Landgericht Bonn:
Urteil vom 20. November 2009
Aktenzeichen: 1 O 360/09

(LG Bonn: Urteil v. 20.11.2009, Az.: 1 O 360/09)

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 09.10.2009 wird aufrechterhalten.

2. Der Verfügungsbeklagten werden auch die weiteren Kosten des Verfahrens auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin vertreibt Damen- und Herrenmode sowie Kleidungsaccessoires diverser Marken, und zwar u.a. über das Internet, so beispielsweise über die Handelsplattform "F".

Unter ihrem F-Verkäufernamen "U" hat sie nach unbestrittenem Vorbringen in den vergangen Jahren weit über 90000 Auktionen durchgeführt. Sie hat den sogenannten "Powerseller"-Status und überwiegend positive Bewertungen (99,7 bis 99,8 % positive Bewertungen bei weit über 90.000 Verkäufen).

Die Verfügungsklägerin verfügt über Handelsbeziehungen zu mehreren Marken- und Modehäusern, so u.a. auch zu der Firma M, die wiederum für E und P über eine exklusive Markenlizenz der Firma "G" im Textilwarenbereich verfügt.

Nach dem weiteren Vorbringen der Verfügungsklägerin steht sie derzeit mit verschiedenen Unternehmen in Vertragsverhandlungen, mit dem Ziel einen Kommissionsvertrag abzuschließen, um u.a. bei F exklusiv einen sogenannten "Markenshop" für deren Markenprodukte zu etablieren.

Die Verfügungsbeklagte ist ihrerseits bei F unter dem Pseudonym "N-......" registriert. Sie erwarb bei der Verfügungsklägerin ein "Langarmshirt, Größe XL, G bei B ...... zum Preise von 38,49 €.

Nach Lieferung der Ware meldete sich die Verfügungsbeklagte bei der Verfügungsklägerin und gab an, dass das gelieferte Shirt der Größe nach nicht passe und ob es möglich sei, im Wege des Tausches eine andere Größe zu erhalten. Nach einiger per Email geführter Kommunikation erklärte die Verfügungsbeklagte schließlich den Widerruf ihrer Vertragserklärung und sandte die Textilie zurück. Dabei begehrte sie Rückzahlung des Kaufpreises nicht auf dasjenige Konto, von dem aus sie den Kaufpreis ursprünglich überwiesen hatte sondern auf das Konto einer anderen Person. Weil die Rückzahlung des Kaufpreises nach Auffassung der Verfügungsbeklagten zu lange Zeit in Anspruch nahm, drohte sie schließlich telefonisch mehrfach damit, die Verfügungsklägerin wegen Betruges anzeigen zu wollen. Schließlich gab sie am ........20... auf der Internetplattform die folgende Negativbewertung ab:

"Gefälscht! Umtauschchaos, Drohung mit Anzeige, Geld zurück über eine Woche."

Hiergegen wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrem Unterlassungsbegehren. Mit Schriftsatz vom ........20..., bei Gericht eingegangen am selben Tage, hat sie den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit folgendem Hauptantrag begehrt:

Der Antragsgegnerin wird verboten, im Zusammenhang mit dem F-Kauf Nr................... Langarm Shirt XL G by B ...... zum Preis von EUR 38,49 der Öffentlichkeit zugänglich zu behaupten und/oder zu verbreiten, diese Textilie sei gefälscht, wie in ihrer Verkäufer-Bewertung "Gefälscht! Umtauschchaos, Drohung mit Anzeige, Geld zurück über eine Woche."

Am 09.10.2009 wurde die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Verfügungsbeklagten vom 16.10.2009.

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr,

die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 09.10.2009 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 05.10.2009 zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, mit dem Wort "Gefälscht!" habe sie lediglich ein Werturteil abgegeben und keineswegs den Vorwurf der Markenpiraterie erhoben. Denn das Wort "Gefälscht!" könne sich durchaus auch auf einzelne Angaben in der Produktbeschreibung beziehen, wie Größe, Farbe, Zustand, Textilpflege oder Material des Produktes sowie Übereinstimmung mit dem Foto.

Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass sich ein Verkäufer der sich, wie hier, über die Internetplattform mit seinem Tun der Öffentlichkeit zuwendet und sogar zur Bewertung auffordert, in weit höherem Masse der Kritik stellen müsse, als dies bei einem Betroffenen der Fall ist, an dessen Verhalten ein berechtigtes öffentliches Interesse kaum besteht.

Auch eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Dies ergäbe sich aus den Besonderheiten des F-Bewertungsverfahrens. Die einzige Möglichkeit, noch einmal auf die geschehene Art und Weise eine weitere Äußerung abzugeben, sei ein sogenannter "Ergänzungskommentar". Diese Möglichkeit sei auf 60 Tage beschränkt.

Schließlich mangele es auch an einem Verfügungsgrund, und zwar insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verfügungsklägerin außergerichtlich unstreitig- eine Frist zur Abgabe einer strafbewehrten Unterwerfungserklärung bis zum 24.09.2009 gesetzt, aber nach deren fruchtlosen Ablauf gleichwohl noch bis zum 05.10.2009 mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugewartet habe.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten war über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung nunmehr unter Berücksichtigung auch des Vorbringens der Verfügungsbeklagten durch Endurteil zu entscheiden, § 936, 925 Abs. 1 ZPO. Die Überprüfung und Entscheidung führt zur Bestätigung der einstweiligen Verfügung vom 09.10.2009.

Der Verfügungsbeklagten steht ein Unterlassungsanspruch nach den §§ 823 BGB, 1004 BGB analog zu. Denn mit der Bewertung "Gefälscht!" hat die Verfügungsbeklagte das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Verfügungsklägerin verletzt.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten handelt es sich bei dieser Äußerung um eine Tatsachenbehauptung, also eine Behauptung, deren Wahrheitsgehalt erforderlichenfalls positiv oder negativ festgestellt werden kann.

Weil die Verfügungsklägerin mit Markenartikeln namhafter Hersteller handelt, verbindet der objektive Betrachter eine solche Äußerung sehr wohl mit dem Vorwurf einer "Markenpiraterie", nämlich mit dem Vorwurf, bei dem angebotenen und gelieferten Produkt handele es sich um "Billigware aus Fernost", bei der nur durch Einarbeiten eines Markenzeichens der Eindruck erweckt wird, es handele sich um Originalware des angegebenen Herstellers. Eine so verstandene Produktnachahmung und/oder Markenpiraterie ist einem Großteil der Bevölkerung durch entsprechende Veröffentlichungen der Europäischen Union oder nationaler Zollbehörden in Presse, Funk und Fernsehen durchaus geläufig.

Fernliegend ist dagegen die Auffassung der Verfügungsbeklagten, das Wort "Gefälscht!" könne sich auch auf andere Eigenschaft des Produkts wie etwa Größe, Farbe, Zustand oder Übereinstimmung mit dem Foto beziehen.

Die behauptete Tatsache erweist sich auch als falsch. Die Verfügungsklägerin hat durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen u.a. auch der Firma M, und zwar durch deren Inhaber, Herrn L, bestätigt, dass die Verfügungsklägerin dort eine entsprechende Originalware bestellt habe, welche ihr auch ausgeliefert worden sei. Dem hat die Verfügungsbeklagte, die sich ohnehin nur damit verteidigen will, bei ihrer Äußerung handele es sich um ein Werturteil, nicht widersprochen. Dieser Auffassung kann indessen, wie bereits ausgeführt, nicht gefolgt werden.

Damit erübrigt sich auch ein weiteres Eingehen auf die Frage, inwieweit eine überspitzte Kritik, insbesondere wenn -wie hier- zu einer Bewertung über das Internet aufgefordert wird, noch von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasst ist oder nicht. Diese Frage stellt sich lediglich bei Werturteilen und nicht bei Tatsachenbehauptungen.

