Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 8. Februar 2010
Aktenzeichen: II ZR 54/09

(BGH: Beschluss v. 08.02.2010, Az.: II ZR 54/09)

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 5. Februar 2009 durch Beschluss gemäß § 552 a ZPO zurückzuweisen.

Streitwert: 12.760,00 €

Gründe

Zulassungsgründe liegen nicht vor; die Revision des Klägers hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

1. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts geboten.

a) aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist (siehe grundlegend hierzu BGHZ 151, 221, 223 f.; 154, 288, 291 ff.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (s. MünchKommZPO/ Wenzel 3. Aufl. § 543 Rdn. 7; Musielak/Ball, ZPO 7. Aufl. § 543 Rdn. 5 a, jew. m.w.Nachw.). Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (s. nur BVerfG, NJW-RR 2009, 1026 Tz. 14).

bb) Danach hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob Vereinsvorstände analog §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 GmbHG n.F.), 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. 92 Abs. 3 AktG, 99 Abs. 2 i.V.m. 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife des Vereins haften, ist - jedenfalls jetzt - nicht mehr klärungsbedürftig, sondern nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten.

Die vereinzelt in der Literatur (Passarge, ZInsO 2005, 176; ders. NZG 2008, 605; Wischemeyer, DZWIR 2005, 230; ihnen regelmäßig ohne eigene Begründung folgend MünchKommBGB/Reuter 5. Aufl. § 64 Rdn. 17; ebenso Werner, ZEV 2009, 366, 369 f.; Roth/Knof, KTS 2009, 173, 179 f.; Hirte, FS Werner, 222, 228 - letztere alle für Stiftungsvorstände) reklamierte "planwidrige" Regelungslücke in § 42 Abs. 2 BGB besteht de lege lata offensichtlich nicht. Ihr angebliches Vorhandensein war auf der Grundlage des geltenden Rechts vom Gesetzgeber selbst spätestens schon widerlegt worden, als dieser - mit entsprechender Begründung (BT-Drucks. 16/6140 S. 55) - § 42 Abs. 2 BGB unverändert ließ, als § 15 a InsO geschaffen wurde (s. hierzu auch Haas/Goetsch in Beuthin/Gummert, MünchHdB GesR Bd. 5, 3. Aufl. § 60 Rdn. 41); erst Recht ist die These von der "planwidrigen" Regelungslücke unvertretbar geworden, als der Gesetzgeber seine gegenteiligen Vorstellungen durch das "Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereins- und Stiftungsvorständen" vom 28. September 2009 (BGBl. I, 3161) zum Ausdruck gebracht hat: Der Gesetzgeber hält die ehrenamtliche Tätigkeit der Bevölkerung für das Gemeinwesen für unabdingbar, er will sie fördern und hat zu diesem Zweck als Reaktion auf die negativen Folgen der Haftungsrisiken ehrenamtlich tätiger Vereinsvorstände für die Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland mit diesem Gesetz Haftungserleichterungen geschaffen mit dem Ziel, die Haftungsrisiken der Vorstände auf ein zumutbares Maß zu begrenzen (BT-Drucks. 16/10120, S. 1, 6; BT-Drucks. 16/13537, S. 1). Auch wenn der durch das genannte Gesetz mit Wirkung ab 3. Oktober 2009 eingefügte § 31 a BGB die hier zugrunde liegende Haftungsproblematik nicht unmittelbar betrifft, so spricht doch der darin zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers eine eindeutige Sprache gegen eine Ausdehnung der Haftung von Vereinsvorständen (ebenso Klasen, BB 2009, 690; Hangebrauck, EWiR 2009, 699; Kunkel, jurisPR-HaGesR 8/2009 Anm. 3). Denn damit stünde die gesetzlich nicht fundierte Haftung für Masseschmälerungen - sie passt ohnehin schwerlich zur Struktur eines Vereins, der anders als GmbH oder Aktiengesellschaft keine Kapitalschutzregeln kennt - in einen unauflösbaren Wertungswiderspruch. Mit Recht wird deswegen de lege lata eine Massesicherungspflicht von Vereinsvorständen und eine Haftung für Masseschmälerungen im Schrifttum abgelehnt (vgl. Koza, DZWIR 2008, 98; Roth, EWiR 2009, 331; Umbeck, GWR 2009, 10; Kunkel aaO; Klasen aaO; Hangebrauck aaO; eine Analogie ebenfalls ablehnend Erman/H.P.Westermann, BGB 12. Aufl. § 42 Rdn. 6; Schwarz/Schöpflin in Bamberger/Roth, BGB-BeckOK § 42 Rdn. 9; Palandt/Ellenberger, BGB 69. Aufl. § 42 Rdn. 4; Haas/Goetsch in Beuthin/Gummert aaO).

Diese klarstellende Wertentscheidung des Gesetzgebers konnte das Berufungsgericht bei seiner Zulassungsentscheidung, die vor dem 28. September 2009 ergangen ist, noch nicht berücksichtigen.

