Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 29. September 1987
Aktenzeichen: 1 TG 2160/87

(Hessischer VGH: Beschluss v. 29.09.1987, Az.: 1 TG 2160/87)

Gründe

I.

Die am 04.10.1940 geborene Antragstellerin bestand mit den Fächern Latein und Evangelische Religion am 06.01.1967 die erste Staatsprüfung und am 09.07.1971 die zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien, und zwar jeweils mit der Note "befriedigend". Mit Wirkung vom 01.08.1974 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Studienrätin ernannt; am 19.04.1978 wurde sie zur Oberstudienrätin befördert. Im Jahre 1974 promovierte sie zum Doktor der Theologie. Seit August 1972 ist sie im wesentlichen an der L-schule in W. tätig.

Seit dem Jahre 1980 hat sie sich auf insgesamt sieben Schulfunktionsstellen der Besoldungsgruppe A 15 BBesG ohne Erfolg beworben.

Nachdem im September 1986 die Stelle eines Oberstudiendirektors als Leiter der Max-Planck-Schule/Gymnasium in R. ausgeschrieben worden war, bewarb sich die Antragstellerin auch um diese Stelle. Während des Auswahlverfahrens hat sie mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 26.03.1987 beim Verwaltungsgericht Wiesbaden einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.

Sie hat im wesentlichen vorgetragen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache dürfe ihr bei der Besetzung der ausgeschriebenen Schulleiterstelle kein anderer Bewerber vorgezogen werden, da sie, wie sie im einzelnen dargelegt hat, in den vorangegangenen sieben Bewerbungsverfahren um Funktionsstellen gegenüber anderen Bewerbern aus sachwidrigen Erwägungen zurückgesetzt worden sei. Sie sei für Führungsaufgaben außerordentlich qualifiziert. Der Antragsgegner habe in den vorangegangenen Verfahren so schnell endgültige Verhältnisse geschaffen und die abgelehnten Bewerber jeweils so spät benachrichtigt, daß einstweilige Anordnungen nicht hätten ausgebracht werden können. Es sei deshalb die dringende Gefahr begründet, daß der Antragsgegner über ihre Bewerbung um die Schulleiterstelle an der Max-Planck-Schule in R. wiederum sachwidrig entscheide, so daß nur durch eine einstweilige Anordnung die Schaffung endgültiger, für sie nachteiliger Verhältnisse verhindert werden könne. Ihre Befürchtung, auch in dem streitbefangenen Bewerbungsverfahren keine Berücksichtigung zu finden, werde dadurch bestätigt, daß in dem Stellenbesetzungsgutachten der Regierungspräsident in Darmstadt ihre Eignung für eine hervorgehobene Funktion zwar bestätigt habe, aber wiederum zwei andere Beamte als Bewerber der engeren Wahl bezeichnet habe. Aus ihrer bisherigen rechtswidrigen Zurücksetzung folge, daß sie aus Gründen der Gleichstellung wie ein Bediensteter der Besoldungsgruppe A 15 ohne Funktionsstelle zu behandeln sei.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. dem Antragsgegner vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, ihr, der Antragstellerin, bei der Besetzung der Stelle eines Oberstudiendirektors als Leiter der Max-Planck-Schule/Gymnasium in .. R. einen anderen Bewerber vorzuziehen;

2. dem Antragsgegner aufzugeben, sie, die Antragstellerin, bei diesem und künftigen Stellenbesetzungsverfahren wie einen Bediensteten mindestens der Besoldungsgruppe A 15 ohne Funktionsstelle (Unterbringungsfall mindestens der Besoldungsgruppe A 15) zu behandeln.