Auch eine Wiederholungsgefahr ist zu bejahen. In der Regel begründet eine vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. nur BGH NJW 2004, 1035 und BGH NJW 1999, 356). Das bloße Versprechen oder die Ankündigung, die störende Handlung nicht mehr vorzunehmen, räumt die Wiederholungsgefahr in der Regel nicht aus. Vielmehr bedürfte es hierzu der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, zu deren Abgabe sich die Verfügungsbeklagte bisher nicht entschließen konnte.

Auch die Besonderheit einer "F-Bewertung" rechtfertigt keine andere Entscheidung. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass bei F im Anschluss an ein bestimmtes Rechtsgeschäft nur einmalig die Möglichkeit bestehen soll, einen bestimmten Text abzusetzen, wovon das von der Verfügungsbeklagten zitierte Landgericht C ausgeht (Urteil vom 13.07.2006, 2 O ...#/06), so kann sich das erkennende Gericht dem nicht anschließen. Wie bereits ausgeführt, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die Widerlegung einer Wiederholungsgefahr hohe Anforderungen zu stellen. Vor diesem Hintergrund genügt auch die bloße Möglichkeit, dass die Verfügungsklägerin die entsprechende Behauptung in einem anderen Medium, beispielsweise in einem Internetforum oder auch im größeren Bekanntenkreis, erneut aufstellt.

Ohne dass es insoweit noch entscheidend darauf ankommt, räumt die Verfügungsbeklagte überdies selbst ein, dass es jedenfalls noch die Möglichkeit eines "Ergänzungskommentars" bei F gäbe, wobei diese Möglichkeit auf 60 Tage beschränkt sein soll. Rechnet man diese 60 Tage ab Abgabe der ersten Äußerung (10.09.2009), dann wären diese jedenfalls bis zum Erlass der einstweiligen Verfügung am 09.10.2009 und auch zum Zeitpunkt der jetzt maßgeblichen mündlichen Verhandlung (06.11.2009) noch nicht abgelaufen gewesen.

Auch ein Verfügungsgrund ist gegeben. Ein Unterlassungsanspruch kann auch außerhalb des Wettbewerbsrechts, wenn also die Vorschrift des § 12 Abs. 2 UWG nicht unmittelbar anzuwenden ist, Gegenstand einer einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 und 940 ZPO sein, sofern die diesbezüglichen Voraussetzungen vorliegen (vgl. Thomas-Putzo, ZPO; 30. Auflage, § 935, Rdnr. 5 und Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 935, Rdnr. 6). Diese sind hier zu bejahen. Durch die aufgestellte falsche Behauptung kann der Ruf der Verfügungsklägerin im Geschäftsleben ganz erheblich beeinträchtigt werden, so dass auch eine Eilbedürftigkeit gegeben ist und die Verfügungsklägerin nicht auf ein Klageverfahren verwiesen werden kann.

Ohne Erfolg trägt die Verfügungsbeklagte schließlich vor, die Verfügungsklägerin habe jedenfalls nach erfolglosem Ablauf der gesetzten "Abmahnfrist" zu lange zugewartet. Dem kann sich das Gericht nicht anschließen. Bei Wettbewerbssachen, bei denen die Eilbedürftigkeit vermutet wird, halten die Oberlandesgerichte ein Zuwarten von einem Monat jedenfalls noch nicht für zu lang (vgl. hierzu Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Kommentar zum UWG, § 12, Rdnr. 3.15 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Diese Rechtsprechung kann hier zumindest entsprechend angewandt werden, und diese Monatsfrist war hier noch nicht abgelaufen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Das im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens ergangene Urteil ist vorläufig vollstreckbar, ohne dass es dazu eines besonderen Ausspruchs im Tenor bedurfte.

Gegenstandswert: 10.000,00 €.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 53 Abs. 1 GKG, 3 ZPO. Auch nach Abwägung der Argumente der Verfügungsklägerin, die den Gegenstandswert weit höher angesetzt haben will und der Argumente der Verfügungsbeklagten, die für eine deutliche Herabsetzung dieses Werts plädiert, hält das Gericht den bereits in der einstweiligen Verfügung festgesetzten Gegenstandswert von 10.000,00 € angemessen.






LG Bonn:
Urteil v. 20.11.2009
Az: 1 O 360/09


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