Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. November 2004
Aktenzeichen: 6 W (pat) 323/03

(BPatG: Beschluss v. 11.11.2004, Az.: 6 W (pat) 323/03)

Tenor

Das Patent 101 19 690 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Ansprüche 1 bis 8 in der am 11.11.2004 übergebenen Fassung, Beschreibung in der am 11.11.2004 übergebenen Fassung, Figuren gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen die am 5. Dezember 2002 veröffentlichte Erteilung des Patents 101 19 690 mit der Bezeichnung "Sanitärinstallation in einem Bad" ist am 21. Februar 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei und auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende auf folgende Druckschriften:

- europäische Patentschrift EP 0 227 916 B1

- britische Patentschrift GB 2 172 413 B.

Im Prüfungsverfahren sind zusätzlich noch folgende Druckschriften entgegengehalten worden:

- deutsche Offenlegungsschrift DE 39 38 326 A1

- deutsche Offenlegungsschrift DE 34 14 510 A1

- deutsche Offenlegungsschrift DE 33 09 199 A1

- deutsches Gebrauchsmuster DE 93 13 983 U1

- britische Offenlegungsschrift GB 21 74 219 A.

Die Einsprechende ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der europäischen Patentschrift EP 0 227 916 B1 bzw. der britischen Patentschrift GB 2 172 413 B nicht neu und auch nicht erfinderisch sei.

Die Einsprechende beantragt, den Widerruf des Patents.

Die Patentinhaberin beantragt, die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 8 und der überreichten Beschreibung sowie den Figuren gemäß der Patentschrift. Hilfsweise beantragt sie die Teilung des Patents.

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 durch den nachgewiesenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt sei.

Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Anspruch 1 lautet:

"Sanitärinstallation in einem Bad mit räumlich auseinanderliegenden Sanitäreinrichtungen (1 bis 4), einer zentralen Mischarmatur (5), die eingangsseitige Anschlüsse (6, 7) für Kalt- und Warmwasser und mindestens zwei mit Absperrventilen (14) versehene Mischwasserauslässe (8) aufweist, Mischwasserleitungen (9), welche die Mischwasserauslässe (8) der zentralen Mischarmatur (5) mit jeweils einem Wasserzulauf einer Sanitäreinrichtung (1 bis 4) verbinden, einer Temperaturmesseinrichtung (10) für die Mischwassertemperatur und einer Durchflussmesseinrichtung (11) für die Mischwassermenge, einer der Mischarmatur (5) zugeordneten elektronischen Steuerung (12), die Schnittstellen für die Temperaturmesseinrichtung (10), die Durchflussmesseinrichtung (11) und zum Anschluss mindestens eines Datenein- und -ausgabegerätes (13, 20) aufweist, undeinem zentralen Datenein- und -ausgabegerät (13), welches zur Steuerung und Überwachung aller Mischwasserauslässe eingerichtet ist und Tasten (15) für die Festlegung der Strömungswege für das Mischwasser, Tasten (16, 17) für die Eingabe von Vorgabewerten für die Mischwassertemperatur und Durchflussmenge, Speichertasten (18) zur Speicherung der Vorgabewerte und ein Display (19) für die Anzeige der Einstellwerte aufweist, wobei mit dem zentralen Datenein- und -ausgabegerät (13) die Mischwassertemperatur und die Durchflussmenge für jede Sanitäreinrichtung (1 bis 4) individuell und ohne Änderung der für die anderen Sanitäreinrichtungen gespeicherten Werte einstellbar und veränderbar sind und wobei an den Sanitäreinrichtungen (1 bis 4) Schalteinrichtungen angeordnet sind, um den Mischwasserzulauf ein- und auszuschalten."

Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Ziff. 1 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und zulässig, was auch von der Patentinhaberin nicht in Zweifel gezogen worden ist.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 bis 8 sind in den ursprünglichen bzw. erteilten Unterlagen offenbart, die Ansprüche sind somit zulässig.

Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen bzw. erteilten Ansprüchen 1, 3 und 4 sowie Seite 7, Zeilen 7 bis 12 der Anmeldungsunterlagen bzw. Spalte 3, Zeilen 50 bis 56 der zugehörigen Patentschrift. Die geltenden Ansprüche 2 bis 8 ergeben sich aus den ursprünglichen bzw. erteilten Ansprüchen 2, 5, 6 und 8 bis 11.

b. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Sanitärinstallation nach Anspruch 1 ist neu, da keine der genannten Druckschriften sämtliche im Anspruch 1 enthaltenen Merkmale zeigt, wie sich auch aus den folgenden Ausführungen ergibt.

c. Die Sanitärinstallation gemäß geltendem Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der britischen Offenlegungsschrift GB 2 172 413 A (sowie der zugehörigen Patentschrift) ist eine Sanitärinstallation in einem Bad mit räumlich auseinanderliegenden Sanitäreinrichtungen 20, 22, 23, 25, 26 mit einer zentralen Mischarmatur 35 bekannt, die eingangsseitige Anschlüsse 36, 37 für Kalt- und Warmwasser und mindestens zwei mit Absperrventilen 81, 82, 83, 84, 85, 86 90, 91, 92 versehene Mischwasserauslässe aufweist. Weiterhin sind Mischwasserleitungen 38, 39, 40, 41 42, welche die Mischwasserauslässe der zentralen Mischarmatur 35 mit jeweils einem Wasserzulauf einer Sanitäreinrichtung 20, 22, 23, 25, 26 verbinden, und eine Temperaturmesseinrichtung 75 für die Mischwassertemperatur vorgesehen. Der Mischarmatur 35 ist eine elektronische Steuerung (Seite 4, Zeilen 26 bis 34) zugeordnet, die Schnittstellen für die Temperaturmesseinrichtung 75 und zum Anschluss mindestens eines Datenein- und -ausgabegerätes 29 aufweist. Das zentrale Datenein- und -ausgabegerät 29 steuert alle Mischwasserauslässe und weist Tasten 122, 130, 133, 137 für die Festlegung der Strömungswege für das Mischwasser und ein Display 120 auf, auf dem die Temperatur angezeigt werden kann. Außerdem sind an den Sanitäreinrichtungen 20, 22, 23, 25, 26 Schalteinrichtungen 29, 32, 33, 34 angeordnet sind, um den Mischwasserzulauf ein- und auszuschalten.

