Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Juni 2007
Aktenzeichen: 14 W (pat) 36/04

(BPatG: Beschluss v. 05.06.2007, Az.: 14 W (pat) 36/04)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren zur Herstellung von Metallen und deren Legierungen Anmeldetag: 23. Februar 2001 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 14 vom 5. Juni 2007, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1 bis 11 überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juni 2007, 3 Seiten Zeichnungen, Abbildungen 1 bis 3 gemäß Offenlegungsschrift.

Gründe

I Mit Beschluss vom 23. Februar 2004 hat die Prüfungsstelle für Klasse C 25 C des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung 101 08 893.0-24 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur elektrochemischen Abscheidung von Metallen, Legierungen und Halbleitern aus ionischen Flüssigkeiten und niedrig schmelzenden Salzgemischen"

zurückgewiesen.

Die Zurückweisung ist unter Hinweis auf die Druckschriften

(1) Natter, H., Schmelzer, M. und Hempelmann, R.: Nanocrystalline nickel and nickelcopper alloys: Synthesis, characterization and thermal stability. In: J. Mater. Res., 1998, Vol. 13, No. 5, S. 1186 bis 1197,

(2) DE 1 180 140 B,

(3) Simanaviius, Leonas; Stakenas, Algimantas; arkis, Albertas: The initial stages of aluminum and zinc electrodeposition from an aluminum electrolyte containing quaterny aralkylammonium compound. In: Electrochimica Acta, 1997, Vol. 42, No. 10, S. 1581 bis 1586,

(4) Zell, Christine A.; Endres, Frank; Freyland, Werner: Electrochemical in situ STM study of phase formation during Ag and Al electrodeposition on Au(III) from a room temperature molten salt. In: Phys. Chem. Chem. Phys., 1999, 1, S. 697 bis 704 im Wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Ausgehend von der Druckschrift (1), aus der ein Verfahren zur Herstellung von Nickel oder Legierungen mittels Elektrolyse im Temperaturbereich zwischen 10 und 90¡C bekannt sei, bei dem die Kristallitgröße des abgeschiedenen Metalls 53 nm oder weniger betrage, der Elektrolyt allerdings aus Wasser und darin gelöstem Salz bestehe, habe es für den Fachmann nahe gelegen, den wässrigen Elektrolyten gegen ein bei niedriger Temperatur geschmolzenes Salz auszutauschen. Eine Anregung hierzu habe der Fachmann der auf dem gleichen Fachgebiet angesiedelten Druckschrift (4) entnehmen können.

Gegen diesen Beschluss der Prüfungsstelle hat der Anmelder Beschwerde eingelegt, da seiner Ansicht nach eine Zusammenschau der Dokumente (1) mit (4) oder (3) das Verfahren nach dem dem Beschluss zugrunde liegenden Anspruch 1 nicht habe nahelegen können. Auch die in der ursprünglich eingereichten Beschreibung genannten Druckschriften

(5) Pitner, W.R., Hussey, C.L. and Stafford G.R.: Electrodeposition of Ni-Al Alloys from the Aluminum Chloride-1-methyl-3-ethylimidazolium Chloride Room Temperature Molten Salt. In: J. Electrochem. Soc., Vol. 143, No. 1, Januar 1996, S. 130 bis 138 und

(6) H. Natter, R. Hempelmann: Nanocrystalline Copper by Pulsed Electrodeposition: The Effects of Organic Additives, Bath Temperature, and pH: J. Phys. Chem. 100 (1996) 19525 bis 19532, auf die der Senat noch hingewiesen hat, könnten den Fachmann nicht zum Anmeldungsgegenstand führen.

