Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. März 2008
Aktenzeichen: 19 W (pat) 325/05

(BPatG: Beschluss v. 31.03.2008, Az.: 19 W (pat) 325/05)

Tenor

Das Patent 103 19 793 wird widerrufen.

Gründe

I.

Für die am 30. April 2003 im Deutschen Patentamt und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents am 4. November 2004 veröffentlicht worden. Die Bezeichnung lautet:

Energieversorgung eines Messgerätes.

Gegen das Patent haben die M... GmbH mit Schriftsatz vom 2. Fe- bruar 2005, eingegangen am 3. Februar 2005, und die K...- GmbH & Co. KG mit Schriftsatz vom 2. Februar 2005, eingegangen am sel- ben Tag, jeweils Einspruch erhoben.

Die Einsprechenden stellten den Antrag, das Streitpatent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellte den Antrag, das Patent in folgender Fassung aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 6 vom 2. Juni 2005 (Anlage zum Schriftsatz 2. Juni 2005, Bl. 70/71 d. A.).

Beschreibung und Zeichnungen wie Patentschrift.

Hilfsweise verteidigte sie das Streitpatent gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 vom 28. März 2008 (Bl. 193/195 d. A.) mit der Maßgabe der überreichten Änderung vom 31. März 2008 zu Anspruch 1 des Hilfsantrages 2.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet unter Einfügung der Gliederungsbuchstaben A0), A) bis D2), in Anlehnung an die Merkmalsanalyse der Einsprechenden zu II):

"A0) Modulare Energieversorgungseinheit (5) für ein Messgerät (1) zur Bestimmung und/oder Überwachung einer physikalischen oder chemischen Prozessgröße eines Mediums, A) wobei in der Energieversorgungseinheit (5) mindestens eine Energiequelle (20) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, B) dass in der Energieversorgungseinheit (5) mindestens eine austauschbare Kapseleinheit (25) vorgesehen ist, C) in der die Energiequelle (20), C1) mindestens eine Spannungsbegrenzungseinheit (10) und / oder C2) mindestens eine Strombegrenzungseinheit (15) befindlich sind, D1) wobei die Spannungsbegrenzungseinheit (10) derartig ausgestaltet ist, dass auftretende Spannungen unter einem Wert bleiben, der in einem explosionsgefährdeten Bereich zu einer Explosion führt, und/oder D2) wobei die Strombegrenzungseinheit (15) derartig ausgestaltet ist, dass auftretende Ströme und/oder damit verbundene Erwärmungen unter einem Wert bleiben, der in einem explosionsgefährdeten Bereich zu einer Explosion führt."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem des Hauptantrags dadurch, dass er anstelle des Merkmals A0) das Merkmal

"A0') Verwendung einer Energieversorgungseinheit (5) zum Versorgen eines Messgeräts (1) zur Bestimmung und/oder Überwachung einer physikalischen oder chemischen Prozessgröße eines Mediums mit Energie,"

enthält, dass gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag die Worte "dadurch gekennzeichnet, dass" durch das Wort "wobei" ersetzt sind und dass er unter Ersetzung des Punktes durch ein Komma, die - mit Gliederungsbuchstaben versehenen - Merkmale

"E) wobei es sich bei dem Messgerät (1) um ein 4...20 mA-Messgerät handelt, welches geeignet ist, seine Messwerte mit einem 4...20 mA-Stromsignal zu übertragen, F) wobei die Verwendung folgende Schritte umfasst:

dass das Messgerät (1) mit der Energieversorgungseinheit (5) verbunden wird, und G) dass der obere Wert des Stromsignals des Messgerätes (1) herabgesetzt wird, um die Lebensdauer der Energiequelle (20) zu erhöhen".

