Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 19. Juni 2002
Aktenzeichen: I-15 U 211/01

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 19.06.2002, Az.: I-15 U 211/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil wird vom Oberlandesgericht Düsseldorf angenommen. Das Gericht entscheidet, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gegeben ist und erklärt die Klage daher als unzulässig. Die Kosten des Rechtsstreits muss der Kläger tragen.

Hintergrund der Klage ist ein Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger, einem in Deutschland ansässigen Gurkenanbauer, und der Beklagten, einer landwirtschaftlichen Genossenschaft in den Niederlanden. Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung des restlichen Kaufpreises für die gelieferten Gurken im Jahr 1999, Schadensersatz für eine fehlerhafte Sortierung und Wiegung der Gurken sowie vorgerichtliche Anwaltskosten verklagt.

Das Landgericht hat in erster Instanz die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht und dem Kläger weitgehend Recht gegeben. Das Oberlandesgericht entscheidet jedoch, dass die Verpflichtungen der Beklagten hauptsächlich in den Niederlanden zu erfüllen sind und somit das niederländische Recht zur Anwendung kommt. Daher sind die deutschen Gerichte nicht international zuständig.

Die Berufung der Beklagten wird somit angenommen und die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, der Kläger kann die Zwangsvollstreckung jedoch durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 17.000 EUR abwenden. Die Revision wird zugelassen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Urteil v. 19.06.2002, Az: I-15 U 211/01


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 24.08.2001 abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewie-sen.

Die Kosten des Rechtstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 17.000,-- EUR abwenden, wenn nicht die Be-klagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheit kann auch durch selbstschuldneri-sche Bürgschaft einer in der Europäischen Union geschäftsansässigen Bank oder Sparkasse geleis-tet werden.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist ein in Deutschland ansässiger Gurkenanbauer, der - wie andere Gurkenanbauern aus derselben Region wie der Kläger - mit der Beklagten, einer in den Niederlanden ansässigen landwirtschaftlichen Coöperative (entsprechend einer deutschen Genossenschaft) einen Vertrag über die Verwertung von Gurken abgeschlossen hat. Mit der Klage macht er den restlichen Kaufpreis aus der Lieferung von Gurken an die Beklagte im Jahre 1999, Schadensersatz für eine angebliche fehlerhafte Sortierung, Wiegung und Klassifizierung der Gurken durch die Beklagte und vorgerichtliche Anwaltskosten geltend.

Der Kläger nahm die Geschäftsbeziehungen zu der Beklagten im Jahre 1992 auf, die im Wege der Versteigerung und des Vorverkaufs landwirtschaftliche Produkte an den meistbietenden Käufer veräußert. Der Kläger baute die Gurken in Deutschland an, erntete sie und transportierte sie in von der Beklagten bereit gestellten Transportbehältern nach Grubbenvorst in den Niederlanden. Dort wurden die Gurken von der Beklagten gewogen, in einer Sortieranlage der Beklagten je nach der Qualität der Gurken in verschiedene Güteklassen eingestuft und für die Weiterverarbeitung vorbereitet. Der Verkaufserlös wurde dem Kläger durch die hierfür in Straelen - Deutschland - gegründeten Z. Export GmbH in deutscher Währung ausgezahlt.

1997 ist der Kläger Mitglied in einer niederländischen Absatzgenossenschaft geworden, welche wiederum eine von mehreren der Beklagten als Mitglied angeschlossenen niederländischen Genossenschaften mit Sitz in den Niederlanden ist. Grundlage der Mitgliedschaft sind die Satzung der Beklagten und die Satzung der einzelnen Genossenschaften. Wegen der Einzelheiten der Satzungen wird auf diese verwiesen. Die Mitgliedschaft des Klägers endete durch seine Kündigung vom 28.04.2000 zum 31.12.2000.

In den Jahren 1996 - 1998 wurden die von dem Kläger gelieferten Gurken von der Beklagten entgegengenommen und veräußert, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob ein Teil der Gurken zu einem Festpreis abgenommen wurde oder ob ausschließlich eine Veräußerung über die Versteigerung stattgefunden hat. Entsprechend der erzielten Versteigerungserlöse oder vereinbarten Preise erfolgte zwischen den Parteien dann die Abrechnung. Die Versteigerungserlöse dieser Jahre blieben allerdings regelmäßig weit hinter den Vorstellungen des Klägers und der anderen Landwirte zurück.