Der Antragsgegner hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Antragstellerin sei in der Vergangenheit weder, rechtswidrig benachteiligt worden, noch könne sie aus der Vielzahl früherer Bewerbungen einen Anspruch irgendwelcher Art herleiten. Es stehe derzeit noch nicht einmal fest, daß die Antragstellerin auch bei dem anstehenden Bewerbungsverfahren nicht zum Zug kommen werde. Der außerdem geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz sei schon wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Durch Beschluß vom 29.07.1987 hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit folgender Begründung abgelehnt: Der Antrag zu 1. sei unzulässig, da die Antragstellerin keine rechtserhebliche Gefährdung eines ihr zustehenden Individualinteresses glaubhaft gemacht habe. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, daß der für die Entscheidung über den auszuwählenden Bewerber zuständige Kultusminister das Auswahlverfahren abgeschlossen und die Antragstellerin hierbei tatsächlich keine Berücksichtigung gefunden habe. Ein Anordnungsgrund ergebe sich auch nicht auf Grund des Umstands, daß die Antragstellerin sich in der Vergangenheit bereits siebenmal vergeblich um Funktionsstellen beworben habe. Jedes der Bewerbungsverfahren stelle ein eigenständiges Verfahren dar, in dem die Chancen der einzelnen Bewerber einerseits von der Qualifikation ihrer jeweiligen Mitbewerber, andererseits von den jeweils spezifischen Anforderungen, die an den künftigen Amtsinhaber zu stellen seien, abhingen. Die Antragstellerin habe auch hinsichtlich des Antrags zu 2 keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es sei weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich, daß sie zukünftig derart dringend auf die von ihr mit diesem Antrag begehrte Geldzahlung angewiesen sei, daß ihr weiteres Abwarten nicht zugemutet werden könne.

Gegen den am 30.07.1987 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 05.08.1987, eingegangen beim Verwaltungsgericht Wiesbaden am 06.08.1987, Beschwerde eingelegt, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Antragstellerin trägt im wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Rechtsschutzbedürfnis verneint. Wegen ihrer Zurücksetzung in den vorangegangenen Auswahlverfahren könne ihr nicht zugemutet werden, solange zu warten, bis sich erneut eine Verletzung ihrer Rechte abzeichne. Das Verwaltungsgericht habe außerdem den Antrag zu 2 mißverstanden, mit dem keine Wiedergutmachung durch Geldzahlung begehrt werde. Bei den Auswahlverfahren seien mehrere erhebliche Verfahrensverstöße begangen worden. Der Antragsgegner habe keine einheitlichen, differenzierten Beurteilungsmaßstäbe für die Auswahl von Funktionsstellenbewerbern. In keinem der Bewerbungsverfahren, an denen sie teilgenommen habe, sei nach einem überschaubaren System verfahren worden. Meist seien sachfremde, unkontrollierbare, emotionale Erwägungen zu Grunde gelegt worden. Es fehle auch an einer eindeutigen Zuständigkeitsregelung.

Ohne erkennbaren Plan werde einmal im einstufigen Verfahren bei dem Regierungspräsidenten, ein anderes Mal im zweistufigen Verfahren beim Regierungspräsidenten und Kultusminister eine Überprüfung der Bewerber vorgenommen. Bei Stellenbesetzungsverfahren komme es auch zu unzulässigen politischen Einflußnahmen. Das Fehlen von Beurteilungskriterien habe sich in der Praxis dahingehend ausgewirkt, daß Ämterpatronage leicht habe kaschiert werden können. Es sei auch fehlerhaft, daß ihrem Prozeßbevollmächtigten bei dem Überprüfungstermin im Kultusministerium die Anwesenheit nicht ermöglicht worden sei. An diesem Überprüfungstermin habe im übrigen der Abteilungsleiter E. teilgenommen, mit dem sie während der Zeit ihrer Abordnung im Kultusministerium von Februar 1982 bis Januar 1983 mehrmals unangenehme Auseinandersetzungen gehabt habe. Ihr Beförderungsbegehren stütze sich auf einen Anspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht. Sie müsse als Unterbringungsfall behandelt werden. Die Ministervorlage vom 06.08.1987 zeichne sich durch besondere Unsachlichkeit aus. Sie gebe den Verlauf der Überprüfung vom 04.08.1987 gröblich entstellt und unwahr wieder und ziele erkennbar auf ihre unredliche Diskriminierung. Entgegen den Ausführungen in der Ministervorlage sei sie in keinem Punkt eine konkrete Antwort schuldig geblieben. Die vorgenommenen Wertungen seien unbrauchbar, weil sie nicht durch Beispiele erhärtet seien. Die Befrager selbst seien es gewesen, denen es an praktischen Vorstellungen gefehlt habe und die gar nicht in der Lage gewesen seien, ihre Überprüfungsfragen sachgerecht zu stellen. Der im Beschwerdeverfahren beigeladene Mitbewerber habe bei der Überprüfung den Vorteil gehabt, daß er die Eigenarten des Staatssekretärs aus dessen früherer Tätigkeit als Leiter der L-schule in D. gekannt habe.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden.