zusätzlich enthält.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von dem des Hauptantrags dadurch, dass er gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, eingefügt zwischen die Merkmale A) und B) die - mit Gliederungsbuchstaben versehenen - Merkmale H) dass mindestens eine Adaptereinheit (40) vorgesehen ist, die der Verbindung der Energieversorgungseinheit (5) mit dem Messgerät (1) und der Ausrichtung der Energieversorgungseinheit (5) dient, I) wobei die Energieversorgungseinheit (5) außerhalb des Messgerätes (1) angeordnet ist, J) dass mindestens eine Einschalteinheit (30) vorgesehen ist, die die Energieversorgung des Messgerätes (1) durch die Energieversorgungseinheit (5) aktiviert, K) dass mindestens eine Zeitbegrenzungseinheit (31) vorgesehen ist, die nach einer einstellbaren Zeitspanne die Energieversorgung des Messgerätes (1) durch die Energieversorgungseinheit (5) abschaltet, L) dass mindestens eine Kontrolleinheit (35) vorgesehen ist, die die Energiequelle (20) hinsichtlich ihres Energiegehaltes überprüft, M) dass mindestens eine Anzeigeeinheit (36) vorgesehen ist, die den Energiezustand der Energiequelle (20) signalisiert,"

enthält und dass er unter Ersetzung des Punktes durch ein Komma, das Merkmal

"N) wobei es sich bei der Strombegrenzungseinheit (15) um mehrere Vorwiderstände (16) handelt."

zusätzlich enthält.

Dem Patentgegenstand soll die Aufgabe zugrunde liegen, eine Energieversorgung eines Messgerätes zu gestalten, die in explosionsgefährdeten Bereichen genutzt werden kann (Abs. 0005 der Streit-PS).

Die Einsprechenden sind der Auffassung, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 beruhe gegenüber der aus der DE 27 40 160 A1 bekannten Energieversorgungseinheit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Fachmann kenne die aus der DE 27 40 160 A1 nicht bekannten Merkmale Zeitbegrenzungseinheit, Kontroll- und Anzeigeeinheit für den Batteriezustand als im Stand der Technik übliche Maßnahmen bei batteriebetriebenen Geräten. Diese Merkmale hätten auch nichts mit dem Explosionsschutz zu tun. Es handele sich um eine Aggregation von Merkmalen.

Die Einsprechenden meinen, dass durch den auf eine Verwendung gerichteten Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 keine neue Verwendung beansprucht werde; die Energieversorgungseinheit werde zu keinem neuen Zweck verwendet. Auch die Maßnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs seien dem Fachmann bekannt.

Die Einsprechende zu II) hält den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 darüber hinaus für unzulässig erweitert, da es nicht möglich sei, das Stromsignal herabzusetzen, ohne die Messwerte zu verfälschen. Es könne nur das Versorgungssignal für das Messgerät herabgesetzt werden, jedoch nicht das den Messwert enthaltende Stromsignal. Dies sei aus dem von der Patentinhaberin zum Beleg der Offenbarung genannten Absatz 0012 der Streitpatentschrift nicht zu entnehmen.

Die Patentinhaberin ist der Meinung, beim Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ginge es um den Explosionsschutz und die weiteren Maßnahmen beträfen die Lebensdauer. Es handle sich um eine Kombination.

Sie ist auch der Auffassung, die im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 enthaltenen Merkmale Zeitbegrenzungseinheit, Kontroll- und Anzeigeeinheit für den Batteriezustand trügen zu lebenserhaltenden Maßnahmen für die Batterie bei. Es sei aus dem Stand der Technik keine separate Energieversorgungseinheit bekannt, die ausgetauscht werden könne.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die durch § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG für das vorliegende Einspruchsverfahren (Einsprüche jeweils eingelegt am 2. Februar 2005, eingegangen am 2. und 3. Februar 2005) begründete Zuständigkeit des Senats wird durch die in der Zwischenzeit erfolgte Aufhebung dieser Vorschrift nicht berührt (vgl. auch BGH Beschluss vom 27. Juni 2007 (X ZB 6/05) - Informationsübermittlungsverfahren II).

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

Die Einsprüche sind zulässig und hatten Erfolg.