Für das Erntejahr 1999 wurde zwischen den beteiligten Landwirten - unter Einschluss des Klägers - und der Beklagten erneut über die Konditionen verhandelt. Hierzu trafen sich die Beteiligten am 12.01.1999, am 24.02.1999 und am 11.03.1999 in den Niederlanden. Die Beklagte verschickte an den Kläger und die übrigen beteiligten Landwirte wegen der Verhandlungen die Rundschreiben Nr. 49 vom 19.02.1999 und Nr. 123 vom 21.05.1999. Wegen der Einzelheiten der Rundschreiben wird auf diese Bezug genommen. Das Ergebnis dieser Verhandlungen im einzelnen ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger lieferte 1999 in der 26. bis 33. Kalenderwoche die von ihm angebauten Gurken an. Diese Gurken wurden in der Sortieranlage der Beklagten mit den Gurken andere Landwirte vermischt. In der 34. - 37. Kalenderwoche lieferte der Kläger weitere 592.539 kg Gurken an die Beklagte, bis diese mit Schreiben vom 15.09.1999 die Einstellung der Lieferungen verlangte. Die Abrechnungen über die Lieferungen aus der 26. bis 37. Kalenderwoche wurden erstellt und die sich hieraus ergebenden Beträge an den Kläger von der Z. mit Sitz in S. gemäß den Abrechnungen vom 08.07., 14.07., 21.07., 28.07., 04.08., 11.08., 18.08., 26.08., 31.08., 08.09., 16.09. und 22.09.1999 (GA 164, 177, 193, 223, 239, 254, 272, 286, 300, 312, 336, 350) an den Kläger ausgezahlt. Nach dem Erhalt der Abrechnungen forderte der Kläger mit mehreren Schreiben seit dem 04.08.1999 die Beklagte vergeblich auf, die Abrechnungen zu korrigieren.

Der Kläger ist der Meinung, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben sei und deutsches Recht zur Anwendung komme, da die Parteien vereinbart hätten, dass Erfüllungsort für die Zahlung des Kaufpreises der Ort S. (Bundesrepublik Deutschland) sei. Es sei auch deutsche Recht anwendbar, da der Vertrag mit dem deutschen Recht die engste Verbindungen aufweise, da die zu liefernden Gurken in Deutschland angebaut worden seien. Auch würde die Abrechnung der Z. in deutscher Währung erfolgen.

Soweit sich die Beklagte auf eine Schiedsklausel in ihren Statuten beriefe, sei ihm diese nicht bekannt und daher nicht in den Vertrag miteinbezogen.

Der Kläger behauptet, bereits in den Jahren 1997 und 1998 sei ein Teil der Ernte zu einem Festpreis an die Beklagte veräußert worden. Diese habe sich dabei auch im wesentlichen an die vertraglichen Vereinbarung gehalten. Für das Jahr 1999 sei, nachdem die Beklagte zuerst - unstreitig - eine Arealumfrage über die Größe der für den Anbau vorgesehenen Flächen durchgeführt habe, bei einer am 11.03.1999 in Grubbenvorst - unstreitig - durchgeführten Versammlung ein Festpreis für die Gurken - gestaffelt nach den jeweiligen Qualitätsstufen - sowie die Abnahme einer Mindestmenge von 12.000 t - welche etwa 80 - 90% der voraussichtliche Ernte des Jahres 1999 entsprochen habe - vereinbart worden. Diese Preise habe die Beklagte mündlich versprochen und dann in den Rundschreiben noch einmal bestätigt. Wegen der Einzelheiten der Preise wird auf die vom Kläger eingereichten Anlagen zur Klageschrift K7 verwiesen. Darüber hinaus sei eine weitere Lieferung von Gurken zum Zwecke der freien Versteigerung nach Bedarf der Beklagten möglich gewesen. Hierfür habe die Beklagte bei der Anlieferung keinen anderen Preis vereinbart, so dass auch für diese Lieferungen der vorher vereinbarte Festpreis gelte (Anlage K8). Nachdem er den auf ihn entfallenen Anteil an der Gesamtlieferung von Gurken erbracht habe, habe die Beklagte einen geringeren Preis als vereinbart ausgezahlt; insgesamt seien ihm 673.625,60 NLG = 597.854,14 DM netto zu wenig gezahlt worden. Für die Gurkenlieferung in den Kalenderwochen 34 - 37 im Umfang von 592.539,00 kg würde ihm ein weiterer Differenzbetrag von 158.286,62 NLG = 140.466,08 DM zustehen.