Der Antragsgegner beantragt mit näherer Begründung,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Nachdem der Antragsgegner im Laufe des Beschwerdeverfahrens mitgeteilt hatte, er beabsichtige auf Grund des Auswahlverfahrens den Studiendirektor L. mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Leiters der Max-Planck-Schule in R. zu beauftragen, hat der Senat diesen durch Beschluß vom 10.09.1987 beigeladen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und zum Verfahren nicht Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakten und des einschlägigen Verwaltungsvorgangs (Kopien) des Hessischen Kultusministers Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung sind der Grund für die vorläufige Eilmaßnahme (Anordnungsgrund) und der Anspruch, dessen Erhaltung durch die einstweilige Anordnung gesichert werden soll (Anordnungsanspruch), von dem Antragsteller glaubhaft zu machen. Im vorliegenden Verfahren ist hinsichtlich des Antrags zu 1 ein Anordnungsgrund gegeben, denn der Antragsgegner beabsichtigt, die Stelle des Leiters der Max-Planck-Schule in R. mit dem Beigeladenen, nicht aber mit der Antragstellerin zu besetzen. Im Hauptsacheverfahren könnte diese Maßnahme jedenfalls nach einer Ernennung des Beigeladenen zum Oberstudiendirektor nach Beendigung der erfolgreich absolvierten kommissarischen Beauftragung nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das Auswahlverfahren wäre mit der Besetzung der Stelle abgeschlossen und die Bewerbung der Antragstellerin um diese Stelle mit ihrer endgültigen Besetzung gegenstandslos geworden. Vorläufiger Rechtsschutz kann der Antragstellerin deshalb nur über § 123 VwGO gewährt werden, zumal der beschließende Senat die Zulässigkeit der sogenannten Konkurrentenklage und damit die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO verneint (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 18.02.1985 - 1 TG 252/85 -, NJW 1985,1103 = ESVGH 35, 315 Nr. 172; Urteil vom 27.02.1985 - I OE 58/80 -, ZB R 1985, 258).

Die Antragstellerin hat jedoch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugunsten des Beigeladenen kann im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung nicht beanstandet werden.

Auch vor dem Hintergrund des Art. 33 Abs. 2 GG und der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hat ein Beamter grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Beförderung. Er hat allerdings das Recht, sich zu bewerben und einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Entscheidung unter Beachtung des Leistungsprinzips. Im übrigen steht die freie Auswahl unter den geeigneten Bewerbern im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Dieser darf im Rahmen sachgerechter Beurteilung darüber entscheiden, welchen Gesichtspunkten er bei der beabsichtigten Besetzung einer Stelle das größere Gewicht beimißt und welchen der Bewerber er für den geeigneteren hält. Leitbild für diese Entscheidung des Dienstherrn muß stets das öffentliche Interesse an einer wirksamen und störungsfreien Arbeit einer leistungsfähigen und leistungswilligen Beamtenschaft sein; dem Interesse des Beamten an einem angemessenen beruflichen Aufstieg geht das öffentliche Interesse an einer bestmöglichen Besetzung der Beförderungsstellen vor (ständige Rechtsprechung des beschließenden Senats, vgl. z. B. Urteil vom 28.05.1980 - I OE 59/77 -, Beschluß v. 18.02.1985 - 1 TG 252/85 - a.a.O.). Hat demnach der Bewerber um eine Beförderungsstelle grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Beförderung, so kann er dennoch auf Grund der Fürsorgepflicht seines Dienstherrn verlangen, nicht aus unsachlichen Erwägungen in seinem beruflichen Fortkomme behindert zu werden.

Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, daß bei Beachtung der vorstehend dargelegten Auswahlkriterien die Auswahlentscheidung des Antragsgegners rechtsfehlerhaft ist. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann die Art und Weise des Auswahlverfahrens gerichtlich nicht beanstandet werden. Die Bewerber für die neu zu besetzende Stelle des Leiters der Max-Planck-Schule in R. sind zunächst vom jeweiligen Staatlichen Schulamt beziehungsweise dem jeweiligen Studienseminarleiter dienstlich beurteilt worden. Vom Staatlichen Schulamt für den Landkreis Groß-Gerau ist über die Gesamtsituation der Max-Planck-Schule in R. berichtet worden. Anschließend ist von dem zuständigen schulfachlichen Dezernenten des Regierungspräsidenten in Darmstadt mit jedem der sieben Bewerber jeweils ein etwa einstündiges Überprüfungsgespräch geführt worden. Dabei sind jeweils dieselben Fragenkomplexe erörtert worden, die sich auf die Motivation für die Bewerbung, die Vorstellungen über die Aufgaben eines Schulleiters und über die Zusammenarbeit mit benachbarten und den der Schule zugeordneten Schulen mit Förderstufe, das Problem der sinkenden Schülerzahl und Rechtsfragen bezogen. Das Ergebnis dieser Überprüfungsgespräche ist von dem Regierungspräsidenten in einem 22 Seiten umfassenden Würdigungsbericht mit abschließender zusammenfassender Wertung wiedergegeben worden. Dieser Bericht ist zusammen mit den Bewerbungen, den Beurteilungen, den Personalakten und dem Bericht des Staatlichen Schulamts zur Situation der Max-Planck-Schule dem Hessischen Kultusminister vorgelegt worden. Aufgrund dieser Unterlagen hat das Kultusministerium vier der Bewerber, und zwar auch die Antragstellerin, zu Überprüfungsgesprächen geladen, bei denen jeweils dieselben zum Aufgabenbereich eines Schulleiters gehörenden Fragen angesprochen wurden. Das Ergebnis dieser Gespräche ist in einer schriftlichen Vorlage an den Minister mit Besetzungsvorschlag zusammengefaßt. Entsprechend diesem Vorschlag beabsichtigt der Kultusminister, den Beigeladenen mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Leiters der Max-Planck-Schule in R. zu beauftragen.

Ob diese Art des Auswahlverfahrens nach Auffassung der Antragstellerin oder auch des beschließenden Senats die zweckmäßigste ist oder ob ein besseres Auswahlverfahren denkbar erscheint, ist unerheblich, denn bei der Ausgestaltung des Verfahrens bei der Besetzung von Beförderungsdienstposten steht dem Dienstherrn ein Freiraum zu, den er in gerichtlich nicht angreifbarer Weise ausfüllen kann, sofern er dabei den in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz und § 8 Abs. 1 HBG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Bestenauslese Rechnung trägt. Diesem Grundsatz der Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung wird das im vorliegenden Verfahren angewandte Auswahlverfahren gerecht. Grundlage der Besetzungsentscheidung sind die dienstlichen Beurteilungen der Bewerber und das Ergebnis der Überprüfungsgespräche bei dem Regierungspräsidenten in Darmstadt und im Kultusministerium. Sowohl aus dem Würdigungsbericht des Regierungspräsidenten in Darmstadt als auch aus der Ministervorlage geht eindeutig hervor, daß maßgebend für die Auswahlentscheidung das Ziel gewesen ist, die freigewordene Stelle des Leiters der Max-Planck-Schule unter schulfachlichen Gesichtspunkten bestmöglich zu besetzen. Die Behauptungen der Antragstellerin, es sei bei dem Bewerbungsverfahren nicht nach einem überschaubaren, geregelten System mit einheitlichen Beurteilungsmaßstäben verfahren worden und es seien sachfremde und emotionale Erwägungen zugrundegelegt worden, können aufgrund der einschlägigen Auswahlvorgänge nicht nachvollzogen werden.

