Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2010
Aktenzeichen: 6 W (pat) 7/09

(BPatG: Beschluss v. 02.03.2010, Az.: 6 W (pat) 7/09)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 23 des Deutschen Patentund Markenamts vom 21. Februar 2006 insoweit aufgehoben, als das Patent 43 08 802 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten wird:

-neue Patentansprüche 1 bis 11, übergeben in der mündlichen Verhandlung, -übrige Unterlagen wie erteilt.

2.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden ist gegen den Beschluss der Patentabteilung 23 vom 21. Februar 2006 gerichtet, mit dem das Patent 43 08 802 beschränkt aufrechterhalten worden ist.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Türoder Fensteranlage mit mindestens einem Schiebeflügel, der in einer stationären Laufschiene an Laufrollen oder dergleichen geführt und mit einem motorischen Antrieb ausrüstbar ist, wobei mindestens ein Antriebsaggregat des motorischen Antriebs in einem umschlossenen Aufnahmeraum anordenbar ist, der angrenzend an der Laufschiene angeordnet ist und die Laufschiene ein die Laufrollen aufnehmendes Laufrohr aufweist, das außerhalb des Aufnahmeraums angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Antrieb einen Treibriemen (55) umfasst, welcher im Aufnahmeraum (6, 60) angeordnet ist, und dass der Austritt von Verunreinigungen aus dem Aufnahmeraum (6, 60) dadurch verhindert wird, dass der Aufnahmeraum (6, 60) dicht gegenüber der Umgebung abgeschlossen ist, so dass Staub, Abrieb und Verunreinigungen nicht austreten können, wobei der Aufnahmeraum eine Absaugeinrichtung aufweist, wobei der Aufnahmeraum (6, 60) einen Schlitz (44s) aufweist, zum Durchgriff eines Mitnehmers (58, 59), der den Schiebeflügel (1, 2) mit dem Antrieb (5, 55) koppelt, wobei der Schlitz (44s) sich über den gesamten Laufweg des Mitnehmers (58, 59) erstreckt."

Hinsichtlich des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 11 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Einsprechende führt in ihrer Beschwerdebegründung aus, ihr sei kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden, da die Patentabteilung ihre Argumentation auf einen Schriftsatz der Patentinhaberin gestützt habe, welcher der Einsprechenden erst zusammen mit dem Beschluss zugestellt worden sei. Weiterhin führt die Einsprechende aus, der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sei nicht ausführbar und im Hinblick auf den nachgewiesenen Stand der Technik auch nicht erfinderisch.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das angegriffene Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, den angegriffenen Beschluss insoweit aufzuheben, als das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten wird:

- neue Patentansprüche 1 bis 11, übergeben in der mündlichen Verhandlung,

- übrige Unterlagen wie erteilt, sowie die Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen.

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sei ausführbar und im Hinblick auf den nachgewiesenen Stand der Technik auch neu und erfinderisch.

Im Einspruchsund Erteilungsverfahren ist folgender Stand der Technik berücksichtigt worden:

(E1) DE 31 47 273 C2 (E2) DE-OS 21 08 593 (E3) US 47 38 052 (E4) DE 40 14 727 A1 (E5) DE 86 27 911 U1 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

(E6) DE-PS 704 188

(E7) WO 83/01 976 A1

(E8) DE 33 40 557 A1

(E9) DE 38 23 188 A1

(E10) DE 36 02 567 A1

(E11) US 26 86 577.

II.

Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig, sie hat in der Sache jedoch nur insoweit Erfolg, als das Patent beschränkt aufrechterhalten wird.

1.

Die Einsprechende hat die Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs in der mündlichen Verhandlung nicht weiterverfolgt. Auch nach Auffassung des Senats liegt kein Verfahrensfehler vor. Die Argumentation der Patentinhaberin, welche die Patentabteilung im angefochtenen Beschluss aufgegriffen hat, findet sich zwar auch in dem der Einsprechenden erst zusammen mit dem Beschluss übersandten Eingabe der Patentinhaberin vom 4. April 2005 (vgl. S. 2, Abs. 3 und 4), sie findet sich jedoch ebenfalls und darüber hinaus nahezu wortgleich in der Erwiderung der Einsprechenden vom 16. November 2004 (vgl. S. 2, vorletzter Abs.), welche der Einsprechenden mit Schreiben vom 6. Dezember 2004 übersandt wurde und ihr auch vor Beschlussfassung bekannt war.