Der Anmelder verfolgt sein Patentbegehren mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 14 weiter. Der Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Herstellung von Metallen und deren Legierungen, Element- und Verbindungshalbleitern, insbesondere von Metallen und deren Legierungen der zweiten bis fünften Hauptgruppe oder der Nebengruppen des Periodensystems, mit mittleren Kristallitgrößen im Bereich von 5 bis 1000 nm, dadurch gekennzeichnet, dass Metalle oder Legierungen, Element- und Verbindungshalbleiter in mit einer Kathode und Anode ausgestatteten Elektrolysevorrichtung galvanisch aus einer ionischen Flüssigkeit, welche sich aus einem oder mehreren Metallsalzen und einer oder mehreren organischen Komponenten zusammensetzt, bei Temperaturen unterhalb von 200¡C, bevorzugt aber zwischen 20 und 100¡C, abgeschieden werden, wobei zur Einstellung der Kristallitgröße 1 bis 10 Gew.-% bezogen auf die Gesamtmenge des Elektrolyten organische Additive zugesetzt werden, die aus der Gruppe bestehend aus Karbonsäuren, Aminen und aromatischen Verbindungen ausgewählt sind."

Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 14 sind auf Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtet.

Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 14 und angepasster Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung sowie 3 Seiten Zeichnungen (Abbildung 1 bis 3) gemäß Offenlegungsschrift.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere wegen des Wortlauts der Ansprüche 2 bis 14, wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II 1. Die Beschwerde ist zulässig (§ 73 PatG) und hat auch Erfolg.

2. Bezüglich ausreichender Offenbarung des Verfahrens nach dem geltenden Anspruch 1 bestehen keine Bedenken; seine Merkmale lassen sich aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 2, 7 und 8 in Verbindung mit Seite 6, Zeilen 7 bis 12 der ursprünglich eingereichten Beschreibung herleiten. Die Ansprüche 2 bis 14 sind die ursprünglichen Ansprüche 3 bis 6 und 9 bis 17.

3. Die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 ist gegeben.

Die elektrolytischen Verfahren zur galvanischen Abscheidung von Metallen nach den Entgegenhaltungen (1), (2) und (6) unterscheiden sich vom Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 durch den wässrigen Elektrolyten, der dort jeweils im Unterschied zum beanspruchten Verfahren eingesetzt wird ((1) S. 1188, re. Sp. Abs. V. A.; (2) Beispiel 1 und Anspr. 1; (6) Tab. 2 und 3 "Bad-Zusammensetzung"). Gemäß Druckschrift (3) erfolgt die elektrolytische Abscheidung von Aluminium und Zink aus einem im Unterschied zum vorliegenden Verfahren ionische Flüssigkeiten AlBr3-(Dimethylethylphenylammoniumbromid) in Lösungsmitteln enthaltenden Elektrolyten, die überdies zu erheblich über den anmeldungsgemäßen liegenden Kristallitgrößen von 2 bis 4 µm für Zink und 10 bis 14 µm für Aluminium führt (S. 582, li. Sp., Abs. 3 i. V. m. S. 1586, Abs. 2). Die Entgegenhaltung (4) beschreibt die Analyse der Beschaffenheit einer in - situ - Metallabscheidung aus einer ionischen Flüssigkeit in einer elektrochemischen Zelle, ohne jeglichen Hinweis auf den Zusatz organischer Additive (S. 698, li. Sp., letzt. Abs. bis re. Sp., Abs. 2 und S. 703, vorl. Abs.). Das in der Druckschrift (5) offenbarte Verfahren zur Abscheidung von Metallen aus einer ionischen Flüssigkeit verwendet im Unterschied zum beanspruchten Verfahren einen 20 Gew.-% Benzol als weiteres Lösungsmittel enthaltenden Elektrolyten (S. 130, Abstract).

4. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aufgabe der vorliegenden Anmeldung ist es, ein Verfahren zu entwickeln, welches es gestattet auf elektrochemischem Wege Metalle und deren Legierungen herzustellen, die aus wässrigen Lösungen nicht oder nur schwierig abgeschieden werden können, wobei die Kristallitgröße einstellbar sein soll. Das Verfahren soll so durchgeführt werden, dass Materialien hergestellt werden können, deren Kristallitgröße zwischen 5 und 1000 nm beträgt. Eine weitere Aufgabe besteht darin, größere Mengen an derartigen nanostrukturierten Materialien herzustellen, welche eine möglichst niedrige Porosität und eine niedrige Konzentration an chemischen Verunreinigungen aufweisen (geltende Beschreibung Seite 3, Abs. 2).

