Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. August 2004
Aktenzeichen: 5 W (pat) 452/02

(BPatG: Beschluss v. 11.08.2004, Az.: 5 W (pat) 452/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Juli 2002 aufgehoben.

Das Gebrauchsmuster 298 24 145 wird teilgelöscht, soweit es hinausgeht über den Schutzanspruch 6 und über die Schutzansprüche 7 bis 17, soweit diese auf den Schutzanspruch 6 direkt oder indirekt zurückbezogen sind.

Die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Der weitergehende Löschungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegen einander aufgehoben.

Gründe

I Die Antragsgegnerin ist eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters 298 24 145, das eine Vorrichtung zur optischen Inspektion, insbesondere verdeckter Lötverbindungen, betrifft. Das Gebrauchsmuster wurde am 6. März 2000 mit 17 Schutzansprüchen zur Eintragung angemeldet. Gleichzeitig wurde die Abzweigung aus der deutschen Patentanmeldung DE 198 47 913.1 erklärt, die den 19. Oktober 1998 zum Anmeldetag hat. Die Eintragung des Gebrauchsmusters erfolgte am 8. Juni 2000. Die Aufrechterhaltungsgebühr bis Oktober 2004 ist entrichtet worden.

Die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 17 lauten 1. Vorrichtung zur optischen Inspektion insbesondere verdeckter Lötverbindungen (21), insbesondere zwischen einem auf der Oberfläche einer Platine (19) angeordneten elektrischen oder elektronischen Bauteil (20) und der Platine (19), mit einer Okulareinheit (3), einem Objektivkopf (2), einer Bildübertragungseinheit (4) zur Übertragung des vom Objektivkopf (2) aufgenommenen Bildes an die Okulareinheit (3) und einer Beleuchtungseinrichtung (15, 16) zur Beleuchtung der zu untersuchenden Lötverbindung (21), wobei der Objektivkopf (2) eine Einrichtung zur Bildablenkung (9) aufweist, die sich bis zum axial äußeren Ende des Objektivkopfs (2) erstreckt, und wobei die Beleuchtungseinrichtung (15, 16) im Objektivkopf (2) derart angeordnet ist, daß der Austrittswinkel des Lichtes der Beleuchtungseinrichtung (15,16) aus dem Objektivkopf (2) im wesentlichen gleich dem Ablenkwinkel der Bildablenkung (9) ist und der Austrittsort des Lichtes neben der Einrichtung zur Bildablenkung (9) im Bereich des axial äußeren Endes des Objektivkopfes (2) angeordnet ist.

2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Austritt (15,16) des Lichtes der Beleuchtungseinrichtung aus dem Objektivkopf (2) beidseitig neben der Einrichtung zur Bildablenkung (9) erfolgt.

3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Einrichtung zur Bildablenkung (9) mindestens ein Ablenkprisma (9) oder mindestens einen Ablenkspiegel aufweist.

4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Ablenkwinkel der Einrichtung zur Bildablenkung (9) zwischen 0 und 180 Grad, vorzugsweise im wesentlichen 90 Grad beträgt.

5. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß das Objektiv derart ausgelegt ist, insbesondere eine Brennweite derart aufweist, daß der Tiefenschärfenbereich der Abbildung mindestens der halben Bauteilgröße entspricht.

6. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5 dadurch gekennzeichnet, daß der Objektivkopf (2) ein Gehäuse (6) mit mindestens einer seitlich offenen und zum axial äußeren Ende des Objektivkopfs (2) hin auslaufenden Ausnehmung (7) aufweist, die beidseitig von flanschartigen Stegen (13, 14) begrenzt wird, wobei im Gehäuse (6) das Ablenkprisma (9) oder der Ablenkspiegel derart angeordnet ist, daß die freie Fläche (10) des Ablenkprismas (9) oder die Spiegelfläche in der Ausnehmung (7) nach außen weist und die untere Seitenkante des Ablenkprismas (9) oder des Ablenkspiegels den Objektivkopf (2) zum axial äußeren Ende (8) hin abschließt und wobei ferner die Lichtaustritte (15, 16) der Beleuchtungseinrichtung in den flanschartigen Stegen (13, 14) angeordnet sind.

7. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6 dadurch gekennzeichnet, daß die Beleuchtungseinrichtung (15, 16) mindestens ein Glasfaserbündel aufweist, das mit seinem ersten axialen Ende an eine Lichtquelle anschließbar ist und mit seinem zweiten axialen Ende den Lichtaustritt (15, 16) der Beleuchtungseinrichtung am Objektivkopf (2) bildet.

8. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 7 dadurch gekennzeichnet, daß die Bildübertragungseinheit (4) mindestens ein Glasfaserbündel (18) aufweist, das mit seinem ersten Ende an die Einheit zur Bildablenkung, insbesondere das Ablenkprisma (9), und mit seinem zweiten Ende an die Okulareinheit (3) optisch ankoppelbar ist.

9. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 8 gekennzeichnet durcheine zweite Beleuchtungseinrichtung, die im wesentlichen in Blickrichtung der Vorrichtung (1) dem Objektivkopf (2) gegenüber positionierbar ist und in Richtung zum Objektivkopf (2) leuchtet.

10. Vorrichtung nach Anspruch 9 dadurch gekennzeichnet, daß die zweite Beleuchtungseinrichtung einen Gegenlichtkopf (23) mit einem Gehäuse (24) mit mindestens einer seitlich offenen und zum axial äußeren Ende des Gegenlichtkopfs (23) hin auslaufenden Ausnehmung (25) aufweist, wobei im Gehäuse (24) ein Ablenkprisma (26) oder ein Ablenkspiegel, das bzw. der über ein Glasfaserbündel (27) an eine Lichtquelle optisch ankoppelbar ist, derart angeordnet ist, daß die freie Fläche des Ablenkprismas (26) bzw. die Spiegelfläche in der Ausnehmung (25) nach außen weist und die untere Seitenkante des Ablenkprismas (26) bzw. die Spiegelfläche in der Ausnehmung (25) nach außen weist und die untere Seitenkante des Ablenkprismas (26) bzw. des Ablenkspiegels den Gegenlichtkopf (23) zum axial äußeren Ende hin abschließt.

11. Vorrichtung nach Anspruch 9 dadurch gekennzeichnet, daß die zweite Beleuchtungseinrichtung einen Gegenlichtkopf (23) aufweist, der im wesentlichen identisch zum Objektivkopf (29) aufgebaut ist.

12. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 9 bis 11 dadurch gekennzeichnet, daß das Glasfaserbündel (27) zumindest der zweiten Beleuchtungseinrichtung in einem flexiblen Spiralschlauch (28) verläuft.

13. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 9 bis 12 dadurch gekennzeichnet, daß die Glasfaserbündel des Objektivkopfs (2) und des Gegenlichtkopfes (23) an die gleiche Lichtquelle anschließbar sind.

14. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 13 dadurch gekennzeichnet, daß die erste und/oder die zweite Beleuchtungseinrichtung bzw. die Lichtquelle der ersten und/oder zweiten Beleuchtungseinrichtung in ihrer Leuchtstärke bzw. Lichtintensität einstellbar sind.

15. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 9 bis 14 dadurch gekennzeichnet, daß der Objektivkopf (2) und die zweite Beleuchtungseinrichtung über ein Gestänge, Gestell oder dergleichen derart koppelbar sind, daß eine genau definierte Relativposition von Objektivkopf (2) und zweiter Beleuchtungseinrichtung, insbesondere Gegenlichtkopf (23), einstellbar ist.

16. Vorrichtung nach Anspruch 15 dadurch gekennzeichnet, daß das Gestänge oder Gestell einen Träger (29) aufweist, der an einem Gehäuseabschnitt (5) der Vorrichtung (1) zwischen Objektivkopf (2) und Okulareinheit (3) frei auskragend im wesentlichen starr befestigbar oder Teil dieses Gehäuseabschnitts (5) ist, wobei der Träger (29) ein in Längsrichtung in einer Führung (30) verschiebbares Halteelement (31), in dem die zweite Beleuchtungseinrichtung fixierbar ist, aufweist, mit dem der axiale Abstand zwischen Objektivkopf (2) und Gegenlichtkopf (23) verstellbar ist.

17. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 16 dadurch gekennzeichnet, daß eine elektronisch, optisch oder magnetisch bildaufzeichnende, bildumwandelnde und/oder bildverarbeitende Einrichtung im Bereich der Okulareinheit (3) mittelbar oder unmittelbar bildübertragend ankoppelbar ist.

Die Antragstellerin hat am 23. Mai 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung des Gebrauchsmusters wegen fehlender Schutzfähigkeit iSv § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG beantragt.

Dem hat die Antragsgegnerin widersprochen.

Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 23. Juli 2002 das Gebrauchsmuster teilweise gelöscht, nämlich soweit es hinausgeht über Schutzanspruch 9 und die Schutzansprüche 10 bis 17, soweit sie auf Schutzanspruch 9 zurückbezogen sind.

Dagegen richten sich die Beschwerden beider Verfahrensbeteiligten.

Die Antragstellerin verweist zum Stand der Technik auf die folgenden Unterlagen:

E1 deutsches Gebrauchsmuster 74 707 01, E2 "Lupenlaryngo - Pharyngoskop" Firmenschrift der Firma Richard Wolf GmbH aus dem Jahr 1995, 2 Seiten, E3 "Technische Endoskopie für den industriellen Einsatz" Firmenschrift der Firma ELTROTEC Elektro GmbH aus dem Jahr 1995, 4 Seiten, E3.1 NN "Miniskop / Serie PKF" Firmenprospekt der Firma Eltrotec Sensor GmbH 7/93, 1 Seite, E3.2 NN "Starre Endoskope" Firmenprospekt der Firma Eltrotec Sensor-GmbH 7/97, 4 Seiten, E3.3 NN "Lokalisieren von Schäden mittels Endoskopie"

Betriebstechnik Bd 38 (1997) Heft 3, Seite 39.

E4 japanische Offenlegungsschrift 6-94429 mit Abstract und einerbeglaubigten Übersetzung, E5 deutsches Gebrauchsmuster 298 06 922, E6 eidesstattliche Versicherung des Herrn Michael Steiner von der Firma Richard Wolf GmbH betreffend Vorbenutzungshandlungen E7 japanische Offenlegungsschrift 04-047255 iVm dem zugehörigen Abstract sowie die E7a zugehörige Übersetzung der Antragstellerin, E8 US-Patentschrift 5 487 661 und E8a Vorder- und Rückseite eines katalogartigen Bestellflyers, der im April 1996 auf einer jährlich stattfindenden überregionalen Messe für Dentalprodukte in Anaheim, Kalifornien, USA verteilt worden ist.

Im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin weiter vorgetragen, der Gegenstand des Gebrauchsmusters sei offenkundig vorbenutzt worden. Nachdem die Antragsgegnerin diesen Vortrag als unsubstantiiert beanstandet und deswegen für unbeachtlich erklärt hat, hat die Antragstellerin diesen Teil ihres Sachvortrages in der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2004 nicht weiter verfolgt.

Die Antragstellerin beantragt, 1. den Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent und Markenamts vom 23. Juli 2002 insoweit aufzuheben, als darin der Löschungsantrag zurückgewiesen wurde, und das Gebrauchsmuster in vollem Umfang zu löschen;

2. die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt, 1. den Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Juli 2002 insoweit aufzuheben, als darin die Löschung des Gebrauchsmusters angeordnet wurde, und den Löschungsantrag der Antragstellerin vollständig zurückzuweisen;

2. die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

II Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist teilweise begründet, im übrigen ist sie unbegründet.

1) Die vorliegende Erfindung geht von dem Problem aus, daß die Kontrolle von Lötverbindungen bei SMD's (Surface Mounted Devices) oder BGA's (Ball Grid Arrays) insofern erschwert ist, als die Lötverbindungen durch das Bauelement selbst verdeckt sind. Die ansonsten üblichen Kontrollverfahren für Lötverbindungen, wie Funktionsprüfungen, Röntgenstrahluntersuchungen und zerstörende Schliffbildprüfungen, sind sehr aufwendig.

Nach der Beschreibung sind zwar im Bereich der Medizin und der Technik Endoskope mit Beleuchtungseinrichtungen bekannt, mit denen unzugängliche Räume optisch kontrollierbar sind. Die bekannten Endoskope weisen einen im wesentlichen rohrförmigen Aufbau auf, an dessen axialen äußeren Ende eine Ablenkeinheit mit Beleuchtung angeordnet sei, die den Lichtaustritt aus dem rohrförmigen Aufbau in Spaltrichtung bzw umgekehrt das Spaltbild in Richtung des Okulars umlenkt, vgl Beschreibung Seite 2, le Abs. Aufgrund ihrer Bauart - so die Beschreibung - ist jedoch der Einblick in Spalte geringer Höhe, insbesondere unterhalb von 1 mm, wie bei BGA's und SMD's, nicht möglich.

Ausgehend von derartigen Endoskopen liegt der Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine gattungsgemäße Vorrichtung zu schaffen, die in vergleichsweise einfacher und kostengünstiger Weise zerstörungsfrei die optische Inspektion insbesondere verdeckter Lötstellen ermöglicht, vgl Beschreibung Seite 3, Abs 2.