2.

Der Einspruch ist gemäß § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG formund fristgerecht erhoben, er ist auch ausreichend substantiiert und somit zulässig.

Die Zulässigkeit des Einspruchs ist seitens der Patentinhaberin nicht in Frage gestellt worden.

3.

Die geltenden Ansprüche sind zulässig, da sie sich sowohl aus der Patentschrift als auch aus den Anmeldungsunterlagen herleiten lassen.

Die Zulässigkeit der Ansprüche ist im Übrigen nicht in Frage gestellt worden.

4.

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist ausführbar.

Die Beschwerdeführerin sieht den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 als nicht ausführbar an, weil nunmehr beansprucht sei, der Aufnahmeraum solle zum einen gegenüber der Umgebung dicht abgeschlossen, also hermetisch verschlossen sein, zum anderen aber eine Absaugeinrichtung aufweisen. Wenn der Aufnahmeraum aber hermetisch verschlossen sei, könne er nicht abgesaugt werden, da ein hermetisch verschlossener Raum nicht absaugbar sei.

Dieser Vorhalt mag bei einer lediglich auf den Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 gerichteten Betrachtungsweise möglicherweise zutreffend sein, der Fachmann haftet jedoch nicht am Wortlaut eines Anspruchs, sondern interpretiert diesen im Lichte der Beschreibung (vgl. auch Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 21, Rdn. 29, § 34, Rdn. 118, 362, 367 ff.). Und aus dieser ergibt sich, dass der Aufnahmeraum eben nicht hermetisch dicht sein soll, sondern die zur Ermöglichung einer Absaugung erforderlichen Undichtigkeiten, wie z. B. Dichtlippen oder Besenleisten (Sp. 2, Z. 5), aufweist (Sp. 1, Z. 34 bis 40 der Streitpatentschrift).

5. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu.

Die Neuheit des Gegenstandes der geltenden Anspruchs 1 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik wird seitens der Beschwerdeführerin zumindest im Hinblick auf den geltenden Anspruch 1 nicht mehr bestritten, sie ist auch gegeben, da eine Türoder Fensteranlage mit einem Aufnahmeraum, in welchem eine Absaugeinrichtung angeordnet ist, im gesamten nachgewiesenen Stand der Technik nicht bekannt ist.

b. Der Gegenstand des zweifelsfrei gewerblich anwendbaren geltenden Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der (E7) WO 83/01 976 A1 ist im Wesentlichen eine dem Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 entsprechende Türoder Fensteranlage bekannt (vgl. insbes. Figur 1). Bei dieser Türoder Fensteranlage ist der Aufnahmeraum jedoch nicht dicht gegenüber der Umgebung abgeschlossen, so dass Staub, Abrieb und Verunreinigungen austreten können. Denn durch den Schlitz, durch welchen der Mitnehmer 113 aus dem Aufnahmeraum austritt, kann Staub u. dgl. nach unten aus dem Aufnahmeraum herausfallen. Weiterhin ist auch in dem Aufnahmeraum keine Absaugeinrichtung vorgesehen.

Zwar zeigt die (E5) DE 86 27 911 U1 eine Schiebetüranlage, bei welcher der Aufnahmeraum 1 dicht gegenüber der Umgebung abgeschlossen ist, so dass Staub, Abrieb und Verunreinigungen nicht austreten können (Figur 1, Anspruch 1 und S. 3, vorletzter Abs.), jedoch ist dort keine Absaugablage in den Aufnahmeraum integriert.

Da überdies -wie bereits beim Neuheitsvergleich ausgeführt und wie auch von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung zugestanden -die Anordnung einer Absaugeinrichtung im Aufnahmeraum im nachgewiesenen Stand der Technik unbekannt ist, kann selbst eine Zusammenschau mehrerer Druckschriften nicht zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 führen, da zumindest das Merkmal, wonach der Aufnahmeraum eine Absaugeinrichtung aufweist, ohne Vorbild und Anregung ist.

Der geltende Anspruch 1 ist somit gewährbar. Das Gleiche gilt für die auf diesen Anspruch rückbezogenen Ansprüche 2 bis 11, die auf Merkmale zur Weiterbildung der Türoder Fensteranlage nach Anspruch 1 gerichtet sind.

Lischke Guth Schneider Ganzenmüller Cl






BPatG:
Beschluss v. 02.03.2010
Az: 6 W (pat) 7/09


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