Bei dieser Sanitärinstallation werden alle Sanitäreinrichtungen mit einer voreingestellten Temperatur angefahren, die beispielsweise 40¡C betragen kann (vgl. Seite 4, Zeilen 63 bis 66). Über Tasten an dem zentralen Steuergerät kann zusätzlich noch während des Benutzungsvorganges die Temperatur verändert (vgl. Seite 5, Zeilen 123 bis 125) bzw. die Durchflussmenge variiert werden (vgl. Seite 5, Zeilen 15 bis 51). Die Veränderung ist jedoch zeitlich begrenzt und nur von kurzer Dauer, da die Sanitärinstallation nach einer voreingestellten Zeitdauer von beispielsweise 15 Sekunden wieder auf die voreingestellte Temperatur zurückfährt (vgl. Seite 5, Zeile 123 bis Seite 6, Zeile 4). Eine Speicherung einer individuell vorgewählten Temperatur bzw. Durchflussmenge erfolgt somit bei der Sanitärinstallation nach der britischen Druckschrift GB 2 172 413 A weder für das Gesamtsystem noch für einen einzelnen Verbrauchsort. Vielmehr kehrt dort das gesamte System immer wieder auf voreingestellte Festwerte zurück.

Demgegenüber können bei der erfindungsgemäßen Sanitärinstallation für jeden Verbrauchsort individuell Temperatur und Durchflussmenge eingegeben und gespeichert werden, wobei die eingespeicherten Werte bis zu einer nächsten Änderung erhalten bleiben. Zu einer solchen Ausgestaltung konnte der Fachmann - hier ein Fachhochschulingenieur mit langjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Armaturen, der fallweise einen Elektroniker zu Rate zieht - aus der britischen Druckschrift jedoch keine Anregung entnehmen, da die erfindungsgemäße Lösung konträr zur bekannten Sanitärinstallation liegt. Dort werden einheitliche Vorgabewerte für alle Verbrauchsorte voreingestellt, auf die immer wieder zurückgegangen wird, hier wird jeder Verbrauchsort mit individuell speicherbaren und beliebig veränderbaren Vorgabewerten für Wassertemperatur und Wassermenge bedient. Allein dies zeigt bereits, dass der Sanitärinstallation nach der britischen Offenlegungsschrift ein grundsätzlich anderes Prinzip zugrunde liegt als dem Patentgegenstand, auch wenn auf den ersten Blick eine vermeintliche Ähnlichkeit zwischen beiden Sanitärinstallationen besteht.

Um die erfindungsgemäße Lösung zu realisieren sind bei der erfindungsgemäßen Sanitärinstallation daher auch eine Durchflussmesseinrichtung für die Mischwassermenge, Schnittstellen für die Durchflussmesseinrichtung, Tasten für die Eingabe von Vorgabewerten für die Mischwassertemperatur und die Durchflussmenge und Speichertasten zur Speicherung der Vorgabewerte vorgesehen. Diese vorstehend aufgezählten Bauelemente sind bei der Sanitärinstallation nach der britischen Offenlegungsschrift GB 2 172 413 A ebenfalls nicht vorhanden, so dass sich auch hierin die erfindungsgemäße Sanitärinstallation von der Sanitärinstallation gemäß der britischen Druckschrift unterscheidet.

Aufgrund des grundsätzlich anderen Prinzips und daraus folgend auch einem anderen Aufbau vermag somit die Sanitärinstallation nach der britischen Offenlegungsschrift GB 2 172 413 A keine Anregung in Richtung auf den Patentgegenstand zu geben.

Eine solche Anregung erhält der Fachmann auch nicht bei Kenntnis der übrigen im Prüfungsverfahren bzw. Einspruchsverfahren genannten Druckschriften, da die dort erläuterten Gegenstände noch weiter vom Patentgegenstand abliegen als die vorstehend genannte britische Offenlegungsschrift. Sie wurden daher auch zu Recht in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen.

Nach alledem kann der aufgezeigte Stand der Technik weder für sich allein betrachtet noch in einer Zusammenschau zum Patentgegenstand führen, da der Fachmann sich nicht veranlasst sieht, eine Sanitärinstallation der aus dem Stand der Technik bekannten Art in der im Anspruch 1 angegebenen Weise weiterzuentwickeln. Denn der grundlegende Gedanke, Wassertemperatur und Durchflussmenge für jeden Verbrauchsort individuell bereits vor der Benutzungshandlung zu speichern, ist im nachgewiesenen Stand der Technik ohne Vorbild.

Der Anspruch 1 hat daher Bestand.

d. Das gleiche gilt für die auf diesen Anspruch rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8, die auf Merkmale zur Weiterbildung der Sanitärinstallation nach Anspruch 1 gerichtet sind.

Lischke Riegler Schneider Müller Cl






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Beschluss v. 11.11.2004
Az: 6 W (pat) 323/03


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