Hierbei kommt es wesentlich darauf an, daß bei der eine Okulareinheit (3), eine Bildübertragungseinheit und eine Beleuchtungseinrichtung (15, 16) aufweisenden Vorrichtung nach Schutzanspruch 1 der Objektivkopf (2) eine Bildablenkungseinrichtung (9) aufweist, die sich bis zum axial äußeren Ende des Objektivkopfs (2) erstreckt und die Beleuchtungseinrichtung (15, 16) in Richtung des Ablenkwinkels der Bildablenkungseinrichtung leuchtet und der Austrittsort des Lichts neben der Bildablenkungseinrichtung (9) im Bereich des axial äußeren Endes des Objektivkopfs (2) angeordnet ist.

2) Fachmann ist ein berufserfahrener Inspektionstechniker, nämlich ein mit der Entwicklung von technischen Endoskopen betrauter Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Elektrotechnik mit Hochschulabschluß, der über Kenntnisse von optischen Abbildungen und der Elektrotechnik verfügt.

3a) Die Schutzansprüche 1 bis 5 sind nicht schutzfähig iSv § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG. Für den Fachmann umfaßt die gemäß Schutzanspruch 1 vorgesehene Erstreckung der Bildablenkeinrichtung (9) bis zum axial äußeren Ende des Objektivkopfs (2) auch eine Erstreckung bis zum "geringen" Abstand zum axial äußeren Ende des Objektivkopfs, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Beschreibung zwischen diesen Umschreibungen keinen physisch festzumachenden Unterschied benennt, vgl Beschreibung Seite 2, le Abs und Seite 3, le Abs.

Aufgrund der unklaren und auslegungsbedürftigen Erstreckung der Bildablenkeinrichtung bis zum axial äußeren Ende des Objektivkopfs entnimmt der Fachmann der Entgegenhaltung E1 sämtliche Merkmale der Vorrichtung gemäß Schutzanspruch 1, vgl dort Figuren 1 bis 5 mit der zugehörigen Beschreibung, besonders vgl zur Okulareinheit (Okular 5), Objektivkopf (distales Endoskopende gemäß Figur 1), Bildübertragungseinheit (Optikrohr 2 oder Faseroptik gemäß Seite 10, Abs 2), Bildablenkungseinrichtung (Ablenkprisma 4), Beleuchtungseinrichtung (Lichtaustrittsfläche 9 beidseitig neben der Bildablenkeinrichtung).

Diese Entgegenhaltung nimmt auch die Gegenstände der Schutzansprüche 2 bis 4 neuheitsschädlich vorweg, vgl. dort in Figur 1 zum Schutzanspruch 2 die Beleuchtungseinrichtung (Lichtaustrittsfläche 9 beidseitig neben der Bildablenkeinrichtung), sowie zum Schutzanspruch 3 das Ablenkprisma (4) als Bildablenkungseinrichtung und zum Schutzanspruch 4 den Bildablenkwinkel von ca 90o.

Die Wahl eines geeigneten Tiefenschärfenbereichs gemäß Schutzanspruch 5 liegt bereits im Rahmen durchschnittlicher Fachkenntnisse und -tätigkeit des Fachmanns, weil es für ihn beim Einsatz von Abbildungsoptiken zur Routine gehört, geeignete Tiefenschärfenbereiche auszuwählen. Dabei ist es für ihn offensichtlich, daß eine vollständige Inspektion von verdeckten Lötverbindungen erst ab einem Tiefenschärfenbereich oberhalb der halben Bauteilgröße möglich ist.

3b) Abweichend von dem angegriffenen Beschluß ist dagegen bereits der Gegenstand des Schutzanspruches 6 schutzfähig iSv §§ 1 bis 3 GebrMG.

Die merkmalsmäßige physische Ausgestaltung der Vorrichtung gemäß Schutzanspruch 6 konkretisiert die Erstreckung der Bildumlenkeinrichtung bis zum axial äußeren Ende des Objektivkopfs dahingehend, daß das Ablenkprisma (9) oder der Ablenkspiegel in einer zum axial äußeren Ende des Objektivkopfs hin auslaufenden Ausnehmung (7), die beidseitig von flanschartigen, mit Beleuchtungseinrichtungen (15, 16) versehenen Stegen (13, 14) begrenzt ist, derart angeordnet ist, daß die untere Seitenkante des Ablenkprismas oder des Ablenkspiegels den Objektivkopf zum axial äußeren Ende abschließt.