Als nächst liegender Stand der Technik ist die Entgegenhaltung (5) anzusehen, die von einem Verfahren zur elektrochemischen Abscheidung von Metallen aus einer ionischen Flüssigkeit, d. h. einem mit 20 Gew.-% Benzol verdünnten Elektrolyten aus einem oder mehreren Metallsalzen, hier AlCl3 und NiCl2, und einer oder mehreren organischen Komponenten, hier Butylpyridiniumchlorid oder 1-Methyl-3-ethylimidazoliumchlorid, ausgeht (S. 130, Abstract, S. 130, re. Sp. Abs. 2 und S. 131, li. Sp. letzt. Abs.). Die bei Temperaturen um die 40¡C erzielten Metallabscheidungen weisen dabei eine Kristallitgröße zwischen 10 und 30 µm auf (S. 131, li. Sp. 3. Abs. letzt. Satz i. V. m. S. 136, li. Sp. letzt. Abs.).

Anregungen dahingehend, dem Elektrolyten zur Lösung der Aufgabe, d. h. zur Einstellung der Kristallitgröße, organische Additive, ausgewählt aus der Gruppe Karbonsäuren, Amine und aromatische Verbindungen lediglich in einer Menge von 1 bis 10 Gew.-% bezogen auf die Gesamtmenge des Elektrolyten zuzusetzen, erhält der Fachmann indessen aus (5) nicht.

Zwar wird in der Druckschrift (6) beschrieben, dass sich der Zusatz von organischen Additiven zu einem wässrigen Elektrolyten vermindernd auf die Kristallitgröße der Metallabscheidung auswirkt (S. 19526, re. Sp. vorl. Abs. i. V. m. S. 19527, Tab. 1 und re. Sp. letzt. Abs.). Anhand der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schaubilder hat der Anmelder glaubhaft dargelegt, dass für die zum Zeitpunkt der Anmeldung noch junge Verbindungsklasse der "Ionischen Flüssigkeiten" die Kenntnisse der herkömmlichen Parameter und Mechanismen, die für einen wässrigen Elektrolyten gelten, nicht übertragbar sind. So führt etwa der Zusatz von organischen Additiven in wässrigen Elektrolyten dazu, dass der Komplex der hydratisierten Metallionen destabilisiert wird und daraufhin die Metallabscheidung mit verringerter Kristallitgröße erfolgt. Diese Wirkung kann sich bei ionischen Flüssigkeiten nicht einstellen, weil keine Solvatisierung der Metallionen stattfindet. Auch die für die Abscheidung von Metallen aus wässrigen Elektrolyten so wichtigen Parameter wie pH-Wert und Leitfähigkeit haben in ionischen Flüssigkeiten kein Äquivalent. Nicht zuletzt ist Zitronensäure, ein klassisches Additiv zu einem wässrigen Elektrolyten, wie vom Anmelder vorgetragen, in einer ionischen Flüssigkeit nicht auflösbar.

Der Fachmann konnte somit nicht erwarten, dass sich die Kristallitgrößen der Metallabscheidungen aus ionischen Flüssigkeiten durch den Zusatz der organischen Additive gemäß Anspruch 1 in der gewünschten Größenordnung beeinflussen lassen.

Für erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens spricht ausweislich der übergebenen Veröffentlichungsliste auch das mit vorliegender Anmeldung hervorgerufene große Interesse der Fachwelt.

Der in der Beschreibungseinleitung umfangreich abgehandelte und der weiter entgegengehaltene und in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffene Stand der Technik geht nicht über den oben genannten hinaus und vermittelt dem Fachmann ebenfalls keine Anregungen in Richtung des Beanspruchten des Verfahrens.

Nach alledem ist das Verfahren des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass der Anspruch 1 gewährbar ist.

Das Gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 14, die weitere über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausführungsformen des Verfahrens betreffen.






BPatG:
Beschluss v. 05.06.2007
Az: 14 W (pat) 36/04


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