Der Kläger behauptet weiter, dass die Sortierung der Gurken durch die Beklagte mangelhaft erfolgt sei. Diese habe die Gurken in wesentlichen Bereichen in zu niedrige Qualitätsklassen eingestuft. Hieraus sei ihm ein Schaden in Höhe von 48.548,14 NLG = 43.087,30 DM entstanden.

Schließlich habe die Beklagte auch zuwenig Gurken abgerechnet. Er habe vor den einzelnen Lieferungen diese auf seinen Hof gewogen. Insgesamt habe er 2.757.106 kg Gurken abgeliefert, die Beklagte habe aber nur 2.573.017 kg, also 6,68% weniger, abgerechnet. Abzüglich eines Anteils für Ausschuss in Höhe von 2,1% (57.899 kg) sowie einem während des Transportes stattfindenden natürlichen Gewichtsverlustes von 1% (27.571 kg) würde sich die verbleibende Fehlmenge von 3,58% auf 98.619 kg belaufen, die die Beklagte zu wenig abgerechnet habe. Da diese Fehlmenge keiner bestimmten Sortierung zugerechnet werden könne, sei eine Durchschnittspreis von allen Sortierungen zu ermitteln, welcher 0,6138 NLG pro kg betrage. Ihm stehe daher eine weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 60.532,34 NLG = 53.723,48 DM zu.

Zu diesen Summen seien noch 9% Umsatzsteuer hinzuzusetzen, so dass sich insgesamt ein Zahlungsbetrag von 910.292,78 DM ergebe.

Schließlich habe er vorprozessual an anwaltlichen Kosten 6.931,00 DM aufgewendet, welche gemäß BRAGO nicht auf die im Rahmen des Prozesses anfallenden Gebühren anzurechnen seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 910.292,78 DM nebst 4% Zinsen aus

50.371,46 DM vom 19.07.1999 bis 30.04.2000,

126.458,93 DM vom 26.07.1999 bis 30.04.2000,

86.137,78 DM vom 02.08.1999 bis 30.04.2000,

87.544,37 DM vom 09.08.1999 bis 30.04.2000,

77.691,80 DM vom 16.08.1999 bis 30.04.2000,

89.446,65 DM vom 23.08.1999 bis 30.04.2000,

69.835,85 DM vom 30.08.1999 bis 30.04.2000,

10.367,25 DM vom 06.09.1999 bis 30.04.2000,

3.871,78 DM vom 13.09.1999 bis 30.04.2000,

51.398,89 DM vom 20.09.1999 bis 30.04.2000,

42.887,27 DM vom 27.09.1999 bis 30.04.2000 und

42.324,11 DM vom 04.10.1999 bis 30.04.2000 sowie

weitere 2,5 % Zinsen aus

200.000,00 DM vom 15.11.1999 bis 30.04.2000 und

150.000,00 DM vom 26.11.1999 bis 30.04.2000 sowie

weitere 7,68% Zinsen seit dem 21.07.2000 aus

910.292,78 DM zu zahlen.

Die Beklagte ferner zu verurteilen an den Kläger 6.931,00 DM nebst 7,68% Zinsen seit Rechtshängigkeit (21.07.2000) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorab die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gerügt.

Sie hat vorgetragen:

Die Z. stelle nur eine Auszahlungsstelle dar. Der Erfüllungsort des Vertrages liege aber in den Niederlanden. Dort werde die primäre Hauptleistungspflicht - die Versteigerung und der Verkauf der Gurken - durch die Beklagte als Vermittlerin für den Kläger durchgeführt.