Das Auswahlverfahren ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin nicht zu dem Überprüfungsgespräch im Kultusministerium zugelassen worden ist. Zwar kann gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HessVwVfG - ein Beteiligter zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen, diese Vorschrift gilt jedoch gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 HessVwVfG nicht für die Tätigkeit der Behörden bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen. Eignungsprüfungen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 HessVwVfG sind auch Gespräche, in denen der Dienstherr sich ein Urteil über die Eignung eines Bewerbers für einen ausgeschriebenen Beförderungsdienstposten bildet. Unter den Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen sind "nicht nur verselbständigte, in einem förmlichen Verfahren abzulegende Prüfungen im engeren Sinn zu verstehen, sondern unabhängig von der verfahrensmäßigen Gestaltung alle Fälle, in denen die Behörde der Sache nach die Leistung oder Eignung von Personen oder Ähnliches prüft. Denn die vom Gesetzgeber berücksichtigte Eigenart solcher Prüfungen besteht darin, daß es für die Urteilsbildung der Behörde auf höchstpersönliche Äußerungen oder Tätigkeiten des Betroffenen und den gerade hieraus gewonnenen Eindruck von seiner Persönlichkeit ankommt. Dies hängt nicht von der förmlichen oder formlosen, selbständigen oder unselbständigen Gestaltung des Verfahrens ab. Auch die Wortwahl des Gesetzgebers, der insbesondere durch die Ausdehnung der Vorschrift auf 'ähnliche Prüfungen' von einer engen und abschließenden Begrenzung gerade abgesehen hat, spricht für eine weite Auslegung" (BVerwG, Urteil vom 28.04.1981 - 2 C 51.78 -, ZBR 1981,314 ff.). Das Überprüfungsgespräch im Kultusministerium fällt unter die von § 2 Abs. 3 Nr. 2 HessVwVfG erfaßten Eignungsprüfungen, denn es kam auf die persönlichen Äußerungen der Antragstellerin und den dabei zu gewinnenden persönlichen Eindruck an.

Ein Teilnahmerecht des Bevollmächtigten der Antragstellerin ergibt sich auch nicht aus § 3 Abs. 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO - wonach jedermann das Recht hat, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und u. a. vor Behörden vertreten zu lassen. § 3 Abs. 3 BRAO begründet nicht selbst die Befugnis des Bürgers, sich bei rechtlich bedeutsamen Handlungen eines Beistandes zu bedienen, sondern setzt sie voraus und verweist durch den Hinweis auf den "Rahmen der gesetzlichen Vorschriften" auf das für den jeweiligen Sachzusammenhang maßgebliche Recht, das hier - wie dargelegt - einen Teilnahmeanspruch nicht begründet (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.1981 - 2 C 51.78 -, ZBR 1981,314).

Die getroffene Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen ist auch der Sache nach gerichtlich nicht zu beanstanden. In der Ministervorlage vom 06.08.1987, die der zuständige Referent mit Billigung des Abteilungsleiters und des Staatssekretärs gefertigt hat, wird der Besetzungsvorschlag zusammenfassend mit den hohen fachlichen Qualitäten des Beigeladenen, seiner fundierten pädagogischen Erfahrung, seiner Fähigkeit zum Finden praktikabler Lösungen für die Probleme des schulischen Alltags und der unprätentiösen natürlichen Autorität seiner Person begründet. Dieses persönlichkeitsbedingte Werturteil, das der für die Auswahlentscheidung zuständige Kultusminister übernommen hat, unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung nur in einem beschränkten Umfang. Bei derartigen Werturteilen besteht für den Dienstherrn eine Beurteilungsermächtigung, so daß das Gericht, die '"Richtigkeit" der Beurteilung nicht etwa mit Hilfe von Sachverständigen im einzelnen nachprüfen darf. Es ist ihm verwehrt, das Werturteil des Dienstherrn in vollem Umfang zu überprüfen oder dieses gar durch ein eigenes zu ersetzen. Die Prüfung beschränkt sich darauf, ob der Dienstherr die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (vgl. Hess.VGH, Urteil vom 25.10.1978 - I OE 93/75 -, Seite 22 m.w.N.).