Diese Vorrichtung ist neu, denn sie ist im belegten Stand der Technik nicht offenbart. Sie beruht auch auf einem erfinderischen Schritt iSv § 1 Abs 1 GebrMG.

Die Entgegenhaltung E1 offenbart eine Vorrichtung zur optischen Inspektion (Endoskop) von Objekten, insbesondere des Kehlkopfs, mit einer Okulareinheit (Okular 5), einem Objektivkopf (distales Endoskopende gemäß Figur 1), einer Bildübertragungseinheit (Optikrohr 2 oder Faseroptik gemäß Seite 10, Abs 2), einer Bildablenkungseinrichtung (Ablenkprisma 4) und einer Beleuchtungseinrichtung (Lichtaustrittsfläche 9 beidseitig neben der Bildablenkeinrichtung), wobei dort das Ablenkprisma (4) am distalen Ende des Optikrohres (2) angeordnet ist, vgl. dort die Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung. Weiter weist dieses Endoskop zwar ein Gehäuse des Objektivkopfs (vgl distales Ende des Endoskopschafts) auf, jedoch weist es keine beidseitig von flanschartigen, mit Beleuchtungseinrichtungen versehenen Stegen begrenzte Ausnehmung auf, in die das Ablenkprisma eingesetzt ist, dessen untere Seitenkante den Objektivkopf zum axial äußeren Ende hin abschließt.

Hierzu erhält der Fachmann auch keine Anregung aus dem übrigen Stand der Technik.

So sind den Entgegenhaltungen E2, E3, E3.1, E3.2, E3.3, E4 und E5 keine konstruktiven Details der Vorrichtungen zur optischen Inspektion hinsichtlich der speziellen Ausgestaltung des Objektivkopfs gemäß Schutzanspruch 6 entnehmbar, nämlich ein Objektivkopfgehäuse mit einer beidseitig von flanschartigen, mit Beleuchtungseinrichtungen versehenen Stegen begrenzte Ausnehmung, in die das Ablenkprisma eingesetzt ist, dessen untere Seitenkante den Objektivkopf zum axial äußeren Ende hin abschließt.

Die Entgegenhaltung E2 betrifft ein Lupenlaryngo-Pharyngoskop mit festverbundenen oder abnehmbaren Lichtleitkabeln und enthält lediglich Abbildungen, die keinerlei Konstruktionsmerkmale enthalten. Daher geht diese Entgegenhaltung nicht über die Entgegenhaltung E1 hinaus.

Die Entgegenhaltungen E3, E3.1, E3.2, E3.3, E4 und E5 betreffen technische Endoskope, von denen lediglich die Entgegenhaltungen E3.1, E3.2, E4 und E5 eine konstruktive Gestaltung der Beleuchtungseinrichtung beinhalten.

In der Entgegenhaltung E3.1 werden auf das distale Ende eines Miniskops Spiegelrohre aufgesetzt, die sowohl das Beleuchtungslicht als auch das reflektierte Abbildungslicht vom Objekt in vorgegebenen Winkeln umlenken. Zwar schließt hier das Umlenkprisma das distale Ende des Miniskops ab, jedoch ist in dieser Schrift eine zum distalen Ende auslaufende, beidseitig von flanschartigen, mit Beleuchtungseinrichtungen versehenen Stegen begrenzte Ausnehmung, in die das Prisma abschließend eingesetzt wird, nicht entnehmbar.

Ebenso verhält es sich mit der Entgegenhaltung E3.2. Diese Schrift offenbart zwar anhand einer Längsschnittsdarstellung auf Seite 2 oben den Verlauf der Lichtleitfasern innerhalb des Endoskoprohres, jedoch ist auch hier eine zum distalen Ende auslaufende Ausnehmung mit darin eingesetzten Ablenkprisma und einer Beleuchtungseinrichtung in den die Ausnehmung beidseitig begrenzenden, flanschartigen Stegen nicht entnehmbar.

Die Entgegenhaltung E4 offenbart ein Fiberscope (10) zur Inspektion von verdeckten Lötverbindungen (bump part 2) zwischen einer Leiterplatte (4) und einem elektronischen Bauteil (flip chip 1), bei dem das Halogenlicht (halogen illuminator 8) als Beleuchtungslicht und das reflektierte Abbildungslicht über die abgeschrägte Spitze des Fiberscopes (end of the fiberscope) abgestrahlt bzw. erfaßt wird, um mittels einer Bildverarbeitung die Qualität der Lötstellen zu prüfen, vgl. das englischsprachige Abstract sowie die Figur 1 mit der zugehörigen deutschsprachigen Übersetzung der Ansprüche 1 und 2 sowie der Beschreibung Absätze (0006) bis (0010).