Bei der Vereinbarung der Parteien würde es sich auch nicht um einen Kaufvertrag, sondern um einen Vermittlungsvertrag handeln, so das auch das CISG nicht zu Anwendung käme. Aufgrund ihrer Statuten seien die niederländischen Instanzen entsprechend einer deutschen Schiedsgerichtsklausel zuständig. Diese gelten auch für den Kläger, welcher - unstreitig - Mitglied der Versteigerungszentrale Z. gewesen sei.

Hilfsweise hat die Beklagte vorgetragen:

Eine Festpreisvereinbarung habe es weder früher noch für das Jahr 1999 gegeben. Es sei zuerst festgestellt worden, welche Anbauflächen die Landwirte der Region bestellen wollten. Daraufhin seien die voraussichtlich zu realisierenden Preise unter Berücksichtigung der zu erwartenden Mengen und Qualitätsstufen angesprochen worden. Der Kläger sowie die anderen Landwirte hätten dann mit ihr einen Vermittlungsauftrag vereinbart, wonach sie die Versteigerung der Gurken übernehmen und - unter Abzug einer Provision - die erlösten Beträge an die Beteiligten auszahlen solle. Dies sei dann auch geschehen.

Die erwarteten Preise hätten aber nicht erzielt werden können. 1999 sei ein hervorragendes Jahr für Gurken mit der Folge einer Überproduktion und gesunkenen Preisen gewesen. Zudem seien die vom Kläger gelieferten Gurken teilweise mangelhaft, nämlich birnenförmig, teilweise faul, krumm, mit Erde behaftet und nicht vollständig von Stengeln, Blüten und Blattresten befreit gewesen. Dies habe zu einem Qualitätsverlust und damit zu einer Einstufung der Gurken in niedrige Qualitätsklassen geführt. Eine fehlerhafte Sortierung habe hingegen nicht vorgelegen und der Kläger habe auch nicht mehr als 2.573.017 kg Gurken geliefert

Das Landgericht hat durch Urteil vom 24.08.2001 seine internationale Zuständigkeit bejaht und hierzu ausgeführt:

Die internationale Zuständigkeit ergebe sich aus dem EuGVÜ, da die Parteien als Erfüllungsort für die Verpflichtung der Beklagten zur Bezahlung des Kaufpreises Straelen vereinbart hätten. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Schiedsgerichtsklausel in ihren Statuten berufen, da sie in unzulässiger Weise im Ergebnis selber als Richter in eigener Sache entscheiden würde und zudem die notwendigen Schriftformerfordernisse nicht eingehalten worden seien.

Das Landgericht hat der Klage, mit Ausnahme des Schadensersatzanspruches wegen der fehlerhaften Sortierung und eines Teils der Zinsen, im wesentlichen stattgegeben. Hierzu hat es ausgeführt, dass deutsches Recht zur Anwendung kommen würde, da die charakteristische Leistung des Vertrages der Anbau der Gurken sei, welche in Deutschland erfolge.

Der Kläger habe substantiiert dargetan, dass am 11.03.1999 die Vereinbarung geschlossen worden sei, dass die Beklagte die Gurkenernte bis zu einer Menge von 12 t zu einem Festpreis abnehmen müsse, zusätzlich zu einer Überproduktion bis zu 20%, so dass die Beklagte verpflichtet sei den Differenzbetrag auszugleichen. Das Bestreiten der Beklagten sei unsubstantiiert, denn sie habe nicht konkret dargelegt, was statt der Festpreisvereinbarung konkret mit dem Kläger und den anderen Landwirten vereinbart worden sei. Nur der Höhe nach ist das Landgericht geringfügig von der Berechnung des Klägers abgewichen. Den Schadensersatzanspruch hat es mangels substantiierten Sachvortrages als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte frist- und formgerecht Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens rügt sie weiterhin die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.

Sie trägt hierzu ergänzend vor:

Als Gerichtsstandort kämen nur die Niederlande in Betracht, denn die vertraglichen Beziehungen der Parteien - unabhängig ob Kauf, Vermittlung oder sonstige Dienstleistung - würden ihre Grundlage in der Mitgliedschaft des Klägers in einer wiederum der Beklagten als Mitglied angeschlossenen niederländischen Genossenschaft mit Sitz in den Niederlanden haben. Ohne diese Mitgliedschaft hätte der Kläger nie seine Erzeugnisse über die Beklagten vermarkten können. Ansprüche des Klägers könnten daher nur aus der Mitgliedschaft entstehen und seien deshalb am Sitz der Genossenschaft gerichtlich geltend zu machen.