Auf Grund der sich aus den Akten und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sachlage bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Antragsgegner bei der Beurteilung der Bewerber und der Auswahl unter ihnen diese Grundsätze nicht beachtet hat. Im Rahmen der dem Gericht gesetzten Grenzen ist es durchaus nachvollziehbar, daß der Kultusminister den Beigeladenen deshalb ausgewählt hat, weil er, wie in der Ministervorlage ausgeführt wird, sich sowohl als in seinen Fächern umfassend gebildete und in didaktischen Fragen unbestrittene Fachkraft als auch als Praktiker erwiesen habe, der seine in jahrzehntelanger Arbeit gewonnenen Erfahrungen in allen schulischen Fragen mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksam und erfolgversprechend in die Tätigkeit eines Schulleiters werde einbringen können. Trotz seiner anerkannten Qualitäten erwecke er nicht den Eindruck eines von sich selbst überzeugten Fachmannes, sondern eher den eines für schulische Probleme durchaus sensiblen und nachdenklichen Menschen, der ein Kollegium nicht von der Warte eines Amtes aus bestimmen, sondern vielmehr durch Überzeugung leiten wolle. Er habe dabei eine Haltung gezeigt, die gerade für die Max-Planck-Schule angesichts der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen, in hohem Maße heilsam sein dürfte.

Demgegenüber hat sich auf Grund des Gesprächs mit der Antragstellerin bei dem Antragsgegner der Eindruck vertieft, daß die Antragstellerin dazu neige, über Schwierigkeiten elegant hinwegzugehen, und insoweit auch nicht die Fähigkeit besitze, die konkreten Probleme einer Schule in harter Arbeit praxisnah lösen und eine Schule erfolgreich leiten zu können. Soweit die Antragstellerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 24.09.1987 darlegt, die sie befragenden Beamten seien nicht in der Lage gewesen, ihre Überprüfungsfragen sachgerecht zu stellen, entgegen den Ausführungen in der Ministervorlage sei sie in keinem Punkt eine konkrete Antwort schuldig geblieben und außerdem seien die vorgenommenen Wertungen unbrauchbar, ist erneut darauf hinzuweisen, daß es allein auf die Beurteilung des Dienstherrn ankommt und nicht die Würdigung des Überprüfungsgesprächs einschließlich der fachlichen Kompetenz der das Gespräch führenden Beamten durch die Antragstellerin maßgebend ist.

Auch soweit die Antragstellerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung rügt, daß an dem Überprüfungsgespräch der zuständige Abteilungsleiter teilgenommen habe, mit dem sie während der Zeit ihrer Abordnung im Ministerium unangenehme Auseinandersetzungen gehabt habe, und daß der Beigeladene als "früherer Untergebener" des Staatssekretärs jede von dessen Eigenheiten genau gekannt habe, ist nicht glaubhaft gemacht, daß diese Umstände, ihre Richtigkeit unterstellt, dazu geführt haben, daß der Antragsgegner die Auswahlentscheidung in sachwidriger Weise getroffen und die Antragstellerin unter Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem beruflichen Fortkommen benachteiligt hat. Die Beurteilung der Eignung der vier Bewerber, mit denen im Kultusministerium Überprüfungsgespräche geführt worden sind, beruht im übrigen nicht auf der alleinigen Würdigung durch den Staatssekretär beziehungsweise durch den zuständigen Abteilungsleiter, sondern ist die zusammenfassende Wertung aller drei Beamten, die auf Seiten des Dienstherrn an den Überprüfungsgesprächen teilgenommen haben. Das die Antragstellerin betreffende Eignungsurteil deckt sich außerdem mit dem Würdigungsbericht des Regierungspräsidenten in Darmstadt, in dem u. a. ausgeführt wird, die Antragstellerin bleibe in ihren Aussagen stets sehr allgemein und gehe selten auf konkrete Nachfragen zielgerichtet ein. Ihre guten Ansätze entsprängen einer vorhandenen Idealvorstellung über die Situation des Schulleiters im Schulalltag, berücksichtigten aber weniger die realistischen Probleme und die stetige Konfrontation mit der Konfliktsituation.