Nachdem hier sowohl das Beleuchtungslicht als auch das Reflexionslicht über die Spitze des Fiberscopes (10) geleitet wird, schließt die Lehre der Entgegenhaltung E4 von vornherein aus, in beidseitig neben dem Fiberscope (10) angeordneten Stegen weitere Beleuchtungseinrichtungen vorzusehen, weil dort eine hinreichende Beleuchtung über das Fiberscope selbst erfolgt.

Die Entgegenhaltung E5 offenbart ebenfalls ein technisches Endoskop zur Rohrwandprüfung, vor dessen von einer Beleuchtungseinrichtung (Glasfaser 3) umgebenen Objektiv am axial äußeren distalen Ende ein herausfahrbares Ablenkprisma (4) angeordnet werden kann, um eine bis zu 70o abgewinkelte Blickrichtung zu ermöglichen, vgl dort den einzigen Schutzanspruch sowie die Figuren 1 bis 8 mit zugehöriger Beschreibung. Dieses Ablenkprisma dient gleichzeitig der Umlenkung des Beleuchtungslichts. Zwar schließt das Ablenkprisma (4) den Objektivkopf zum axial äußeren Ende ab, jedoch ist dort das Ablenkprisma (4) nicht in einer Ausnehmung des Objektivkopfs angeordnet, die beidseitig von flanschartigen, mit Beleuchtungseinrichtungen versehenen Stegen begrenzt ist.

Somit vermögen die Lehren der technische Endoskope betreffenden Entgegenhaltungen E3, E3.1, E3.2, E3.3, E4 und E5 dem Fachmann keine Hinweise auf die spezielle Ausgestaltung des Objektivkopf gemäß Schutzanspruch 6 zu geben.

Die Entgegenhaltung E7 iVm deren Übersetzungen E7a und E7b offenbart eine Vorrichtung zur optischen Inspektion von verdeckten Lötverbindungen (BGA) mit einem Gehäuse (5), das eine erste und eine zweite Fernsehkamera (2a, 2b) sowie eine Lichtleitfaser (1) trägt. Das aus der einzigen Lichtleitfaser (1) kommende Licht wird über einen ersten Reflexionsspiegel (3a), einen Halbspiegel (4) und einen zweiten Reflexionsspiegel (3b) geleitet, um die Lötverbindungen (Anschlußteile 7) zu beleuchten und deren Bild mittels der ersten Fernsehkamera (2a) aufzunehmen oder beim Durchlichtbetrieb das Durchlicht mittels des dritten Reflexionsspiegels (3c) zur zweiten Fernsehkamera (2b) zu reflektieren.

Diese Vorrichtung weist zwar am axial äußeren Ende des Gehäuses (5) zweite und dritte Ablenkeinrichtungen (3b, 3c) auf, die jedoch nicht in einer Ausnehmung angeordnet sind, die am axial äußeren Ende eines Objektivkopfs beidseitig von flanschartigen, mit Beleuchtungseinrichtungen versehenen Stegen begrenzt ist.

Da auch die Entgegenhaltung E8 (vgl Figuren 2, 3 und 6) nicht über den Inhalt der Entgegenhaltung E1 hinausgeht, erhält der Fachmann aus dem druckschriftlich belegten Stand der Technik keine Anregung, eine optische Inspektionsvorrichtung mit den Merkmalen des Schutzanspruchs 6 auszubilden.

Aus der Schutzfähigkeit des Schutzanspruches 6 folgt die Schutzfähigkeit der Unteransprüche 7 bis 17, soweit diese auf Schutzanspruch 6 direkt oder indirekt zurückbezogen sind. Soweit die Unteransprüche 7 bis 17 auf die nicht schutzfähigen Schutzansprüche 1 bis 5 rückbezogen sind, sind sie wie diese löschungsreif.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs 1 Satz 1 ZPO iVm § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG und § 84 Abs. 2 PatG. Billigkeitserwägungen erfordern keine abweichende Entscheidung.

Werner Gottschalk Lokys Pr






BPatG:
Beschluss v. 11.08.2004
Az: 5 W (pat) 452/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7ae7797021d0/BPatG_Beschluss_vom_11-August-2004_Az_5-W-pat-452-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share