Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Februar 2002
Aktenzeichen: 10 W (pat) 71/99

(BPatG: Beschluss v. 25.02.2002, Az.: 10 W (pat) 71/99)

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 36.444,89 Euro (entspricht 71.280,-- DM) festgesetzt.

Gründe

I.

Auf den Teillöschungsantrag der Antragstellerin wurde das Gebrauchsmuster 93 16 259 im Umfang der Ansprüche 1 bis 7 antragsgemäß gelöscht. Die Kosten des Löschungsverfahrens wurden der Gebrauchsmusterinhaberin und Antragsgegnerin auferlegt.

Die Antragstellerin hat die Festsetzung von Kosten in Höhe von insgesamt DM 79.669,42 beantragt, davon DM 71.280,-- als Erhöhung der Verfahrens- und Verhandlungsgebühr (Regelgebühr), weil das Verfahren von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen sei. Das Patentamt hat unter Zurückweisung des Antrags im übrigen die von der Gebrauchsmusterinhaberin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf DM 6.434,42 festgesetzt. Das Patentamt hat u.a. den von der Antragstellerin als Erhöhung der Regelgebühren beantragten Betrag abgesetzt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

Sie macht geltend, das Löschungsverfahren sei im Sinne von Abschnitt A Ziffer 9 der Gebührenordnung für Patentanwälte von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen. Sie verweist insoweit auf ein Schriftstück des Dipl.-Ing. H... ..., ... & ... ... GmbH, Innsbruck. ("Abschätzung des Marktpoten- tials für Elektroden ..."). Weiter verweist sie auf die "Abschätzung des Marktpotentials für Elektroden ...." durch Herrn L.... Für die Richtigkeit dieser Schätzung spreche, dass inzwischen das Unternehmen ... & ... ... GmbH von der Muttergesellschaft der Gebrauchsmusterinhaberin übernommen worden sei. Indiz für die wirtschaftliche Bedeutung sei ferner der Umstand, dass zwei mündliche Verhandlungen stattgefunden hätten. Die Bedeutung des Gebrauchsmusters für den deutschen Markt ergebe sich schließlich daraus, dass kurz nach der Löschung des Gebrauchsmusters der Produktionsbetrieb des Zeugen H..., der gemeinsam mit dem Produktionsbetrieb der Gebrauchsmuster- inhaberin den wesentlichen Teil des deutschen Marktes abgedeckt habe, von der Muttergesellschaft der Gebrauchsmusterinhaberin übernommen worden sei.

Im übrigen sei für die Wertbemessung des Gebrauchsmusters nicht nur der Zeitraum nach, sondern auch der Zeitraum vor dessen Löschung zu berücksichtigen, da im Anschluß an die Löschung des Gebrauchsmusters auch für die Vergangenheit keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden könnten.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der beantragte Erhöhungsbetrag in vollem Umfang berücksichtigt wird.

Sie beantragt weiter vorsorglich, die Zeugen nochmals zu laden und im Hinblick auf die Marktprognosen zu befragen.

Die Gebrauchsmusterinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Sie steht auf dem Standpunkt, dass eine Erhöhung der Regelgebühr nicht gerechtfertigt sei. Die vorgelegten "Abschätzungen" ließen eine besondere wirtschaftliche Bedeutung nicht erkennen. Sie bestreite, dass die "Abschätzungen" allein die Elektroden nach den Ansprüchen 1 bis 7 des Gebrauchsmusters beträfen. Auch die weiteren Hinweise auf die Firmenübernahme oder auf zwei Verhandlungstermine belegten eine besondere Bedeutung des Falles nicht. Die Umsatzprognosen seien unrichtig. Die immer wieder als Gesamtumsatzziel diskutierten Elektrodenmengen müssten auf völlig unterschiedliche Elektrodentypen verteilt werden. Im übrigen habe sich der Markt insgesamt geändert. Eine der Hauptelektroden, die heute eingesetzt werde, sei die sog. Tab-Elekrode, die in ihrer Bauart ganz anders als die nach dem Gebrauchsmuster hergestellte sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Antragstellerin hat nach § 17 Absatz 4 Satz 2 GebrMG in Verbindung mit § 62 Absatz 2 PatG, §§ 104 ff ZPO einen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten, soweit diese nach billigem Ermessen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Das Patentamt hat die beantragten Gebühren, nämlich Verfahrens- und Verhandlungsgebühr zutreffend auf jeweils DM 1970,-- festgesetzt. Der geltend gemachte Erhöhungsbetrag war zu Recht nicht festgesetzt worden.