1. Fachmann Als Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur der Elektrotechnik anzusehen mit besonderen Kenntnissen in der Entwicklung von in explosionsgefährdeten Räumen eingesetzten Schaltungen. Ein solcher Fachmann hat auch allgemeine Kenntnisse, die im Zusammenhang mit batteriebetriebenen Geräten stehen. Er kennt - wie jeder technisch interessierte Laie - auch im alltäglichen Gebrauch befindliche Elektrogeräte.

2. Hauptantrag Die Energieversorgungseinheit des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist nicht neu. Denn aus der DE 27 40 160 A1 ist bekannt eine A0) Modulare Energieversorgungseinheit (bestehend aus den beiden Moduln 5 und 9) für ein Messgerät (im Modul 5) zur Bestimmung und/oder Überwachung einer physikalischen oder chemischen Prozessgröße eines Mediums (Im Modul 5 befindet sich mit dem Permanentmagneten 6 ein Bauteil, das für die Energieversorgung des Messgerätes notwendig ist und somit ist das Modul 5 auch Teil der Energieversorgung. Das Messgerät im Modul 5 ist nicht auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet beschränkt; sonach ist auch das Messen, d. h. das Bestimmen und/oder Überwachen physikalischer und/oder chemischer Prozessgrößen eines Mediums umfasst), A) wobei in der Energieversorgungseinheit (5, 9) mindestens eine Energiequelle (1) vorgesehen ist, wobei B) in der Energieversorgungseinheit (5, 9), mindestens eine austauschbare Kapseleinheit (9) vorgesehen ist [Fig. 1 i. V. m. S. 5 le. Abs.: Die aufladbare Batterie 1, der Spannungsstabilisator 3 mit elektronischer Strombegrenzung, ... und der steuerbare magnetische Schalter 2 sind in dem als Block ausgebildeten Gehäuse 9 (offensichtlicher Schreibfehler "Gehäuse 9" statt "Gehäuse 5"; ergibt sich aus S. 5, Z. 1 bis 5: Blockeinheit 9 bzw. aus Patentanspruch 6: auswechselbarer Block 9) vergossen oder in Vergussmasse eingebettet. D. h. das Gehäuse 9 bildet eine austauschbare Kapseleinheit], C) in der die Energiequelle (1), C1) mindestens eine Spannungsbegrenzungseinheit (S. 5 Z. 2, 3: Spannungsstabilisator 3 = Spannungsbegrenzungseinheit) und C2) mindestens eine Strombegrenzungseinheit (S. 5 Z. 2, 3: Spannungsstabilisator 3 mit Strombegrenzung = Strombegrenzungseinheit) befindlich sind, D1) wobei die Spannungsbegrenzungseinheit (3) derartig ausgestaltet ist, dass auftretende Spannungen unter einem Wert bleiben, der in einem explosionsgefährdeten Bereich zu einer Explosion führt (Sinn der Spannungsbegrenzungseinheit, daher vom Fachmann selbstverständlich mitgelesen), und D2) wobei die Strombegrenzungseinheit (3) derartig ausgestaltet ist, dass auftretende Ströme und damit verbundene Erwärmungen unter einem Wert bleiben, der in einem explosionsgefährdeten Bereich zu einer Explosion führt (Sinn der Strombegrenzungseinheit, daher vom Fachmann selbstverständlich mitgelesen).

3. Hilfsantrag 1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns. Denn die aus der DE 27 40 160 A1 bekannte Energieversorgungseinheit - deren gegenständliche Merkmale im Zusammenhang mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag abgehandelt wurden - ist in Übereinstimmung mit dem Merkmal A0') zum Versorgen eines beliebigen Messgerätes mit Energie zu verwenden (S. 3 handschr. Nummerierung Abs. 1), also auch für ein solches, wie es in den Merkmalen E) und F) angegeben ist.

Dass sich die Lebensdauer der Batterie erhöht, wenn ein - gegenüber dem maximal möglichen - niedrigerer Strom gezogen wird, ist für jeden Elektrotechniker eine Selbstverständlichkeit. Auch betrifft das diesen Sachverhalt betreffende Merkmal G) nicht den Explosionsschutz. Es kann somit eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

Bei dieser Sachlage kann dahin stehen, ob die Verwendung gemäß dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unzulässig erweitert ist.