Ob de lege ferenda eine Haftung für masseschmälernde Zahlungen nach Insolvenzreife, die allenfalls für sog. "großwirtschaftliche Vereine" und Stiftungen ernsthaft diskutiert werden könnte, sinnvoll sein kann, hat der Senat nicht zu entscheiden.

b) Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts scheidet schon deswegen aus, weil die Bejahung einer Analogie zu den gesetzlich geregelten, auf ganz andere Verhältnisse zugeschnittenen Fällen auf eine Rechtsfortbildung contra legem hinausliefe.

c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt auch der Frage, auf welchen Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung hinsichtlich der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden bei dem Schadensersatzanspruch gemäß § 42 Abs. 2 BGB abzustellen ist, mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung zu: Es entspricht seit BGHZ 29, 100, 102 ff. ständiger Rechtsprechung und der einhelligen Ansicht in der Literatur (s. insoweit nur Baumbach/Hueck, GmbHG 19. Aufl. § 64 Rdn. 132; MünchKommAktG/Spindler, 3. Aufl. § 92 Rdn. 47 jew. m.w.Nachw.), dass der Quotenschaden des Gläubigers danach zu berechnen ist, was er im Vergleich zu der tatsächlich erhaltenen Quote erhalten hätte, wenn der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt worden wäre.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Mangels Anspruchsgrundlage kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine Haftung der Beklagten für masseschmälernde Zahlungen nicht in Betracht.

b) Soweit - was durchaus zweifelhaft erscheint - der Vortrag des Klägers sich überhaupt dahin auslegen lässt, dass er (auch) den Quotenschaden der Gläubiger gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 92 Satz 1 InsO geltend gemacht hat, hat das Berufungsgericht auch diesen Anspruch mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, dass der Kläger einen Quotenschaden in Höhe der Klageforderung schon nicht ansatzweise ordnungsgemäß dargelegt hat (s. dazu nur BGHZ 138, 211, 221).

Goette Caliebe Drescher Löffler Bender Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Vorinstanzen:

LG Hamburg, Entscheidung vom 17.08.2007 - 310 O 431/06 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 05.02.2009 - 6 U 216/07 -






BGH:
Beschluss v. 08.02.2010
Az: II ZR 54/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7d9974a965de/BGH_Beschluss_vom_8-Februar-2010_Az_II-ZR-54-09


Admody

Rechtsanwälte Aktiengesellschaft


service@admody.com

0511 60 49 81 27 ☏

Kontaktformular ✎

Rückrufbitte ✆

Admody RAe AG
Theaterstraße 14 C
30159 Hannover
Deutschland

www.admody.com ▸





Für Recht.
Für geistiges Eigentum.
Für Schutz vor unlauterem Wettbewerb.
Für Unternehmen.
Für Sie.



 



§
Justitia

Bundesweite Dienstleistungen:

  • Beratung
  • Gerichtliche Vertretung
  • Außergerichtliche Vertretung

Rechtsgebiete:

Gewerblicher Rechtsschutz

  • Wettbewerbsrecht
  • Markenrecht
  • Domainrecht
  • Lizenzrecht
  • Designrecht
  • Urheberrecht
  • Patentrecht
  • Lauterkeitsrecht
  • Namensrecht

Handels- & Gesellschaftsrecht

  • Kapitalgesellschaftsrecht
  • Personengesellschaftsrecht
  • Handelsgeschäftsrecht
  • Handelsstandsrecht
  • Internationales Kaufrecht
  • Internationales Gesellschaftsrecht
  • Konzernrecht
  • Umwandlungsrecht
  • Kartellrecht
  • Wirtschaftsrecht

IT-Recht

  • Vertragsrecht der Informationstechnologien
  • Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs
  • Immaterialgüterrecht
  • Datenschutzrecht
  • Telekommunikationsrecht



Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share









Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft






Jetzt Kontakt aufnehmen:


service@admody.com

☏ 0511 60 49 81 27

✎ Kontaktformular

✆ Rückrufbitte





Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft Stamp Logo




Hinweise zur Urteilsdatenbank:
Bitte beachten Sie, dass das in der Urteilsdatenbank veröffentlichte Urteil weder eine rechtliche noch tatsächliche Meinung der Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft widerspiegelt. Es wird für den Inhalt keine Haftung übernommen, insbesondere kann die Lektüre eines Urteils keine Beratung im Einzelfall ersetzen. Bitte verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Entscheidung in der hier angegeben Art und Weise Bestand hat oder von anderen Gerichten in ähnlicher Weise entschieden werden würde.

Sollten Sie sich auf die angegebene Entscheidung [BGH: Beschluss v. 08.02.2010, Az.: II ZR 54/09] verlassen wollen, so bitten Sie das angegebene Gericht um die Übersendung einer Kopie oder schlagen in zitierfähigen Werken diese Entscheidung nach.
Durch die Bereitstellung oder Zusammenfassung einer Entscheidung wird weder ein Mandatsverhähltnis begründet noch angebahnt.
Sollten Sie eine rechtliche Beratung und/oder eine Ersteinschätzung Ihres Falles wünschen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.


"Admody" und das Admody-Logo sind registrierte Marken von
Rechtsanwalt Sebastian Höhne, LL.M., LL.M.

29.03.2024 - 08:02 Uhr

Tag-Cloud:
Rechtsanwalt Domainrecht - Rechtsanwalt Internetrecht - Rechtsanwalt Markenrecht - Rechtsanwalt Medienrecht - Rechtsanwalt Wettbewerbsrecht - Mitbewerber abmahnen lassen - PayPal Konto gesperrt


Aus der Urteilsdatenbank
BGH, Beschluss vom 18. September 2013, Az.: I ZR 29/12BAG, Urteil vom 22. Juli 2010, Az.: 8 AZR 144/09OLG Köln, Urteil vom 4. September 2015, Az.: 6 U 7/15BPatG, Beschluss vom 3. April 2006, Az.: 19 W (pat) 328/03BPatG, Beschluss vom 26. Juli 2006, Az.: 28 W (pat) 239/04OLG Rostock, Urteil vom 21. Oktober 2015, Az.: 2 U 19/15BPatG, Beschluss vom 10. August 2006, Az.: 27 W (pat) 73/05OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. März 2010, Az.: 2 Ws 29/10BGH, Beschluss vom 11. Januar 2007, Az.: IX ZR 55/03BPatG, Beschluss vom 8. Januar 2003, Az.: 5 W (pat) 411/02