Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Januar 2005
Aktenzeichen: 29 W (pat) 266/02

(BPatG: Beschluss v. 12.01.2005, Az.: 29 W (pat) 266/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 12. Januar 2005 (Aktenzeichen 29 W (pat) 266/02) einen Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes aufgehoben. In diesem Beschluss wurde der Widerspruch zur Marke "399 75 527" teilweise zurückgewiesen. Das Gericht ordnete jedoch die Löschung der Marke für bestimmte Dienstleistungen an.

Der Widerspruch gegen die Eintragung der Wortmarke "399 75 527" wurde erhoben, da diese mit der Gemeinschaftsmarke "312421" übereinstimmt. Der Widerspruch wurde teilweise stattgegeben und die Löschung der Marke angeordnet.

Die Beschwerde der Widersprechenden gegen diesen Beschluss wurde für zulässig und begründet erklärt. Das Gericht stellte fest, dass zwischen den verglichenen Marken eine Gefahr von Verwechslungen besteht. Dies liegt unter anderem daran, dass die Dienstleistungen, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, Berührungspunkte mit den Dienstleistungen der angegriffenen Marke haben. Eine Ähnlichkeit besteht beispielsweise bei der Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, Unterrichts-, Unterhaltungs- und Sportbereich.

Unabhängig von der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke stellen die verglichenen Zeichen eine hohe Ähnlichkeit dar. Die Unterschiede in der Schreibweise und Aussprache sind gering und können bei schlechten Übermittlungsbedingungen leicht übersehen werden.

Aufgrund dieser Ähnlichkeiten ist eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken gegeben. Daher wurde die Beschwerde der Widersprechenden gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes begründet und die Löschung der angegriffenen Marke für bestimmte Dienstleistungen angeordnet.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 12.01.2005, Az: 29 W (pat) 266/02


Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 06.08.2002 wird aufgehoben, soweit der Widerspruch zurückgewiesen worden ist. Für die Dienstleistungen "Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, Unterrichts-, Unterhaltungs- und Sportbereich; Aus-, Fortbildungs- und Erziehungsberatung, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren und Kolloquien" wird die Löschung der Marke 399 75 527 angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke 399 75 527.6 Classics.fmfür die Dienstleistungen Klasse 35: Rundfunkwerbung;

Klasse 38: Ausstrahlung von Rundfunkprogrammen; Betrieb einer Presseagentur, Dienstleistungen einer Presseagentur, Sammeln und Liefern von Pressemeldungen, Liefern und Übermitteln von Nachrichten; Bildschirmtextdienst; Dienstleistungen eines Internet-Service-Providers;

Klasse 41: Rundfunkunterhaltung, Produktion von Hörfunkprogrammen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art; rundfunktechnische Beratung; Organisation und Durchführung von Musik- und Unterhaltungsdarbietungen, insbesondere von Konzerten, Tanzveranstaltungen, Bällen; Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, Unterrichts-, Unterhaltungs- und Sportbereich; Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen; Aus-, Fortbildungs- und Erziehungsberatung, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren und Kolloquien;

wurde Widerspruch erhoben aus der Gemeinschaftsmarke 312421 eingetragen für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9: Ton- und Videoaufnahmen; Magnetbänder, -platten und -drähte, alle mit Ton- und/oder Videoaufzeichnungen; CDs, CD-ROMs, Computersoftware, CD-Interaktivprogramme; Laserplatten, Kinofilme, Videos, Filme; Computerspiele und Videospiele; Teile und Bestandteile für alle vorstehend genannten Waren.

Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Veröffentlichungen (Schriften); Schreibwaren; Papier und Waren aus Papier; Pappe (Karton) und Waren aus Pappe (Karton); Photographien; Plakate, Postkarten, Stifte, Bleistifte, Lineale, Radiergummis, Abziehbilder, Abbügelbilder, Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate), Bücher, Kalender, Programme, Handbücher, Magazine, Zeitschriften, Notenblätter, Untersetzer und Platzdeckchen, Bilder, graphische Drucke, Darstellungen und Reproduktionen, Glückwunschkarten, Verpackungspapier, Spielkarten, Schreibblöcke und -papier sowie Schreibetuis;

Klasse 38: Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehsendungen;

