1399 (1405).

In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass die Interessen, die die Antragstellerin vorliegend geltend macht, bei allen für sie nachteiligen Entscheidungen im Rahmen der Entgeltregulierung in ähnlicher Form tangiert und damit als typisch anzusehen sind. Würde man in diesen Fällen in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bei offenen Erfolgsaussichten der Klage generell dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin am vorläufigen Erheben- bzw. Behaltendürfen der beanstandeten Entgelte den Vorzug geben, liefe in diesem Bereich die gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehbarkeit von Regulierungsentscheidungen weitgehend leer.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).






VG Köln:
Beschluss v. 18.11.2002
Az: 1 L 2154/02


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