4. Hilfsantrag 2 Die Energieversorgungseinheit gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Neben den im Zusammenhang mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag abgehandelten Merkmalen A0) bis D2) ist aus der DE 27 40 160 A1 in Übereinstimmung mit Merkmal J) auch bekannt, dass mindestens eine Einschalteinheit (6) vorgesehen ist, die die Energieversorgung des Messgerätes (im Modul 5) durch die Energieversorgungseinheit (5, 9) aktiviert (S. 5 Z. 10 bis 15).

Besteht bei der aus der DE 27 40 160 A1 bekannten Energieversorgungseinheit 5, 9 - wie bei jedem batteriebetriebenen Gerät - Bedarf, die Batterie zu schonen und ihren Ladezustand im Auge zu haben, ist es für den Fachmann naheliegend, hierzu eine Zeitbegrenzungseinheit und eine Kontroll- und Anzeigeeinheit für den Ladungszustand, d. h. den Energiezustand der Energiequelle vorzusehen, wie sie in den Merkmalen K), L) und M) angegeben sind. Denn diese Maßnahmen sind ihm aus dem alltäglichen Leben (Beleuchtungs- oder Displayabschaltung nach vorgegebener Zeit und Ladekontrollanzeige z. B. bei Handy oder Laptop) bekannt; auch einen Sleep-Modus kennt er. Von ihm ist daher zu erwarten, dass er diese Einheiten beim Messgerät im Modul 5, in dem sich zudem schon die Einschalteinheit 6 befindet, unterbringt.

Üblicherweise besteht bei Messgeräten Bedarf, sie leicht austauschen oder ihre Anzeigen leicht auswechseln zu können. Demnach hat der Fachmann auch Anlass, das Messgerät von der Energieversorgungseinheit zu separieren, d. h. in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Merkmals I) die Energieversorgungseinheit (5, 9) außerhalb des Messgerätes anzuordnen.

Dass hierzu eine Steckverbindung oder ein Adapter vorzusehen ist, weiß der Fachmann ebenfalls aus dem alltäglichen Leben (Adapter für Steckdosen, Haushaltsgeräte oder Werkzeuge). Da mit einem Adapter per se eine Ausrichtung des an ihn angeschlossenen Teils einhergeht, liegt für den Fachmann auch das Merkmal H) nahe.

Unabhängig von den Merkmalen H) bis M), die nach Auffassung des Senats in keinem Zusammenhang mit Maßnahmen zum Explosionsschutz stehen, stellt auch das Merkmal N) für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit dar. Denn die Aufteilung des bereits aus der DE 27 40 160 A1 entnehmbaren Vorwiderstandes als Strombegrenzungseinheit (Gemäß S. 5 Z. 2, 3 liest der Fachmann einen Vorwiderstand als Strombegrenzungseinheit in dem Bauteil 3 mit) in mehrere Vorwiderstände, führt der Fachmann z. B. aus Symmetrierungsgründen durch, indem er je einen Vorwiderstand dem positiven und negativen Anschluss der Batterie 1 zuordnet. Auch wenn Bedarf besteht, eine Anpassung an unterschiedliche Begrenzungsströme vorzusehen, wird er an mehrere (ggf. auch parallel geschaltete) Vorwiderstände denken.

Nach Ansicht des Senats betrifft auch das Merkmal N) keine Maßnahme zum Explosionsschutz.

Mithin ist der Fachmann ohne weiteres in der Lage, ausgehend von der DE 27 40 160 A1 aufgrund seiner Fachkenntnisse eine modulare Energieversorgungseinheit vorzusehen, wie sie im Einzelnen im Patentanspruch 1 angegeben ist. Man würde die Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns unterschätzen, würde man ihm solches Handeln nicht zutrauen.

4. Unteransprüche Mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 2 fallen auch die darauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 6 bzw. 2.

Bertl Dr. Mayer Gutermuth Groß

Be






BPatG:
Beschluss v. 31.03.2008
Az: 19 W (pat) 325/05


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