Klasse 41: Produktion von Rundfunk- und Fernsehprogrammen sowie Ton- und Videoaufzeichnungen.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat dem Widerspruch teilweise stattgegeben und mit Beschluss vom 06.08.2002 die teilweise Löschung der Marke 399 75 527.6 angeordnet, und zwar für die Dienstleistungen "Rundfunkwerbung; Ausstrahlung von Rundfunkprogrammen; Betrieb einer Presseagentur, Dienstleistungen einer Presseagentur, Sammeln und Liefern von Pressemeldungen, Liefern und Übermitteln von Nachrichten; Bildschirmtextdienst; Dienstleistungen eines Internet-Service-Providers;

Rundfunkunterhaltung, Produktion von Hörfunkprogrammen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art; rundfunktechnische Beratung; Organisation und Durchführung von Musik- und Unterhaltungsdarbietungen, insbesondere von Konzerten, Tanzveranstaltungen, Bällen; Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen". Sie hat dabei die Auffassung vertreten, dass im Rahmen der identischen und ähnlichen Dienstleistungen bei unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke der erforderliche - geringe - Abstand zwischen den Vergleichsmarken aufgrund der hohen Zeichenähnlichkeit nicht mehr eingehalten werde.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom 07.08.2002 (Bl. 5 d. A.), da nach ihrer Auffassung auch hinsichtlich der verbliebenen Dienstleistungen Ähnlichkeit mit den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke besteht. So sei die Dienstleistung "Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, Unterrichts-, Unterhaltungs- und Sportbereich" der angegriffenen Marke als Dienstleistung auf dem Gebiet der Unterhaltung zu qualifizieren, wodurch ein Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke "Ton- und Videoaufnahmen, Videos, Filme, Ausstrahlung und Produktion von Rundfunk- und Fernsehprogrammen sowie Ton- und Videoaufzeichnungen" bestehe. Dasselbe gelte für die Dienstleistungen "Veranstaltung von Wettbewerben im Unterrichtsbereich; Aus-, Fortbildungs- und Erziehungsberatung, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren und Kolloquien" mit den Waren der Widersprechenden "Lehr- und Unterrichtsmittel, Veröffentlichungen; Schreibwaren; Papier und Waren aus Papier; Stifte, Bleistifte, Lineale, Radiergummis, Bücher, Kalender, Programme und Notenblätter", da die Verbraucher über die Herkunft der jeweiligen Ware oder Dienstleistung irre geführt würden.

Die Widersprechende beantragt (Bl. 7 d. A.), auch die verbleibenden Dienstleistungen aus dem Verzeichnis der deutschen Marke 399 75 527.6 zu löschen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat keinen Antrag gestellt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Zwischen den Vergleichsmarken besteht auch im Umfang der Dienstleistungen "Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, Unterrichts-, Unterhaltungs- und Sportbereich; Aus-, Fortbildungs- und Erziehungsberatung, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren und Kolloquien" die Gefahr von Verwechslungen gem. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren- und Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder m. w. N.). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die Gefahr von Verwechslungen gegeben.

2. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind die Umstände zu berücksichtigen, die das Verhältnis der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Zu den maßgeblichen Kriterien gehören insbesondere die Art, der Verwendungszweck und die Nutzung sowie die Frage, ob es sich um miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren und Dienstleistungen handelt. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit liegt dann vor, wenn das Publikum annimmt, die Waren oder Dienstleistungen stammten aus demselben oder ggf. aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (st. Rsp; vgl. BGH WRP 2004, 357, 359 - GeDIOS).

Die einander gegenüberstehenden Dienstleistungen liegen im Ähnlichkeitsbereich.

Die Widersprechende hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Veranstaltung von Wettbewerben in unterschiedlichen Bereichen Berührungspunkte mit der Ausstrahlung und Produktion von Rundfunk- und Fernsehsendungen haben kann. Die Recherche dazu hat ergeben, dass es üblich ist, dass Fernsehsender z. B. im Unterhaltungsbereich oder im Sportbereich - innerhalb von Sendungen - Wettbewerbe veranstalten. So gibt es bei den öffentlichrechtlichen Sendern mit KI.KA (Kinderkanal) einen Kanal, der unter dem Motto "Wir testen die Besten" eine Quizshow für Schulklassen aus allen Bundesländern anbietet, die gegeneinander in Wettstreit treten sollen. Auch bei Sendungen wie "Das Quiz mit Jörg Pilawa" in der ARD oder "Wer wird Millionär" auf RTL treten Kandidaten in Wettstreit zueinander und versuchen den höchsten Gewinn zu erzielen. Im Sportbereich wird ein entsprechendes Quiz z. B. auf der Sportseite der ARD im Internet angeboten (http://sport.ard.de/sp/).