Bei der Berechnung der für das Tätigwerden eines Patentanwalts im patentamtlichen Gebrauchsmusterlöschungsverfahren zu erstattenden Vergütung sind nach ständiger Rechtsprechung die Festbetragsgebühren der Gebührenordnung für Patentanwälte (Ausgabe 1. Oktober 1968 - PAGO) zugrunde zu legen, denen entsprechend der Gebührenentwicklung bei den Rechtsanwälten und der Entwicklung der durchschnittlichen Gegenstandswerte in den Gebrauchsmusterlöschungsverfahren Teuerungszuschläge hinzugerechnet werden (vgl BPatGE 26, 208; 27, 61, 73; 30, 36; 32, 162). Ausgehend von dieser Berechnungsmethode wird derzeit in Verfahren, in denen die Auftragserteilung - wie vorliegend - nach der letzten Erhöhung der Gebührensätze der BRAGO am 1. Juli 1994 erfolgt ist, der Verfahrensgebühr von 600,00 DM gemäß Abschnitt K VI Nr 1 PAGO ein Teuerungszuschlag von 228 % hinzugerechnet, woraus sich für das patentamtliche Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ein auf DM 10,-- aufgerundeter Gebührenbetrag von jeweils DM 1970,-- für das Verfahren und für die Verhandlung ergibt (vgl BPatG Mitt 1997, 220 iVm Berichtigung in Mitt 1997, 375).

Gemäß Abschnitt A Ziffer 9 der Gebührenordnung für Patentanwälte gelten die angegebenen Gebühren für Fälle normalen Schwierigkeitsgrades und Umfangs. Die Vorschrift bestimmt weiter, dass die Gebühren in umfangreichen, schwierigen, eiligen oder bedeutungsvollen, insbesondere wirtschaftlich bedeutungsvollen Fällen erhöht werden können. Daraus ergibt sich, dass die wirtschaftliche Bedeutung gegenüber den Regelfällen deutlich herausragen muss. Das setzt voraus, dass sich für das streitige Verfahren im Vergleich zu den Normalfällen feststellen lässt, ob und in welchem Maße der Fall aus der Masse der Normalfälle herausragt und in welchem Umfang eine Erhöhung der für Normalfälle gedachten Gebühren berechtigt erscheint (BGH GRUR 1965, 621, 625; BPatGE 8, 176, 177).

Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung des Löschungsverfahrens ist regelmäßig der Wert des zu löschenden Gebrauchsmusters maßgeblich. Eine Erhöhung der Regelgebühren wegen besonderer wirtschaftlicher Bedeutung findet erst statt, wenn der Wert des Gebrauchsmusters den von der Rechtsprechung derzeit angenommenen Wert von 250.000 DM übersteigt (Bühring Gebrauchsmustergesetz, 5. Aufl., § 17 Rdn 71 mwN).

Hinreichende verlässliche Anhaltspunkte dafür, dass der Wert des nach Rechtshängigkeit des Löschungsantrags (teilweise) erloschenen Gebrauchsmusters höher als DM 250.000,00 gewesen ist und deshalb ein erhöhter Gebührenbetrag festzusetzen ist, liegen nicht vor.

Der Gegenstandswert richtet sich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der (hier: teilweisen) Löschung des Gebrauchsmusters. Für ihn maßgeblich ist dessen gemeiner Wert, wie er sich zu Beginn der jeweiligen Instanz für die restliche Laufzeit darstellt. (Bühring aaO Rdn 54 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Die Gebrauchsmusterinhaberin und Antragsgegnerin selbst hatte im Rahmen eines Abmahnverfahrens ihr wirtschaftliches Interesse als Berechnungsgrundlage für das Honorar ihrer Patentanwälte nur mit einem Betrag von DM 250.000,00 angegeben (vgl das Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.4.1995 und die Unterlassungsverpflichtungserklärung; Bl 210/214 der Gebrauchsmusterlöschungsakten). Dies ist bereits ein Indiz dafür, dass dieser Grenzbetrag auch im vorliegenden Gebrauchsmusterlöschungsverfahren nicht überschritten ist, zumal im Abmahnverfahren üblicherweise auch ein Betrag für den Unterlassungsanspruch enthalten ist, der im Rahmen der Wertfestsetzung des Gegenstandswertes für ein Löschungsverfahren nicht berücksichtigt werden kann (vgl BPatG Mitt 1982, 77, 78; Bühring aaO Rdn 54 mwN).

Der Hinweis, dass die Muttergesellschaft der Gebrauchsmusterinhaberin das Unternehmen ... & ... ... GmbH übernommen habe, ist ebenfalls nicht ge- eignet, einen über dem Grenzwert liegenden Gegenstandswert des Löschungsverfahrens zu bestimmen. Die Gründe für die Firmenübernahme können vielfältiger Art sein und müssen ihre Ursache nicht in dem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren haben.