Unabhängig hiervon seien zudem die Vertragsleistungen in den Niederlanden zu erbringen, da die Gurken dort angeliefert, sortiert und vermarktet - insoweit alles unstreitig - sowie die Abrechnungen auch vor Ort in Grubbenvorst erstellt worden seien. Lediglich die Auszahlung der Erlöse erfolge in Deutschland, dabei würde es sich aber nur um eine Zahlstelle handeln, während die Zahlungsverpflichtung weiterhin in den Niederlande bestehen würde.

Auch sei niederländisches und nicht deutsches Recht anzuwenden, da - abgesehen von der Auszahlung des Erlöses - alle wesentlichen vertraglichen Verpflichtungen in den Niederlanden zu erfüllen seien, die Vertragssprache Niederländisch und Grundlage des gesamten Vertrages die Mitgliedschaft des Klägers in der niederländischen Genossenschaft gewesen sei.

Schließlich würde auch kein Kaufvertrag vorliegen. Sie habe sich lediglich verpflichtet, für die Vermarktung der Gurken zu sorgen und diese nicht selber aufgekauft. Dies würde sich aus den Rundschreiben ergeben, in denen keine Festpreise aufgeführt seien. Sie habe vom Kläger Provisionen und Kostenersatz für ihre Tätigkeiten erhalten; dies sei bei einem Kaufvertrag nicht der Fall. Zudem sei sie als Genossenschaft auch allen Mitgliedern gegenüber zur Gleichbehandlung verpflichtet und dürfe den Kläger deshalb nicht mit Festpreisen gegenüber anderen Mitgliedern bevorzugen.

Die Beklagte beantragt,

das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und im Wege der Anschlussberufung,

die Beklagte zu verurteilen weitere 53.953,44 EUR nebst 4% Zinsen seit dem 21.07.2000 sowie weitere 296,55 EUR nebst 7,68% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und ist der Meinung, dass das Landgericht zu unrecht den Schadensersatzanspruch abgewiesen habe.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat Erfolg, die zulässige Anschlussberufung ist unbegründet, denn die Internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist nicht gegeben. Die Klage ist deshalb als unzulässig abzuweisen.

I.

Soweit die Beklagte in der ersten Instanz noch geltend hat, dass nach ihren Statuten eine Schiedsvereinbarung getroffen worden ist, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass bereits die notwendigen Schriftformerfordernisse hierfür nicht eingehalten sind. Auch bestehen - entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts - Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Vereinbarung bezogen auf das hiesige Streitverhältnis. Da als Schiedsmann der Aufsichtsrat der Beklagten selber tätig wird und dieser in einer Streitigkeit der Beklagten mit einem ihrer mittelbaren Mitglieder über den Erlös aus einer Veräußerung zu entscheiden hätte, wäre die Beklagte Richter in eigener Sache, was mit rechtsstaatlichen Grundsätzen - unabhängig von der Frage, welches Recht anzuwenden wäre - kaum zu vereinbaren ist. Die Beklagte hat insoweit die Ausführungen des Landgerichts mit der Berufung auch nicht angegriffen.

II.

1)

Zur Anwendung kommt das EuGVÜ in der bis zum 28.02.2002 geltenden Fassung. Die mit Wirkung vom 01.01.2002 in Kraft getretene Neufassung des EuGVÜ (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vom 16.01.2001, L 12/1; Verordnung [EG] Nr. 44/2001 vom 22.12.2000) gilt nicht für Klagen die bereits erhoben sind, bevor die Neufassung in Kraft getreten ist (Art. 66 Abs. 1 EuGVÜ n.F.).

Die Rüge der internationalen Zuständigkeit ist zulässig, denn die Beklagte hat sich nur hilfsweise zur Sache eingelassen, so dass gemäß Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ (im folgenden immer in der zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Fassung) das erkennende Gericht sich für unzuständig zu erklären hat, wenn seine internationale Zuständigkeit nicht begründet ist.

Nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ können Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden und der Erfüllungsort in dem Staat liegt, in dem die Klage erhoben wird. Maßgebend für die Bestimmung dieses internationalen Gerichtstandes des Erfüllungsortes ist dabei diejenige Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet (BGH Z 74, 136; 139; BGH VersR 1981, 630, EuGH NJW 1977, 490, 491; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., 1998, Art. 5 Rd. 14; Schlosser, EuGVÜ, 1996, Art. 5 Rd. 7).

Mit der Klage werden Ansprüche auf Bezahlung der gelieferten Gurken und Schadensersatzansprüche aus dem der Lieferung der Gurken zugrundeliegenden Vertrag geltend gemacht. Für jeden der einzelnen Ansprüche könnte sich ein unterschiedlicher Erfüllungsort ergeben, da es sich um unterschiedliche Ansprüche mit entsprechenden unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen handeln kann. Dies könnte zu einer Aufspaltung der Gerichtszuständigkeit für die einzelnen Ansprüche führen, wenn es sich jeweils um verschiedene Hauptpflichten handeln würde. Zwar folgt eine sekundäre Nebenpflicht immer der Hauptpflicht (EuGH Urteil vom 15.01.1987, Az. 266/85 Rd. 19, zitiert aus jurisweb; Zöller/Geimer, ZPO, 22. Aufl., 2001, Art. 5 EuGVÜ Rd. 2), bei der Erfüllung mehrerer Hauptpflichten ist aber für jede von ihnen getrennt die Zuständigkeit zu prüfen. Der Erfüllungsort für eine Hauptpflicht alleine genügt nicht, um die Zuständigkeit zur Entscheidung über andere Hauptpflichten zu begründen (Kropholler aaO, Rd. 16; Schlosser aaO, Rd. 7; Münchener Kommentar/Gottwald, ZPO, 2. Aufl., 2001, Art. 5 EuGVÜ Rd. 9; Zöller/Geimer, aaO, Rd. 3). Sofern sich aus einem Vertrag für zwei gleichrangige Verpflichtungen nach den anzuwendenden Kollisionsnormen unterschiedliche Zuständigkeiten ergeben, die in unterschiedlichen Staaten liegen, wird nicht ein und dasselbe Gericht aus Zweckmäßigkeitsgründen zuständig, denn das EuGVÜ begründet keine Zuständigkeiten (EuGH NJW 2000, 721, 723).

Nach ständiger Rechsprechung des EuGH ist es aber unerlässlich, auch bei unterschiedlichen Erfüllungsorten zur Vermeidung einer willkürlichen Gerichtsstandzersplitterung und damit einhergehend von divergierenden Entscheidungen in derselben Rechtssache, möglichst einen einheitlichen Gerichtsstand für einen Vertrag zu bestimmen (vgl. EuGH NJW 2002, 1407, 1408 - Nr. 27). Dies ist grundsätzlich der Ort, zu dessen Gericht der Streitgegenstand die engste Verbindung aufweist (EuGH aaO Nr. 32). Bei mehreren miteinander verbunden und verwoben Hauptpflichten folgt demzufolge der Gerichtsstand einer unterrangigen Hauptpflicht derjenigen der höherrangigen Hauptpflicht.

2)

An welchem Ort die Pflicht zu erfüllen ist, wird dabei anhand derjenigen Kollisionsnormen geprüft, welche für das Gericht, das angerufen wird, maßgebend ist (BGH Z 74, 136, 139; BGH NJW 1992, 2428, 2429; BGH VersR, 1981, 630; EuGH NJW 2000, 719 und 721; EuGH NJW 1977, 491; 492; Kropholler aaO, Rd. 18; Schlosser aaO, Rd. 10; Müko/Gottwald, aaO, Rd. 20; Zöller/Geimer, aaO, Rd. 1). Bei der Anrufung eines deutschen Gerichts ist daher nach den deutschen Kollisionsnormen zu prüfen, welches Recht Anwendung findet und welcher Ort der Erfüllungsort ist.