Aus-, Fortbildungs- und Erziehungsberatung bieten die Fernsehsender ebenfalls auf ihren Internetseiten (www.daserste.de/service/jobs.asp) an. Insoweit besteht Ähnlichkeit mit der Dienstleistung "Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehsendungen" auf Seiten der Widerspruchsmarke. Die einzelnen Landesrundfunkanstalten präsentieren u. a. einen Stellenmarkt und verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten nach dem Berufsbildungsgesetz und werben damit, dass "erste Informationen" im Internet abrufbar seien. Auch RTL bietet einen Online-Ratgeber zu den unterschiedlichsten Themengebieten, u. a. auch zu "Familie & Kinder" und zu "Job & Karriere". Des weiteren gibt es eine Vielzahl an Talkshows auf allen Programmen von "Fliege" über "Arabella Kiesbauer", "Bärbel Schäfer" usw. bei denen Probleme erörtert, Fernsehzuschauer beraten und Lösungen angeboten werden.

Eine Ähnlichkeit zu den Waren der Widerspruchsmarke "Lehr- und Unterrichtsmittel" besteht ebenfalls, da zu den im Rundfunk oder Fernsehen angebotenen "Beratungen" Unterrichtsmaterialien oder Bücher, CDs oder ähnliches präsentiert und verkauft werden, wenn sie sich mit der entsprechenden Thematik beschäftigen.

3. Selbst wenn man zugunsten der Markeninhaberin von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgeht, halten die Zeichen nicht den erforderlichen Abstand ein. Das ältere Zeichen bedeutet "frequenzmodulierte Klassik" und wird für die angemeldeten Dienstleistungen, die sich im wesentlichen mit dem Rundfunk beschäftigen, beschreibend verwendet, so dass von Haus aus eine Kennzeichnungsschwäche vorliegt. Im übrigen weist die Registerlage, auf die zwar nicht allein abgestellt werden sollte, bei der Suche nach "classic" in Klasse 41 immerhin 45 Eintragungen auf, in Klasse 38 noch 15.

Daraus ergibt sich, dass bei der vorhandenen Warenähnlichkeit, die einen deutlichen Abstand erfordert, dieser sich aufgrund der geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke verringert.

4. Dieser Abstand ist beim Vergleich der Zeichen auf ihre Ähnlichkeit nicht mehr eingehalten.

Die Vergleichsmarken sind hochgradig ähnlich und klanglich verwechselbar. Es handelt sich einmal um ein Wortzeichen, und einmal um ein Wort-/ Bildzeichen. Dabei ist davon auszugehen, dass bei Wort-/ Bildzeichen - außer bei einer ungewöhnlichen und auffallenden Graphik - der Wortbestandteil prägend ist und das Zeichen nach der Lebenserfahrung mit dem Wort benannt wird. Damit stehen sich "classics.fm" und "classic fm" gegenüber. Bis auf das Schluß-"s" bei "classics" sind die Zeichen identisch. Es handelt sich bei den beiden englisch geschriebenen Worten folglich bei der Anfügung des letzten Konsonanten "s" in der jüngeren Marke auch nur um die englische Pluralbildung. Phonetisch besteht damit aufgrund des unbetonten Endkonsonanten - fast - kein klanglicher Unterschied, und zwar insbesondere dann nicht, wenn die Aussprache nicht ganz exakt und deutlich ist. Bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen ist der Unterschied nicht mehr zu hören.

Auch schriftbildlich und begrifflich besteht eine hohe Übereinstimmung zwischen den zu vergleichenden Zeichen. Der zusätzliche Konsonant "s" in der Zeichenmitte ist leicht zu übersehen.

Unter Abwägung der in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren ist daher der Abstand zwischen den Zeichen nicht mehr ausreichend. Verwechslungsgefahr in rechtserheblichem Umfang ist zu bejahen.

Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Cl






BPatG:
Beschluss v. 12.01.2005
Az: 29 W (pat) 266/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/7c8dc5e77b79/BPatG_Beschluss_vom_12-Januar-2005_Az_29-W-pat-266-02




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