Auch die vorgelegten Schätzungen zum Marktpotential für Elektroden, nämlich die Fotokopie eines undatierten Schreibens der ... & ... ... GmbH, unter- zeichnet von Herrn H... (Anlage zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 17.3.1998) und die Fotokopie eines Schreibens vom 6.3.1998 der L... GmbH (Anlage zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 25.8.1998) sind nicht geeignet, eine besondere wirtschaftliche Bedeutung des Falles zu belegen. Zunächst hat die Antragsgegnerin bestritten, dass es sich dabei nur um Elektroden nach Art der Ansprüche 1 bis 7 des Gebrauchsmusters handele. Zweifel ergeben sich insoweit schon aus den vorgelegten Unterlagen selbst. Im Schreiben der ... L... GmbH vom 6.3.1998 sind verschiedene Ausführungsformen von Elektroden beschrieben. Damit ist nicht klar, ob die Zahlen sich auf Elektroden nach Art des Gebrauchsmusters, soweit es gelöscht wurde, oder auch auf solche anderer Ausführungen beziehen. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die von Herrn H... unterzeichnete Schätzung, wobei hier ohne nähere Angaben von einer "Schätzung der von allen Anbietern und Händlern im Zeitraum von .... in D... ver- kauften bzw noch zu verkaufenden Elektroden" die Rede ist. Auch wenn beide vorgelegten Schätzungen die Überschrift "Abschätzung des Marktpotentials für Elektroden gemäß den Schutzansprüchen 1 bis 7 des deutschen Gebrauchsmusters G 93 16 259" aufweisen, spricht der Wortlaut der jeweils nachfolgenden Texte dafür, dass die genannten Zahlen sich jeweils auf alle möglichen Arten von EKG-Elektroden beziehen. Im übrigen sind jährliche Verkaufszahlen von Elektroden zwischen 12 und 110 Millionen genannt. Die in den genannten Unterlagen geschätzten Zahlen widersprechen sich dabei ganz erheblich, sofern unterstellt wird, dass die Zahlen sich auf denselben Sachverhalt bzw dasselbe Produkt und dessen Marktpotential beziehen. Nur am Rande sei angemerkt, dass die wörtlich übereinstimmenden Überschriften in den beiden vorgelegten Schreiben nicht darauf hindeuten, dass es sich hier etwa um unabhängig voneinander erstellte gutachterliche Äußerungen mit hohem Erkenntnis- und Beweiswert handelt, zumal es sich um bloße Fotokopien handelt, wobei eines der fotokopierten Schreiben noch nicht einmal ein Datum trägt.

Im übrigen ist die Antragstellerin auch der Behauptung der Antragsgegnerin nicht substantiiert entgegengetreten, dass die als Gesamtumsatzziel diskutierten Elektrodenmengen auf völlig unterschiedliche Elektrodentypen verteilt werden müssten, wobei eine der inzwischen gebräuchlichen "Haupt"-elektroden in ihrer Bauart nicht mit dem nach dem Streitgebrauchsmuster übereinstimmten. Das Gericht hält es im übrigen für lebensnah, dass sich der Markt für Elektrodentypen in Zeiten eines ständigen und rasanten technischen Wandels innerhalb kurzer Zeit ändert, so dass jedenfalls erhebliche Zweifel angebracht sind, ob ein Produkt wie das Streitgebrauchsmuster über einen längeren Zeitraum als Stand der Technik Bestand haben und wirtschaftlich verwertet werden kann.

Der Umstand, dass zwei Termine stattgefunden haben, kann für sich genommen kein Indiz für eine besondere wirtschaftliche Bedeutung des Falles sein. Die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 1995 wurde nur unterbrochen, um den Parteien antragsgemäß Gelegenheit zum Abschluss eines Vergleichs zu geben. Nachdem ein Vergleich nicht zustandegekommen war, wurde die mündliche Verhandlung mit Beweisaufnahme fortgesetzt. Aus dem Protokoll ist nichts zu entnehmen, was auf einen Gegenstandswert von über DM 250.000,00, schließen ließe.

Soweit die Antragstellerin zur Bestimmung des für die Kostenfestsetzung maßgeblichen Gegenstandswertes Beweis angeboten hat, braucht dieser nicht erhoben zu werden. Das Gericht kann diesen Wert vielmehr ohne Beweiserhebung nach Anhörung der Parteien nach freiem Ermessen schätzen, § 18 Abs 3 Satz 1 GebrMG iVm § 99 Abs 1 PatG iVm § 3 ZPO bzw analog § 8 Abs 1 BRAGO in Verbindung mit § 3 ZPO (vgl dazu auch Thomas-Putzo, ZPO, 23. Aufl., Rdn 3 zu § 3 ZPO; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 60. Aufl., Rdn 6 zu § 3 ZPO). Das Gericht schätzt den Gegenstandswert vorliegend unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten jedenfalls auf nicht mehr als DM 250.000,--.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 17 Abs 4 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, § 97 Abs 1 ZPO.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus dem geltend gemachten Erhöhungsbetrag, dessen Festsetzung mit der Beschwerde weiterverfolgt wird.

Schülke Püschel Knoll Pr






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Beschluss v. 25.02.2002
Az: 10 W (pat) 71/99


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