Mithin ist gemäß Art. 27 ff EGBGB zu prüfen, ob das deutsche oder das niederländische Recht zur Anwendung kommt, sofern nicht das CISG - welches sowohl von den Niederlanden als auch von der Bundesrepublik Deutschland vor Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages ratifiziert worden ist - zur Anwendung käme.

a)

Eine ausdrückliche Rechtswahl gemäß Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB haben die Parteien nicht getroffen. Sowohl aus der Satzung der Beklagten (Art. 34) als auch aus der Satzung der angeschlossenen Genossenschaft (Art. 37) ergibt sich nur, dass der Zivilrechtsweg - unzulässigerweise - ausgeschlossen sein soll. Eine verbindliche Festlegung welches nationale Recht zur Anwendung kommen soll, ist darin nicht zu sehen.

b)

Gemäß Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist daher das Recht des Staates anzuwenden, welches die engste Verbindung mit dem Vertrag aufweist, wobei gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 EGBGB die Vermutung aufgestellt wird, das dies jener Staat ist, in dem die charakteristische Leistung des Vertrages zu erbringen ist.

aa)

Maßgebliche Basis für die rechtliche Wertung ist der unstreitige Sachverhalt in Verbindung mit dem Tatsachenvortrag des Klägers, soweit dieser schlüssig und hinreichend substantiiert ist. Gegenstand der Klage sind die Leistungspflichten der Beklagten. Dabei erschöpft sich das Vertragsverhältnis der Parteien keinesfalls - wenn überhaupt - in eine Verkäufer - Käufer Beziehung. Vielmehr war der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglied einer in den Niederlanden ansässigen Versteigerungsgenossenschaft, die ihrerseits Mitglied der Beklagten ist. Die Genossenschaft hatte den Zweck im Interesse ihrer Mietglieder deren Produktionsabsatz zu fördern. Zu diesem Zweck hatte der Kläger seine Produkte - also die von ihm in Deutschland angebauten Gurken - in den Niederlanden bei der Beklagten abzuliefern. Alles andere oblag dann der Beklagten: Sie hatte die Gurken, was für die Höhe des zu erzielenden Erlöses oder Preises wichtig war, nach Güteklassen zu sortieren, zu wiegen und diese Gurken dann zu vermarkten, sei es im Wege der Versteigerung, des Vorverkaufes oder des Verkaufes, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Beklagte die Gurken zu festen Preisen von dem Kläger gekauft hat (so der Kläger) oder ob sie nur als Vermittlerin ohne Preisgarantie tätig geworden ist (so die Beklagte). Unstreitig hatten die Parteien vereinbart, dass der Kläger für die Leistungen der Beklagten Provisionen und Kostenersatz zu zahlen hat. Die Auszahlung der erzielten Erlöse erfolgte nicht in den Niederlanden, sondern durch die extra hierzu gegründete Z. in Stralen (Deutschland) in deutscher Währung. Dadurch sollte im Interesse des Klägers sichergestellt werden, dass die deutsche Umsatzsteuer berechnet und dieser Betrag beim Finanzamt als Vorsteuer in Ansatz gebracht werden konnte. Dementsprechend hat die Z. in ihren Abrechungen zu Gunsten des Klägers auch 9% Umsatzwertsteuer angesetzt, während bei einer Auszahlung in den Niederlanden nur 6% Umsatzsteuer angefallen wäre.

bb)

Der Erfüllungsort für alle Verpflichtungen der Beklagten liegt mit Ausnahme der Auszahlung der Erlöse in den Niederlanden. Die Frage, ob die Verpflichtung der Beklagten zum ordnungsgemäßen Sortieren und Wiegen der Gurken eine Hauptpflicht oder nur eine primäre oder sekundäre Nebenpflicht ist, kann nicht fragmentarisch isoliert, sondern nur im Gesamtkontext mit den sonstigen Verpflichtungen der Beklagten beantwortet werden. Dieses Vertragsverhältnis ist maßgeblich dadurch geprägt, dass die Beklagte für den Verkauf der Gurken an die Endabnehmer sorgen sollte. Diese Geschäftsbesorgung war die Hauptpflicht der Beklagten, wofür sie Provisionen von dem Kläger erhielt, ein für einen Kaufvertrag völlig untypisches Kriterium. Der Rechtsmeinung des Klägers, es läge ein Kaufvertrag vor, fehlt insoweit ein hinreichend substantiierter Tatsachenvortrag dazu, welche Mengen genau zu welchen Preisen und zu welchen Konditionen er der Beklagten zum Kauf angeboten und von dieser angenommen worden sind. Sofern der Kläger behauptet, bei der Genossenschaftsversammlung am 11.03.1999 in Grubbenvorst (Niederlande) seien feste Preise vereinbart worden, besagt dies keineswegs, dass es sich um Kaufpreise zwischen den Parteien als Kaufvertragsparteien gehandelt hat. Das ist nur eine rechtliche Wertung. Näher liegend ist, dass es sich auf der unterstellten Basis des Tatsachenvorbringens des Klägers um eine Verkaufsgarantie der Beklagten als Geschäftsbesorgerin handelte.