Die Antragstellerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, sie müsse wegen der nach ihrer Auffassung rechtswidrigen Nichtberücksichtigung bei den vorangegangenen sieben Auswahlverfahren betreffend anderer Schulfunktionsstellen als "Unterbringungsfall" mindestens der Besoldungsgruppe A 15 BBesG behandelt werden und habe deshalb einen Anspruch auf Übertragung der Schulleiterstelle. Selbst wenn man unterstellt, sie sei tatsächlich in rechtswidriger Weise benachteiligt worden - was im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen ist -, so könnte sie deshalb bei Vorliegen eines Verschuldens nur in einem Klageverfahren Schadenersatz nach Amtshaftungsgrundsätzen oder wegen schuldhafter Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht verlangen, nicht aber damit einen Beförderungsanspruch bezogen auf andere zu besetzende Dienstposten begründen. In jedem Auswahlverfahren ist die Entscheidung über die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens oder die Beförderung nur nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu treffen.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin beruht ihre Nichtberücksichtigung in den vorangegangenen Auswahlverfahren und in dem Verfahren betreffend die Stelle des Leiters der Max-Planck-Schule in R. nicht auf einem einheitlichen Willen, sie unter keinen Umständen zu befördern. Das Kultusministerium hat gerade nicht einfach die ungünstige Würdigung der Antragstellerin durch den Regierungspräsidenten in Darmstadt übernommen, sondern hat sie zu einem Überprüfungsgespräch geladen, um sich aus eigener Anschauung ein Eignungsurteil bilden zu können.

Der Antrag zu 2 ist nicht zulässig. Soweit die Antragstellerin begehrt, dem Antragsgegner aufzugeben, sie bei dem Verfahren betreffend die Besetzung der Stelle des Leiters der Max-Planck-Schule in R. als "Unterbringungsfall" mindestens der Besoldungsgruppe A 15 BBesG zu behandeln, ist dies bereits im Rahmen des Antrags zu 1 geprüft worden. Insoweit hat der Antrag zu 2 keine selbständige Bedeutung. Soweit die Antragstellerin beantragt, sie bei künftigen Stellenbesetzungsverfahren wie einen Bediensteten der Besoldungsgruppe A 15 BBesG zu behandeln, ist der Antrag deshalb unzulässig, weil eine derart abstrakte Anordnung ohne Bezug zu einem konkreten Auswahlverfahren gegenüber dem Antragsgegner nicht erlassen werden kann. Außerdem würde eine solche Anordnung eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache darstellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Danach fallen die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

Die Entscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen folgt aus § 162 Abs. 3 VwGO. Die Billigkeit gebietet es nicht, außergerichtliche Kosten des Beigeladenen, der selbst keinen Antrag gestellt und deshalb nicht am Kostenrisiko teilgenommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), auch nur zum Teil den übrigen Beteiligten oder der Staatskasse aufzuerlegen.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3, 25 Abs. 1 GKG.

Der Senat setzt bei einem Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO wegen der Besetzung von höherbewerteten Dienstposten, auch wenn nach - noch ausstehender - Bewährung eine Beförderung des erfolgreichen Bewerbers beabsichtigt ist, die Hälfte des Hilfsstreitwertes gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG fest (vgl. Hess. VGH Beschluß vom 29.01.1987 - 1 TG 3162/86 -, HessVGRspr. 1987, 41). Die Befugnis, die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung von Amts wegen abzuändern, beruht auf

§ 25 Abs. 1 Satz 3 GKG.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).






Hessischer VGH:
Beschluss v. 29.09.1987
Az: 1 TG 2160/87


Link zum Urteil:
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