c)

Der Schwerpunkt der Verpflichtungen der Beklagten als Geschäftsbesorgerin lag nach allem eindeutig in den Niederlanden und war dort auch zu erfüllen und zwar auch das streitgegenständliche Sortieren und Wiegen der Gurken. Dies ist zwar auch für die Höhe des Preises von Bedeutung, steht jedoch als Vorstufe der Absatztätigkeit der Beklagten mit dieser im inneren Zusammenhang und ist deshalb als sekundäre oder primäre Nebenpflicht dieser in den Niederlanden zu erbringenden Hauptpflicht zu qualifizieren mit der Folge, dass das niederländische Recht zur Anwendung kommt, wobei das auch in den Niederlanden geltende CISG mangels eines Kaufvertrages (s.o.) keine Anwendung findet.

Es kann dabei dahinstehen, ob das Vertragsverhältnis als Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß dem 7. Buch Art. 414 des niederländischen Bürgerliche Gesetzbuches (NL-BGB) oder als Vermittlungsvertrag gemäß dem 7. Buch Art. 425 NL-BGB einzustufen ist oder ob ein Mischvertrag besteht, denn dies ändert nichts an dem Erfüllungsort der zu erbringenden streitgegenständlichen Leistung in den Niederlanden.

Damit steht fest, dass der Erfüllungsort derjenigen Pflichten, aus deren behauptete Verletzung der Kläger Schadensersatz verlangt, in den Niederlanden liegt und dass jedenfalls für die Schadensersatzklage die deutschen Gerichte international unzuständig sind.

3)

Dies gilt im Ergebnis auch für die Auszahlung des Verkaufserlöses. Es handelt sich zwar - unabhängig ob Kauf-, Vermittlungs- oder Geschäftsbesorgungsvertrag - um eine Primärpflicht, die jedoch derart mit den Primärpflichten der Beklagten zur Absatzförderung verbunden ist, dass eine Trennung willkürlich erscheint. Berücksichtig man weiter, dass - unabhängig von der streitigen Frage, ob die Abrechnung durch die Beklagte oder die Z. - Export - GmbH erfolgt ist - die Auszahlung über diese Stelle nur aus umsatzsteuerlichen Gründen erfolgte, überwiegt der Gesamterfüllungscharakter der in den Niederlanden zu erbringenden Verpflichtungen derart, dass der Auszahlungsstelle des Geldes in Deutschland keine gleichrangige Bedeutung zukommt, zumal der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum über eine niederländische Versteigerungsgenossenschaft zugleich (mittelbares) Mitglied der Beklagten gewesen ist und selbst die behaupteten Festpreise bei einer Versammlung in den Niederlanden von der niederländischen Beklagten zugesagt worden sein sollen.

Zur Vermeidung einer Gerichtsstandszersplitterung ist bei dieser Konstellation ein einheitlicher Gerichtsstand nur in den Niederlanden gegeben, da mit diesem Staat die streitgegenständlichen Verpflichtungen der Beklagten ihre engsten Verbindungen aufweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Revision wird zugelassen (§ 543 ZPO n.F.).

Der Streitwert für die Berufung der Beklagten beträgt 811.120,03 DM, für die Anschlussberufung des Klägers 105.523,76 DM und für die Berufungsinstanz insgesamt 916.643,79 DM = 468.672,52 EUR.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 19.06.2002
Az: I-15 U 211/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/7c6223e38cfa/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_19-Juni-2002_Az_I-15-U-211-01




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